In der Chemieindustrie weiß man, wie teuer und unsinnig eine Produktion mit Hilfe der Elektrolyse ist. Wasserstoff wird deshalb aus Erdgas hergestellt, das sowohl die Energie als auch den Ausgangsstoff dafür liefert. Freiwillig investieren will niemand in solche Utopien. Deshalb werden Elektrolyse-Pilotanlagen mit Steuergeldern finanziert.

Von Holger Douglas

Wasserstoff heißt die neue Wunderwaffe, die Deutschland retten soll. Das Land setzt bekanntlich die Energiewende durch und steht kurz vor dem energiepolitischen Desaster. Grüne haben mit Begeisterung Kraftwerke zerschlagen und Kühltürme in die Luft gesprengt, CDU/CSU, SPD, Grüne haben Strom so teuer gemacht, dass die Industrie abwandert und Bürger immer ärmer werden.

Da muss eine Wunderwaffe her. Dazu ist das arme Wasserstoffmolekül avanciert, das häufigste Element und das leichteste. Es kommt allerdings nur in chemisch an andere Elemente gebundener Form vor. Damit beginnen die Probleme. Um diese Verbindung zu knacken, ist Energie notwendig.

Aus dem Schulunterricht haben wir noch den Elektrolyse-Versuch des Lehrers in dunkler Erinnerung, wie sich aus Wasser Sauerstoff und Wasserstoff machen lässt. Nur Strom ist dafür notwendig. Und der fällt ja künftig kostenlos an, wenn nur das Land mit Windrädern zugepflastert ist. So kommt immer wieder gebetsmühlenartig der Wasserstoff in Zukunftsszenarien hervor und die Idee, mit Hilfe von Sonnenlicht und Wind Wasserstoff zu erzeugen.

Leider hat der Lehrer meist darauf verzichtet, eine Elektrolyse-Bilanz aufzustellen und auszurechnen, was am Ende übrigbleibt. Da kommt nämlich das große Nichts heraus, und der Effekt des Versuchs wäre dahingeschmolzen. Das konnte allerdings die Bundesregierung nicht davon abhalten, auf Wasserstoff zu setzen.

»Zahlreiche Stimmen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Politik, einschließlich der Bundesregierung und der Europäischen Kommission« erachten, so lautet es in einer Schrift des Bundestages über den »Wasserstoffbedarf«, den Einsatz von Wasserstoff (H2) als Schlüsseltechnologie für die Energiewende und den Klimaschutz. Voraussetzung ist, dass der Wasserstoff ausschließlich mithilfe „Erneuerbarer Energien“ gewonnen wird und damit „grün“ ist.

Im Juni 2020 hat das Kabinett eine »Nationale Wasserstoffstrategie« beschlossen. Das klingt nach Ziel und Plan, doch wenn so etwas wie ein Nationaler Wasserstoffrat eingesetzt wird, müssen angesichts solch bombastischer Namen alle Alarmglocken läuten. Da gibt es tatsächlich eine »Leitstelle Wasserstoff«, die offenbar nur die richtigen Knöpfe drücken muss, um die »Wasserstoffwirtschaft« wie Züge auf der Modellbahn »hochlaufen« zu lassen.

Die üblichen Verdächtigen der Katastrophensirenen sitzen drin wie »Klima Allianz Deutschland« oder der BUND. Natürlich gehört auch jemand aus der unheilvollen Graichen-Sippe dazu: Verena Graichen, die Schwester des ehemaligen Habeck-Staatssekretärs Patrick Graichen. Mehr grüner Filz geht kaum. Auch eine Veronika Grimm, gern als Wirtschaftsweise präsentiert, betont als Mitglied des »Nationalen Wasserstoffrates« immer wieder die Bedeutung des Wasserstoffs in der Energiewende.

Mit dabei sind natürlich auch Abgesandte von Siemens Energy AG, MAN Energy Solutions und Daimler Truck AG, die aufpassen müssen, dass noch genügend Subventions-Milliarden der Nettosteuerzahler bei ihnen hängenbleiben. Deren Ingenieure rechnen ihnen zwar die Unsinnigkeit aus naturwissenschaftlicher Sicht vor, aber solange solcherlei Gedanken im internen Rahmen bleiben, spielen sie keine Rolle. Nach außen muss es nur so von »Zukunft«, »Hochlauf« und »Klimaschutz« dröhnen.

Mit den seit Jahrzehnten immer wieder aufkeimenden Träumen, Wasserstoff als Autoantrieb zu benutzen, hatten wir uns schon einmal beschäftigt. Solange öffentliche Gelder fließen, ist alles gut. Danach werden die Versuchsautos wieder eingemottet.

Auch Stahlhersteller Thyssen-Krupp zeigt sich nach außen hin begeistert und bejubelt die verrückte Idee, Wasserstoff in der Stahlproduktion einzusetzen. Kein Wunder, hat doch Habeck Zuschüsse für den Bau einer Wasserstoff-Direktreduzierungsanlage zur Gewinnung von Stahl zugesagt – natürlich in Milliardenhöhe. Je weniger die Protagonisten etwas von Geld verstehen und wissen, wie mühsam es verdient werden muss, desto leichter fließen die Milliardenbeträge.

Hauptsache, das Geld ist weg. Niemand weiß, woher die Mengen an Wasserstoff kommen sollen und wie teuer der Stahl hinterher wird. Vermutlich liegen die Preise weit über dem Weltmarkt, aber dann dürften wieder Milliarden an Zuschüssen fließen – für die Übergangszeit ins grüne Paradies.

Die »Wunderwaffe« Wasserstoff ist alt. Allerdings galt sie in früheren Zeiten nicht als Wunderwaffe, sondern sie wurde nüchtern betrachtet. Das begann mit Henry Cavendish (1731–1810). Der hätte sich wohl in seinen kühnsten Träumen nie vorstellen können, dass mal von so etwas wie einer Wasserstoffwirtschaft geredet wird. Er war zwar ein schrulliger Naturwissenschaftler, aber so schrullig nun auch wiederum nicht, dass ihm eingefallen wäre, Wasserstoff als wichtigsten Energieträger einzuführen, dazu noch mit dem unsinnigen Modelabel »CO2-frei« etikettiert. Gelächter ausgelöst hätte es bei ihm, hätte er den Spruch vom »Zeitalter einer Wasserstoffwirtschaft« gehört, der gerade losgelassen wird.

Zuvor – 1671 – hatte bereits Robert Boyle die Reaktion von Schwefelsäure mit Eisenpulver mit der Bildung eines »leicht brennbaren Dampfes« beschrieben, eben Wasser. Cavendish hatte dann 1766 reinen Wasserstoff als erster isolieren und zeigen können, dass es ein chemisch nicht weiter teilbares Element ist. Als nüchterner Naturforscher war sein Prinzip »beobachten, messen und Fakten sammeln«. Wasserstoff produziert bei der Verbrennung mit Sauerstoff Wasser.

20 Jahre später wollte in Paris der schon damals bedeutende französische Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier zeigen, dass bei chemischen Reaktionen keine Masse verloren geht und erhitzte Wasser in einem abgeschlossenen System. Er ließ das entstandene Wasserstoffgas knallen, erschreckte mit »Knallgasexplosionen« sein Publikum. »Hydro-gène«, »wasserproduzierend« nannte er das Gas. Beiden Naturwissenschaftlern gemein war, dass sie sich nicht nur dafür interessierten, dass etwas funktioniert. Entscheidend ist vielmehr: Wie viel kommt dabei heraus? Wie sehen Massenbilanzen und Reaktionsgleichungen aus? Lavoisier war bekannt dafür, dass er Messmethoden für Massen und Gewichte entwickelte und peinlich genau bei jedem Experiment seine Messergebnisse aufzeichnete. Fakten als Grundlage für Erkenntnisse und Schlussfolgerungen.

Genau das unterscheidet sie von heutigen Berliner Energiewendern und Propagandisten einer Wasserstoffwirtschaft. Die ehernen Regeln gelten heute zunehmend als veraltet. Wissenschaft und Technik haben sich dem Politwillen zu unterwerfen, und der ist im Zweifel »grün«.

Nachzutragen ist, dass die fanatischen französischen Revolutionäre mit dem Jahrhundertkopf Antoine de Lavoisier einen der führenden Wissenschaftler der damaligen Zeit guillotinierten. Der blindwütige Richter des Revolutionstribunals soll bei dem Schnellverfahren erklärt haben: »Die Republik braucht keine Wissenschaftler, ein einziger Mann von Geist an der Spitze des Staates reicht.«

Wasserstoff ist sehr gut erforscht. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Moleküls sind seit langem wohlbekannt. In der Chemieindustrie gehört dieses Element zu den wichtigsten Stoffen und wird sehr häufig für Synthesen oder als Reduktionsmittel benutzt. Die Molekülmasse von Wasser beträgt etwa 18 Gramm pro Mol, und die Molekülmasse von Wasserstoff beträgt etwa 2 Gramm pro Mol. Das bedeutet, dass für die Herstellung von einem Mol Wasserstoff (etwa 2 Gramm) aus Wasser etwa 9 Gramm Wasser (H2O) benötigt werden. Um beispielsweise 100 Gramm Wasserstoff herzustellen, benötigt man etwa 450 Gramm Wasser (H2O). Sehr folgenreich für eine Wasserstoff-Produktion.

Wo soll also der Wasserstoff herkommen? Der kommt nicht aus der Erde wie die Energieträger Kohle, Öl oder Gas, sondern muss erst erzeugt werden; das kostet Energie, viel Energie sogar. »Überschüssiger« Strom soll in Wasserstoff umgewandelt werden, heißt es. Hauptsache, der Strom ist »grün«.

In der Chemieindustrie weiß man, wie teuer und unsinnig eine Produktion mit Hilfe der Elektrolyse ist. Wasserstoff wird deshalb aus Erdgas hergestellt, das sowohl die Energie als auch den Ausgangsstoff dafür liefert. Freiwillig investieren will natürlich niemand in solche Utopien, deshalb werden Elektrolyse-Pilotanlagen von unser aller Steuergeld finanziert.

Unsinniger Elektrolyse-Prozess

Nach Berechnungen des Stromverbraucher-Schutzes NAEB summieren sich die Verluste auf mindestens 80 Prozent. Wenn nicht mehr. Der Elektrolyse-Prozess selbst verschlingt bereits 40 Prozent der ursprünglichen Energie, die Chinesen geben für ihre Anlagen sogar 50 Prozent Energieverluste an.

Die Idee, Photovoltaik-Anlagen in die Wüste zu stellen, und mit diesem Strom Wasserstoff zu produzieren, zeugt ebenfalls nicht von allzugroßer Hellsicht. Es werden enorme Mengen an Wasser benötigt. Wenn schon im mit Wasser reichlich gesegneten Berlin von Wasserarmut geredet wird, was soll man dann in der Wüste sagen?

Millionen Tonnen an reinstem Wasser müssen dorthin transportiert werden. Meerwasser darf es nicht sein, nicht nur, weil Anlagen, vor allem Elektroden, sehr schnell korrodieren, unter anderem würde als Nebenprodukt an der Anode Chlorgas freigesetzt. Das wiederum ist giftig, reizt Atemwege und wurde im Ersten Weltkrieg als chemisches Kampfgas eingesetzt.

Der Wasserstoff müsste ferner für den Transport verflüssigt werden. Er hat in flüssigem Zustand immerhin das 23-fache Volumen von verflüssigtem Erdgas (LNG), entsprechend teuer ist also der Transport. Das bedeutet unter dem Strich ein Nullsummenspiel, rechnet Prof. Hans-Günter Appel vom NAEB vor. Denn ja, im Gegensatz zum grünen Berlin kann man berechnen, was am Ende herauskommt und wie teuer das wird.

Aus neun Kilogramm Wasser werden ein Kilogramm Wasserstoff und acht Kilogramm Sauerstoff. Hier ist bei der Verarbeitung reichlich Vorsicht geboten, sowohl Wasserstoff als auch Sauerstoff können ordentlich knallen. Welcher »Wumms« dahinter steckt, lässt sich anschaulich mit Raketenstarts illustrieren.

Auch der Physiker Ulf Bosselt rechnete bereits 2010 vor, dass Wasserstoff keine Energieprobleme löste (Leibniz-Institut 2010). Bei ihm muss man hinzufügen: Der gilt als einer der Erfinder der »Energiewende«. Bei seiner Rechnung »Was bleibt am Ende übrig?« setzt er für die Kompression des Wasserstoffs für den Transport auf 200 bar den Energieverlust mit sieben Prozent an. Den Energieaufwand für den Transport über rund 2.000 Kilometer hat er damals mit 15 Prozent angesetzt.

Den vergleichsweise geringen Energiegehalt von Wasserstoff illustriert Bosselt mit der Gegenüberstellung eines 40-Tonnen-Tankwagens, der Benzin transportiert. Um die gleiche Energiemenge zu transportieren, müssen 12 Wasserstoff-Druckgas-Tankwagen über die Straßen rollen.

Als Nachhilfe für Berliner Wasserstoff-Träumer dient Bosselts Darstellung über die Dimension des Energieproblems anhand des Frankfurter Flughafens. Wenn ein Jumbo-Jet 130 Tonnen Kerosin tankt, entspricht dies 50 Tonnen flüssigem Wasserstoff. Etwa 50 Jumbo-Jets werden dort abgefertigt – am Tag. Dafür würden 2.500 Tonnen flüssigen Wasserstoffs benötigt. Die müssten aus 22.500 Kubikmeter Wasser hergestellt werden. Um den Strom dafür zu liefern, müssten acht Kraftwerke mit einer Leistung von je einem Gigawatt auf vollen Touren laufen.

Würden alle 520 Flugzeuge am Tag mit Wasserstoff betankt werden, bleibt für die Stadt Frankfurt nicht mehr viel übrig: Das entspricht dem gesamten Wasserverbrauch der Stadt und dem Strom von 25 Kernkraftwerken. Selbst Energiewende-Fan Bosselt kommt zu dem Schluss: »Wasserstoff verhindert die Energiewende«. Der Wirkungsgrad ist einfach miserabel. »Energieprobleme können nicht durch Substitution fossiler Kraftstoffe durch Wasserstoffe gelöst werden!« Der Energiewende-Fan fordert nachdrücklich dazu auf: »Bitte Spekulationen über Wasserstoffimporte beenden!«

Es ist alles bekannt, die Energiebilanzen durchgerechnet und trotzdem

Der grüne Traum: Der überflüssige Strom aus Windrädern und Photovoltaikanlagen solle für die Produktion von Wasserstoff verwendet werden. Doch Wind und vor allem Sonne tun ihnen nicht den Gefallen, rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Die teuren Industrieanlagen werden also nur über sehr eingeschränkte Zeiten genutzt. Das kostet ebenfalls.

Völlig offen also, woher die gigantischen Strommengen herkommen sollen, um den vollkommen unwirtschaftlichen Elektrolyse-Prozess anzutreiben. Nicht umsonst kam in den 1980er Jahren die Idee einer Wasserstoffproduktion auf, als die Kernkraftwerke gebaut wurden. Die liefern solch hohe Energiemengen, dass mit diesem Strom Wasserstoff hätte produziert werden können. Später dann kam die Kerntechnik in Verruf. Dann sollte es die scheinbar sanfte Sonne richten, so zumindest die Idee Ludwig Bölkows nach all den frühen Jahren, in denen er Technik für den Krieg entwickelte.

Der Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, Klaus Maier, der auch in einem kleinen Büchlein eine »Abrechnung mit der Energiewende – Der Energiewende-Check« geschrieben hat, rechnete in seiner gutachterlichen Stellungnahme zum »Hessischen Wasserstoffzukunftsgesetz« vor, was »Wasserstoffwirtschaft« wirklich kostet: »Die Endenergie Wasserstoff ist vier bis fünf Mal teurer als die bewährten fossilen Kraftstoffe (Benzin, Diesel, Kerosin, Heizöl, Erdgas). Das führt dazu, dass volkswirtschaftliche Mehrkosten von jährlich 200 Mrd. Euro allein für Wasserstoff entstehen würden.«

Als gestandener Ingenieur denkt Maier auch daran, dass solche Anlagen gewartet werden müssen und auch einmal kaputtgehen. Auch das kostet: »Zur Ehrlichkeit gehört zu sagen, dass auch nach den immensen Investitionen von wenigstens 7 Billionen Euro bis 2050 weiterhin jährliche Mehrkosten für Wartung, Betrieb und Erneuerung in dreistelliger Milliardenhöhe für Deutschland aufgebracht werden müssen.«

Wasserstoff – wenn Milliarden keine Rolle mehr spielen.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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