Selten sorgte ein zurückgetreten-wordener Staatssekretär für so viel politische Bewegung. Der Entwurf eines Gebäudeenergiegesetzes wirkt wie die Rache Graichens und könnte zum Kipppunkt grünroter Staatsdoktrin werden. Unterdessen sinkt das Niveau der Bundestagssitzungen immer mehr.

Von Frank Hennig

Pünktlich zur Sommerpause wollte die Ampelregierung eilig zwei Gesetzentwürfe durch den Bundestag schieben, die in der deutschen Parlamentsgeschichte ganz besondere sind. Gelungen ist es bei beiden nicht.

Zum einen ging es um das „Energieeffizienzgesetz (EnEfG)“. Dieses ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass etwas anderes drin- als draufsteht. Um Effizienz geht es nur am Rande, im Mittelpunkt steht die Senkung des Energieverbrauchs bis hin zu dessen Deckelung. Das Ganze verpackt in ein hochbürokratisches Verfahren mit Zielzahlen, mit Auflagen und Berichtspflichten sowie Zwang zu zertifizierten Managementsystemen. Speziell ins Visier genommen wurden dabei die Betreiber von Rechenzentren. Diese stehen zwar für nur drei Prozent des Stromverbrauchs, erfreuen sich aber besonderer staatlicher Beachtung.

Der Zwang zur Nutzung der Niedertemperatur-Abwärme errichtet für die Betreiber der Rechenzentren eine große Hürde. Die Abwärmenutzung soll festgeschrieben werden, bevor es die kommunalen Wärmeplanungen gibt. Auch dies ein Strickfehler, geschuldet der Hast im Verfahren. Die hessische Ministerin für Digitales, Dr. Kristina Sinemus, stellte im Plenum nochmals die sich ergebenden Probleme für die besonders in ihrem Bundesland gelegenen Rechenzentren dar, auch das half nicht gegen den regierenden Starrsinn.

Absehbare Folge dieses Gesetzes wird sein, dass in Deutschland kaum noch Rechenzentren gebaut werden. Vollmundige Ankündigungen zur schnellen Digitalisierung im fortschrittsgrünen Deutschland werden sich nicht erfüllen. Man wird im Ausland rechnen lassen müssen, allen deutschen Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes zum Trotz.

Die Abstimmung scheiterte, da dieser letzte Tagesordnungspunkt vor der Sommerpause für viele Abgeordnete offenbar nicht mehr interessant genug war und die Beschlussfähigkeit nicht mehr erreicht wurde. Obwohl die dürftige Teilnehmerzahl schon rein optisch erkennbar war, bedurfte es einer Intervention der AfD, per Hammelsprung die Nicht-Beschlussfähigkeit feststellen zu lassen. Nur 241 der nötigen 50 Prozent der Mandatsträger (369) waren noch anwesend. Es bleibt die Frage: Bundestag – Kindergarten oder Laienspielgruppe? Wie ernst nehmen Leute mit fünfstelligen steuerfinanzierten Gehältern und zahlreichen weiteren Privilegien ihre Aufgabe?

Die Klimarettungsillusion

Der Versuch, das „Gebäudeenergiegesetz (GEG)“ über eine Formulierungshilfe noch schneller durchzudrücken, ist hingegen am Bundesverfassungsgericht vorerst gescheitert. Im Vergleich zu seinem ersten Entwurf war es zwar abgeschwächt und quergewaschen worden, es blieb aber unübersichtlich und voller offener Fragen. Es wäre vor allem hinsichtlich der Emissionen weitgehend wirkungslos. Ein halber Werktag und ein Wochenende blieben Parlamentariern und Sachverständigen Zeit zur Vorbereitung auf eine öffentliche Anhörung. Dort wurden im Grunde mehr Fragen gestellt als Antworten gegeben.

In seiner Stellungnahme wies der Sachverständige Professor Fritz Söllner von der Technischen Universität Ilmenau nach, dass der Einsatz von Wärmepumpen bei einem Strommix von 2021 eine CO2-Ersparnis von ganzen sieben Prozent gegenüber Gas-Brennwertheizungen bringen würde. Sektorziele vor dem Hintergrund des europäischen Emissionshandels seien ohnehin unwirtschaftlich und auch unökologisch, eine Regulierung sei bereits durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) von 2021 gegeben. Erhellend ist seine Darstellung der gegenläufigen Wirkung nationaler Maßnahmen zum internationalen Emissionshandel. Wird eine Emissionssenkung zum Beispiel durch den Einsatz von mehr Wärmepumpen wirklich erreicht, entlastet das die Zertifikatepreise, verringert aber nicht deren Volumen. Am Ende bleiben die Emissionen unverändert. Die Ersparnis im Gebäudesektor würde man sich zu spezifischen Kosten von über 1.800 Euro pro Tonne erkaufen, der Effekt würde über den internationalen Handel wieder verpuffen. Die Zertifikatepreise liegen derzeit bei etwa 90 Euro pro Tonne.

Die Regierung ist buchstäblich auf der Jagd nach jedem Kilogramm CO2. Über das GEG könnten nach Regierungsangaben 42,5 Millionen Tonnen des Treibhausgases gespart werden – bis 2030. Wie wahrscheinlich ist es, dass 80 Prozent „Erneuerbare“ im Strommix von 2030 erreicht werden? Die Emissionen werden zunächst steigen, der Weiterbetrieb der letzten drei Kernkraftwerke hätte jährlich 20 bis 30 Millionen Tonnen des Treibhausgases vermieden. Minister Habeck kündigte an, dass die beiden zur Stilllegung vorgesehenen 500-Megawatt-Braunkohleblöcke E und F im Kraftwerk Jänschwalde im kommenden Winter wieder gebraucht werden. Nehmen wir an, sie laufen über acht Wochen auf Volllast, so wären das zusätzliche 1,4 Millionen Tonnen CO2.

Nun sollen noch zahlreiche Gaskraftwerke gebaut werden, was derzeit noch von der EU verhindert wird, aber dringend notwendig wäre und die vor allem zeitnah gebraucht würden. Deren Emissionen überkompensieren jegliche Einsparungen im Gebäudebereich. So lässt sich das globale Klima nicht „retten“ und am Ende schafft das GEG nur Verlierer.

Was kostet die Welt?

Die Regierung bleibt sich treu darin, CO2-Emissionen senken zu wollen, koste es, was es wolle. Bisher warf die Ampel dafür mit Steuergeld um sich. Nach 23 Jahren des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) wird die bisherige Umlage auf den Strompreis inzwischen durch Steuergeld finanziert. Nach 23 Jahren ist es nicht gelungen, die Windkraft marktfähig zu machen. Weil der Wind zwar keine Rechnung schickt, aber das Einsammeln der Energie bewegter Luft über große Flächen seinen Preis hat, musste der Höchstwert der Auktionen von 5,88 auf 7,35 Cent pro Kilowattstunde erhöht werden. Das hinderte Kanzler Scholz nicht daran, in der Regierungsbefragung am 5. Juli von künftig stark sinkenden Strompreisen zu sprechen. Mehr Realitätsverdrängung ist selten. Dem Gesetzentwurf liegt auch der Vorwand zu Grunde, man müsse die Bürger vor stark steigenden Öl- und Gaspreisen „schützen“ – für die man selbst nach Kräften sorgt durch die Anhebung des CO2-Preises von 30 auf 35 Euro pro Tonne zum 1. Januar 2024. Der Anstieg des Strompreises ist hingegen völlig unkalkulierbar, aber unvermeidlich.

Der Gesetzentwurf ist der lange Schatten Graichens. Wohl noch nie hat ein Staatssekretär in seiner Ahnungslosigkeit und Arroganz in so kurzer Zeit so viel gesellschaftlichen Schaden angerichtet. Minister Habeck hat einen gefestigten grünen Klassenstandpunkt, er wird den Gesetzentwurf nicht einkassieren, was die einzig richtige Reaktion wäre. Nach dem erzwungenen Rausschmiss des Sekretärs war das Festhalten am verkorksten Gesetzentwurf ideologische grüne Pflicht, ansonsten drohte das Eingeständnis des Versagens – nicht nur Graichens.

Mit dem GEG versuchen die Grünen, ihren totalitären Politikstil in der Regierung umzusetzen. Wie schon die baden-württembergische Landesvorsitzende Sandra Detzer am 20. November 2021 in der WELT sagte: „Wo wir Grünen an die Schalthebel der Macht kommen, werden wir nicht mehr verhandeln.“ Noch Fragen?

Das Kalkül, den Gesetzentwurf vor der Sommerpause durchzuziehen, um die katastrophalen politischen wie handwerklichen Fehler in der Gesetzgebung dem Vergessen anheimfallen zu lassen, wird dieses Mal nicht aufgehen. Bisher gab es die erfolgreiche Praxis, ausreichend lange vor Wahlen Nebenschauplätze zu eröffnen und Versprechen abzugeben. In der Tat neigt offenbar die Mehrheit der Bevölkerung dazu, die politischen Fehlentscheidungen einer Legislaturperiode am nächsten Wahltag wieder vergessen zu haben. Das Gedächtnis ist löchrig, so gesehen ist Olaf Scholz einer von uns.

Das störrische Wahlvolk

Bei den nächsten Wahlen wird es anders sein. Die Regierung will per GEG über das persönliche Vermögen der Bürger bestimmen und sie zwingen, es zu Zwecken einer vermeintlichen globalen Klimarettung auszugeben. Teils jahrzehntelang erspartes und erarbeitetes Vermögen soll nicht mehr den persönlichen Entscheidungen der Bürger überlassen bleiben, sondern von der langen Kralle des übergriffigen Staates ausgekehrt werden.

Die eigene Immobilie als Altersvorsorge droht zum Risiko und zum Fass ohne Boden zu werden. Ein Verkauf wird mit Wertverlust verbunden sein. Und wo soll man dann wohnen? Die Bundesregierung wird ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen in diesem Jahr krachend verfehlen und für die nächsten Jahre kann man auf Grund der bekannten Probleme nicht optimistisch sein.
Steigende Energiepreise sowie der Schatten der EU-Gebäuderichtlinie, die bis 2030 einen großen Teil der Gebäude zu Sanierungsfällen machen wird, verdunkeln ehemals etablierten Immobilienbesitzern, Omas mit ihrem Häuschen und am Ende auch Mietern die Zukunft. All dies wird das Wahlvolk nicht an der Urne vergessen, auch wenn es in Bayern und Hessen um Landespolitik geht. Wähler suchen Schuldige wie Politiker auch.

Warum überhaupt dieses Gesetz in dieser Eile, was steckt dahinter? Dass wir das globale Klima durch solche Gesetzeswerke nicht retten können, ist auch den Initiatoren klar. In Wahrheit soll immer mehr Geld der Bürger in „all-electric“ sowie den Energie- und Klimafonds fließen, um dann, begleitet von der immerwährenden Forderung „wir brauchen mehr Erneuerbare“, dieses Geld in genau diese Branche umzuleiten. Die Ansage, das Geld würde an die Bürger zurückgegeben (was ohnehin ein bürokratisches Rechte-Tasche-Linke-Tasche wäre) stammt noch aus dem vergangenen Wahlkampf und ist mit Ausnahme diverser „Bremsen“ nie umgesetzt worden. Desgleichen die Absicht, die Stromsteuer oder andere Steuern und Abgaben auf den Strompreis senken zu wollen.

Nach der Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts wäre die einzig richtige Entscheidung, den Gesetzentwurf komplett vom Tisch zu nehmen. Er ist angesichts der erwartbaren geringfügigen Emissionssenkungen und der immensen Kosten und Nachteile völlig kontraproduktiv. Es ist Unsinn, das Haus zur Heizung passend machen zu wollen, anstelle für jedes Haus die optimale Heizung zu finden. „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Diesen Spruch Montesqiueus sollte man auch aus Gründen des Bürokratieabbaus beherzigen.

Kann man der verunsicherten Bevölkerung etwas raten? Keinesfalls sollten überstürzte Entscheidungen getroffen werden, diese könnten sich als falsch erweisen. Gelassenheit sollte vorherrschen, die Südeuropäer machen es uns vor. Eine Heizungspolizei wird selbst in Deutschland nicht durchsetzbar sein. Hektisch gezimmerte nationale Gesetze werden eine überschaubare Halbwertzeit haben. Die Gesetzgebungsmaschinerie ist zu jähen Wendungen fähig. Von der Subventionierung der Gasbrennwerttechnik bis zu deren beabsichtigtem Verbot hätten nach dem Willen des Klimaministeriums ganze 16 Monate gelegen. Das GEG wird im Herbst beschlossen werden, vermutlich kaum besser als der jetzige Entwurf. Der Souverän sollte Ruhe bewahren. Im Fußball ist der flache Ball der sichere. Die nächsten Bundestagswahlen finden 2025 statt.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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