von Hans Hofmann-Reinecke

Vor ein paar Tagen scheiterte zum wiederholten Male ein Testflug des „Starship“ der Firma Spacex. Das ist erstaunlich, denn vor zwei Generationen war es noch möglich derartige Raketen zu bauen und damit zum Mond zu fliegen. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Haben wir vielleicht etwas verlernt?

Landung auf dem Hinterteil

Jüngere Generationen verfügen oft über Erkenntnisse, Methoden und Hilfsmittel, von denen ihre Väter keine Ahnung hatten. Das macht Dinge möglich die früher unerreichbar schienen. Dieser Prozeß, genannt „Fortschritt“, ist jedoch keineswegs garantiert. Es geht nicht immer nur voran, und Errungenschaften der Vergangenheit können durchaus verloren gehen. Dinge die gestern möglich waren, werden dann heute schwierig oder unerreichbar.

Spacex, die Firma eines Mannes von außerirdischer Intelligenz und Schaffenskraft, ist kurz vor der Fertigstellung eines geräumigen Vehikels für Routineflüge zu Mond und Mars. Zusammen mit seinem „Booster“ ist das Starship etwas größer als die alte Saturn V-Rakete, mir der Neil Armstrong zum Mond geflogen war. Allerdings sollen Starship und Booster nach getaner Arbeit wieder unversehrt auf ihrem Hinterteil landen, während man die ausgebrannten Saturn V damals in den Ozean plumpsen ließ.

Doch Starship ist heute noch nicht einsatzbereit. Die Mehrzahl der bisherigen Starts waren leider Fehlschläge. Insbesondere beim heiß erwarteten Test am 20. April geriet die komplette 120 m hohe Booster-Starship-Kombination nach wenigen Minuten außer Kontrolle und wurde sicherheitshalber in 40 km Höhe gesprengt.

Die Saturn V hatte im November 1967 ihren ersten Start. Keine zwei Jahre später brachte sie Apollo 11 auf den Mond. Insgesamt sind Saturn V-Raketen zwölf mal gestartet und waren zwölf mal erfolgreich.

David Copperfield und Stanley Kubrick

Das fand vor mehr als einem halben Jahrhundert statt, also vor zwei Generationen. Wieso konnten die das damals machen? Noch dazu wo es damals noch kaum Computer gab. Vielleicht war das Ganze ja ein Schwindel! Die waren gar nicht auf dem Mond! Wahrscheinlich hat David Copperfield die Raketen in Cape Canaveral vor dem staunenden Publikum verschwinden lassen, so wie die Freiheitsstatue in New York, und der Rest der Mondfahrt war dann ein Film von Stanley Kubrick.

Solche Überlegungen kommen oft von Personen, die sich nicht vorstellen können, dass die Kerle bei NASA und Co. damals einfach besser waren als heute. Die „Intangible Assets“ von damals waren den „Tangible Assets“ von heute überlegen. Ihre unsichtbaren Stärken waren wichtiger für den Erfolg, als es die heute verfügbaren technischen Hilfsmittel sind.

Computer

Drei der genialsten Schöpfungen der Luftfahrt stammen aus jener Epoche, aus den 60er Jahren: Concorde, die Göttin der Lüfte – leider nicht ökonomisch, aber welche Göttin ist das schon; die SR71 Blackbird, ein Spionageflugzeug, mit einer Top Speed von sage und schreibe einem Kilometer pro Sekunde; und der Jumbo, der sympathische Elefant, der bis vor Kurzem noch bei Boeing vom Band lief, fast 60 Jahre nach seiner Entstehung. Sie alle wurden auf dem Reißbrett gezeichnet und mit Rechenschiebern berechnet. Und so auch die Saturn V-Mondrakete.

Erst später verbreitete sich Computer Aided Design, und erst viel später das Herstellen von Bauteilen durch Drucken in drei Dimensionen.

Wir alle haben selbst schon erfahren, daß Computer ein Fluch oder ein Segen sein können, oder irgendwo dazwischen. Manchmal verlangt ihre Bedienung schon so viel von uns, daß für die eigentliche Aufgabe nur wenig Aufmerksamkeit übrig bleibt. Eines ist also sehr wahrscheinlich: der ehemalige Ingenieur war dem Objekt seiner Schöpfung am Reißbrett näher und konnte spontane Eingebungen leichter umsetzen, als das heute der Fall ist (siehe auch Ben Rich, My Years at Lockheed).

Nicht zweier Herren Diener

Und da ist noch etwas: Spitzenleistungen erfordern Leidenschaft und Hingabe. Des Menschen Leidenschaft kann aber nicht zweier Herren Diener sein. Zu Zeiten von Apollo galt das totale Commitment aller Beteiligten einem einzigen Ziel: „Vor Ende des Jahrzehnts bringen wir einen Mann auf den Mond und heil wieder zurück…“. Heute aber schwebt wie ein giftiger Schatten über allem menschlichen Tun die Political Correctness mit ihrem Gender-, Rassen- und Klimawahn. Die totale Hingabe an die eigentliche Aufgabe wird auf Schritt und Tritt behindert.

Der damalige Direktor des Marshall Space Flight Center war ein gewisser Wernher von Braun, der Mann, der von Raketen mehr verstand, als irgend ein anderer Erdbewohner. Seine Genialität war der NASA wichtiger als mögliche Vorbehalte wegen seiner politischen Vergangenheit. Heute käme er für die Position nicht mehr in Frage, allein schon deswegen, weil er ein Mann war.

Ja, seit Sept 2018 hat nun eine Frau den Job: Jody Singer ist Direktorin des Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama. Warum nicht? Auch Frauen können eine ganz natürliche Affinität zur Raumfahrt haben. Ich habe schon die eine oder andere sagen gehört: „Gestern hat mich mein Mann so geärgert, ich hätte ihn auf den Mond schießen können.“ Das erklärte Ziel des aktuellen NASA-Projekts ist allerdings nicht die Entsorgung von Ehemännern, sondern endlich die Visite unseres Trabanten durch eine Frau. Und nach all der toxischen Männlichkeit bei Apollo wurde das Programm politisch korrekt nach dessen Schwester benannt: Artemis.

Auch auf Erden

Zwei Errungenschaften, die es zu Apollos Zeiten noch nicht gab, hatten also wesentlichen und hinderlichen Einfluß auf die Raumfahrt: Computer und Political Correctness.

Hatten diese Segnungen auch Einfluß auf irdische Verhältnisse? Könnten wir uns überhaupt noch einen Leben ohne Computer, ohne Political Correctness vorstellen? Was würden wir tun, wenn wir nicht Tag und Nacht irgend einen Bildschirm vor unseren Augen hätten? Was, wenn es kein Internet gäbe? Was würden wir sagen, wenn wir nicht bei jedem Wort überlegen müssten, ob es vielleicht rassistisch oder sexistisch ist? Wenn wir im Restaurant einfach das bestellen würden, worauf wir Appetit haben, ohne Rücksicht darauf, ob es vegan ist oder CO2 haltig?

Ich habe da eine Idee, was wir dann tun würden: wir würden leben.

So eine Zeit gab es schon einmal. Da gab es durchaus bereits Segnungen des Fortschritts; es gab billige Autos und billige Flüge – ohne Corona- oder Gepäckkontrollen, es gab die Pille und temperamentvolle Diskussionen. Man schloss Freundschaften statt zu canceln, und statt in sein Smartphone zu glotzen lächelte man anderen Menschen zu. Statt Lockdown und Maskenzwang gab es den „Summer of Love“ und statt sich auf die Straße zu kleben saßen die Kids in Woodstock mit Carlos Santana und Jimi Hendrix.

Und alle waren high, als aus dem Weltraum die Nachricht kam: „The Eagle has landed.“

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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