Edgar L. Gärtner

Wie kamen die deutschen Grünen darauf, im Wasserstoff die „Wunderwaffe“ zur Rettung der vermurksten Energiewende zu erblicken? Viele denken, diese fixe Idee sei erst in den letzten Jahren aufgekommen. Dem ist aber nicht so. Ich kann bezeugen, dass das Thema Wasserstoff untergründig schon seit der ersten Hälfte der 1990er Jahre bei den Ökos eine nicht unwichtige Rolle spielte. Damals galt ich als Mitbegründer und verantwortlicher Redakteur des damals völlig neuartigen Wirtschaftsinformationsdienstes „Ökologische Briefe“ als Sympathisant oder Mitläufer der Grünen, obwohl ich tatsächlich nicht einmal mit dem Gedanken spielte, mich dieser Partei anzuschließen. Die Grünen hatten für mich als studierter Biologe und Philosoph einfach nicht den richtigen Stallgeruch. Aber durch meine Tätigkeit als Fachjournalist im grünen Umfeld bekam ich natürlich einiges von den internen Debatten mit.

Schon damals herrschte aber die Meinung vor, dass jemand, der sich wissenschaftlich mit Ökologie beschäftigt hat, nur ein Grüner sein könne. Das dachte sich sicher auch der amerikanische Botaniker und Wissenschaftsautor Christopher Bird, als er sich zu Beginn der 1990er Jahre bei mir in Frankfurt meldete. Bird war als Autor bzw. Co-Autor des 1973 erstmals erschienenen Bestsellers „Das geheime Leben der Pflanzen“ bekannt geworden. Er starb bereits im Jahre 1996 mit erst 68 Jahren. Doch sein Co-Autor Peter Tompkins sorgte dafür, dass das Werk bis in die neueste Zeit immer wieder aktualisiert und neu aufgelegt wurde. Mir gegenüber stellte sich Bird allerdings als Ex-Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA vor und erwähnte seine Autorschaft nur nebenbei. Seine geheimdienstliche Tätigkeit wird übrigens noch heute in seinem Wikipedia-Eintrag ausdrücklich erwähnt. Als Ex-Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs (KPF) ging ich selbstverständlich davon aus, dass Bird noch immer über enge Kontakte zum CIA verfügte und verhielt mich entsprechend vorsichtig.

Soweit ich das überblicke, besuchte Bird auf seiner Rundreise in Deutschland und einigen Nachbarländern damals alle, denen er einen größeren Einfluss in der Öko-Bewegung zuschrieb. Da ich im Jahre 1979 das Buch „Arbeiterklasse und Ökologie“ und in den 1980er Jahren noch einige weitere Bücher zu dieser Thematik veröffentlicht hatte (vgl. den unfreundlichen Wikipedia-Eintrag über mich), zählte ich offenbar dazu. Dabei verhielt er sich keineswegs diskret, sondern ziemlich auffällig. Er trug einen Cowboy-Hut, Cowboy-Stiefel und einen breiten Nieten-Gürtel.

Zweck seiner Rundreise war nicht die Promotion seines Buches, das ich als Ex-Marxist reichlich esoterisch fand, sondern die gezielte Verbreitung eines dicken technischen Dossiers über die Vorteile und Perspektiven des Wasserstoff-Einsatzes. Dieses begann, so weit ich mich erinnere, mit der Frage, warum der mit 190.000 Kubikmetern Wasserstoff gefüllte deutsche Zeppelin LZ 129 „Hindenburg“ im Mai 1937 bei der Landung in Lakehurst bei New York in Flammen aufging. Nach diesem Unfall, bei dem übrigens „nur“ 35 der 97 Menschen an Bord ums Leben kamen, blieb das Thema Wasserstoff für längere Zeit mit Angst besetzt. Das von Bird verbreitete Dossier konzentrierte sich folglich auf die Frage, wie man die chemische Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff technisch so gestalten könne, dass die gefürchtete Knallgasreaktion vermieden wird. Als Vorteil des Einsatzes von Wasserstoff als Energieträger wurde u.a. aufgeführt, dass dieser mit einer unsichtbaren, d. h. rußfreien Flamme brennt. Die Kosten der Wasserstoffnutzung für energetische Zwecke waren allerdings, soweit ich mich entsinne, darin kein Thema. Offenbar gelang es Bird, den Grünen mit diesem Dossier einen Floh ins Ohr zu setzen. Wie fast alle „grünen“ Ideen kam also auch die Begeisterung für den Wasserstoff mithilfe des CIA über den Atlantik zu uns nach Europa.

Dabei gab es in Deutschland insbesondere in der Chemischen Industrie auch schon vor dem Krieg reiche technische Erfahrungen mit dem Einsatz von Wasserstoff. Eine erste Elektrolyse-Anlage, bei der Wasserstoff allerdings eher als Nebenprodukt anfiel, wurde schon am Ende des 19. Jahrhunderts in Griesheim bei Frankfurt in Betrieb genommen. Später benötigte man für die Herstellung von Stickstoffdünger (und Schießpulver) nach dem Haber-Bosch-Verfahren immer größere Mengen Wasserstoff und lernte, damit sicher umzugehen. Im Umkreis der Nazi-Partei NSDAP gab es auch konkrete Überlegungen, Wasserstoff im Rahmen der NS-Autarkiepläne als Energieträger einzusetzen. In seiner Studie „Technik und Wirtschaft im Dritten Reich. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm“ (Heft 38 der Nationalsozialistischen Bibliothek, München 1933) konnte Dr. Ing. Franz Lawaczeck jedoch nachweisen, dass das wegen des schlechten Wirkungsgrades der Wasserstoffgewinnung und der dabei anfallenden hohen Kosten völlig unrentabel wäre. Deshalb verfolgten die Nazis diese Pläne nicht weiter. Sie bewiesen insofern mehr Realitätssinn als unsere heutigen Grünen mit „Klimaminister“ Robert Habeck.

 

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