Der 6-Jahres-Plan der Ampel ist das ultimative Wünschdirwas-Kostjanix, ein Brief an den Weihnachtsmann oder ein Blatt Papier, das man engzeilig mit zweifellos guten Vorsätzen fürs neue Jahr bedeckt hat. Natürlich jeden Tag Sport! Natürlich vegan leben! Natürlich das Rauchen und Saufen aufgeben! Natürlich nur Strom aus Sonne und Wind!

von Roger Letsch

Nächtliche Marathonsitzungen sind bei unserer Ampelregierung das vermeintliche Indiz für hart errungene politische Kompromisse zu Problemen, die eine gewisse Dringlichkeit haben. Und wer wollte bestreiten, dass es da so einige gibt im Land. Ein Ressourcen und Gewissheiten auffressender Krieg im Osten, ein unerklärter und mit blitzenden Messern vorgetragener Bürgerkrieg von Süden her, ein Energiekrieg gegen die eigene industrielle Basis, eine erodierende Währung und Engpässe in der medizinischen Versorgung von Antibiotika bis Hustensaft… nur die überflüssigen Covid-Stöffchen hat der zuständige Minister für die nächsten hundert Jahre im Bunker. Das könnte eine sehr unangenehme Diät werden, wenn wir das alles auslöffeln müssen. Es gab also viel Dringendes zu besprechen zwischen den Koalitionären der Ampel, doch die entschied, sich ausschließlich mit der Rettung des Weltklimas vor CO2 zu befassen. Herausgekommen ist ein 16 Seiten schlankes Papier, von dem die Presse meint, es enthalte nicht viel von den Plänen der Grünen. Doch wer das behauptet, muss etwas völlig anderes gelesen haben. Außer grünen Klimaverstiegenheiten ist da nämlich nichts drin.

Die Ampelkoalition hat nun beschlossen, dass die Stunde nur noch 30 Minuten hat und wir – also Sie alle da draußen, liebe Leser, die Sie mitgenommen, abgeholt und nicht im Stich gelassen werden – haben schon 29 davon ungenutzt verstreichen lassen, weshalb wir uns nun etwas beeilen müssen mit der Weltenrettung. Das ist jetzt so beschlossen, der Weg ist gewiesen, die Politik hat in langen ermüdenden Sitzungen die wichtigsten Dinge für uns erledigt, als da wären klangvolle Namen für Beschleunigungsgesetze finden und Termine fixieren. Nur das Fehlen von Zeitdruck und Politikergeschwätz hielten uns bekanntlich bislang zurück. Doch nun müssen endlich auch wir unseren geringfügigen Beitrag leisten und schnell mit der Umsetzung fertig werden. Neben all den anderen Dingen, die wir sonst von Neun bis Fünf zu tun haben. Danke, Ampelkoalition! Danke für das „Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung“! Es lebe der neue Sechsjahresplan, er lebe hoch, hoch, hoch! Schauen wir uns mal an, was so alles beschlossen wurde.

Nun macht mal schnell…

„Diese Koalition ist angetreten, um Deutschland zu modernisieren. Bereits im vergangenen Jahr haben die Koalitionspartner umfassende Reformen auf den Weg gebracht, damit 2030 in Deutschland mehr als doppelt so viel erneuerbarer Strom produziert wird wie heute.“

Doppelt so viel „erneuerbarer Strom“ ist auch in 2030 nicht genug, wenn Sonne und Wind nichts liefern und die Hälfte davon heute schon zu viel, wenn mal ein Sturm mit Namen über Deutschland zieht. Von Speichern, von denen wir wissen, dass wir sie brauchen werden, ist im Papier hingegen keine Rede.

„Die Koalitionspartner arbeiten dafür an einem neuen Deutschlandtempo.“

Da bin ich mir sicher. Es kommt aber schon auf die Zeithorizonte an. Der Deutschlandtakt der Pünktlichkeit ist bei der Bahn schon für das Jahr 2070 terminiert. Das wäre aber sehr unambitioniert, wenn 2030 bereits die Welt gerettet sein muss.

„Zukünftig werden alle Sektoren aggregiert betrachtet. Wenn die Projektionsdaten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zeigen, dass mit den aggregierten Jahresemissionen bis zum Jahr 2030 das Gesamtminderungsziel nicht erreicht wird, wird die Bundesregierung auf Basis der Vorschläge der maßgeblich für die Minderungsmengen der Sektoren verantwortlichen Bundesministerien Maßnahmen beschließen, die sicherstellen, dass das Minderungsziel bis 2030 dennoch erreicht wird. Alle für die Sektoren verantwortlichen Bundesministerien, insbesondere jene, in deren Zuständigkeitsbereich die Sektoren liegen, die die Zielverfehlung verursacht haben, haben zu den Maßnahmen der Minderung beizutragen.“

Heißt: Wir rechnen jedes Jahr alles zusammen und wenn wir hinter dem Plan liegen, beschließen wir, dass ab sofort alles noch viel schneller gehen muss.

Alles mit Strom

„Damit das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 erreicht werden kann, werden zum Ausgleich unvermeidbarer Emissionen natürlichen Senken und technische Senken wie Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) oder direkte CO2-Abscheidung aus der Luft und anschließende Speicherung (DACCS) eine Rolle spielen. Die Bundesregierung wird für die Jahre 2035, 2040 und 2045 ein Ziel für Negativemissionen festlegen. Dies wird erstmalig im Jahr 2024 auf Basis der im Koalitionsvertrag für dieses Jahr vorgesehenen Langfriststrategie zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen geschehen.“

Mit Direct Air Capture ist es wie mit den synthetischen Kraftstoffen, den sog. E-Fuels: man braucht für beides kontinuierliche billige elektrische Energie im Überfluss, um das im großtechnischen Maßstab zu machen. Die kann aber nicht aus Sonne und Wind kommen, und die Kernenergie haben wir aus einer ideologischen Marotte heraus abgeschafft. Setzt man solche Anlagen (wer soll das eigentlich machen) dennoch in die Landschaft, konkurrieren die mit allen anderen Verbrauchern im Netz – und von denen kann die Ampel gar nicht genug haben, wie wir noch sehen werden.

„Mit der Umsetzung der EU-Notfall-Verordnung wird das Tempo beim Ausbau von Wind und Photovoltaik (PV) und den dazugehörigen Netzen nochmals erhöht.“

Sie haben richtig gelesen: Notfall-Verordnung! Die Energiewende firmiert in der EU unter ähnlich dubiosen juristischen Voraussetzungen wie die mRNA-Behandlungen. Ich sage das nur, damit Sie Vertrauen fassen. Das wird schon alles gutgehen!

„Zentraler Baustein einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur ist der Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes. Dafür sollen Planung, Genehmigung und Umsetzung erheblich beschleunigt werden. Mit dem Genehmigungsbeschleunigungsgesetz Verkehr soll für Schienenprojekte, die im Bedarfsplan im Vordinglichen Bedarf oder als Fest Disponiert eingestuft sind, ein überragendes öffentliches Interesse festgelegt werden.“

Nichts gegen die Sanierung unseres Schienennetzes! Einige pan-europäische Trassen warten seit Jahrzehnten darauf, dass in Deutschland endlich etwas in diese Richtung passiert. Ob es dafür ein Gesetz mit dem infantilen Namen „Genehmigungsbeschleunigungsgesetz“ braucht, sei mal dahingestellt.

„Für Bundesfernstraßen ist im Genehmigungsbeschleunigungsgesetz Verkehr u. a. vor-gesehen, dass existierende marode Brücken deutlich schneller und einfacher saniert bzw. ersetzt werden können als bisher.“ 

Das muss man sich mal geben: Verhindert etwa die aktuelle Gesetzgebung, dass Brücken erst gar nicht marode werden? Wohl kaum! Es sind vielmehr Schlendrian und Aufschieberitis, die die Probleme mit unserer Infrastruktur erst ins Unermessliche haben wachsen lassen. Man gibt das Geld viel lieber für Projekte im Wolkenkuckucksheim aus oder lässt straßenbezogene Steuergelder in Prestigeprojekten wie Stuttgart 21 versickern.

„Wind-Onshore: Gewerbe und Industrie brauchen mehr günstigen Windstrom.“ 

Falsch! Gewerbe und Industrie brauchen verlässlichen, günstigen Strom. Ob der von Wind erzeugt wird, ist unerheblich. Stattdessen bekommen sie teuren „grünen“ Strom und Lastabwurfverträge.

„…dazu ist es erforderlich, kurzfristig zusätzliche Flächen für Windkraftanlagen an Land bereitzustellen. Dafür soll der Handlungsspielraum für Kommunen erweitert werden, indem die Kommunen auch dann Flächen für Windenergie ausweisen können, wenn die regionalen Planungen in ihrem Gebiet keine Windflächen vorgesehen haben. Zusätzlich soll eine flächen-spezifische Außenbereichsprivilegierung für bestimmte besonders geeignete Flächen eingeführt werden. Auf diesen Flächen sollen Windenergieanlagen für die direkte Belieferung der benachbarten Unternehmen errichtet werden können, ebenso soll auch der Eigenverbrauch ermöglicht werden. Auch der Handlungsspielraum für Länder soll erweitert werden, wenn sie die allgemeine Außenbereichsprivilegierung vorziehen wollen (Länderöffnungsklausel).“ 

Das Märchen vom Windrad, das eine Fabrik antreibt, ist so unausrottbar wie das von der Vogelspinne in der Yuccapalme. Die Arbeitsverträge möchte ich gern mal sehen, die es braucht, damit bei Wind produziert, bei Flaute aber Ferien gemacht werden. Die Sache mit dem Eigenverbrauch ist aber generell eine sinnvolle Sache – sofern man den erzeugten und verbrauchten Strom nicht am Ende doch durch EEG und Steuergesetzgebung verteuert. Ich bin ja ohnehin sehr für Insellösungen zu haben, wenn sie tatsächlich autark machen, was im Fall der Stromerzeugung eine ehrliche, komplette Netzentkoppelung bedeuten würde, statt einer statistischen Gegenrechnung von Einspeisung und Entnahme.

Jeder Verbraucher weniger entlastet das eh schon am Rande des Zusammenbruchs fahrende Netz. Ich bin allerdings sicher, dass große Windkraftanlagen zur Netzentkopplung ungeeignet sind. Nicht nur wegen der Volatilität und fehlender Speicher, sondern auch wegen des Eigenbedarfs für Nachführung, Kühlung, Heizung, Eisfreiheit der Rotorblätter… Stehen sie still, sind WKA nicht wirklich still, sondern verbrauchen Strom, und zwar je nach Typ im mehrstelligen Kilowattbereich, siehe etwa diese ENERCON-Datenblätter (ab Seite 9). In der Idealwelt der Energiewende braucht man also Windräder, die laufen, wenn andere Windräder nicht mehr laufen, weil sie Strom brauchen, damit sie wieder laufen, wenn sie wieder laufen können. Aber lassen wir das.

Für die Ampel scheint ja noch die Sonne

„Der stufenweise Ausbau von Photovoltaikanlagen entlang der Bundesautobahnen und Bahnstrecken…[] Beim Autobahnausbau werden bereits bei der Planung die Voraussetzungen für eine eigenwirtschaftliche Nutzung der Flächen zur Erzeugung erneuerbarer Energien geschaffen. Für den Bestand werden die Voraussetzung geschaffen, die Flächen entlang der Autobahnen grundsätzlich für erneuerbare Energieerzeugung zu nutzen. Das Bundesfernstraßengesetz definiert derzeit verschiedene Zonen entlang von Bundesfernstraßen, die den zulässigen Abstand von Bebauungen regeln. Für Hochbauten jeglicher Art gilt innerhalb einer bestimmten Entfernung ein absolutes Bauverbot bei Bundesautobahnen und Bundesstraßen. Außerdem gibt es Anbaubeschränkungszonen. Häufig werden noch größere Sicherheitsabstände gewählt. Es wird daher klargestellt, dass nunmehr im Rahmen der anbaurechtlichen Beurteilung die Belange der erneuerbaren Energien grundsätzlich überwiegen. Dennoch treten straßenrechtliche Belange nicht vollständig hinter diese zurück, sondern es ist bei der Einzelfallentscheidung über eine Ausnahmegenehmigung zu prüfen, ob gewichtige straßenrechtliche Belange entgegenstehen, die bei der Bemessung des erforderlichen Abstands zu beachten sind.“

Die erwähnte „bestimmte Entfernung“ nennt sich Hochbauverbot und beträgt bei Autobahnen 40 Meter und bei Bundesstraßen 20 Meter. Die Ampel kratzt hier also schon die letzten Flächen zusammen, die der Bund noch ohne private Umnutzungen verfügbar hat. Gut, verzichten wir auf Grünstreifen und pflastern alles mit Solarpaneelen zu. Kann man machen, hat man eben noch mehr volatilen Sonnenstrom. Doch auch diese Anlagen muss jemand planen, die Materialien einkaufen und errichten. Und nicht vergessen, dort regelmäßig zu putzen und die durch Steinschlag zerstörten Platten auszutauschen.

„Um die Entwicklung, Sicherung und Aktivierung einer ausreichenden Flächenkulisse zu gewährleisten und die Kompensationsmaßnahmen für große Bundesvorhaben qualitativ hochwertig umzusetzen, wird eine zentrale Organisationseinheit im Geschäftsbereich des BMUV geschaffen und entsprechend ausgestattet.“

Vergessen Sie Politvokabeln wie Flächenkulissen und Kompensationsmaßnahmen, lesen Sie nur „zentrale Organisationseinheit schaffen und ausstatten“. Mit anderen Worten: Es gibt Planstellen und Gelder zu verteilen! Wer könnte da nein sagen!

„Der Schienengüterverkehr soll bis 2030 einen Marktanteil von 25 Prozent erreichen.“

Derzeit sind es 17,6 Prozent, das scheint also machbar. Die Frage ist leider, was schneller geht: die Verlagerung von Gütern auf die Schiene oder – galoppierender Deindustrialisierung sei Dank – die Verlegung ihrer Herstellung ins Ausland. Und dass die vielen Kesselwagen demnächst statt Benzin, Öl, Gas und diversen chemischen Produkten grünen Wasserstoff transportieren werden, ist leider ausgeschlossen.

„CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut: Zum 1. Januar 2024 werden eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut und ein CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2 eingeführt. Emissionsfreie Lkw werden bis Ende 2025 von der Infrastrukturgebühr befreit, anschließend werden lediglich 25 Prozent des regulären Satzes erhoben.“ 

Zu den horrenden Energiepreisen, von denen die Branche eh schon betroffen ist, kommt nun noch eine zusätzliche CO2-Maut hinzu. Doch freuet euch, ihr „emissionsfreien Lkw“, die es (außer einigen Prototypen) nicht gibt, ihr seid von der Gebühr befreit. Erst die von euch, die es 2025 auch noch nicht geben wird, bezahlen 25 Prozent der Gebühr.

„Lkw-Maut ab 3,5 Tonnen: Die Lkw-Mautpflichtgrenze wird zum 1. Januar 2024 abgesenkt, sodass grundsätzlich alle Nutzfahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse in die Gebührenerhebung einbezogen sind. Die technische Umsetzung erfolgt schnellstmöglich. Handwerksbetriebe werden ausgenommen.“

Schlimm genug, dass man den mittleren Lieferverkehr nun auch zusätzlich zu Kfz- und Mineralölsteuer zur Kasse bittet – damit schafft man sofort Ausnahmen, die überwacht und verwaltet werden müssen.

Der Ingenieur hat’s nicht schwör

Aufbau Infrastruktur-Grundnetze für batterieelektrische und Wasserstoff-Lkw: Der vorausschauende Aufbau eines initialen Netzes an Ladeinfrastruktur und Wasserstofftank-infrastruktur für schwere Lkw bis 2025 wird sichergestellt (Ausschreibung beginnen ab Q3 2023). Für batterieelektrische Lkw wird ein bedarfsgerechtes Grundnetz entlang der Bundesautobahnen geschaffen.“

Ein typischer Dialog zwischen Captain Kirk und Scotty ging etwa so.

„Wie lange dauert die Reparatur, Scotty?“

„Der Warpantrieb ist völlig hinüber und wir müssen die Plasmaverteilerspulen neu kalibrieren. Das dauert mindestens 48 Stunden, Captain.“

„Scotty, wir müssen in 12 Stunden beim Aldebaran sein, ich verlasse mich auf Sie!“

„Captain, in acht Stunden können wir los!“

Auf dem Raumschiff Deutschland wird in sechs Jahren nicht nur die Ladeinfrastruktur für 15 Millionen Pkw (nächster Punkt) gebaut, nein, die für elektrische Schwerlast-Lkw entlang der Autobahnen gleich mit! Und weil das auch noch nicht ambitioniert genug ist, auch gleich ein Wasserstoffnetz! Die Milliarden werden in dem Papier rausgehauen wie auf dem „Ich muss verrückt sein“-Teleshopping-Kanal.

„Zur Beschleunigung des Markthochlaufs elektrisch betriebener schwerer Nutzfahrzeuge wird der Aufbau von Lkw-Ladeinfrastruktur sowie von Wasserstofftankinfrastruktur für Nutzfahrzeuge an Depots, Betriebshöfen und weiteren Hubs in logistischen Ketten unterstützt.“

Vergessen wir mal kurz die Hybris, auch noch auf die Schnelle den Güterverkehr zu elektrifizieren (und gleichzeitig auf die Schiene zu bringen, wie wir weiter oben sahen) und konzertieren uns auf dieses eine verräterische Wort: Markthochlauf. So stellt man sich das in der Politik nämlich vor, Märkte, Pumpen, Motoren… alles eine Sülze. Man drückt auf einen Knopf und dann läuft etwas hoch. Und drückt man den Knopf stärker oder mehrfach, kommt es zur Beschleunigung des Hochlaufs. Das ganze Papier liest sich wie eine Anleitung aus einem Baukasten Lego-Technik, und so ähnlich stellt man sich in unserer Ampelregierung das wohl auch vor. Gibt es denn nicht einen Referenten mehr im Dunstkreis der Ampel, der weiß, wie Märkte funktionieren?

„15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge bis 2030“

Hybride, die ja immerhin noch ein gängiger Kompromiss mit dem besten aus beiden Welten sind, nicht mitgerechnet. Im Oktober 2022 waren 840.000 auf unseren Straßen unterwegs. 470.000 kamen allein 2022 dazu. Ginge es in dem Tempo weiter, wären es 2030 allerdings erst 2,8 Millionen. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres kamen nur etwa 50.000 hinzu, was angesichts von Inflation und Rezession kein Wunder ist.

„Das Erreichen des 15-Millionen-Ziels setzt einen erheblichen Anstieg der Neuzulassungen von batterieelektrischen Fahrzeugen bereits in den nächsten Jahren voraus. Die Bundes-regierung wird gemeinsam mit der Branche die Entwicklung eng monitoren und im Bedarfsfall weitere Maßnahmen zur Erreichung des Ziels beschließen.“ 

Überlegen Sie, liebe Leser, wie riesig die Probleme tatsächlich sind, wenn sogar in diesem durchgeknallten Papier leise Zweifel an der Umsetzung der eigenen Pläne geäußert werden. Neuzulassung heißt übrigens kaufen oder leasen, was erhebliche finanzielle Mittel voraussetzt, wenn man diese Zahl „eng monitoren“ und dabei auch noch steigern will. Was uns zum „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ führt.

Der „…stellt sicher, dass der für die Erreichung der Klimaziele erforderliche Ausbau der Ladeinfrastruktur in Zusammenarbeit von Ressorts, Ländern, Kommunen sowie der Automobil- und Energiewirtschaft erreicht wird. Kommt der Ladeinfrastruktur-Ausbau nicht schnell genug voran, steuert die Bundesregierung über den engmaschigen Monitoring-Mechanismus nach.“

Das stellt der einfach so sicher! Eng monitort und mit Steuergeldern ausgebuttert. Was ist eigentlich aus dem Masterplan Ladeinfrastruktur eins geworden?

Schluss mit lustig!

„Die Verteilnetzbetreiber werden gesetzlich verpflichtet, ihre Netze vorausschauend auszubauen, damit in 2030 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge reibungslos und komfortabel geladen werden können.

Vorbei die Zeiten, in denen Netzbetreiber ihre Netze erratisch und ohne Sinn und Verstand einfach ins Grüne oder Blaue hinein erweitert hatten. Reibungslos und komfortabel soll es hergehen, wenn 2030 statt einer halben Million schlappe 15 Millionen Autos laden – ganz zu schweigen vom elektrischen Schwerlastverkehr. Da muss man sich schon mal etwas mehr Mühe geben beim Netzausbau.

„CO2-neutrale Fahrzeuge ab 2026 bei Car-Sharing: Durch eine schnellere Umstellung von Carsharing-Flotten auf CO2-neutrale Antriebe kann ein weiterer Beitrag zur Minderung von CO2 im Verkehr geleistet werden. Dazu wird die Bundesregierung über § 5 Absatz 4 Carsharinggesetz (CsgG) die CO2-Neutralität zu einem Eignungskriterium für die Zulassung von Carsharing-Flotten ab 2026 machen. Die Regelung sollte dabei eine im Zeitverlauf ansteigende Anteil vorsehen.“

Von wegen „ich brauch nur einen kleinen E-Flitzer für die Stadt und kann bei Gelegenheit einen Diesel mieten, damit ich Tante Heidelinde in Bayreuth besuchen kann“! Die Carsharing-Flotten werden noch schneller an die elektrische Kandare genommen als der Rest des automobilen Landes.

Bullshit, vorschattiert

So geht es weiter und weiter im Papier. Stellenweise klingen die Sätze so gestanzt, inhaltsleer und nichtssagend, dass man annehmen muss, die Fachreferenten lagen schon schlafend unter dem Tisch, währen die Juristen noch mit erlöschender Geistesgegenwart Reste kalten Kaffees schlürften. Hier nur ein Beispiel zum Genießen:

„Die Bundesregierung wird deshalb nach Vorlage der Schriftform der EED-Regelungen ein Energieeffizienzgesetz vorlegen, das die Erreichung der Effizienzziele mit Blick auf 2030 sicherstellen soll und dieses für 2040 und 2045 vorschattiert. Das Gesetz wird wirksame Maßnahmen zur Zielerreichung unter Minimierung des Bürokratieaufwands für Unternehmen ab einer bestimmten Schwelle beinhalten. Damit werden die Beschlüsse der Europäischen Energieeffizienz-Richtlinie (EED) zeitnah in nationales Recht überführt und darüber hinaus – im Sinne frühzeitiger Planungs- und Investitionssicherheit – ein langfristiger Zielpfad gezeichnet.“

Und ganz am Ende, nachdem alles elektrifiziert, solarbedacht und windradbestanden ist, dass es nur so scheppert, kommt man noch kurz zum Elefanten im Raum, der Heizproblematik:

„Es wird darauf geachtet, dass ein technologieoffener Ansatz verfolgt wird, und dass ausreichende Übergangszeiträume zur Verfügung stehen. Das Gesetz wird dabei pragmatisch ausgestaltet, unbillige Härten auch zum sozialen Ausgleich werden vermieden und sozialen Aspekten angemessen Rechnung getragen; auch für Mieterinnen und Mieter. Damit Bürgerinnen und Bürger nicht überfordert werden, wird zielorientiert geprüft, wie der ambitioniertere Austausch von Öl- und Gasheizungen aufgrund der Änderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) gezielt und bürokratiearm aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziell gefördert werden kann. Niemand wird im Stich gelassen.“ 

Wenn die Scholz-Habeck-Lindner-Gang verspricht, niemanden im Stich zu lassen, ist buchstäblich gerade eine tödliche Lanze auf uns gerichtet. Und am langen Ende der Stange glotzt die Ampelcombo auf den Hasen namens Bürger, der im Papier zwar nicht vorkommt, aber nun „machen“ soll.

Vorteil ist: Nach diesem Irrsinn kann es eigentlich keine Steigerungen mehr geben. Es sei denn, unsere Politiker heulen, um ihrer Sache Nachdruck zu verleihen, demnächst noch den Mond an. Das Papier ist das ultimative Wünschdirwas-Kostjanix, ein Brief an den Weihnachtsmann oder ein Blatt Papier, welches man engzeilig mit zweifellos guten Vorsätzen fürs neue Jahr bedeckt hat. Natürlich jeden Tag Sport! Natürlich vegan leben! Natürlich das Rauchen und Saufen aufgeben! Natürlich nur Strom aus Sonne und Wind! Doch wo privatim nur der „innere Schweinehund“ Widerstand leistet, bei Nichterfüllung der Nachbar nicht betroffen ist und ein guter Vorsatz zwar oft, aber nicht immer an Ressourcenmangel scheitert, sind es für die Pläne der Ampel die renitente Physik und die Gesetzmäßigkeiten der Ökonomie, die einfach nicht mitspielen werden. Die Ampel hat der Realität den Krieg erklärt.

Die beschlossenen Maßnahmen sollen übrigens keine zusätzlichen Kosten im Bundeshaushalt verursachen, berichtet die Welt. All die tollen Förderungen, Unterstützungen und das enge Monitoring lassen sich ja sicher aus Sondervermögen bestreiten.

Musik zum Text: Rio Reiser, König von Deutschland

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

 

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