Von Dr. Dipl. Ing. Helmut Waniczek

Ich habe schon an mehreren Stellen die ökonomischen Probleme der Wasserstofferzeugung und Verwendung zur Rückverstromung und im Verkehr vorgetragen, deshalb möchte ich in dieser Zusammenstellung nur die Grundzüge der wirtschaftlichen Parameter eingehen. Da die Gesetzgeber trotz aller Nachteile aber ihren Weg weiter gehen wollen und es ermöglichen möchten, dass Wasserstoffanlagen in der Nähe der Wohnbebauung erlaubt werden, ist es meines Erachtens nötig, auf die Sicherheitsaspekte dieser Idee stärker einzugehen.

Teil 1, Ökonomische Aspekte einer „Wasserstoffwirtschaft“

Eine Wasserstoffwirtschaft hätte grob die Prozesskette Gleichstromherstellung – Elektrolyse – Kompression oder Verflüssigung – Lagerung – Transport – Lagerung – Rückverstromung oder Betanken von Fahrzeugen.

  1. Die Variablen Kosten

In dieser Prozesskette sind mehrere Stufen der Stoffumwandlung mit sehr schlechten Wirkungsgraden, und Handhabungen mit hohen Energieverlusten enthalten. Am besten zeigt dies das folgende Diagramm, welches im Wesentlich schon 2003 von Ulf Bossel beschrieben wurde:

https://leibniz-institut.de/archiv/bossel_16_12_10.pdf

Ein Bild, das Text, Screenshot, Computer enthält. Automatisch generierte Beschreibung

In der oben beschriebenen Prozesskette wird also aus 1 kWh Stromes 0,2 bis 0,25 kWh Strom. Das bedeutet, dass 75-80% der eingesetzten Energie verloren wurden, um am Ende das gleiche Produkt zu haben wie am Anfang, nämlich elektrischen Strom.

Dies sind nur die Wirkungsgrade, welche grob die Variablen Kosten des Prozesses beschreiben. Wenn also die eingesetzte kWh Strom 7,5 ct/kWh kostet, dann sind die Variablen Kosten für das Endprodukt 30-37,5 ct/kWh.

Von Bedeutung ist, dass sich an diesen Ergebnissen bis heute, nach 20 Jahren, nichts Wesentliches verbessert hat, obwohl viele Millionen Euro an Forschungsgeldern ausgegeben wurden. Dies ist auch weiterhin nicht zu erwarten, da die Prozesse schon heute nahe an den thermodynamisch möglichen Wirkungsgraden sind.

Kluge Köpfe werfen nun ein, dass dafür nur „Überschussstrom“ verwendet werden soll, der angeblich selbst nichts kostet. Dieses Argument hat zwei Aspekte.

Erstens, dass dieser „Überschussstrom“ auch heute schon einen Preis hat, wenn nämlich die Wind- oder Solarstromerzeuger vergütet werden, wenn sie abgeschaltet werden, weil der Strom nicht gebraucht wird.

Und zweitens haben die Wind- und Solaranlagen nur eine Auslastung von 25%, bezogen auf die installierte Leistung. Diese 25% sollen aber im Wesentlichen in das Stromnetz eingespeist werden, sodass am Ende nur in vielleicht 5% der Zeit „Überschussstrom“ zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass die teuren Anlagen zur Herstellung, Umwandlung, Lagerung und Transport nur zu 5% ausgelastet werden können, selbst aber so ausgelegt werden müssen, dass die Gesamtleistung der Windstromanlagen verarbeiten können.

  1. Die Fixkosten

Um die oben beschriebene Prozesskette zu realisieren sind verschiedene technische Anlagen nötig.

Die Investitionskosten eines großen Elektrolyseurs mit einer Kapazität von 400 Nm3/h liegen bei

1000 €/kWh (1,8 Mio €). Ein derartiger Elektrolyseur hat einen Anschlusswert von 1,8 MW.

Die Anlage muss nach 10 Jahren abgeschrieben werden, da die Elektroden nach 7-12 Jahren ersetzt werden müssen.

Bei Volllast sind das 1,2 ct/kWh, bei 5% Auslastung aber 24 ct/kWh.

Bei kleineren Anlagen steigen diese Kosten stark an, bei 50 Nm3/h schon auf 2000 €/kWh

(0,36 Mio €).

Quelle: Stand und Entwicklungspotenzial der Wasserelektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff aus regenerativen Energien“, Tom Smolinka, Martin Günther (Fraunhofer ISE) Jürgen Garche (FCBAT)

Dies sind aber nur die Investkosten für den Elektrolyseur.

Für die weiteren Anlagen wie Kompressoren, ein riesiges Tanklager, Nebenanlagen, Meßwarte, Gebäude, Sicherheitseinrichtungen und das Grundstück muss schätzungsweise nochmal der gleiche Betrag Investition werden, hier jedoch auf 20 Jahre abgeschrieben, also 0,6 ct/kWh.

Da die Anlage ständig überwacht werden muss sind ein Betriebsleiter, fünf Messwartenfahrer und ein Chemiearbeiter nötig. Das sind 360.000 €/a oder 2,3 ct/kWh bei der Großanlage (400 Nm3/h).

Für die Wiederverstromung des Wasserstoffes benötigt man eine Brennstoffzelle. Da dies der umgekehrte Vorgang der Elektrolyse ist könnte man daran denken, den Elektrolyseur auch zur Stromerzeugung in einer „Reversiblen Brennstoffzelle“ zu nutzen. Die Wirkungsgrade derartiger Brennstoffzellen sind jedoch mit 40-50% so schlecht, dass dies nicht betrachtet werden soll:

Quelle: Yifei Wang, Dennis Y.C. Leung, Jin Xuan, Huizhi Wang: A review on unitized regenerative fuel cell technologies, part-A: Unitized regenerative proton exchange membrane fuel cells. In: Renewable and Sustainable Energy Reviews. Band 65, November 2016, S. 961–977, doi:10.1016/j.rser.2016.07.046

Soll die Wiederverstromung die gleiche Leistung bringen wie die Anschlussleistung der Elektrolyse ist, so muss die Brennstoffzelle die doppelte Wasserstoffmenge verarbeiten.

Daher müssen für die Wiederverstromung zwei eigene Brennstoffzellen mit jeweils den gleichen Kosten wie der Elektrolyseur investiert werden, was weitere 2,4 ct/kWh für eine Großanlage mit

400 Nm3/h bedeutet.

Insgesamt ergeben sich nun Fixkosten von 6,7 ct/kWh bei einer Großanalage und 100 % Auslastung, bei 5 % Auslastung 105 ct/kWh.

Diese Fixkostenbetrachtung zeigt überdeutlich, dass eine Umarbeitung von „Überschussstrom“ mit den daraus resultierenden enormen Fixkosten unbezahlbar ist. Regelenergie mit Kosten von über 1 €/kWh sind kann nicht eingesetzt werden.

  1. Die Lagermengen an Wasserstoff

Der erzeugte Wasserstoff soll gelagert werden, und bei Bedarf verstromt und als Regelenergie das Stromnetz stabilisieren.

Eine Verflüssigung des Wasserstoffes scheidet aus, da die Verflüssigungsanlagen kompliziert, teuer und energieintensiv sind. Wasserstoff wird bei -253°C unter Normaldruck flüssig. Bei der Verflüssigung müssen 30 % des Energieinhaltes des Wasserstoffes aufgewandt werden.

Eine drucklose Lagerung verbietet sich auf Grund der niedrigen Dichte des Wasserstoffes (89 g/m3). Gasometer sind nur als Puffer, nicht zur Lagerung praktikabel. Einer der größten Gasometer fasst 90.000 m3, das sind nur etwa 9 t Wasserstoff.

Es bleibt daher nur eine Kompression auf die üblichen 700 bar, die aber 15 % des Energieinhaltes verbraucht.

Es wird von der Annahme ausgegangen, dass die Wiederverstromung die gleiche Ausgangsleistung haben soll wie die Anschlussleistung der Elektrolyse, also 1,8 MW. Das bedeutet, dass die Eingangsleistung der Brennstoffzelle doppelt so hoch sein muss, also 3,6 MW, also 800 m3/h oder

70 kg/h Wasserstoff.

Zur Überbrückung einer 10-tägigen Windflaute werden 16,8 t Wasserstoff benötigt. Diese nehmen bei 700 bar 270 m3 ein. Dies sind 18 Stahlzylinder mit 1m Durchmesser und 10 m Höhe.

Zu bedenken ist, dass zur Produktion dieser Menge 20 Tage bei Volllast produziert werden muss, dann muss trotzdem die Windkraftanlage abgestellt werden, weil die Lagertanks voll sind.

  1. Die Gefahren von Wasserstoff

Wasserstoff ergibt im Gemisch mit Luft ein hoch explosives Gas, welches mit lautem Knall verbrennt. Die Explosionsgrenzen sind sehr weit, von 4-77 Vol.-%. Das bedeutet, dass Luft schon mit 4 % Wasserstoff explosiv ist, und Wasserstoff schon mit 23 % Luft explosiv ist.

Wasserstoff hat eine extrem niedrige Zündenergie von 0,016 mJ. Leckagen aus Hochdruckanlagen führen in den meisten Fällen zur sofortigen Entzündung des austretenden Gases unter Bildung einer unsichtbaren Stichflamme mit 2160°C. Derartige Flammen dürfen nicht gelöscht werden, da das weiter austretende Gas ein explosives Gemisch bilden und kurzfristig zu einer Explosion führen würde. Es muss also die Wasserstoffzufuhr zur Leckage abgesperrt werden, was in vielen Fällen nicht möglich sein dürfte.

  1. Wasserstoff, ein Störfallstoff

Am 10 Juli 1976 trat in einer Chemiefabrik in Italien eine größere Menge eines sehr giftigen Stoffgemisches mit Dioxin durch einen Bedienfehler aus und vergiftete auf Jahre die Gegend um Seveso.

Dieser schwere Chemieunfall führte zu einer erheblichen Verbesserung der Sicherheitsstandards durch den Erlass der Seveso-Richtline, die „Störfallverordnung“.

Im Anhang der Störfallverordnung sind chemische Verbindungen mit großem Gefahrenpotenzial aufgelistet, sogenannte „Störfallstoffe“. Diesen Stoffen sind zwei Mengenschwellen zugeordnet. Besteht die Möglichkeit in einer Anlage diese Mengenschwelle zu überschreiten, dann ist die Anlage eine „Störfallanlage“, die bestimmten Sicherheitsvorschriften unterworfen ist.

Die erste Mengenschwelle bei Wasserstoff ist 5 t, die zweite 50 t.

Der Betreiber einer Störfallanlage muss der Behörde eine öffentliche Sicherheitsanalyse vorlegen, in der er darlegt, wie eine Störfall (Austritt des Störfallstoffes) sicher verhindert wird. Die Auswirkungen und die Bekämpfung eines Störfalles müssen ebenfalls beschrieben werden.

  1. Wasserstoff aus Afrika

Ein Tankschiff fasst etwa 430 t Wasserstoff.

Die größte (geplante) Wasserelektrolyse soll 100 MW Anschlussleistung haben (Shell). Sie müsste 8 Tage produzieren, um ein derartiges Schiff zu füllen.

Um diese Anlage mit Solarstrom zu versorgen, benötigt man eine Installation, die in den 12 Tagesstunden Strom für die Elektrolyse liefert, und eine Batterie auflädt, welche die Elektrolyse in den 12 Nachtstunden versorgt. Dies ergibt eine Solaranlage mit 155 MWp. Die Solaranlage wäre 22 Fußballfelder groß. Die Betriebskosten wären für Personal (Reinigung) und Instandhaltung 200.000 €/Jahr.

Bei heutigen Kosten von 1000 €/kWp wäre allein die Investition 155 Mio.€. Die nötigen Batterien mit 1200 MWh würden etwa 150 Mio € kosten.

Dazu kommt die Investition in die Elektrolyse von etwa 50 Mio. €, Eine Verflüssigungsanlage mit 50 Mio € und Tankanlagen um ca. 10 Mio €.

Die Energiekosten wären entweder 30% des produzierten Wasserstoffes oder 6,6 Mio €/Jahr.

An Personal werden benötigt: 10 Werkschützer, 6 Messwartenfahrer, 1 Betriebsleiter und 5 Chemiearbeiter und 3 Schlosser. Für das Personal müssen 25 Wohnungen mit Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten bereitgestellt werden. Die Investition wäre etwa 15 Mio. €.

Die Investition wäre also 375 Mio €. Bei 20 Jahren Abschreibung wären das AfA 18,75 Mio. €/Jahr.

Die Betriebskosten wären etwa 8,3 Mio. €/Jahr.

Bei einer Produktion von 22.000 t/Jahr ergeben sich Herstellkosten von 1,23 €/kg Wasserstoff.

Der Seetransport würde bei 430 t/Schiff und einer Charterrate von 100.000 €/Tag und 9 Tagen Reise, 4 Tage Laden und Entladen ca. 3 €/kg kosten.

Der Transport vom Hafen zum Verbraucher kostet gemäß einer aktuellen Studienarbeit 2 €/kg. Philippe Gramm, Studienarbeit, ISBN: 9783346478504

Die Kosten für Wasserstoff aus der afrikanischen Wüste wären also 6,23 €/kg geliefert.

Die Herstellkosten in Europa bei einem Strompreis von 7,5 ct/kWh bei 5,2 €/kg und Transportkosten von etwa 1 €/kg sind praktisch preisgleich.

Bei einem Heizwert von 33 kWh/kg ergeben sich Kosten von 18,9 ct/kWh.

Russisches Erdgas kostete geliefert 2,4 ct/kWh.

Die Angaben in diesem Artikel stammen aus der aktuellen Literatur und sind teilweise Schätzungen eines industrieerfahrenen Chemikers.

 

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