Politische Ereignisse, Verkündungen und Maßnahmen prasseln nieder auf uns Bürger in vielfältiger Weise. Um sie alle gebührend wahrzunehmen, zu verfolgen und zu beurteilen, ist die dafür nötige Zeit häufig nicht sofort verfügbar. So geht es mir unter anderem mit der „Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit“. Sie verdient es, nachträglich noch einmal aufgegriffen zu werden. Unterzeichnet haben die Erklärung (s.u.) Bundesforschungsministerin Anja Karliczek und einige ihrer EU-Amtskollegen am 20. Oktober 2020 in Bonn. Sie verpflichten sich darin, die Freiheit der Wissenschaft und den kritischen Diskurs vor staatlichen Eingriffen zu schützen. Weitere Staaten sollen sich der Erklärung anschließen oder haben es schon getan. Sie kommt daher mit wohlklingendem Inhalt. Die Forschungsfreiheit wird politisch vollmundig beschworen. Doch lässt sie unerwähnt, wo das Gegenteil geschieht, zumal in Deutschland, und Politik die Forschungsfreiheit massiv verletzt. Die Verlogenheit ist unübersehbar. Wie Politik Forschungsfreiheit versteht und verletzt, zeigt Dietmar Ufer**) in einem Gastbeitrag mit Beispielen auf. Von mir schließt sich eine Ergänzung an. Die Zwischenüberschriften in Ufers Beitrag eingefügt habe ich.
Gedanken zur „Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit“
Von Dietmar Ufer
Nachfolgende Gedanken sind zwar von allgemeiner Bedeutung, werden jedoch aus dem Gesichtswinkel eines ehemals auf dem Gebiet der Energiewirtschaft tätigen Forschers und seinen langjährigen Erfahrungen formuliert. Bei der „Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit“ handelt sich um ein Papier mit grundsätzlich richtigen und notwendigen Forderungen, die eigentlich für die Europäische Union oder Deutschland als selbstverständlich anzusehen sind und daher keiner weiteren Hervorhebung durch ein offizielles, von Ministern unterschriebenes, Dokument bedürften.
Verletzte Forschungsfreiheit in der Kernreaktortechnik und Klimatologie
Jedoch weiß jeder in der Forschung Tätige, dass die Forschungsfreiheit tatsächlich immer wieder verletzt wird. Beispielsweise wird sie eingeschränkt durch Verteilung von staatlichen Fördermitteln, deren Vergabe vorab in Abhängigkeit von politischen Zielstellungen entschieden wird. So wird die Entwicklung der Kernreaktortechnik in Deutschland staatlich verhindert oder Forschungen in der Klimatologie werden nur dann gestützt, wenn sie der Bestätigung eines anthropogenen Klimawandels und dem Ziel der „Dekarbonisierung“ dienen. Wissenschaftler mit kritischer Haltung zu einem staatlich vorgegebenen Meinungsbild werden von Politikern und Medien öffentlich diskriminiert.
Unerwünschte Forschung als Desinformation dargestellt
Im Papier fehlt eine gründliche selbstkritische Analyse des tatsächlichen Standes der Forschungsfreiheit (wenigstens in Deutschland). Stattdessen wird allgemein auf ihre Verletzungen „weltweit und auch in Europa“ verwiesen. Zweimal wird gefordert, der „verzerrten Darstellung von Fakten und Desinformationskampagnen entgegenzuwirken“. Dabei wollen die Wissenschaftsminister als Unterzeichner der Erklärung „unsere Wissenschaftsorganisationen“ (die zumeist von der öffentlichen Hand leben) dabei „unterstützen“. Letztlich entscheiden also Regierungen darüber, was „verzerrte Fakten“ und „Desinformationskampagnen“ sind, nicht etwa die Forscher selbst mit ihren „fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Ansichten“, die „transparent ermittelt werden und widerlegbar sind“.
Von der Regierungsansicht abweichende Forschung wird gebrandmarkt als „Fake“
Besonders deutlich wird das in der Klimaforschung, in der jede von der Regierungssicht abweichende Meinung als „Fake“ gebrandmarkt wird. Einige „Wissenschaftsorganisationen“, die sich auf diesem Gebiet betätigen, tragen entscheidend dazu bei, die Forschungsfreiheit zu behindern – de facto gibt es sie in Deutschland auf diesem Gebiet nur noch eingeschränkt im privaten Rahmen. Bundesforschungsministerin Karliczek selbst demonstrierte ihre Sicht auf die Forschungsfreiheit, indem sie erklärte: „Wir sind auf die Wissenschaft angewiesen, wenn wir zum Beispiel den Klimawandel begrenzen wollen…“. Entgegen wissenschaftlich begründeter Forschungsergebnisse vertritt sie hier – ausgerechnet im Zusammenhang mit der „Forschungsfreiheit“ – die Meinung, dass nach Milliarden Jahren Klimawandel der Mensch ihn beenden könne!
Der Zusammenhang zwischen Forschungsfreiheit und Demokratie
Wiederholt wird in dem Papier auf den Zusammenhang zwischen Forschungsfreiheit und Demokratie hingewiesen. Es wird erklärt, dass ein „ein kritischer Diskurs keine Illoyalität bedeutet, sondern einen wesentlichen Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft darstellt.“ – Wenn aber die Demokratie nicht nur ein Aushängeschild in der wissenschaftlichen Meinungsbildung sein soll, dann muss der demokratischen Öffentlichkeit auch die Möglichkeit gegeben werden, sich über bestimmte Forschungserkenntnisse zu informieren, und zwar objektiv, nicht ausschließlich aus einer einzigen Sicht.
Abweichende Meinungen werden ignoriert, deren Vertreter diskriminiert
Das ist – wenigstens in Deutschland – nicht der Fall! Nicht nur auf den Gebieten Klimatologie und Energetik werden in allen Massenmedien ausschließlich regierungsamtliche Auffassungen vertreten – abgesehen von gelegentlichen kritischen Leserbriefen. Davon abweichende Meinungen werden ignoriert und deren Vertreter diskriminiert. Vom „Mainstream“ abweichende Forschungsergebnisse können nur ausnahmsweise in privat finanzierten Schriften oder im Internet veröffentlicht werden. Ein offener Meinungsaustausch – sowohl auf der Ebene der Forschung als auch in der interessierten Öffentlichkeit – findet nicht statt.
Forscher, die von politischen Dogmen abweichen, finden kein Gehör
Seit Jahren wird in den Massenmedien immer wieder verkündet: „Der Mensch ist für den Klimawandel verantwortlich“, „Die Emission von Kohlendioxid ist schädlich und muss möglichst komplett eingestellt werden“ oder „Die Energieversorgung kann komplett mit sog. erneuerbaren Energien erfolgen“. Kein Forscher findet Gehör, der von diesen Dogmen abweichende Meinungen vertritt – er erhält keine staatlichen Fördermittel und wird von keinem TV-Sender oder einer großen Zeitung eingeladen, seine Meinung darzustellen und zu beweisen.
Was die Forschungsminister bedenken sollten
Man kann sich der „Bonner Erklärung“ nur anschließen, wenn sie erklärt: „Wir verurteilen alle Verletzungen der Forschungsfreiheit aufs Schärfste und setzen uns mit Nachdruck dafür ein, diese zu verhindern.“ Vielleicht müssten die Forschungsminister den Inhalt ihrer „Bonner Erklärung“ einmal selbstkritisch beleuchten. Dabei sollten sie bedenken, dass „ein kritischer Diskurs … einen wesentlichen Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft darstellt“. Die Forscher jedenfalls hierzulande würden einen solchen ministeriellen Lernprozess mit Interesse verfolgen.
Politiker, die sich Forscher wie Schoßhündchen halten wollen
Soweit der Beitrag von Dietmar Ufer.
Den Wortlaut der Bonner Erklärung finden Sie hier. Zu dieser Erklärung hat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek eine Pressemitteilung ihres Hauses verfassen lassen (hier). Bezeichnend dafür, wie diese Politikerin Forschungsfreiheit versteht, ist darin dieser Satz: „Wir verurteilen alle Versuche, Forschungsfreiheit einzuschränken. Das gilt auch für Angriffe gegen Wissenschaftler aus einigen Teilen der Gesellschaft, wie dies leider auch in der Corona-Pandemie verstärkt zu beobachten ist.“ Forscher also, die zu anderen, aber politisch nicht genehmen Aussagen kommen, beschränken die Freiheit jener Forscher, die Politiker sich wie Schoßhündchen halten wollen. Absolut irre.
Missliebige Forschungsergebnisse werden niedergemacht als „verzerrt“ und „populistisch“
In der Bonner Erklärung selbst lautet ein ebenso entlarvender Satz: „Zur Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit gehört es auch, populistisch motivierter Faktenverzerrung den Boden zu entziehen.“ Im Klartext: Forschung, die der Bundesregierung und den Regierungen anderer EU-Staaten nicht genehm ist, wird als „populistisch“ hingestellt und als nicht erlaubt – oder verharmlosend in Merkel-Sprache: als nicht hilfreich. Und das Darstellen von Fakten, die politisch missliebig sind, wird abwertend niedergemacht als „verzerrt“.
Wie Ministerin Karliczek Wissenschaftsfreiheit politisch verdreht
Der Deutschlandfunk hat am 22. Oktober 2020 (hier) berichtet: „Laut Karliczek ist die Wissenschaftsfreiheit weltweit, aber auch in Europa gefährdet. Forscherinnen und Forscher würden ‚auf das Übelste beschimpft, denunziert und bedroht‘, sagte die CDU-Politikerin. Dadurch sollten sie ‚mundtot‘ gemacht werden, ‚weil ihre Aussagen dem Meinungsbild derer, die sie angreifen, widersprechen‘. Die Gesellschaft sei aber auf die Wissenschaft angewiesen – zum Beispiel beim Klimaschutz oder um die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. Staaten müssten die Forschungsfreiheit respektieren, Gesellschaften Forscherinnen und Forscher verteidigen.“ So wird Wissenschaftsfreiheit politisch verdreht.
Forschungsfreiheit politisch gedrosselt, nicht geschützt
Oder anders übersetzt: Forschungsfreiheit sollen nur jene genießen, die in ihrer Forschung dem allgemeinem Meinungsbild (sprich: dem von Politik und Medien bestimmten Mainstream) folgen. Wer forschend dem nicht entspricht und zu anderen Forschungsergebnissen kommt, dem wird die Forschungsfreiheit nicht zugestanden. Die Forschungsfreiheit wird politisch also gedrosselt, nicht geschützt. Gefährdet, da hat Ministerin Karliczek recht ist die Forschungs- und Wissenschaftsfreit in der Tat, aber nicht durch jene unbotmäßigen Forscher, sondern durch die Politik und Politiker wie Karliczek selbst. Sie agieren wie der Dieb, der „Haltet-den-Dieb“ in die Menge ruft, um von sich und ihrem Vergehen auf andere abzulenken..
____________________________________________________________
*) Dr. rer. oec. Ing. Dietmar Ufer ist Energiewirtschaftler und Gründungsmitglied des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE). Von 1970 bis 1998 hat er im Institut für Energetik in Leipzig als stellvertretender Direktor und Bereichsleiter für Energie und Ökologie gearbeitet. Sein Beitrag stammt vom 23. Oktober 2020. Sein Beitrag stammt vom 23. Oktober 2020.
Pressemitteilung von Anja Karliczek
Der Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors hier
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Sehr geehrter Herr Werner,
als alter Ossi zu Ihren Fragen: “ Musste der Autor so einen Mist am Anfang schreiben?“ – ja! „War es Bedingung für die Veröffentlichung seines Buches?“ – ja! Zum Rest Ihres Kommentars auch „ja“!
MfG
Die Freiheit der Forschung wurde bereits unter Schröder/Trittin zu Grabe getragen, diese nicht ganz so intelligente Hotelfachfrau, deren wissenschaftliches Niveau bisher den Tiefpunkt in diesem Amt darstellt, führt nur konsequent weiter, was vor vielen Jahren begonnen wurde. International ist Deutschland in der Grundlagenforschung doch nur noch ein schlechter Witz. Andererseits: „Ein Land, in dem ein Bankkaufmann Gesundheitsminister ist und eine Hotelfachfrau Forschungsministerin …..“ – was soll man da noch groß erwarten.
Sollte es stimmen, dass 80 – 85% der Deutschen hinter dem politischen Kurs der Regierung stehen, so reiht sich auch dies in die Geschichte der Deutschen ein: Nichts, aber wirklich nichts aus der Geschichte gelernt. Dumm bleibt eben dumm, da kann man nichts machen.
So was hatten wir auch schon mal, arische bzw. deutsche Physik nannte sich das.
Bitte hier nur unter vollem Klarnamen posten, siehe Regeln.
Jeder Politiker hat seine Hofschranzen um sich herum, die ihm tagtäglich erklären, was die einzig wahre Forschung ist und die „Abweichler“ dagegen nur dumme Querulanten! So kommt es, dass die „intelligente“ Svenja von einem 99%-Konsens fabuliert – die unendliche Blödheit dahinter wird tunlichst von ihr ferngehalten. Das Ganze funktioniert, weil die rotgrünen Medien allesamt auf Linie sind – so geht bei uns heute Demokratie. Und die Politik reagiert erst, wenn sie schlechte Presse hat. Das wird zukünftig wohl nie wieder passieren, dafür sorgt schon die staatliche Knete. So ähnlich wie in der Klima-Alarmforschung…
Ein merkwürdiges Land, das sich freiwillig einem Gesinnungsterror unterwirft. Aber was soll’s, unser Weg führt sowieso direkt ins Mittelalter…
Das erinnert mich stark an meine Studentenzeit in den 70-ger Jahren. Physikbücher aus der DDR galten im Westen unter Studenten als Geheimtipp: sie wären leicht verständlich geschrieben mit hohem pädagogischem Wert. Bei einem Tagesbesuch auf die andere Seite der Mauer nach Ostberlin dauerte es auch nicht lange, bis der Buchladen mit Physikbüchern gesichtet war. Und die waren so billig! Ich kaufte mir ein Buch über theoretische Physik, wenn ich mich noch richtig erinnere Theoretische Mechanik von Prof Bodo oder Budo? (das weiß ich nicht mehr genau). Zuhause staunte ich nicht schlecht. Tolles Buch, aber die ersten 20-30 Seiten bestanden aus einem Monolog über den Unterschied der West- und der Ostphysik. Der Marxismus-Leninismus wurde über alles gelobt. Es war eine richtige Gehirnwäsche, bis es dann endlich losging, mit der Mechanik. Im Buch selbst war allerdings dann alles neutral und richtige Physik. Musste der Autor so einen Mist am Anfang schreiben? War es Bedingung für die Veröffentlichung seines Buches? Und so war es sicher auch mit der Forschung an Lehrstühlen für theoretische und experimentelle Physik. Tja, ….. und da kommen wir offenbar wieder hin, mit unserer ehemaligen SED Sekretätin als Kanzlerin. Die DDR lässt grüßen, und die marxistisch- leninistische Forschung auch! Naturwissenschaft wird politisch instrumentalisiert.
Habe heute noch meinen Bronstein-Semendjajew im Bücherregal stehen – Taschenbuch der Mathematik. Erschienen 1956 in Moskau, gedruckt 1974 in Deutsch in Leipzig. Allerdings ohne irgendeinen politisch korrekten Monolog; da ging es auf der ersten Seite gleich richtig mit Mathe los! Hat mir im Studium sehr geholfen.