„Dem Ingenieur, ist nichts zu schwör“ pflegte Daniel Düsentrieb das Wesen des Erfinders in kurzen Worten zusammenzufassen. Angrenzende Fachgebiete kommen oft nicht so gut weg, jedenfalls wird auf technischen Hochschulen gerne gelästert: „Dem Philosoph ist nichts zu doph“. Wobei der eigentliche Gegenspieler des Ingenieurs sicherlich nicht der Philosoph ist. Im Gegenteil: In einem guten Ingenieur steckt stets auch ein Philosoph, schließlich geht es auch dem Ingenieur darum, richtige Fragen zu stellen, oder – noch besser – alles in Frage zu stellen. Zur Veranschaulichung mag der folgende kleine Scherz aus dem technischen Gewerbe dienen. Der Optimist: „Das Glas ist halb voll“. Der Pessimist: „Das Glas ist halb leer“. Der Ingenieur: „Das Glas ist doppelt so groß, wie es sein müsste“.
Das kleine Beispiel veranschaulicht auch, warum Ingenieure und Techniker so selten in Talkshows anzutreffen sind. Da geht es immer nur um halb voll oder halb leer, um plus oder minus, um gut oder schlecht. Mehr als die ritualisierte Auseinandersetzung um das Grundsätzliche glaubt man dort dem Publikum nicht zumuten zu können. Ingenieure sind für solche Hahnenkämpfe denkbar ungeeignet, da sie ja stets nach einer Lösung suchen. Deshalb sind sie der natürliche Feind des Ideologen, der ja ganz im Gegenteil ein möglichst großes Problem braucht. Lösungen sind für den Ideologen im übrigen nur als Verwirklichung gesellschaftlicher Visionen denkbar.
Das ist beispielsweise der Grund dafür, dass es in Deutschland noch immer kein atomares Endlager gibt. Technisch wäre das keine besonders anspruchsvolle Aufgabe. Politisch ist eine Lösung aber überhaupt nicht erwünscht, da man den Bürger weiterhin mit dem atomaren Beelzebub einschüchtern will. Die Ingenieurs-Wissenschaften, ja überhaupt die Naturwissenschaften, sind in hohem Maße politisch unkorrekt. Deshalb fallen die Ideologen auch so wütend über ihre Vertreter her, wenn sich dann doch mal ein Physiker oder Chemiker in eine Talkshow verirrt. Alleine das kühle Abwägen verschiedener Risiken gegeneinander gilt bei den Maischbergers und Plasbergs als zynisch und amoralisch. Aktuelles Beispiel dafür ist die vollkommen aus dem Lot geratene Diesel-Debatte.

Wer rettete die Wale? Greenpeace? Nein, Rockefeller!

Merke: Technische Lösungen für gesellschaftliche Aufgabenstellungen kommen meist früher, als es die Ideologen gebrauchen können. Wer rettete die Wale? Greenpeace? Nein, das war Rockefeller, der mit der Technik der Erdölförderung die Nutzung der fast ausgerotteten Meeressäuger als Rohstoffquelle überflüssig machte. Wer rettete den Wald in Mitteleuropa? Der BUND? Nein, das war die Erfindung der Dampfmaschine, der die Förderung von Kohle aus großen Tiefen möglich machte. Die Waldzerstörung und die Übernutzung der Landschaft hatten in Mitteleuropa vor 200 Jahren jedes vernünftige Maß überschritten. Eine völlige Verkarstung Englands, das vor 200 Jahren schon nahezu entwaldet war, konnte so gerade noch abgewendet werden. Auch die Waldfläche Deutschlands verdoppelte sich im 19. Jahrhundert.
Ein den meisten bekanntes Beispiel ist die Warnung des Club of Rome von 1973 vor dem Ende des Erdöls, das man auf das Jahr 2000 terminierte. Die Ideologen hätten gerne sofort mit der Ausgabe von Rationierungs-Gutscheinen begonnen. Aber die Ingenieure versauten Ihnen das Geschäft, weil sie immer bessere Fördermethoden entwickelten und immer mehr Ölvorräte entdeckten. Und so wird das auch weitergehen, vorausgesetzt, man lässt die Ingenieure machen.
Kein Wunder, dass man mit allen Mitteln daran arbeitet, sie abzuschaffen. Ohne Not haben Politiker das bildungsmäßiges Alleinstellungsmerkmal, das weltweit hochangesehene deutsche Ingenieurs-Diplom der Unis und Fachhochschulen, zu Lasten eines Bachelor und Master Studiengangs aufgegeben. Viele Länder haben uns in der Vergangenheit um unser Ausbildungsprogramm beneidet. Es wurde für ein oberflächliches und universell austauschbares Studienprogramm geopfert.
Damit besteht zunächst auf dem Papier kein Unterschied zwischen einem Studienabgänger von Taka-Tuka-Land und einem einer technischen Hochschule in Deutschland. „Politisch korrekt, doch wo sind unsere Vorteile, wo ist unser Excellence Cluster, welches Alleinstellungsmerkmal soll unsere Ausbildung haben?“, fragte Wilfried Krokowski in diesem Achgut-Beitrag. Aber lassen wir das mal beiseite, es sind ganz offensichtlich noch ein paar muntere Ingenieure übrig, sie müssen ja auch nicht unbedingt aus Deutschland sein.
Echtes Unheil kündigt sich beispielsweise für die sogenannte „Deutsche Umwelthilfe“ und ihre Groupies in Regierung und Behörden an, die dem Auto und insbesondere dem Diesel den Auspuff endgültig abdrehen wollen. So trafen sich vergangene Woche mehr als tausend Motor-Entwickler zum „Wiener Motorensymposium“, der wichtigsten Fachveranstaltung zum Verbrennungsmotor. Und wie es aussieht, werden die Herren Ingenieure den Herren Ideologen schon wieder die Tour vermasseln.
Johannes Winterhagen schreibt dazu in der FAZ: „Der Ingenieur ist ein kritischer Geist. Das Wort ‚Wunder‘ löst in ihm bestenfalls den Willen aus, den Dingen genauer auf den Grund zu gehen. Denn er hat gelernt: Man muss nur lange genug schrauben und nachdenken, dann entpuppt sich jedes vermeintliche technische Mirakel als Apparatur, die allein den Gesetzen der Physik gehorcht“. Um den Stand der Dinge zusammenzufassen: Innerhalb der nächsten 5 Jahre wird man die Stickoxid-Emission der gesamten Fahrzeugflotte auf 20 Milligramm je Kilometer senken können (Beispiel Daimler), und zwar in den EU-Straßentests und nicht auf irgendwelchen wirklichkeitsfremden Prüfstand-Zyklen. Damit unterschreitet man die gesetzlichen Vorschriften um Größenordnungen. Nach derzeitigem Stand liegt der Grenzwert zu diesem Zeitpunkt bei 80 Milligramm je Kilometer.

Warum nicht gleich so?

Das Stickoxid-Problem des Diesels scheint also in relativ kurzer Zeit technisch lösbar – ob die Kunden das noch einmal glauben, ist eine ganz andere Frage. Man fragt sich natürlich auch: Warum nicht gleich so? Man hätte der Umwelt eine Menge Stickoxide und einer Reihe Mitarbeiter gesiebte Luft ersparen können. Ich vermute mal, hier kommt der zweite natürliche Feind des Ingenieurs ins Spiel: der Betriebswirt. Northcote Parkinson, der Urheber der berühmten Parkinsonschen Gesetze, behauptete einmal, Betriebswirte hätten „ungefähr so­viel Moral wie ein Beagle am Fressnapf“. Er meinte damit natürlich nicht das Individuum, sondern das mitunter suboptimale Wirken der Spezies als solche. Es ist ja durchaus gang und gäbe, dass hierzulande entwickelte neue Technologien erst einmal kaputtgerechnet werden, woraufhin sie dann im Ausland Karriere machen. Ideologen und Betriebswirte gehen im übrigen in Deutschland  durchaus arbeitsteilig vor: Ideologen vertreiben die Atomkraft, das Auto, die Chemie und die grüne Gentechnik, die Betriebswirte übernehmen den Rest, denn sie killen die gute Laune, die man zum Erfinden braucht.
Und jetzt wird es ganz bitter für die deutsche Weltuntergangs-Fraktion: Auch die Atomkraft feiert eine fröhliche Renaissance außerhalb des deutschen Windrad-Biotops. Ausgerechnet die Russen, die auf diesem Gebiet ja deutlich schlechter beleumundet sind als etwa deutsche Kernphysiker, bauen jetzt kleine AKW’s und schippern sie auf Flößen durch die Welt, schließlich haben sie mit atomgetriebenen U-Booten und Eisbrechern reichlich Erfahrung. Der Prototyp einer neuen Flotte von schwimmenden AKW’s machte sich dieser Tage via Ostsee zum Polarkreis in Ostsibirien auf, als „nördlichste Nuklear-Installation der Welt“ eine Kleinstadt mit Strom zu versorgen. Rosatom will so „neue Kundenkreise erschließen“, erklärte die Welt-Atompolizei von Greenpeace und zeigte sich entsetzt über die mangelnde Solidarität von China, Algerien, Indonesien, Malaysia und Argentinien. Die haben nämlich Interesse an den schwimmenden Meilern gezeigt. Und, liebe Freunde von Greenpeace, ich wage jetzt mal eine visionäre Prognose: Wenn es mit unserer erfolgreichen Energiewende so weiter geht, dann wird so ein Floß womöglich bald den Rhein hinauf schippern und im Stuttgarter Neckarhafen vor Anker gehen, als Notstromaggregat für Daimler.
Ja, dem Russ‘ ist alles zuzutrauen, sogar eine relativ intelligente Argumentation. Rosatom reagierte auf die Greenpeace-Proteste mit folgendem Hinweis, der ebenso gemein wie niederträchtig formuliert ist: „Wer von angeblich 100 Prozent erneuerbaren Energien träumt, realisiert nicht, dass in einer langen Polarnacht bei minus 60 Grad Celsius weder Wind- noch Solarkraft zur Verfügung stehen“, heißt es, „es ist dann entweder Kohle- oder Atomstrom.“ Kohleverstromung habe „erhebliche negative Auswirkungen auf die arktische Umwelt durch giftige Emissionen, die für den Klimawandel, vorzeitige Todesfälle und das Artensterben verantwortlich sind“. Demgegenüber vermeide Atomkraft „zehntausende Tonnen Kohlendioxid“ und versorge die Menschen „mit sicherer, sauberer und verlässlicher Energie“.

Ground-Control an Wolfsburg, Stuttgart, München

Während die Russen mit ihren AKW’s durch die Weltmeere pflügen, entwickeln die Amis aus ähnlichen Gründen jetzt Baby-Reaktoren für den Weltraum. Denn auch dort kann die Nacht schon mal was länger dauern. Der im Rahmen des Projekts „Kilopower“ entwickelte Reaktor ist demnach in der Lage, kontinuierlich für mindestens 10 Jahre bis zu 10 Kilowatt elektrische Leistung zu liefern. Grundlage ist ein Reaktorkern aus Uran 235 von der Größe einer Küchenpapierrolle. Das wird früher oder später auch die Generation Silicon-Valley auf den Plan rufen. Der Reaktor kann Raumschiffe und Raumsonden unabhängig von der Sonne mit Energie versorgen. Und was noch? Ja was denn wohl? Ich trau mich’s ja kaum zu sagen: Könnte man mit einem solchen Ding, ähm, nicht auch ein Auto antreiben? „Da Autos die meiste Zeit ohnehin nur herumstehen, würden die 10 Kilowatt Dauerleistung in Verbindung mit einem Puffer-Akku locker reichen – man müsste nie tanken und könnte das Auto mit einer ‚Atom-Küchenrolle‘ 10 Jahre lang betreiben“, schreibt ein Leser zu dem oben verlinkten Bericht.
Leute, da bin ich dabei! Ground-Control an Wolfsburg, Stuttgart, München: Übernehmen Sie, bevor es Elon Musk tut. Das Atomauto wäre jedenfalls die ultimative Rache des deutschen Ingenieurs an seinen Peinigern und die späte Erfüllung eines Traums aus den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Ich spendiere dann ein fliegendes Taxi für Dorothee Bär, powered by AKW. Auf Achgut.com wurde die Sache übrigens im vergangenen Sommer in einem „Sonntagsfahrer“ mit dem Titel „Rache an VW & Co.“ vorweg genommen. Da hieß es über den äußerst eigenwilligen aber längst verschiedenen Renault Vel Satis:
Gestartet wird er mit einem großen roten Knopf. Als Antrieb hatte ich deshalb eigentlich ein hübsches kleines Atomkraftwerk erwartet. Statt zur Inspektion führe ich dann einmal im Jahr zur Wiederaufbereitungsanlage nach La Hague, die Brennstäbe erneuern. Aber das hat sich Renault nun doch nicht getraut. Kann aber noch kommen. Für Elektroautos, die in Frankreich eine Steckdose aufsuchen, trifft der Slogan „Powered by Uranium“ ja heute schon zu.
 

Nachwort der EIKE-Redaktion

Die Vorgänge um Greenpeace sollten eigentlich in jedem demokratischen Land die Staatsanwaltschaft oder die Polizei auf den Plan rufen. Man kann den Russen nur für Ihre Konsequenz diesem fragwürdigen Verein gegenüber gratulieren. In Deutschland hat Greenpeace freilich Bestandsschutz und wird zumindest in unseren Lückenmedien gefühlt fast schon als Regierungsorganisation gehandelt. Ein Erlebnis des Verfassers mit dieser Organisation war erhellend, zumindest für ihn. Vor mehreren Jahren saß er zufällig anlässlich einer Podiumsveranstaltung mit einer Greenpeace-Funktionärin gemeinsam am Mittagstisch. Seine etwas naive Bemerkung, dass ihm der Schutz der Waale seitens Greepeace stets Sympathie und Respekt eingeflößt habe, erzeugte nur ein mildes, mitleidiges Lächeln bei der Dame. Ihre Entgegnung: Damit hätte Greepeace kaum noch etwas zu tun, man kämpfe nun gegen den Klimawandel und Kernkraftwerke. Wie heißt es so schön, um diese Bemerkung zutreffend einordnen zu können? Man folge dem Gelde.
Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke, EIKE-Pressesprecher

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