Alex Reichmuth*
In Deutschland stehen mittlerweile fast 29 000 Windanlagen. Sie machten im letzten Jahr rund 16 Prozent der Stromproduktion aus. Doch nachdem es beim Windstrom jahrzehntelang nur vorwärts ging, könnte das Abschalten zahlreicher Anlagen bald zu einem Rückgang der Produktion führen. Der Grund ist nicht, dass die Anlagen nicht mehr funktionieren – sondern dass ihre finanzielle Förderung demnächst ausläuft.
Das deutsche Erneuerbaren-Energie-Gesetz, das im Jahr 2000 in Kraft getreten ist, garantiert Windpark-Betreibern während zwanzig Jahren kostendeckende Tarifefür den Strom, den sie ins Netz speisen. Ab 2020 läuft diese Förderung jährlich für Tausende Windräder aus.Die Betreiber müssen ihren Strom dann auf dem freien Markt anbieten, wo die Preise im Keller sind. Die Erträge dürften in vielen Fällen den Weiterbetrieb der Anlagen nicht decken, zumal viele von ihnen nach zwanzig Jahren Betrieb wartungsintensiver sind und mancherorts kostspielige Reparaturen fällig werden.
Konkret läuft 2020 die Förderung für 5700 Anlagen mit einer gesamten installierten Leistung von 4500 Megawatt (MW) aus.
In den darauf folgenden Jahren dürften es jeweils zwischen 2000 und 3000 MW sein, für die die staatliche Subventionierung wegfällt. Der deutsche Bundesverband Windenergie schätzt, dass bis 2023 rund 14 000 MW installierte Leistung die Förderung verlieren, was mehr als ein Viertel der deutschen Windenergie-Kapazität an Land ist. Wie viele Anlagen tatsächlich vom Netz gehen, hängt vom künftigen Strompreis ab. Bleibt dieser so tief wie heute, könnten mehr Anlagen stillgelegt als neu errichtet werden.
Allerdings ist der Rückbau von Windanlagen nicht ohne Tücken.
Heute können alte Anlagen zwar noch mit Gewinn in andere Weltgegendenwie Osteuropa, Russland oder Nordafrika verkauft werden, wo sie dann weiterbetrieben werden. Aber das Angebot gut erhaltener Altanlagen steigt und dürfte die Nachfrage bald übertreffen. Dann bleibt nur der Rückbauvon Anlagen. Und dieser geht ins Geld. Laut dem Bundesverband Windenergie ist pro Megawatt installierte Leistung mit Kosten von 30 000 Euro zu rechnen. Für eine grosse Turbine fällt so rasch ein sechsstelliger Betrag an.Viele Betreiber, zu denen auch Gemeinden gehören, dürften auf diese Kosten nicht vorbereitet sein.
Probleme beim Recycling
Eine besondere Herausforderung beim Rückbau stellt das Recycling der Bestandteile dar.«Wir stellen mit massiven Subventionen Windräder auf, aber niemand hat sich Gedanken gemacht, was danach mit den Anlagen passiert, dass die eingesetzten Mittel zum Beispiel auch recyclingfähig sein müssen»,so Herwart Wilms, Geschäftsführer des grössten deutschen Entsorger Remondis.
Zwar ist das Material von Stahlteilen oder Kupferleitungen sehr gut verwertbar. Ein Problem stellen aber die Rotorblätter dar, die aus einer Mischung aus Glas- und Kohlefasern bestehen und mit Polyester-Harzen verklebt sind.
«Wir laufen auf ein Riesenproblem zu»,sagte Michael Schneider von Remondis zum Handelsblatt. Denn es sei kaum möglich, die mit Harz verklebten Fasern wieder zu trennen. «Wir kriegen die nicht mehr auseinander», so Schneider. Ab 2021 könnten jährlich 16 000 Tonnen solcher Materialien anfallen.
Zwar will die Windkraftbranche Lösungen für die Wiederverwertung entwickeln. Ob diese dann nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch aufgehen, steht aber in den Sternen. So könnte am Ende nur die energetische Verwertung übrig bleiben, sprich Verbrennung. Aber auch diese ist schwierig, weil die Rückstände von Rotormaterial feinkörnig sind und die Filter von Verbrennungsanlagen verstopfen.
Doch mit dem Rückbau der Anlagen selber ist es nicht getan.
Verschwinden müssten auch die Betonsockel, die das Fundament von Windrädern bilden.
Bei einer grossen Anlage kann dieser Sockel schnell mehr als 3000 Tonnen Stahlbeton umfassen und nicht selten über zwanzig Meter tief in die Erde reichen. Laut dem deutschen Baugesetzbuch müssen Windanlagen «vollständig rückgebaut werden» –und aus den Erläuterungen zum Gesetz wird klar, dass der Rückbau die Fundamente einschliesst.
Die vollständige Abtragung des Betonsockels kann rasch Kosten von mehreren Hunderttausend Eurozur Folge haben.
Auch haben mehrere Gerichte bestätigt, dass nach dem Ende einer Anlage die Betonfundamente abgetragen werden müssen. Das macht ökologisch durchaus Sinn. Wie Godehard Hennies, Geschäftsführer des Wasserverbandstages Bremen/Niedersachen/Sachsen-Anhalt gegenüber der Welt ausgeführt hat, durchstossen die Fundamente oft mehrere geologische Horizonte und verursachen eine bedenkliche Vermischung von vorher getrennter Grundwasserleiter.
Die vollständige Abtragung des Betonsockels kann aber rasch Kosten von mehreren Hunderttausend Euro zur Folge haben.Viele Windkraft-Betreiber haben keine entsprechenden Rückstellungen gebildet. Entsprechend werden die Regeln nicht durchgesetzt. An vielen Orten einigen sich die Betriebe mit den Landbesitzern darauf, dass sie nur die obersten zwei bis drei Meter des Sockels abtragen müssen – vermutlich meist gegen Ausrichtung einer Abgeltung.
Wie der Norddeutsche Rundfunk vor Kurzem berichtete, wird in der Region Dithmarschen in Schleswig-Holstein gar nur der oberste Meter von Betonfundamenten entfernt. Das für Umwelt verantwortliche Landesamt billigt offenbar solche Deals.
Auch deutschlandweit ahndet das zuständige Bundesamt das widerrechtliche Vorgehen bei den Windkraft-Sockeln bis heute nicht.
Geht es um erneuerbare Energie, haben Gesetze offenbar nur Empfehlungscharakter.
(Basler Zeitung)
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)*  Dieser Artikel erschien zuerst in der BASLER ZEITUNG (ol.) am 05.04.2018
https://bazonline.ch/ausland/europa/abbruchstimmung-in-deutschland/story/18862585
EIKE dankt der Redaktion der BasZ sowie dem Autor Alex Reichmuth für die Gestattung des ungekürzten Nachdrucks.
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