Bernie Lewin hat ein bedeutendes neues Buch geschrieben: SEARCHING FOR THE CATASTROPHE SIGNAL:The Origins of The Intergovernmental Panel on Climate Change

Die Bedeutung dieses Buches manifestiert sich in den Danksagungen sowie im Zusammenhang von Assistenz und Beiträgen von frühen Führern und Teilnehmern am IPCC:

Dieses Buch hätte nicht geschrieben werden können ohne die Dokumente, welche ich über Mike MacCracken und John Zillman erhalten habe. Ihr fortwährendes Interesse an einer wahren und genauen Präsentation der Fakten verhinderte, dass ich im Zuge meiner Recherchen vom Weg abkomme. Viele von denen, die an den hier beschriebenen Ereignissen teilhatten, widmeten großzügig ihre Zeit der Beantwortung meiner Anfragen. Darunter waren Ben Santer, Tim Barnett, Tom Wigley, John Houghton, Fred Singer, John Mitchell, Pat Michaels … und noch viele mehr.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an einen früheren Beitrag hier auf Climate etc. mit dem Titel Consensus by Exhaustion, an Lewins 5-teilige Reihe über Madrid 1995: The last day of climate science.

Das Buch ist lesenswert. Der Schwerpunkt meiner Zusammenfassung des Inhalts dieses Buches liegt bei den Kapiteln 8 bis 16 im Zusammenhang mit dem Thema ,Erkennung und Zuordnung‘, ,politischer Karren vor dem wissenschaftlichen Pferd‘ und ,Fabrikation des Konsens‘.

Hier also Auszüge aus dem Buch:

Die Energiekrise der siebziger Jahre

Mit einer Verbindung, die ich zuvor nicht hergestellt hatte, zeigt Lewin den historischen Kontext des Schwerpunktes auf der CO2-Forschung in den siebziger Jahren, angeblich wegen der „Ölkrise“, und Bedenken hinsichtlich Energiesicherheit. Es gab eine bedeutende Debatte darüber, ob Kohle oder Kernkraft das Öl ersetzen sollten. Aus dem 8. Kapitel:

Aber in dem Streit zwischen Kernkraft und Kohle hatten die Befürworter der Kernkraft einen bedeutenden Vorteil. Dieser ergab sich als Folge der Neuausrichtung des riesigen Netzwerkes der von der Regierung finanzierten R&D-Laboratorien [=Forschung und Entwicklung] innerhalb der bürokratischen Maschinerie. Es waren diese ,nationalen Laboratorien‘ jener Zeit, in denen das Kohlendioxid-Programm ins Leben gerufen worden ist. Diese Flutwelle neuer Ergebnisse bedeutete, dass die Forschung bzgl. eines spezifischen menschlichen Einflusses auf das Klima zu einem Hauptbereich der Klimaforschung allgemein werden würde. Heute könnten wir das übersehen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die ,Kohlendioxid-Frage‘ schon lange den gesamten Bereich der Klimaforschung dominiert – wobei die wörtliche Bedeutung des Terminus‘ ,Klimawandel‘ gleichzeitig auf diesen Bereich eingeengt wurde.

Dieser Schwerpunkt wurde NICHT von Atmosphären-Wissenschaftlern gesetzt:

Das stärkste Interesse an Klima unter den atmosphärischen Wissenschaftlern war eine internationale Klimakonferenz in Stockholm im Jahre 1974 sowie eine Publikation des ,US-Komitees für GARP‘ (GARP = Global Atmospheric Research Programme) im darauf folgenden Jahr. Der GARP-Report erhielt das Motto [übersetzt] ,Klimawandel verstehen: Ein Programm für Maßnahmen‘, wobei sich der ,Klimawandel auf den natürlichen Klimawandel bezog, und mit ,Maßnahmen‘ war ein ambitioniertes Forschungsprogramm gemeint.

Es gab ein koordiniertes und gut ausgestattetes Forschungsprogramm bzgl. katastrophaler Auswirkungen, bevor es irgendwelche einzelnen Bedenken innerhalb der meteorologischen Gemeinschaft hinsichtlich dieser Auswirkungen gab und bevor es irgendwelche signifikanten öffentlichen oder politischen Ängste gab, die diesen Bedenken Vorschub leisteten. Es begann mitten in einer Debatte über die relativen Vorzüge der Energieerzeugung durch Kohle oder durch Kernkraft (nach der Ölkrise der siebziger Jahre). Es wurde koordiniert durch Wissenschaftler und Manager mit Interessen an der Kernkraft-Seite dieser Debatte, wobei die Finanzierung infolge Ängsten bzgl. der Energiesicherheit kanalisiert wurde hin zu einer Untersuchung eines potentiellen Problems mit Kohle, um mehr Unterstützung für die Option Kernkraft zu gewinnen.

Das Auftauchen der ,globalen Erwärmung‘

Im Februar 1979, auf der ersten Weltklimakonferenz jemals, erhoben Meteorologen zum ersten Mal Bedenken bzgl. Erwärmung. Die Weltklimakonferenz mag den Abkühlungs-Alarm beseitigt haben, aber sie hat nicht die Erwärmungs-Angst losgetreten.

Während die Führung des UN-Umweltprogramms UNEP stur blieb hinsichtlich globaler Erwärmung, lag die Last vorherrschend bei der Weltwetterorganisation WMO. Als die UNEP-Forderung nach der Modellierung von Klima-Szenarien pünktlich das WCRP (World Climate Research Programme)-Komitee erreichte, scheute man diesen Gedanken: Computer-Modellierungen waren zu primitiv, und besonders auf regionaler Ebene könnten damit keine bedeutenden Ergebnisse gewonnen werden. Das Voranschreiten bei der Entwicklung von Klima-Szenarien würde lediglich die Entwicklung irreführender Abschätzungen der Auswirkungen riskieren.

Es dauerte nicht lange, bis die wissenschaftliche Forschung bzgl. Klimawandel im politischen Prozess marginalisiert wurde, und zwar im Kontext mit dem Vorsorgeprinzip:

Zu Beginn der Klimavertrag-Bewegung im Jahre 1985 in Villach entfernte sich die Rhetorik der politischen Bewegung bereits von seiner Verankerung in der Wissenschaft. Zweifel hinsichtlich der wildesten Spekulationen wurden gewendet in einer Rhetorik von Vorsorgemaßnahmen: wir sollten in jedem Falle aktiv werden, nur für den Fall. Mit der Umkehrung der Beweislast kann die Forschung weitergehen, während die Frage weiterhin offen bleibt.

Ursprünge des IPCC

Hinsichtlich der Ursprünge des IPCC:

Jill JÅNager äußerte ihre Ansicht, dass einer der Gründe der aktiven Unterstützung der USA für ein zwischenstaatliches Gremium zu Klimawandel war, dass das US State Department befürchtet hatte, dass die Lage ,außer Kontrolle gerät‘, wobei ,frei stehende Kanonen potentiell die Agenda festlegen‘ konnten, obwohl dies den Regierungen vorbehalten bleiben sollte. Ein Gremium zwischen Regierungen, so diese Denkrichtung, würde die politische Diskussion wieder unter die Kontrolle der Regierungen bringen. Es würde außerdem die Wissenschaft den Politikern näher bringen, ohne dass Politik-Unternehmer [policy entrepreneurs ?] dazwischen funken. Nachdem sich ein solches Gremium über die Wissenschaft geeinigt hatte, so dieser Gedanke weiter gesponnen, kann man zu einer Diskussion über irgendwelche politischen Implikationen kommen.

Während die Politik bereits die Wissenschaft zunehmend irrelevant machte, brachten Bert Brolin und John Houghton den Schwerpunkt zurück in die Wissenschaft:

Innerhalb eines Jahres der ersten IPCC-Sitzung würde sich der Abschätzungs-Prozess transformieren von einem Report der Repräsentanten eines Landes im Volumen eines Pamphlets zu einem Prozess, welcher drei dicke Bände hervorbringt, geschrieben von unabhängigen Wissenschaftlern und Experten am Ende des komplexesten und teuersten Verfahrens, das jemals von einem UN-Gremium zu einem einzelnen meteorologische Thema durchgeführt worden ist. Die Ausdehnung der Abschätzung und die Machtverschiebung zurück zu den Wissenschaftlern erfolgte ziemlich genau zu der Zeit, als eine Welle des politischen Enthusiasmus‘ erfolgreich kanalisiert werden konnte hin zu Investitionen in den UN-Prozess mit dem zwischenstaatlichen Gremium im Zentrum.

John Houghton, Vorsitzender der Arbeitsgruppe I, brachte das IPCC näher an die Linien einer von Experten gesteuerten Begutachtung: er nominierte einen oder zwei wissenschaftliche Experten – ,Leitautoren‘ – um individuelle Kapitel zu entwerfen, und er etablierte ein Verfahren, mittels welchem diese Entwürfe auf Treffen der Leitautoren begutachtet werden.

Die Hauptänderung war, dass er die Verantwortung von den Delegierten der Regierungen zu praktizierenden Wissenschaftlern verschob. Die Entscheidung, Assessoren zu rekrutieren, welche führend in ihrer jeweiligen Wissenschaft waren, brachte jedoch ein anderes Problem mit sich, nämlich dass die Tendenz dieser Wissenschaftler zutage trat, aus ihren eigenen Arbeiten zu zitieren, selbst wenn diese noch gar nicht veröffentlicht waren.

Das Problem der Marginalisierung der Wissenschaft blieb jedoch bestehen:

Das Vertrags-Verfahren lag jetzt in den Händen von Karriere-Diplomaten und dürfte wahrscheinlich dominiert werden von unfreundlichen südlichen politischen Agitatoren. Daher standen die Wissenschaftler vor der sehr realen Perspektive, dass ihr Klima-Gremium aufgelöst und ersetzt wird, sowie die Framework Convention on Climate Change ihre Arbeit aufnehmen würde.

Und viele Wissenschaftler waren skeptisch:

Mit der Erkenntnis, dass es eine unaufhaltsame Bewegung hin zu einem Vertrag gab, kam von der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine Welle des Skeptizismus‘. Dieser Chor der Bedenken war jedoch durch den Lärm auf dem Weg zu einem neuen Vertrag kaum zu hören und ist jetzt weitgehend in Vergessenheit geraten.

Zu jener Zeit legte John Zillman einem Politikforum eine Studie vor, in der er versuchte, all jenen, die in die politische Debatte verstrickt waren, ein wenig mehr Einsicht zu geben, welch großer Unterschied bestand zum Standpunkt innerhalb der Forschungsgemeinschaft. Zillmann stellte dazu fest, dass…

…die Treibhausgas-Debatte jetzt abgekoppelt wurde von wissenschaftlichen Betrachtungen, welche diese ausgelöst hatte; dass es viele Agenden gab, dass darin jedoch höchstens peripher enthalten war zu ergründen, ob Wetter- und Klimaänderungen für die Welt gut oder schlecht waren“

Beispielhaft für das Ausmaß der grassierenden Frustration unter den Klimaforschern jener Zeit zitierte Zillman den Direktor des WCRP [World Climate Research Programme, ein Projekt der WMO. Anm. d. Übers.]. Das war damals Pierre Morel, erklärter er, welcher ,die internationale Klimaforschung über das vergangene Jahrzehnt vorangetrieben hatte‘. Einige Monate, bevor Zillman mit der Studie aufwartete, hatte Morel dem WCRP-Komitee einen Report zugeleitet, in welchem er die Lage wie folgt beschrieb:

„Die zunehmende direkte Einmischung der Vereinten Nationen in Angelegenheiten des globalen Klimawandels, in Umwelt und Entwicklung war Ausdruck des Erfolges derjenigen Wissenschaftler, die um #politische Aufmerksamkeit‘ wetteiferten und einer ,Kenntnisnahme der Öffentlichkeit‘ der Probleme in Verbindung mit dem Weltklima. Das Thema Klimawandel hat jetzt ein Niveau erreicht, auf dem es in den Händen professioneller Unterhändler für auswärtige Angelegenheiten liegt und damit die grenzen wissenschaftlicher Erkenntnisse (und Unsicherheiten) verlassen hat“

Die Unterhänlder, so Morel, hatten kaum Interesse an weiteren Informationen von wissenschaftlichen Agenturen einschließlich des IPCC und sogar noch weniger Interesse für die komplizierten Statements seitens der wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Es tat sich eine immer größer werdende Kluft auf zwischen der Politik/den Politikern einerseits und der Wissenschaft andererseits:

Das allgemeine Gefühl in der Forschungsgemeinschaft, dass der politische Prozess die Wissenschaft breit überholt hat, hatte oftmals eine andere Auswirkung auf jene Wissenschaftler, die mit dem Thema globale Erwärmung mittels der üppigen Finanzierung desselben zu tun hatten. Für sie war die Lage so wie von Präsident Bush zu verstehen gegeben hatte, als er mehr Förderung versprochen hatte: die Tatsache, dass ,Politik und Meinung die Wissenschaft hinter sich gelassen haben‘, brachte die Wissenschaftler unter Druck, ,die Kluft zu überbrücken‘.

Tatsächlich gab es jede Menge Skeptizismus hinsichtlich der Modellierung, die innerhalb und um das Carbon Dioxide Program frei ausgesprochen wurde während jener Tage, bevor das Klimavertrags-Verfahren begann. Jene, die darauf bestanden, sich weiter um wissenschaftliche Validierung zu bemühen, blieben stecken vor dem Problem, die natürliche Variabilität im Hintergrund besser herauszuarbeiten.

Die Herausforderung von ,Erkennung und Zuordnung‘

Hinsichtlich der Aussage von Jim Hansen vor dem Kongress-Komitee im Jahre 1998:

Ein Beitrag im Magazin Science im folgenden Frühjahr eröffnete Einblicke in den Aufruhr. Bei ,Hansen gegen die Welt bzgl. Treibhaus-Bedrohung‘ erklärte der Wissenschaftsjournalist Richard Kerr: ,während Wissenschaftler die Aufmerksamkeit des Capitol Hill bzgl. Treibhauseffekt begrüßten‘, distanzierten sie sich jedoch ,von der wiederholt unwissenschaftlichen Art und Weise, mit der ihr Kollege James Hansen diese Aufmerksamkeit zu errungen hatte‘.

Eindeutig war die wissenschaftliche Opposition gegen jedwede Erkennungs-Behauptungen im Jahre 1989 erheblich, als die IPCC-Abschätzung im Gange war.

Erkennung und Zuordnung des anthropogenen Klimasignals war das Entscheidende:

Während des IPCC-Begutachtungsprozesses (zum 1. Zustandsbericht) wurde Wigley aufgefordert, eine Frage zu beantworten: Wann wird die Erkennung erreicht werden? Er antwortete mit einem Zusatz zu dem IPCC-Kapitel, in welchem erklärt wird, dass wir warten müssten, bis das halbe Grad Erwärmung, zu dem es bereits im Laufe des 20. Jahrhunderts gekommen war, sich wiederholt. Nur dann haben wir gute Aussichten herauszufinden, wie viel dieser Erwärmung dem Menschen geschuldet ist. Falls die von Kohlendioxid getriebene Erwärmung am oberen Ende der Prophezeiungen liegt, wäre das Anfang des 21. Jahrhunderts, aber bei geringer Erwärmung dürften wir kaum Erkenntnisse dazu vor dem Jahr 2050 haben.

Der erste IPCC-Zustandsbericht war für die ,Kausa‘ der Politiker keine Hilfe. Auf dem Weg zum Erdgipfel von Rio:

Um die Diskussionen der Framework Convention auf dem Erdgipfel von Rio zu stützen, stimmte man dafür, dass der IPCC eine ergänzende Einschätzung abgab. Diese ,Rio-Ergänzung‘ erklärte:

„…das Klimasystem kann auf viele Antriebe reagieren, und es muss noch bewiesen werden, dass das Treibhaus-Signal ausreichend unterscheidbar ist von anderen noch zu entdeckenden Signalen, es sei denn, es erfolgt eine so erhebliche Zunahme der troposphärischen Temperatur, dass andere Erklärungen dafür unwahrscheinlich sind“.

Nun ja, diese Zusatz-Einschätzung half auch nicht viel. Die Wissenschaftler unter Leitung von Bolin und Houghton waren gehalten, sich Druck nicht zu beugen. Aber das IPCC riskierte die Marginalisierung in diesem Vertragsverfahren.

Auf dem Weg zur COP1 in Berlin bedrängte das IPCC selbst das Verhandlungs-Komitee, es in dem politischen Prozess zu halten, aber Spannungen ergaben sich, als es sich weigerte, seine eigenen Verfahren zurückzufahren, um den politischen Erfordernissen zu genügen.

Allerdings blieb der Schub für Maßnahmen auf dem Weg zu Rio ausreichend stark, dass diese Schwierigkeiten mit der wissenschaftlichen Rechtfertigung ignoriert werden konnten.

Der zweite Zustandsbericht:

Im Zusammenhang mit den Vertrags-Aktivitäten wurde der zweite IPCC-Zustandsbericht als sehr wichtig erachtet, um Implementationen in das Kyoto-Protokoll zu rechtfertigen.

Im Jahre 1995 saß das IPCC zwischen den Stühlen Wissenschaft einerseits und Politik andererseits. Der einzige Weg, sich aus dieser realen Gefahr, politisch in Vergessenheit zu geraten zu befreien war, dass man die wissenschaftliche Diagnose in eine positive Richtung lenken und sie in Übereinstimmung mit politischen Maßnahmen bringen konnte.

Das entscheidende wissenschaftliche Thema war Erkennung und Zuordnung:

Die Abfassung von Kapitel 8 (in dem es um Entdeckung und Zuordnung geht) verspätete sich wegen der späten Ernennung von dessen koordinierendem Leitautor. Es dauerte bis zum April, dass jemand sich bereit erklärte, diese Position zu übernehmen. Das war Ben Santer, ein junger Klima-Modellierer am Lawrence Livermore Laboratory.

Das Kapitel, das Santer zu entwerfen begann, wurde erheblich beeinflusst von einer Studie, die im Wesentlichen von Tim Barnett geschrieben worden war, bei der jedoch auch Santer als Autor gelistet war. Es war diese Studie, die in Kurzform all die Schwierigkeiten beschrieb hinsichtlich des Strebens nach ,Erkennung‘. Es war ein neuer Versuch, den alten hinderlichen Block zu überwinden der ,First Detection-Forschung‘: nämlich angemessen den ,Maßstab‘ der natürlichen Klima-Variabilität zu etablieren. Die Studie beschreibt, wie dieses Projekt gescheitert ist, und das fabelhaft.

Im von Santer für das IPCC verfassten Erkennungs-Kapitel gibt es viele Querverweise auf diese Studie. Mehr als alle anderen in Kapitel 8 genannten Referenzen ist sie der Spoiler sämtlicher Behauptungen bzgl. Zuordnung, finden sich diese nun in Verteilungsstudien oder in einer Analyse des globalen Mittels. Sie ist die prinzipielle Grundlage der Schlussfolgerung des Kapitels 8:

„…bis auf den heutigen Tag hat keine Studie eine signifikante Klimaänderung ausgemacht und diese Änderung ganz oder teilweise mit anthropogenen Ursachen in Verbindung gebracht“.

Das finale Treffen der 70 Leitautoren der WG I für den zweiten Zustandsbericht sollte den Entwurf für die Summary for Policymakers absegnen und diesen der zwischenstaatlichen Begutachtung zuleiten. Der von Houghton für das Treffen vorbereitete Entwurf war nicht so skeptisch hinsichtlich der Erkennungs-Wissenschaft wie der Haupttext des Erkennungs-Kapitels von Santer; tatsächlich enthielt er eine schwache Behauptung bzgl. Erkennung.

Diese Behauptung bzgl. Erkennung schien unvereinbar mit dem Skeptizismus im gesamten Haupttext des Kapitels und stand in direktem Widerspruch zu dessen zusammenfassender Schlussfolgerung. Sie repräsentierte eine Änderung des Standpunktes, zu der Santer erst vor Kurzem gekommen war aufgrund eines Durchbruchs in seinen eigenen ,Fingerabdruck‘-Untersuchungen. Diese Ergebnisse waren so neu, dass sie noch nicht veröffentlicht oder auf andere Weise verfügbar waren, und tatsächlich hatte Santer zum ersten Mal die Gelegenheit, diese Ergebnisse einer breiteren wissenschaftliche Bewertung vorzustellen, als Houghton ihn aufforderte, auf dem Treffen der Leitautoren einen Sondervortrag zu halten.

Allerdings wurden auch die Ergebnisse bei diesem Treffen auf den Prüfstand gestellt: Santers Fingerabdruck-Ergebnis und der neuen Erkennungs-Behauptung wurde von vielen Experten in dem Fachbereich heftig widersprochen.

Am ersten Tag der WG I-Sitzung in Madrid im November 1995 hielt Santer erneut einen erweiterten Vortrag über sein neues Ergebnis, dieses Mal vor Delegierten, die zumeist keine Experten waren. Als er geendet hatte, erklärte er, dass das Kapitel im Lichte seiner neuen Ergebnisse überholt war und geändert werden muss. Nach einiger Diskussion forderte John Houghton eine Ad-Hoc-Gruppe, um sich hinsichtlich des Themas Erkennung zu einigen im Lichte dieser bedeutenden neuen Ergebnisse und die entsprechende Passage in der Summary for Policymakers zu ändern, so dass sie anschließend erneut der Vollversammlung zur Genehmigung vorgelegt werden kann. Während dieser Verlauf des Ganzen weitgehend auf Zustimmung stieß, sprachen sich ein paar Delegationen heftig dagegen aus, vor allem, als klar wurde, das Kapitel 8 geändert werden musste. Der Widerstand gegen die Änderungen dominierte weiterhin das dreitägige Treffen. Nach weiterer Debatte entschloss man sich zu einer finalen Version der Erkennungs-Behauptung ,unter dem Strich‘:

„Die Gesamtheit der Beweise zeigt einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima.

All das löste Vorwürfe der ,Schwindelei‘ aus:

Ein Meinungsartikel von Frederick Seitz mit dem Titel [übersetzt] ,Großer Schwindel bzgl. „globaler Erwärmung“‘ erschien am 12. Juni 1996 im Wall Street Journal:

„Dieser IPCC-Bericht wird wie alle anderen deshalb so hoch gehängt, weil er begutachtet ist. Das heißt, er wurde gelesen, diskutiert, modifiziert und genehmigt von einem internationalen Experten-Gremium. Diese Wissenschaftler haben ihren Ruf eingebracht. Aber dieser Bericht ist nicht das, was er zu sein vorgibt – es ist nicht die Version, welche die auf der Titelseite gelisteten beitragenden Wissenschaftler genehmigt haben. Während meiner über 60 Jahre Mitgliedschaft in der amerikanischen wissenschaftlichen Gemeinschaft einschließlich meiner Funktion als Präsident der NAS und der American Physical Society habe ich niemals eine noch verstörendere Korruption des Begutachtungsprozesses erlebt als die, welcher zu diesem IPCC-Report geführt hat.

Beim Vergleich des finalen Entwurfs des Kapitels mit der gerade veröffentlichten Version erkannte er, dass grundlegende Feststellungen skeptisch gegenüber irgendeinem menschlichen Einfluss verändert oder gelöscht worden waren. Er führte folgende Beispiele gelöschter Passagen an:

Keine der o. g. Studien hat klare Beweise erbracht, dass wir die beo bachteten (Klima-)Änderungen dem spezifischen Grund Zunahme der Treibhausgase zuordnen können.

Keine Studie hat bis auf den heutigen Tag den (bis heute beobachteten Klimawandel) ganz oder teilweise anthropogenen Ursachen zugeordnet.

Jedwede Behauptung einer positiven Erkennung eines bedeutenden Klimawandels wird wahrscheinlich kontrovers bleiben, bis die Unsicherheiten der natürlichen Gesamt-Variabilität Klimasystems reduziert sind.

Am 4. Juli schließlich veröffentlichte Nature Santers Studie bzgl. des menschlichen Fingerabdrucks. In Science zitierte Richard Kerr Barnett mit den Worten, dass er nicht völlig überzeugt davon ist, dass das Treibhaus-Signal erkannt worden ist und dass eine ,Anzahl nagender Fragen‘ verbleibt. Später im Jahr würde eine ins Herz von Santers Erkennungs-Behauptung zielende Kritik als Erwiderung veröffentlicht.

Der künstlich fabrizierte Konsens des IPCC

Was man aus all diesen Aktivitäten seitens der Wissenschaftler in der engeren Umgebung des zweiten und dritten Zustandsberichtes des IPCC erkennen kann, ist die Existenz eines bedeutenden Meinungschores, der mit der IPCC-Botschaft einer Erkennung eines Katastrophensignals nur schwer in Übereinstimmung zu bringen ist, welcher die Grundlage für politische Maßnahmen darstellt.

Die wissenschaftliche Debatte um Erkennung und Zuordnung wurde effektiv im 2. IPCC-Bericht unterdrückt:

Kritik wird weiterhin insgesamt ausgespart, ist sie doch eine Politisierung der Wissenschaft seitens Interessengruppen, während die mächtigen politischen Unterstützer des Gremiums sicherstellen, dass dessen Rolle als wissenschaftliche Autorität bei den weiter gehenden Klimavertrags-Verhandlungen niemals wieder ernsthaft bedroht werden darf.

Und natürlich wurde der ,Totenglocke‘ wissenschaftlicher Argumente mit Bedenken hinsichtlich der Erkennung im Dritten Zustandsbericht Rechnung getragen, in welchem die Hockeyschläger-Analyse des Paläoklimas auf der Nordhemisphäre effektiv die Existenz einer hemisphärischen mittelalterlichen Warmzeit ebenso wie die Kleine Eiszeit eliminiert hatte. Damit war der gordische Knoten bzgl. Erkennung durchschlagen.

Bemerkungen der Autorin Judith Curry

Das Buch von Bernie Lewin ist eine wirklich wichtige und gut dokumentierte Historie des Zusammenhangs und der frühen Historie des IPCC.

Ich sprach über Lewins Buch mit Garth Partridge, der in den frühen Jahren des IPCC in denselben involviert war, und er sandte mir per E-Mail folgenden Kommentar:

Ich bin schon etwas erbost, weil ich von die siebziger bis Anfang der neunziger Jahre dabei war, weil ich an einer ganzen Reihe der Treffen teilgenommen habe, über die Lewin spricht, weil ich ein Jahr in Genf zugebracht habe als ein Mitglied der „Belegschaft“ des frühen WCRP und ein weiteres Jahr (1990) als Mitarbeiter beim US National Program Office in Washington DC, weil ich die meisten der Leute getroffen habe, über die Lewin spricht … und ich kann mich einfach nicht daran erinnern, was vor sich ging, soweit es die Politik betraf. Wie naiv kann man sein?? Ich habe den Verdacht, dass der Grund dafür darin zu suchen ist, dass viele Menschen meiner Zeit darin geübt (??) waren, absichtlich all den Müll zu ignorieren und/oder darüber zu lachen, der mit den politischen Betrügereien der internationalen Politik in der wissenschaftlichen Welt verbunden war. Offensichtlich kann die Arroganz von Wissenschaftlern ziemlich außerordentlich sein!

Wissenschaftlicher Skeptizismus hinsichtlich AGW war vor dem Jahr 1995 lebendig und in guter Form; brach aber ein nach der Veröffentlichung des 2. Zustandsberichtes. Danach trug man dem Skeptizismus im 3. Zustandsbericht und mit der Hockeyschläger-Graphik Rechnung in der Hoffnung, diesem Skeptizismus den Todesstoß zu versetzen.

Ein ziemlich fadenscheiniges Gebäude für eine überzeugende Zuordnung der jüngsten Erwärmung zum Menschen.

Ich denke, dass Bernie Lewin recht hat, wenn er das Treffen in Madrid 1995 als den Wendepunkt ausmacht. Es war John Houghton, der die Zuordnungs-Behauptung in den Entwurf der Summary for Policymakers einfügte, was im Gegensatz zu den in Kapitel 8 beschriebenen Ergebnissen stand. Typischerweise wird Ben Santer dafür verantwortlich gemacht, aber es ist eindeutig Houghton, der dies wollte und ermöglicht hat, so dass er und das IPCC einen Sitz am Tisch der Großen Politik erhalten konnte, welche in den Vertrag involviert war.

Man kann den IPCC-Führern ihren Umgang mit neuer Wissenschaft und einer sehr schwierigen politischen Lage im Jahre 1995 nachsehen, worin sie ihr Wirken übertreiben. Allerdings ist es dem 3. Zustandsbericht vorbehalten, in welchem Houghtons Betrügereien mit dem Hockeyschläger wirklich enthüllten, was los war (einschließlich der Selektion von Michael Mann als Leitautor, obwohl dieser gar nicht von der US-Delegation nominiert war). Der Hockeyschläger machte Schluss mit jenem ,nervtötenden‘ Erkennungs-Problem.

Ich vermute, dass die Zurückweisung von all dem seitens der ,wirklich AGW-Gläubigen‘ erfolgte, weil Politik chaotisch ist, aber seht mal, die Klimawissenschaftler hatten von Anfang an recht, und die Temperatur steigt weiter. Jüngste Forschungen lassen das Vertrauen bzgl. der Zuordnung zunehmen, welche uns schon seit Jahrzehnten ,bekannt‘ ist.

Nun, zunehmende Temperaturen sagen nichts über die Ursachen von Klimawandel. Wissenschaftler diskutieren immer noch über den ,Hot Spot‘ in der oberen Troposphäre über den Tropen, welcher die von Santer 1995 identifizierte ,smoking gun‘ war (hier). Und es gibt immer mehr Beweise, dass die natürliche Variabilität im Zeitmaßstab von Jahrzehnten und Jahrhunderten viel größer ist als bisher gedacht (und größer auch als die Simulationen der Klimamodelle hergeben; hier).

Ich müsste wirklich weitere Blogbeiträge schreiben über Erkennung und Zuordnung und werde mich bemühen, mir die Zeit dafür zu nehmen.

Und schließlich, diese gesamte Geschichte scheint die Merton’sche Norm von Universalismus zu verletzen:

Universalismus: Wissenschaftliche Validität ist unabhängig vom soziopolitischen Status/persönlichen Zuordnungen von den daran Teilhabenden

Man stelle sich vor, wie sich all das entwickelt hätte, wenn Pierre Morel oder John Zillman Leiter der WG I gewesen wären, oder falls Tom Wigley oder Tim Barnett oder John Christy beitragende Leitautoren zum Kapitel 8 gewesen wären. Und wie die Klimawissenschaft dann heute aussehen würde.

Ich hoffe, dass dieser Ablauf der künstlichen Fabrizierung des Konsens‘ vernünftigen Menschen Gründe gibt innezuhalten, bevor man Argumenten hinsichtlich eines Konsens‘ über Klimawandel akzeptiert.

Link: https://judithcurry.com/2018/01/03/manufacturing-consensus-the-early-history-of-the-ipcc/

Übersetzt von Chris Frey EIKE

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