Einführung und Zusammenfassung
Dieser Kommentar bezieht sich auf ein vor Kurzem veröffentlichtes Papier von Scherb und Voigt (2011), und die darin aufgestellten Behauptungen stellen eine Kausalrelation her zwischen ionisierender Strahlung und sekundärem Geschlechterverhältnis her. Während es statistische Hinterzimmergewerbler gibt, hauptsächlich in Deutschland, welche Dutzende Blätter Papier zu diesem Thema hinauswerfen, ist keine dieser Behauptungen haltbar, wenn man sie ohne Vorurteile und sorgfältige Statistiken überprüft. Zunächst einmal, die heran gezogenen Beispiele – Nähe zu Kernkraftwerken, Zeitzeugen nuklearer Atomversuche [in der Atmosphäre] und die Tschernobyl-Katastrophe – sind ziemlich ungenaue Messorte der menschlichen Exposition zu ionisierender Strahlung. Im Besonderen ist die menschlich erzeugte Strahlung in den meisten Regionen der Erde winzig im Vergleich zu natürlichen Quellen wie kosmische Strahlen, Gammastrahlung aus der Erde, Zerfallsprodukte von Radon in der Luft und verschiedene Radionukleide, die man im Essen und Trinken findet. (Wissenschaftliches Komitee zu den Auswirkungen atomarer Strahlung der UN – UNSCEAR 2000: „Für die meisten Individuen ist diese natürliche Strahlungsbelastung größer als alle menschlichen Quellen zusammen“; S. 84).
Und selbst wenn man anthropogen erzeugte Strahlung als den Übeltäter sieht, medizinische Röntgenstrahlen sind sicher stärker als der nukleare Fallout von Atombombentests oder Strahlung aus Kernkraftwerken bei normalem Betrieb. Wenn also jemand ernsthaft daran interessiert sein sollte, einen kausalen Zusammenhang zwischen dieser Exposition und den Geschlechtseigenheiten bei der Geburt zu finden, sollte man vielleicht ermitteln, wie oft sich die Eltern vor der Empfängnis einer Röntgenuntersuchung unterzogen haben oder berufsbedingt stärkerer Strahlung ausgesetzt sind: Es ist wohlbekannt, dass Verkehrspiloten einer fortgesetzten höheren Strahlungsbelastung ausgesetzt sind, und es wäre sicher von Interesse zu ermitteln, ob diese Belastung Auswirkungen auf das Geschlecht ihrer Kinder hat.
Dann gibt es eine eindrucksvolle Liste von Faktoren, von welchen tatsächlich Auswirkungen auf Geschlechtseigenheiten bei der Geburt bekannt sind (siehe z. B. Jacobsen et al. 1999 oder Mathews and Hamilton 2005, sowie viele andere): Volkszugehörigkeit und das Einkommen der Eltern, die Reihenfolge bei der Geburt, das Alter der Mutter, Altersunterschiede der Eltern, Essgewohnheiten der Eltern, Körpertemperatur zur Zeit der Empfängnis und so weiter. All diese Dinge nicht zu betrachten macht eine solche Statistik von vornherein ungültig. Zum Beispiel, gab es je schon mal für die hier betrachteten Daten eine Untersuchung darüber, ob das mittlere Alter der Mütter konstant mit Zeit und Gebiet war?
Das Scheitern, diese beitragenden Faktoren zu berücksichtigen wird erweitert durch verschiedene, den Statistiken innewohnende Abkürzungen und Inkonsistenzen in der Literatur, die vor einigen Jahren dazu übergegangen ist, wie es der schottische Poet Andrew Lang ausdrückte – Statistiken zu benutzen wie ein Betrunkener Laternenpfähle – zur Unterstützung und nicht zur Erhellung. In einer kürzlichen Studie (Krämer und Arminger 2011) habe ich gezeigt, dass die populäre Behauptung, in der Nähe von Kernkraftwerken sei die Leukämie bei Kindern deutlich vermehrt, andere wichtige beitragende Faktoren vollständig ausgeblendet. Tatsächlich und ceteris paribus scheint es so zu sein, dass in einigen Ländern die Leukämiefälle bei Kindern in der Nähe von Kernkraftwerken geringer sind als im übrigen Land. Und dieser Kommentar argumentiert, dass die Behauptung von Scherb und Voigt (2011) über nachteilige Auswirkungen von anthropogen erzeugter Strahlung nicht von den Daten gestützt wird, wenn man erst einige Verzerrungen bei der Datenmodellierung entfernt.
Zunächst haben Scherb und Voigt (2011) die Ergebnisse von Signifikanztests falsch interpretiert. Ein Signifikanztest bedeutet: Falls die Null-Hypothese stimmen würde – ein großes ‚falls’ – würde die Wahrscheinlichkeit des beobachteten Ereignisses geringer sein als ein vorab gewähltes Signifikanzlevel. Und diese ziemlich gemäßigte Behauptung wird sogar durch die extreme Abhängigkeit von der Größe und der Herstellung des Datensatzes sowie durch die verbreitete Praxis, die Ergebnisse multipler Tests zu verschleiern, noch weiter abgeschwächt. Das heißt, es werden eine Menge Tests durchgeführt, aber berichtet wird nur von den „signifikantesten“ Ergebnissen und der Untertreibung der Fehlerwahrscheinlichkeit der ersten Art. Dies wird in Abschnitt 2 unten weiter ausgeführt. Siehe auch Ziliak und McCloskey (2008) oder Krämer (2011).
Noch wichtiger ist, was ich anderswo (Krämer 2011) einen Fehler der dritten Art genannt habe. Damit meine ich, dass eine nicht bestätigte Null als Beweis missbraucht wird, dass das Gegenteil richtig ist. „Der Fallout durch die atmosphärischen Atombombentests beeinflusst die menschlichen Geschlechtseigenheiten bei der Geburt überall, und der Fallout aus Tschernobyl hatte einen vergleichbaren Einfluss in Europa und Teilen von Asien“ (S. 698). Eine derartige Behauptung kann niemals einfach auf einem statistischen Signifikanztest aufbauen!
Mein Hauptpunkt ist jedoch einer, der nicht einmal in der statistischen Signifikanz enthalten ist. Im Einzelnen sind die eindrucksvollen p-Werte bei Scherb und Voigt (2011) alle falsch. Man nehme den „signifikanten“ Abwärtstrend des Geschlechterverhältnisses in den USA vor dem vertraglichen Verbot solcher Tests im Jahr 1963. Anders als Scherb und Voigt behaupten, ist dieser Trend nicht „uniform“, und die Neigung des Graphen der Schätzzahlen basiert nicht auf Millionen von Datenpunkten, sondern auf genau 13. Und warum sollte man den Datensatz auf die Jahre 1950 bis 1963 dagegen abgrenzen? Atmosphärische Kernwaffentests gingen noch bis 1974 (Frankreich) und 1980 (China). Nimmt man alternative Unterperioden zur Hand, kann sogar ein positiver Trend gewonnen werden, wie ich in Abschnitt 2 zeige.
Der zweite von Scherb und Voigt analysierte Datensatz überdeckt 39 europäische Länder von 1975 bis 2007. Und wieder, wenn man eine Null-Hypothese wählt, die jeder gleich zurückweisen würde, können viele statistische „Effekte“ mit hoher Signifikanz gezeigt werden. Nimmt man Tabelle 1 bei Scherb und Voigt (2011, S. 702) als Startpunkt, gibt es zum Beispiel einen stark positiven Effekt, wenn man an den Küsten des Mittelmeeres lebt, unabhängig von jeder Exposition ionisierter Strahlung: Das mittlere Geschlechterverhältnis liegt hier bei 1,070, was hoch signifikant größer ist als anderswo (<0,01). Andererseits ergibt die Regression des Geschlechterverhältnisses im Vergleich zur Anzahl der Buchstaben im Namen des Landes ein negativer Effekt, und so weiter. Tatsächlich scheint es überhaupt keine natürliche Grenze hinsichtlich der Anzahl von Effekten zu geben, die mit ausreichenden Bemühungen und unter Verwendung des gleichen Datensatzes ans Licht gebracht werden können.
…
Schlussfolgerung
Der statistische Beweis bei Scherb und Voigt (2011), um ihre Behauptung zu stützen, das anthropogen erzeugte ionisierte Strahlung das Geschlechterverhältnis bei der Geburt beeinflusst, ist nicht überzeugend. Vielmehr scheint es so zu sein, dass Standards der statistischen Nachweise verzerrt worden sind, um die Daten zur vorher geäußerten Hypothese passend zu machen.
Die gesamte Arbeit kann hier heruntergeladen werden.
Ebenso ein Beitrag desselben Autors über "Piercing ist riskanter als Kernkraft" aus dem FOCUS
Prof. Walter Krämer; Department of Statistics, TU Dortmund D-44221 Dortmund
Übersetzt von Chris Frey für EIKE.
Bemerkung des Übersetzers: bei dieser Übersetzung handelt es sich um eine Rückübersetzung eines vordem deutschen Textes, dessen Original jedoch nicht mehr aufzufinden war. Ich bin ziemlich sicher, dass der Autor mit einem Internet-Übersetzer gearbeitet hat.
Grundsätzlich gilt aber für diesen Text und für alle anderen, für EIKE übersetzten Texte von mir, dass ich prinzipiell niemals einen solchen Übersetzer verwende, sondern allenfalls ab und zu nach bestimmten Vokabeln suche.
Chris Frey
Wir freuen uns über Ihren Kommentar, bitten aber folgende Regeln zu beachten:
Sie gehen unkritisch dem Unfug von Walter Krämer auf den Leim. Offensichtlich entspricht seine Kritik Ihren Vorurteilen. Was wir Krämers und ähnlichen Anwürfen entgegenhalten, finden Sie hier: http://tinyurl.com/mh973mg
http://tinyurl.com/mzrgen8;
Beste Grüße, Hagen Scherb
„Ein Signifikanztest bedeutet: Falls die Null-Hypothese stimmen würde – ein großes ‚falls’ – würde die Wahrscheinlichkeit des beobachteten Ereignisses geringer sein als ein vorab gewähltes Signifikanzlevel.“
Ich verstehe nicht oder tu mal so, als verstehe ich nicht, was eine Nullhypothese ist. Das erklärt hier auch kein Nebensatz. – Nur ein Beispiel für die Meinung, dass EIKE viel gewinnen würde, wenn da mal richtige, schreibfähige Journalisten dranwären.
////#4 „Machen Sie einen Vorschlag was mit cottage Industry gemeint ist?
mfG
Admin“ ////
http://www.merriam-webster.com/dictionary/cottage%20industry
„a limited but enthusiastically pursued activity or subject“
Auch das ist problematisch: „wenn man sie ohne Vorurteile und sorgfältige Statistiken überprüft“. Im Original steht: „when examined without prejudice and USING sound statistics“.
„Cottage Industry“ ist – wörtlich – die Heimarbeit: hier http://tinyurl.com/6d7gzc7 und hier http://tinyurl.com/6kzwm49. Im vorliegenden Kontext ist das natürlich herabsetzend gemeint, weshalb ich als Übersetzung so etwas wie „Hinterzimmergewerbe“ vorschlagen würde.
Viele Grüße
Christoph Horst
Hallo Admin!
Nur ein Hinweis:
cottage Industry = Heimarbeit, Hausindustrie
sehr zu empfehlen ist dict.leo.org
und dort oftmals die unten aufgeführten Fragen und Beispiele.
„cottage Industry“- A cottage industry is an industry – primarily manufacturing – which includes many producers, working from their homes, typically part time.
Immer wieder erstaunlich, die Dreistigkeit, mit der Lobbyisten und Interessenvertreter (diesmal einmal nicht die berüchtigten Lobbyisten des Medienkonzerns Greenpeace) versuchen, in der Bevölkerung Angst zu schüren. Da dies nur dann geschehen kann, wenn bei den Zielgruppen zu wenig Hintergrundinformationen vorliegen, noch ein kleiner Zusatz zum Artikel von Herrn Prof. Krämer, hinsichtlich der Art und Höhe von natürlicher ionisierender Strahlung, die jeder von uns im Jahr ausgesetzt ist und die ganz offensichtlich keinerlei Schaden anrichtet, da die Gattung Mensch sich in diesem natürlichen, weit höheren „Gefährdungspotential“ in der Evolution sich nicht nur behaupten, sondern prächtig entwickeln konnte.
In Spektrum der Wissenschaft 11/05 ist der interessante Wissenschaftsartikel „Vom Blitz getroffen“ zu lesen. Dort steht: „Eine natürliche Röntgenquelle: Jüngste Untersuchungen zeigen, dass Blitze Ausbrüche von Röntgenstrahlung erzeugen, während sie sich ihre gezackten Leitkanäle durch die Atmosphäre bahnen. Die Energie der Röntgenquanten beträgt bis zu 250 000 Elektronenvolt, ungefähr das Doppelte wie bei einer Röntgenaufnahme der Lunge.“ Man sollte die Autoren des ominösen Magazins doch mal fragen, wie viele Geschlechterumwandlungen ein Blitzschlag auslöst… Viele Grüße R.L.
@Admin
Zitat
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. Während es eine statistische Industrie gibt, hauptsächlich in Deutschland
—–
Das soll die Korrektur sein ?
Eben wird’s lächerlich
Bei http://www.gapminder.org/ gibt es eine Menge Daten, die man gegen einander anzeigen lassen kann.
Wussten sie, dass der CO2-Ausstoss von der Lebenbserwartung abhängt?
Natürlich tut er das nicht, zumindest nicht direkt.
Gapminder gibts auch als Desktop-Version.
Ein schönes Spiel mit Statistischen Daten.
Viel Spass beim Statistikspielen
Cottage ist keine Baumwolle, die heißt Cotton.
Nein, es handelt sich um Häuser und deren Bau.
Bitte das Lektorat nicht vergessen !!!
Dessen Fehlen ist unangenehm.
Die Statistik ist eine exakte Wissenschaft
Wenn innerhalb 2er Wochen 2 Bremer im Lotto gewinnen kann man behaupten das 1/2 aller Lottogewinner aus Bremen stammen, oder die Chance als Bremer im Lotto zu gewinnen um den Faktor 80 erhöht sei. Viele Ökologische Studien und Mediennachrichten entstehen auf diese Weise. In der Statistik gibt es allerdings den sogenannten Vertrauensbereich der in Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeit eine entsprechende Stichprobengrösse fordert um eine Signifikanz nachzuweisen. Im Falle der berühmten Mainzer Kinderkrebsstudie findet man dann z.B. auf S65 den Hinweis das die Fallzahlen keine gesicherte Erkenntnis erlaubt.
Der Strahlenschutz wie er vom Deutsch-Schweizer Fachverband für Strahlenschutz und vielen internationalen Organisationen vertreten wird beruht nach wie vor in den Grundzügen auf den Erkenntnissen der Atombombenabwürfen in Japan. Seinerzeit gab es eine grosse Fallzahl, definierte Bedingungen (abhängigkeit vom Abstand vom 0 Punkt) und eine intensive wissenschaftliche Untersuchung. Erkenntnisse waren das knapp 10% der Opfer auf Radioaktivität zurückzuführen waren, Langzeitschäden eine recht geringe Rolle spielten, einige 100… Einmalige radioaktive Belastungen von < 100mSv können keine signifikante gesundheitliche Auswirkungen zugeordnet werden. Hinsichtlich kleinerer Dosierungen gibt es viele Theorien, überproportionale Wirkung (vielfach in D vertreten), lineare Auswirkung (IAEA offizieller Kompromiss) unterhalb eines Triggerwertes gar keine Auswirkung, eine positive Auswirkung durch Stärkung des Immunsystems. Insgesamt sind die Auswirkungen dieser geringfügigen radioaktiven Belastungen jedoch zu gering um im Umfeld der Lebensumstände, Rauchen, Passivrauchen, chemische Gifte, Stress, signifikante Ergebnisse zu liefern. Wenn man das ganze noch ein wenig komplexer sehen möchte, so kann man auch versuchen herauszufinden wie sich Radioaktivität und Rauchen auswirkt etc. Vereinfacht gesagt kann man durch andere Umstände des Lebenswandels die eigene Gesundheit stärker beeinflussen. In Tschernobyl konnten 58 Opfer direkt dem Reaktorunfall zugeordnet werden. Es gab viele Schilddrüsenkrebsfälle die allerdings nahezu alle geheilt wurden. Beispielsweise ist von den etwa 1000 Fällen die nach Deutschland geschickt wurden nur ein Mensch verstorben. Zahlreiche traditionelle Wissenschaftler hatten sich im Auftrag der IAEA und anderer Organisationen mit dem Unfall beschäftigt. Aufgrund der zuvor mangelhaften Gesundheitsstatistiken der UDSSR ist es sehr schwierig eine genaue Anzahl der Gesamtopferzahl anzugeben. Im UN Bericht 2005 hat man dann die Maximalzahlen 58 - 4000 angegeben. Langfristfolgen konnten nicht beobachtet werden. Im Fall Fukushima dürften die radioaktiven Belastungen vorraussichtlich zu gering sein um "Strahlentote" ausserhalb der Oekowissenschaft zu generieren. Vandale