Allein diese wenigen Zeilen enthalten eine hohe Konzentration an stark übertriebenen und unrealistischen und auch sehr kurzlebigen Zielvorgaben; im Falle Kernkraft eine 180-Grad-Wende innerhalb weniger Wochen.  Bereits der erste Satz stellt ein bemerkenswertes Beispiel von Schönfärberei dar, denn – wie in den folgenden Kapiteln dargelegt wird – dieses Energiekonzept würde Deutschland in eine sehr unzuverlässige, unbezahlbare und zudem ganz und gar nicht umweltschonende Energieversorgung befördern, wenn es denn jemals ernsthaft versucht wird. Bereits der Versuch würde große wirtschaftliche Schäden anrichten und es ist ein nur schwacher Trost, daß die vollständige Umsetzung dieses Energiekonzeptes ohnehin unerreichbar ist, weil bei einem bestimmten Ausmaß der angerichteten Schäden – Arbeitslosigkeit, Einbruch der Steuereinnahmen, Auswandern der Industrie, Verarmung der sozial Schwachen –  die Regierung davongejagt werden würde.

Die Bundesregierung selbst hat nun gerade einmal 5½ Monate nach der Verabschiedung dieses bis zum Jahre 2050 reichenden Energiekonzepts und  3 Monate nach der zu diesem Konzept gehörenden Laufzeitverlängerung für die Kernkraftwerke (am 14.12.10 in Kraft getreten) mit dessen Verbrennung begonnen.

Das Kernkraftmoratorium und die wohl folgende Stillegung von mehreren Kernkraftwerken, deren Laufzeit soeben noch verlängert wurde,  und die 180-Grad-Wende in der Nuklearpolitik, die plötzlich verkündet wird, befördern Deutschland in das mit teuren „Erneuerbaren“ angereicherte Kohle- und Gaszeitalter zurück und mit den  Klimabroschüren des BMU kann man nun sein Haus heizen. 

Es lag nahe, alle Widersprüche dieser Energiepolitik, die eigentlich diese Bezeichnung nicht verdient, zu kommentieren, wobei sich die Erzählform, die die Gebrüder Grimm begründet haben, als Rahmen anbot.

Einmal dabei, wurden aber auch noch einige weitere politische Illusionen, Manipulationen und Irreführungen, die seit Jahren die deutsche Energiedebatte kennzeichnen, in diese Darstellung aufgenommen.

Nr. 1: Das Märchen vom deutschen Vorbild

Es ist schon erstaunlich, wie oft von Politikern erzählt wird, daß Deutschland für den Rest der Welt mit seiner Umwelt- und Energiepolitik ein Vorbild ist, dem in Kürze alle nacheifern würden.                                                                                                                                 

Abgesehen davon, daß es seit Jahrzehnten in Deutschland eine langfristige, schlüssige und dem Standort dienende Energiepolitik, der man hätte nacheifern können,  niemals gegeben hat, stellt diese Ansicht nur einen Beleg für die völlige Unkenntnis der Meinungen über Deutschland im Ausland dar – und darüber hinaus ein Zeugnis von sehr unangebrachter Überheblichkeit  ( "Am deutschen Wesen…").

Eine Betrachtung der Meinung ausländischer Regierungen zur Erdbeben- und Tsunamikatastrophe von Fukushima und deren Konsequenzen für die Nutzung der Kernkraft ergibt ein eindeutiges Bild: Alle Länder, die selbst Kernkraftwerke bauen und betreiben, bleiben dabei. Ebenso  alle Länder, die Kernkraftwerke nur betreiben – eventuell mit Ausnahme der Schweiz.  Und von allen Ländern, die deren Bau planten, gibt es bisher nur ein einziges, das seine Pläne zurückgestellt hat: Venezuela.

"Die Welt versteht die deutsche Energiewende nicht," titelte der Bonner Generalanzeiger am 27. Mai seinen Bericht über das G8-Treffen in Deauville.

Zu den abrupten Stillegungs- und Ausstiegsplänen des weder von Erdbeben noch von Tsunamis bedrohten Deutschland gab es im Ausland nur Kommentare, die von Unverständnis bis zu beißender Ironie reichten.

Schließlich hat ja Deutschland soeben seine stolze Vorbildrolle als Klimaschützer abgebrochen und will jetzt zu Kohle- und Gasstrom zurückkehren. Die zugesagten nationalen Klimaziele sind Makulatur geworden:

Wird die bisherige Stromerzeugung aus deutschen Kernkraftwerken je zur Hälfte aus (Atom-) Stromimporten und neue hiesige Kohle- und Gaskraftwerke ersetzt, dann würden im Jahre 2018 allein durch die deutsche Energiewirtschaft 62 Millionen Tonnen CO2  mehr emittiert.

(www.bdi.eu/pressemitteilungen_energiekostenstudie_24_04_2011.htm)

Allein in den 3 Monaten des Atommoratoriums vom März 2011 werden in Deutschland rund 8 Millionen Tonnen CO2  zusätzlich erzeugt.

Wer sich jetzt noch als Vorbild vorkommt und das auch noch verkündet, läuft Gefahr, nur noch Mitleid zu erregen.

Es wächst aber auch Ärger in unseren Nachbarländern über die deutsche Schnellabschaltung von sieben Kernkraftwerken: So sehr Frankreich und Tschechien ihre Kernkraft-Neubaupläne von Flamanville,  Penly und Temelin auf den massiven Atomstromexport für ihre angsterfüllten deutschen Nachbarn ausgerichtet haben, stört sie doch die plötzliche Ausstiegs-Hektik der deutschen Regierung.  Zum einen fürchten sie das Überspringen deutscher Netz-Zusammenbrüche über das europäische Stromverbundnetz auf ihr Land.

Zum anderen bringt der durch die beträchtlichen Kraftwerks-Abschaltungen  nötig gewordene plötzliche Stromexport nach Deutschland die Preise an den Strombörsen zum Steigen – auch für unsere Nachbarn. So erhöhte sich dadurch der Börsenstrompreis schon jetzt um 12% und die Emissionszertifikate, die Kohle- und Gaskraftwerks-Betreiber kaufen müssen, stiegen im Preis um 10%.                       (Siehe: Das Märchen von der Überflüssigkeit der 7 abgeschalteten Kernkraftwerke).

Seit dem 17. März 2011 importiert Deutschland im Mittel täglich eine Energiemenge von durchschnittlich 45 Millionen Kilowattstunden (KWh) – überwiegend aus Frankreich und Tschechien, aber auch aus Polen und der Schweiz. Das ist überwiegend Atomstrom. Die Betreiber dieser Kraftwerke orientieren sich für ihren Abgabepreis an dem Niveau der Strombörsen – und der liegt um rund 50 Euro pro 1000 KWh über den Kosten der stillgelegten deutschen Kernkraftwerke. Damit zahlen die Deutschen seit dem 17. März täglich gut 7 Millionen Euro mehr für ihren Stromverbrauch. Die ausländischen Atomkraftwerke zahlen ihre Steuern nicht in Deutschland, auch nicht die  Brennelementesteuer.

Die Kanzlerin hatte übrigens zu dem Energiekonzept 2010, in dem zum Ärger der Regierung  in mehreren der dem Konzept zugrunde gelegten Szenarien erhebliche Stromimporte zum Ausgleich der abzuschaltenden Kohle- und Kernkraftwerke prognostiziert waren, verkündet, daß Stromimporte – die weitgehend Kernkraftstrom betreffen – nicht in Frage kämen. Sie hatte dabei übersehen, daß das ihre Regierung gar nicht beeinflussen kann, denn im freien europäischen Energiemarkt entscheiden das die Händler an den Strombörsen – und zwar nach Verfügbarkeit und Preis.

Im Übrigen: Das größte Land der Welt, China, nimmt mit konsequenter Regelmäßigkeit alle 4 Tage ein neues Kohlenkraftwerk in Betrieb und hält unverändert an seinen massiven Kernkraft-Ausbauplänen fest. Gottlob, könnte man sagen, denn sonst würde China für jedes nicht gebaute Kernkraftwerk zusätzlich ein bis zwei weitere Kohlenkraftwerke errichten.

Eine wirkliche Energiewende wird es vermutlich weltweit geben, wenn die verschiedenen, inhärent sicheren – also aus physikalischen Gründen zu keinem Kernschmelze-GAU fähigen – Kernkraftwerks-Konstruktionen der 4. Generation, die derzeit in der Entwicklung sind, auf den Markt kommen. (Siehe Internationale Arbeitsgemeinschaft "Generation IV International Forum – GIF"; www.gen-4.org/ ).

Leider kann Deutschland bei dieser Energiewende kein Vorbild sein, weil hier die Reaktorentwicklung seit Jahren politisch verhindert wurde und Deutschland deshalb aus den inzwischen auf 7 Nationen angewachsenen Kreis der Hersteller endgültig ausgeschieden ist.  Der gewollte Verlust dieses Milliardenmarktes kann auch nicht durch Beschwörungsfloskeln über großartige Exportchancen von Windmühlen, die inzwischen die verbliebenen Kunden selber bauen können,  wegdiskutiert werden.

Nr. 2: Das Märchen von der Überflüssigkeit der 7 abgeschalteten Kernkraftwerke

Als die Regierung in einer überstürzten Aktion, als drohe in den nächsten Tagen ein Tsunami, das sog. Moratorium beschloß, das 7 ältere Kernkraftwerke stillegte, erhob sich bei der SPD und den Grünen sowie in den diesen Parteien zugetanen Medien großer Jubel, weil es nicht sofort landesweite Blackouts gab. Damit war nach Ansicht dieser selbsternannten Energieexperten bewiesen, daß diese Kernkraftwerke – und vielleicht auch noch weitere – von Anfang an vollkommen überflüssig gewesen seien.

Auf die Idee, daß die Betreiber dieser Kraftwerke, allesamt börsennotierte Aktiengesellschaften, diese Anlagen nicht allein als Hobby oder zum Ärgern der Grünen am Laufen hielten, sondern deren Strom in Deutschland und Europa tatsächlich verkauften, kamen sie nicht. Und daß sie zusammen mit den Netzbetreibern in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kunden und ihren europäischen Nachbarn sämtliche Register zogen – auch recht problematische (s.u.) –  um Netzzusammenbrüche trotz der Panik-Abschaltung zu verhindern, wurde ignoriert.

Was aber im Hintergrund und ohne Medienbegleitung tatsächlich passierte, sah ganz anders aus:

Die Netzbetreiber verzichteten wegen der angespannten Stromnetz-Situation teilweise auf Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten am Höchstspannungsnetz, da auch zeitweilige Abschaltungen das Risiko flächendeckender Stromausfälle zu sehr erhöht haben würden.

Auch Bauarbeiten sind betroffen: So mußten die Arbeiten zur Erneuerung des Umspannwerkes Großkrotzenburg unterbrochen werden.

E.On-Chef Teyssen teilte mit, daß E.On seine Gas- und Kohlekraftwerke hochgefahren und fällige Wartungsarbeiten verschoben hat, um Stromausfälle zu verhindern. Auch Reparaturen wurden verschoben. Die Netzbetreiber hätten darum gebeten, weil sie kurzfristige Blackouts infolge der abgeschalteten Kernkraftwerke befürchteten. Teyssen: "Wir verschieben auf Bitten der Netzbetreiber auch Revisionen von Kraftwerken."

Die Bundesnetzagentur warnte deshalb öffentlich vor weiteren politischen Abschaltungsverfügungen.

Für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit wurden sofort Stromimporte notwendig; sie wurden essentiell.

Die 4 großen Übertragungsnetz-Betreiber Tennet (früher E.On-Netz),  Amprion,  50hertz (früher Vattenfall-Netz) und EnBW warnten am 23.5.2011 vor drohenden Versorgungsproblemen im kommenden Winter, wenn der Solarstrom ausfällt, die Windkraft eine Zeitlang nichts liefert und unsere Nachbarn ihren Strom selber brauchen. Zur Zeit sei die Situation nur durch den Solarstrom und vor allem hohe Stromimporte von mindestens 8.000 MW zu beherrschen, wobei alle hiesigen konventionellen Kraftwerke bereits bis zu ihrer Leistungsgrenze hochgefahren wurden. „Das Netz ist gerade noch gemäß EU-Mindest-Sicherheitsstandards zu betreiben“

Im Winter würde eine andauernde Stillegung der 7+1 Kernkraftwerke (das achte ist das Z.Zt. außer Betrieb befindliche KKW Krümmel) an kalten, windarmen Tagen zu Netzzusammenbrüchen führen.

Auch nach einem Bericht der Bundesnetzagentur vom 11.4.2011 wird Deutschland als Stütze für das europäische Netz ausfallen.

Daß auch schon vor dem Fukushima-Unglück und der folgenden Reaktorabschaltung in Deutschland Teile der Regierung erhebliche Sorgen hatten, zeigt der Elektrizitätsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums vom 20.1.2011, in dem vor Stromausfällen infolge überlasteter Netze durch den Ausbau "erneuerbarer" Energien gewarnt wurde.

Währenddessen sucht die Regierung nun nachträglich eine technische Begründung, um die jetzt abgeschalteten Kernkraftwerke endgültig stillzulegen.

(Prof. Johannes Paulus,  Experte für Thermodynamik und Energietechnik, Schweinfurt. Schweinfurter Tagblatt 16.4.2011).

Nr. 3: Das Märchen von den geringen Kosten der "Energiewende"

Politische Befürworter der sog. Energiewende behaupten, daß deren Zusatzkosten – insbesondere beim Strompreis – sehr gemäßigt ausfallen würden. Sie sind sich sehr darüber im Klaren, daß sich die Bürger derartige Wenden nicht gefallen lassen werden, wenn sie sich durch exorbitante Preissteigerungen ausgeplündert vorkommen. Umfragen zeigen bereits, daß die Zustimmung zum Kernkraft-Ausstieg stark abnimmt, wenn diese Aussichten angedeutet werden.

Deshalb muß den Bürgern, damit sie still halten, durch optimistische Berechnungen diese Angst genommen werden. Wenn erst alles beschlossen und eingeleitet ist, so die Spekulation, werden es die Menschen schon hinnehmen.

An optimistischen bzw. extrem geschönten Rechnungen herrscht kein Mangel. Bei der Expertenbefragung des Ethikrates zum Kernkraftausstieg erläuterte einer der Wissenschaftler, daß es von sogenannten Expertisen nur so wimmele, "in denen die Kostensteigerungs-Schätzungen zum Kernkraftausstieg und der damit verbundenen   Energiewende zwischen dem Faktor 1 und dem Faktor 100 liegen."

Mit anderen Worten: Diese Expertisen sind zwar wissenschaftlich dekoriert, aber der größte Teil davon verdient die Bezeichnung Expertise nicht, was durch  diese unglaubliche Streuung der Ergebnisse bewiesen wird.  Es handelt sich dabei vielmehr um Scharlatanerie und Gefälligkeits-"Gutachten", die politisch genutzt werden.

Die Energiewirtschaft ist ein durch eindeutige Daten und bekannte Abläufe präzise erfaßter Bereich, in dem die Gesetze der Mathematik bzw. der Betriebswirtschaft sowie die der Physik gelten und in dem es bei seriöser Herangehensweise vielleicht eine Streuung der Ergebnisse um den Faktor 1,5 aber niemals um den Faktor 100 geben kann.

Im Grunde kann aber jeder schon heute recht gut abschätzen, ob die Energiewende für ihn teuer wird: Der Schlüssel dazu sind die Vergütungssätze (Einspeisevergütung für Ökostrom gem. EEG) für jede Kilowattstunde (KWh) Wind-, Solar- und Biomassestrom im Vergleich zu den Gestehungskosten (ohne Steuern, Abgaben, Verteilungskosten, Gewinn) für Strom aus Kohle-, Kernkraft- und Gas-Dampf-Kombikraftwerke (GuD).

Die Höhe der Einspeisevergütungen ist ja genau danach bestimmt worden, was die Erzeugung durch die betr. Energieanlagen kostet – plus einer Rendite. Deshalb sind die Einspeisevergütungen pro eingespeister Kilowattstunde (KWh) ein exzellentes Maß für den Vergleich – und für das, was die Stromkunden bei ihrem weiteren starken Ausbau  erwartet.

Gestehungskosten für die konventionelle Stromerzeugung

– Braunkohlekraftwerke………………4,6 Cent / KWh  (davon  20% Brennstoffkosten)

– Steinkohlekraftwerke……………….4,9 Cent / KWh  ( davon  42% Brennstoffkosten)

– Kernkraftwerk (abgeschrieben)…2,2 Cent / KWh   (davon   27% Brennstoffkosten )

– Kernkraftwerk-Neubau……………..5,0  Cent / KWh  (davon 8,1% Brennstoffkosten)

– GuD-Gaskraftwerke…………………5,7 Cent / KWh  (davon 74% Brennstoffkosten)

       (Daten aus:Panos Konstantin: „Praxisbuch Energiewirtschaft“, 2009, VDI-Buch)

Einspeisevergütung gem. Erneuerbare Energien-Gesetz  (für 2011)

– Windstrom:   Landanlagen          9,2   Cent / KWh

                       Offshoreanlagen    13,0 Cent / KWh

– Biomasse-Strom: Grundvergütung:    

— bis 150 KW: ……………………….11,67 Cent / KWh, absinkend bis

— 5 MW – 20 MW: ……………………7,79 Cent / KWh

Dazu kommen zahlreiche Boni:   Nawaro-Bonus incl. Gülle-Bonus,

                                                                  Technologie-Bonus,

                                                                  Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus

                                                                  Formaldehyd-Bonus.                

– Photovoltaik-Solarstrom:

— Inbetriebnahme 1.1.- 30.6.2011: …28,74 Cent / KWh

— Inbetriebnahme 1.7.- 30.9.2011: …24,43 Cent / KWh.

Da sich an den zusätzlichen Kosten wie Steuern und Abgaben nichts ändern würde, weil der Staat das Geld braucht und sich die Netzkosten auch noch wegen der gewaltigen Erweiterungen  für den Nord-Süd-Transport des Windstroms  massiv erhöhen würden, steigen selbstverständlich die Strompreise deutlich. Der ehemalige Wirtschaftsminister Brüderle legte am 21.3.2011 Eckpunkte für den Stromnetzausbau vor: "Für den ehrgeizigen Ausbau der erneuerbaren Energien würden etwa 3.600 km neue Leitungen benötigt."

Die Deutsche Energie-Agentur dena rechnet jedoch mit erforderlichen 4.500 km an zusätzlichen Höchstspannungsleitungen. Der dena-Geschäftsführer Stephan Kohler erwartet einen Strompreisanstieg von 20% bei einem Kernkraftausstieg bis 2020/25.

Der VDE wies bereits in seiner Prognose von 2008 auch darauf hin, daß ein Netzausbau mit Hochspannungs-Freileitungen "zunehmend an der ablehnenden Haltung der Bürger scheitert." Die Folge sei der Bau von unterirdischen Leitungen, die jedoch "das Drei- bis Sechsfache einer Freileitung kosten."

Immerhin prognostizierten sowohl Kanzlerin Merkel als auch Herr Brüderle, daß auf die Verbraucher damit höhere Strompreise zukommen würden. Zahlen nannten sie nicht.

Im Dilemma zwischen Reaktorstillegungen, Klimaschutz-Verpflichtungen und drohenden Stromsperren tendiert die Regierung zu mehr Gaskraftwerken, da diese eine bessere CO2-Bilanz als Kohlekraftwerke haben und somit das „kleinere Übel“ darstellen – obwohl das die teuerste Art der konventionellen Stromerzeugung ist, deren Preis auch noch von Monopolisten abhängt.

Die Russen finden die deutsche Energiewende deshalb großartig: Gazprom-Chef Alexej Miller  schätzt, daß schon bis Dezember 2011 der Preis für 1000 Kubikmeter Erdgas von heute 354 Dollar auf 500 Dollar steigen wird. Sie haben durch die Schlafmützigkeit der letzten deutschen Regierungen eine bequeme Monopolstellung bekommen, weil Deutschland seit vielen Jahren auf den Bau eines Terminals für LNG (verflüssigtes Erdgas) in Wilhelmshaven verzichtet hat, was die Anlandung von Erdgas aus anderen Lieferländern – z.B. aus Nordafrika – ermöglicht hätte. Unsere westeuropäischen Nachbarn haben diese Chance konsequent genutzt. Auch dieses Kapitel gehört zum Generalthema "Nichtexistenz einer deutschen Energiepolitik."

Analysten gehen im Gegensatz zu der deutschen Rettungs-Vision "Gaskraftwerke statt Reaktoren" davon aus, daß eine durch Kernkraft-Abschaltung entstehende Versorgungslücke keineswegs durch neue Gaskraftwerke gefüllt werden kann. Sie sagen voraus, daß die Stromversorger erst dann in neue Gaskraftwerke investieren werden, wenn die Gasimport-Kapazitäten stark erhöht werden. Und damit meinen sie nicht noch mehr Leitungen zum Monopolisten Gazprom.

Wie wäre es dann mit Kohle ? Erich Schmitz, Geschäftsführer des Vereins der Kohleimporteure, sagt: "Würden wir die Kapazität der jetzt vom Netz genommenen Atomkraftwerke vollständig durch Steinkohle ersetzen, müßten wie pro Quartal bis zu 3 Millionen Tonnen mehr einführen." Und der Vorsitzende der Industriegewerkschaft IGBCE (Bergbau, Chemie, Energie) Michael Vassiliadis forderte bereits einen kräftigen Wiedereinstieg in die Kohleverstromung – Braun- und Steinkohle – bei einem Kernkraft-Ausstieg. Der SPD-Vorsitzende Siegmar Gabriel hat das vernommen und verwies bereits darauf, daß "wir die acht bis zehn Kohlekraftwerke brauchen, die sich derzeit im Bau befinden." Offenbar sieht die SPD jetzt die Chance, ihre Atomausstiegs-Forderungen mit gewerkschaftlichen Wünschen in Einklang zu bringen.

Wie es aussieht, hat sich die Regierung völlig in eine Sackgasse hinein manövriert.  Sie wird die Kohleoption nutzen müssen, wenn sie nicht eine erneute Kehrtwendung  ("Wir brauchen die Kernkraft nun doch…") machen will. Aber ganz ohne Kehrtwendungen geht es jetzt nicht mehr weiter:

Ein plötzlicher Abschied von bislang unantastbaren Umweltzielen steht ins Haus.

Nach einer Studie des BDI kämen durch den Kernkraftausstieg bis 2020 Mehrkosten von 33 Milliarden Euro zusammen;

– davon 24 Mrd. Euro für Industrie- und Gewerbekunden

– und 9 Mrd. Euro für private Verbraucher.

Rechne man noch die Kosten für den Ausbau der "Erneuerbaren" und des Stromnetzes (s.o.)  hinzu, würden aus den 33 Mrd. sogar 51 Mrd. Euro.

E.On-Chef Teyssen befürchtet bei steigenden Strompreisen eine De-Industrialisierung. 830.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr. "Wenn die energieintensive Grundstoff- und Chemieindustrien uns verlassen, ist das für die ganze Wirtschaft schlimm."

In einer Wirtschaft ohne Grundstoffindustrie, ohne Stahl- und Aluminiumerzeugung, gebe es auch keine heimische Werkzeugmaschinenindustrie mehr. "Dann werden auch keine Windkraftanlagen mehr bei uns gebaut."

(Wirtschaftswoche 1.5.2011; http://wiwo.de/t/a/464720 )

Werden die Gewerkschaften dem zu befürchtenden  Exodus der deutschen Industrie, vor dem bereits der EU-Energiekommissar Oettinger gewarnt hat, weiterhin tatenlos zusehen ?

Lesen sie auch die Teile II und III mit  den Märchen 4 bis 13 in den nächsten Tagen 

Dr.ing.  Günter Keil Sankt Augustin, 27. Mai 2011 für EIKE

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