Künstliche Intelligenz, Rechenzentren und Elektrofahrzeuge sorgen für eine noch nie dagewesene Stromnachfrage, mit der unsere alternde Übertragungs-Infrastruktur nur schwer Schritt halten kann. Im Zentrum dieser Krise steht eine obskure, aber mächtige Rechtsvorschrift: das Erstverweigerungsrecht (Right of First Refusal, ROFR). Diese Gesetze gewähren den etablierten Versorgungsunternehmen das ausschließliche Recht, neue Übertragungsprojekte zu bauen, wodurch regionale Monopole geschaffen werden, die Innovationen im Keim ersticken.
Die derzeitige Stromnachfrage ist beispiellos hoch. Das texanische Netz hat 2024 wiederholt Verbrauchsrekorde gebrochen. Dennoch sind das texanische und andere Netze weniger in der Lage, sich an neue Stromlieferungen anzuschließen als in der Vergangenheit. Der Bau von Hochspannungsleitungen ist von jährlich 3200 km auf nur noch 1100 km zurückgegangen.
Der Grund dafür, dass wir weniger neue Übertragungsleitungen haben, ist eine schlechte [US-]Bundes- und Landespolitik. Seit 1996 hat die Federal Energy Regulatory Commission den offenen Zugang neuer Versorgungsunternehmen zu Übertragungsleitungen gefördert. Die bundesstaatlichen Vorschriften gestatteten jedoch lange Zeit den bestehenden Versorgungsunternehmen den Vorrang beim Bau dieser neuen Leitungen, bekannt als ROFR, wodurch sie eine Art Veto gegen Wettbewerber ausüben konnten. Nach einem kurzen Versuch, diese Politik zu beenden, hat die Kommission 2024 eine Version davon wieder in Kraft gesetzt und damit die Vorherrschaft der etablierten Versorgungsunternehmen genau dann gestärkt, wenn das Netz Innovationen erfordert.
Die ROFR-Gesetze der einzelnen Bundesstaaten haben den Markt weiter fragmentiert. Ein Flickenteppich von Vorschriften im Mittleren Westen und in den Great Plains – darunter Indiana, Minnesota und Texas – hat Regionen geschaffen, in denen wettbewerbsorientierte Ausschreibungen für die Übertragung praktisch verboten sind. Diese Balkanisierung macht es nahezu unmöglich, die für die zwischenstaatliche Energie-Integration unerlässlichen Hochspannungs-Fernleitungen zu entwickeln. Schätzungen zufolge könnten die Kosten für die Übertragung durch Ausschreibungen bis zu 30 % gesenkt werden, doch diese Einsparungen bleiben unter dem derzeitigen Gesetz unrealisiert.
Der Oberste Gerichtshof von Iowa erkannte das Problem mit den etablierten Versorgungsunternehmen im Jahr 2023, als er das ROFR-Gesetz des Bundesstaates aufhob und es als „Vetternwirtschaft“ anprangerte. Die Entscheidung des Gerichts verdeutlichte, dass diese Gesetze nicht nur die Kosten in die Höhe treiben, sondern durch die Diskriminierung des zwischenstaatlichen Handels potenziell gegen die verfassungsmäßige Klausel über den ruhenden Handel verstoßen. Durch die Bevorzugung lokaler Unternehmen gegenüber Entwicklern aus anderen Bundesstaaten schaffen ROFR-Gesetze rechtliche Schwachstellen und behindern gleichzeitig die Entwicklung wichtiger Infrastrukturen.
Die Befürworter von ROFR-Gesetzen argumentieren, dass sie Stabilität und Verantwortlichkeit gewährleisten. Die etablierten Versorgungsunternehmen, so behaupten sie, verfügen über das Fachwissen und die Ortskenntnis, um einen zuverlässigen Service zu gewährleisten. Dieses Argument mag in der Ära der vertikal integrierten Versorgungsunternehmen, die feste geografische Gebiete versorgten, noch Gültigkeit gehabt haben. Doch die heutige Energielandschaft erfordert Flexibilität und Innovation. Unabhängige Entwickler haben bewiesen, dass sie in der Lage sind, Übertragungsleitungen schneller und billiger zu bauen und dabei oft fortschrittliche Technologien einzusetzen, die von den traditionellen Versorgungsunternehmen nur langsam übernommen werden.
Das Versagen des derzeitigen Systems verursacht immer höhere Kosten. Abgesehen von den unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen von Ausfällen und Verzögerungen läuft Amerika Gefahr, bei der globalen Energiewende ins Hintertreffen zu geraten. China hat in den letzten fünf Jahren mehr Hochspannungsleitungen gebaut als die USA in den letzten 20 Jahren. Ohne Reformen wird das US-Netz zu einem immer kostspieligeren Engpass in unserer wirtschaftlichen Infrastruktur werden.
Die Lösung erfordert Maßnahmen auf mehreren Ebenen. Der Kongress könnte einzelstaatliche ROFR-Gesetze für zwischenstaatliche Projekte außer Kraft setzen und die Übertragungsinfrastruktur als entscheidend für die nationale Sicherheit und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit anerkennen. Die FERC könnte die Wettbewerbsbestimmungen verschärfen und gleichzeitig straffere Verfahren für interstaatliche Projekte schaffen.
Gemeinsame Eigentumsmodelle für Übertragungsleitungen bieten einen vielversprechenden Mittelweg. Indem sie von den etablierten Versorgungsunternehmen verlangen, mit unabhängigen Entwicklern zusammenzuarbeiten, können die Staaten die lokale Verantwortlichkeit bewahren und gleichzeitig Wettbewerbsdruck erzeugen. Diese Vereinbarungen haben sich bereits in mehreren Regionen als erfolgreich erwiesen, wurden doch die Projekte pünktlich und innerhalb des Budgets fertiggestellt. Der Southwest Power Pool beispielsweise hat mit Hilfe gemeinsamer Eigentumsverhältnisse die Entwicklung der Übertragungsnetze beschleunigt und gleichzeitig die Zuverlässigkeit der etablierten Energieversorger sichergestellt.
Kritiker mögen befürchten, dass die Abschaffung der ROFR-Gesetze zu einem Planungschaos führen oder die Zuverlässigkeit durch eine Zersplitterung der Entwicklung beeinträchtigen könnte. Die Erfahrung beweist jedoch das Gegenteil. Regionen mit wettbewerbsfähigen Übertragungsmärkten haben ihre Zuverlässigkeit beibehalten oder verbessert und gleichzeitig die Kosten gesenkt. Der Schlüssel liegt in der Schaffung klarer Regeln, transparenter Prozesse und einer starken Aufsicht – nicht im Schutz etablierter Monopole.
Der Weg nach vorne erfordert politischen Mut und regulatorische Klarheit. Die politischen Entscheidungsträger müssen erkennen, dass die Netzmodernisierung, wie zuvor das Autobahnsystem, eine nationale Koordination erfordert. Die Alternative – ein balkanisiertes System regionaler Monopole – wird die Kosten weiter in die Höhe treiben und den Fortschritt verzögern.
This article originally appeared at Real Clear Energy
Link: https://www.cfact.org/2024/12/28/securing-the-u-s-electric-grid-requires-major-reform/
Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE
Anmerkungen des Übersetzers zu diesem Beitrag: Mir ist eine ähnliche Problematik hierzulande nicht bekannt. Ich wollte die Übersetzung schon abbrechen, aber vielleicht gibt es hier Fachleute, für die das interessant ist und die vielleicht Rückschlüsse auf die Lage bei uns ziehen können.
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So sieht das Endergebnis von Privatisierung aus. Immer!
Stromversorgung und die Versorgungssicherheit in den USA ist ein einziger Albtraum.
Stromausfälle sind in den USA nichts Außergewöhnliches.
Die Stromnetze in den USA sind extrem veraltet und wartungsintensiv.
Die Cowboys müssen mal richtig Geld in die Hand nehmen, um das Stromnetz für das 21. Jahrhundert fit zu machen.
Auch das mit den nur 110V an den allermeisten Steckdosen sollten die mal überdenken.
Das Foto: Wilde Stromnachfrage. Ob die wohl alle Tassen im Schrank haben? Wirres Pack.