20. Analysewoche 2024 von Rüdiger Stobbe
Vergangene Woche gab es bereits einen Hinweis auf die Fortsetzung der Negativpreisserie beim Stromhandel. Die 20. Analysewoche wartete an den ersten vier Tagen mit recht hoher Wind- und PV-Stromerzeugung, so dass es über Mittag auch an den bedarfsstärkeren Werktagen zur Stromübererzeugung kam. Am fünften Tag flachte die PV-Stromerzeugung etwas ab, so dass die Preise im positiven Bereich blieben. Weshalb wird Strom importiert, obwohl die bundesdeutsche Eigenerzeugung die 100-Prozent-Linie teilweise übersteigt? Die Antwort der Bundesnetzagentur. An den letzten beiden Tagen der Woche fällt die Windstromerzeugung zwar massiv ab. Doch der geringe Wochenendbedarf und die hohe PV-Stromerzeugung sorgen wieder dafür, dass die Strompreise über Mittag wieder in den negativen Bereich rutschen: Am Samstag zwar erheblich weniger als am Sonntag, aber immerhin. Weil die Minus-Preisphase am Samstag länger als zwei Stunden anhält, wird die regenerative Stromerzeugung nicht vergütet. Ein Sachverhalt, der in diesem Sommer vermutlich recht häufig vorkommen wird. Zum Leidwesen der Investoren und Projektierer, die mit grünem Strom das Klima retten wollen und denen dieses hehre Ziel immer öfter nicht honoriert wird. Jedenfalls nicht mit barer Münze.
Prof. Burger, der Initiator der „Energy-Charts“ hat vor einiger Zeit den Vorschlag gemacht, dass Kurzzeitspeicher bereitgestellt werden sollten, die überschüssigen Strom über die Mittagszeit für die Abendstunden verfügbar machen sollen. Mit diesem Thema beschäftigt sich dieser Artikel. Zugleich behandelt der Artikel die „Pferdefüße“ von Speichertechnologien. Prof. Burger erstellt monatliche Analysen, die beachtenswert sind. Als Beispiel hier die Betrachtung „Ein Jahr ohne Kernkraftwerke„. Sie ist, wie nicht anders zu erwarten, und was auch nicht weiter schlimm, wenig kritisch und systemkonform. So wird der massive Anstieg der Stromimporte allein mit den angeblich niedrigen Importstrompreisen begründet. Wobei sich ohnehin die Frage stellt, weswegen in den vergangenen Jahren netto kein Strom importiert wurde, wenn der Importstrom denn so preisgünstig ist. Hinzu kommt, das ist meiner Meinung nach entscheidend, dass immer, wenn Strom importiert wird, der Strompreis punktuell steigt. Auch das Preisniveau des betrachteten Zeitraums wird angehoben. Es wurden vom 16.4.2023 bis zum 15.4.2024 insgesamt knapp 23 TWh Strom netto aus dem benachbarten Ausland importiert. Per Saldo mussten 2,6 Mrd. € dafür gezahlt werden. Das sind pro MWh 113,48 €. Der mittlere Preis insgesamt betrug für den obigen Zeitraum lediglich 81,18€/MWh. Ebenfalls wird unterschlagen, dass der importierte Strom rechnerisch kein CO2 beinhaltet, welches Deutschland angerechnet wird. Allein dadurch wurde eine Menge CO2 „eingespart“. Die Aussage, dass der seit dem 16.4.2023 fehlende Kernkraftstrom mehr als genug durch die Erneuerbaren ausgeglichen wurde, ist meines Erachtens verwegen. Man kann das so sehen. Betrachtet man allerdings die Stromgesamtproduktion, so lag diese gut 49 TWh unter der Produktion des Vorjahreszeitraums 2022/23. Auch dieser Sachverhalt könnte den weggefallenen Kernkraftstrom ausgeglichen haben. Unstreitig ist, dass die regenerative Stromerzeugung, insbesondere die Windstromerzeugung zugenommen hat. Das liegt gleichwohl nicht am Zubau von Windkraftanlagen, sondern am windreichen Jahr mit etlichen Stürmen. Allein in den letzten zwei Wochen des Jahres 2023 wurden etwa 3,5 TWh mehr Windstrom erzeugt als 2022. Die Wind- und PV-Stromerzeugung ist nicht kalkulierbar. Beides kann sich schnell ändern. In die eine oder andere Richtung. Mal schauen, wie sich die regenerative Stromerzeugung in Zukunft entwickeln wird und welche Auswirkungen sie auf die Strompreise hat. Wenn zur punktuell (Mittagszeit) starken PV-Stromerzeugung noch eine immer stärker werdende Windstromerzeugung kommt, gleichzeitig der Bedarf – aus welchen Gründen auch immer – nicht entsprechend wächst, sehe ich Mittags schwarz (Beispieljahr 16.4.2023 bis 15.4.2024 ohne Bedarfssteigerung / Quelle). Zumindest für die Strompreise. Auch und gerade, wenn die Sonne auf die Paneele strahlt.
Wochenüberblick
Montag, 13.5.2024 bis Sonntag, 19.5.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 60,1 Prozent. Anteil regenerativer Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 74,3 Prozent, davon Windstrom 33,5 Prozent, PV-Strom 26,6 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,2 Prozent.
- Regenerative Erzeugung im Wochenüberblick 13.5.2024 bis 19.5.2024
- Die Strompreisentwicklung in der 20. Analysewoche 2024.
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Wochenvergleich zur 20. Analysewoche ab 2016.
Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zur 20. KW 2024: Factsheet KW 20/2024 – Chart, Produktion, Handelswoche, Import/Export/Preise, CO2, Agora-Chart 68 Prozent Ausbaugrad, Agora-Chart 86 Prozent Ausbaugrad.
- NEU: Meilenstein – Klimawandel & die Physik der Wärme
- Klima-History 2: Video-Schatz des ÖRR aus dem Jahr 2010 zum Klimawandel
- Klima-History 1: Video-Schatz aus dem Jahr 2007 zum Klimawandel.
- Interview mit Rüdiger Stobbe zum Thema Wasserstoff plus Zusatzinformationen
- Weitere Interviews mit Rüdiger Stobbe zu Energiethemen
- Viele weitere Zusatzinformationen
- Achtung: Es gibt aktuell praktisch keinen überschüssigen PV-Strom (Photovoltaik). Ebenso wenig gibt es überschüssigen Windstrom. Auch in der Summe der Stromerzeugung mittels beider Energieträger plus Biomassestrom plus Laufwasserstrom gibt es fast keine Überschüsse. Der Beleg 2022, der Beleg 2023/24. Strom-Überschüsse werden bis auf wenige Stunden immer konventionell erzeugt. Aber es werden, insbesondere über die Mittagszeit, immer mehr!
Jahresüberblick 2024 bis zum 19. Mai 2024
Daten, Charts, Tabellen & Prognose zum bisherigen Jahr 2024: Chart 1, Chart 2, Produktion, Stromhandel, Import/Export/Preise/CO2
Tagesanalysen
Was man wissen muss: Die Wind- und PV-Stromerzeugung wird in unseren Charts fast immer „oben“, oft auch über der Bedarfslinie angezeigt. Das suggeriert dem Betrachter, dass dieser Strom exportiert wird. Faktisch geht immer konventionell erzeugter Strom in den Export. Die Chartstruktur zum Beispiel mit dem bisherigen Jahresverlauf 2024 bildet den Sachverhalt korrekt ab. Die konventionelle Stromerzeugung folgt der regenerativen, sie ergänzt diese. Falls diese Ergänzung nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, wird der fehlende Strom, der die elektrische Energie transportiert, aus dem benachbarten Ausland importiert.
Eine große Menge Strom wird im Sommer über Tag mit PV-Anlagen erzeugt. Das führt regelmäßig zu hohen Durchschnittswerten regenerativ erzeugten Stroms. Was allerdings irreführend ist, denn der erzeugte Strom ist ungleichmäßig verteilt.
Montag, 13.5.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 63,6 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 76,7 Prozent, davon Windstrom 33,3 Prozent, PV-Strom 30,3 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,1 Prozent.
Viel PV-Strom. Über Mittag sinkt der Strompreis
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 13. Mai ab 2016.
Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 13.5.2024: Chart, Produktion, Handelstag, Import/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten.
Dienstag, 14.5.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 68,8 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 80,6 Prozent, davon Windstrom 38,7 Prozent, PV-Strom 30,1 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,8 Prozent.
Das gleiche Bild wie gestern. Nur mehr Windstrom. Deshalb noch höhere Negativpreise.
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 14. Mai ab 2016.
Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 14.5.2024: Chart, Produktion, Handelstag, Import/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten
Mittwoch, 15.5.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 62,7 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 74,7 Prozent, davon Windstrom 38,4 Prozent, PV-Strom 24,4 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,0 Prozent.
Weniger PV-Strom, die Windstromerzeugung bleibt gleich. Die Strompreisbildung.
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 15. Mai 2016.
Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 15.5.2024: Chart, Produktion, Handelstag, Import/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten
Donnerstag, 16.5.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 59,6 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 72,3 Prozent, davon Windstrom 36,7 Prozent, PV-Strom 22,9 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,7 Prozent.
Vorerst der letzte Tag mit negativen Strompreisen.
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 16. Mai ab 2016.
Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 16.5.2024: Chart, Produktion, Handelstag, Import/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten
Freitag, 17.5. 2024: Anteil Wind- und PV-Strom 57,6 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 71,9 Prozent, davon Windstrom 39,8 Prozent, PV-Strom 17,8 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,3 Prozent.
Gleich mäßige Windstromerzeugung. Wenig PV-Strom. Ganztägiger Stromimport. Der Strompreis bleibt positiv.
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 17. Mai ab 2016.
Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 17.5.2024: Chart, Produktion, Handelstag, Import/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten.
Samstag, 18.5. 2024: Anteil Wind- und PV-Strom 51,3 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 70,7 Prozent, davon Windstrom 21,3 Prozent, PV-Strom 30,0 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 19,4 Prozent.
Wochenende mit wenig Bedarf. Die Windstromerzeugung kratzt am Flautenbereich. Die Strompreisbildung.
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 18. Mai ab 2016.
Daten, Tabellen & Prognosen zum 18.5.2024: Chart, Produktion, Handelstag, Import/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten
Sonntag, 19.5.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 49,8 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 70,4 Prozent, davon Windstrom 15,1 Prozent, PV-Strom 34,2 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 21,0 Prozent.
Noch weniger Windstrom. Erst zum Nachmittag zieht vor allem die Offshore-Erzeugung an. Die Strompreisbildung.
Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 19. Mai ab 2016.
Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 19.5.2024: Chart, Produktion, Handelstag, Import/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten
Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? seit Beginn des Jahres 2019 mit jeweils einem kurzen Inhaltsstichwort finden Sie hier. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe und Peter Hager nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.
Rüdiger Stobbe betreibt seit 2016 den Politikblog MEDIAGNOSE.
Strom ist Ihnen amal zu teuer, mal zu billig, mal zu knapp, mal zu viel… Was wollen Sie denn?
Eine nachfragegesteuerte Leistungsbereitstellung. Aber lassen wir das, das überfordert ihr technisches Niveau.
Das Stromnetz ist kein Speicher. Die Leistungsbereitstellung entspricht daher naturgemäß immer genau der Leistungsnachfrage. Aber lassen wir das.
Ihre Aussage „Die Leistungsbereitstellung entspricht daher naturgemäß immer genau der Leistungsnachfrage.“ trifft nicht für die Stromerzeugung aus PVA und WKA zu.
Entweder es gibt zu wenig oder zu viel Strom von den Wind- und PV-Anlagen.
Bei zu viel kann man die Anlagen bei Netzüberlastung abregeln.
Beim Hauptproblem „zu wenig“ braucht man Alternativen die auch noch schnell einspringen können (z.B. Gas-Kraftwerke oder Pumpspeicherkraftwerke).
Klar braucht man weitere Kraft6werkstypen. Unser Kraftwerkspark in Deutschland war ja schon immer chronisch überdimensioniert. Wo ist also das Problem?
Wenn die Gestehungskosten der Erneuerbaren unter den reinen Brennstoffkosten der anderen Kraftwerke liegen, macht es doch Sinn, zunächst so viel wie möglich von den EE zu verwenden.
Kurzfristige Schwankung und Angebot und Nachfrage, die es immer schon gab, werden mit Regelenergie ausgeglichen. Vor allem die Batteriespeicher, die vermehrt zur Primärregelleistung eingesetzt werden, reagieren ausreichend schnell!?