Was hat der „Fliegende Holländer“ mit der deutschen Energieversorgung zu tun? Beide liefern sich den Kräften der Natur aus. Robert Habeck veranstaltete seinen ersten „Windgipfel“, die Branche präsentierte ihren Forderungskatalog. 

Von Frank Hennig

Es gipfelte wieder in Berlin. Nach Migrations- Bildungs- und Solargipfel geht es jetzt um den Wind. Wieder waren die Erwartungen wohl höher als die Ergebnisse. Dennoch möchte man die Wünsche einer Branche erfüllen.

Der vorgesehene Ausbau der Windkraft in Deutschland nimmt wahnhafte Züge an. Die Abwägungen zum Menschen-, Natur- und Landschaftsschutz, zu Denkmalschutz und Systemverträglichkeit – gesellschaftlich wie elektrotechnisch – werden minimiert. Ziel ist der maximierte Ausbau. Häuptling Habeck setzt mit Hilfe seines Staatssekretärs Graichen im Klimaministerium das um, was dessen Herkunfts-Think-Tank Agora-Energiewende als so genannten Hauptsatz prägte: „Wind und Sonne haben Vorfahrt“. Das entspricht zwar nicht dem Energiewirtschaftsgesetz und dem energiewirtschaftlichen Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Kostenverträglichkeit und Umweltschutz, aber es erfüllt zielgenau die Forderungen der Ökoindustrie.

Der „Windgipfel“ bot der Branche das Podium, nicht nur das Klimaministerium kräftig unter Druck zu setzen. Bereits im Vorfeld hatte der Bundesverband Windenergie (BWE) einen hundertseitigen Forderungskatalog übergeben. Da sich nicht jede Forderung, offiziell als „Vorschlag“ bezeichnet, an jedes Ministerium richtet, wurden auf Ressorts zugeschnittene „Pakete“ versandt. Dass die Forderungen in den Ampelministerien auf wohlwollende Behandlung hoffen können, ist kein Geheimnis, so dass man auch von einer Beauftragung sprechen könnte.

Vieles soll sich zugunsten der Windbranche ändern, angefangen von der Flächenmobilisierung, der Nachrangigkeit des Denkmalschutzes und Einschränkungen für die Bundeswehr bis hin zu vereinfachten Schwerlasttransporten. Letztere würden bei einem angestrebten Zubau von 10 GW (Gigawatt) pro Jahr 30.000 Sondertransporte per Straße bedeuten. Die Regierung soll nun endlich den ungestörten Wildwuchs der Windkraft im Land möglich machen.
Nun sind 50 bis 60 Maßnahmen abgestimmt worden, so Erleichterungen beim Repowering, die den Anwohnern größere Anlagen bei gleichem Abstand bescheren dürften.

Bereits vor dem Gipfel waren mit der Änderung des Raumordnungsgesetzes in Verbindung mit der EU-Notfallverordnung wichtige Hürden aus dem Weg geräumt worden. Als wäre eine Meute losgelassen, zogen in den vergangenen Wochen viele Investoren ihre Vorhaben aus der Schublade und bewirkten Aufregung bis Panik unter der potenziell betroffenen Bevölkerung. Um dieser nicht zu nahe zu kommen, sollen die Projekte vor allem in Wäldern umgesetzt werden. So im Altdorfer Wald, dem mit 82 Quadratkilometern größten zusammenhängenden Waldgebiet Oberschwabens, weiterhin in Naturpark Arnsberger Wald bei Warstein und in der Niederlausitz südlich von Forst. Das sind nur Beispiele.

Diese krassen Eingriffe in Natur und Landschaft wären vielleicht noch hinzunehmen, wenn damit tatsächlich ein neues, umweltschonendes, sicheres, preiswertes und „klimafreundliches“ Energiesystem geschaffen werden könnte. Aber genau dies wird nicht gelingen.

Politisch wie medial werden stets zwei Fakes verbreitet, die eine Notwendigkeit dieses exzessiven Ausbaus begründen sollen:

1. Mit Windkraftanlagen (WKA) könne man Kohle- und Kernkraftwerke ersetzen und nur so die Energiewende schaffen.
Das ist nicht möglich, weil eine bedarfsgerechte Produktion und die Bereitstellung der Systemdienstleistungen (Spannungshaltung, Frequenzhaltung) nicht realisiert werden. Sie bewirken nur, dass anderer Strom zeitweise ersetzt wird, entfalten also nur substitutive Wirkung ohne die Aussicht, eine „Säule“ der Energieversorgung zu sein. Es ist immer ein Backup-System erforderlich, weshalb man nun – viel zu spät – über neue Gaskraftwerke nachdenkt. Ein Anachronismus nach dem Verlust unserer russischen Gasimporte. Ergänzend: Wir haben kaum Stromspeicher, weder „noch und nöcher“ noch in einem für die Windkraft-Schwankungen halbwegs nötigen Umfang.

2. WKA seien „gut fürs Klima“, weil sie CO2 vermeiden würden.
Dies gilt ohnehin nur für die reine Betriebsphase, nicht für die Materialschlacht bei Bau und Entsorgung. Vor allem aber arbeiten das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und das europäische Emissionshandelssystem (ETS) gegenläufig. Während des Betriebes können die Anlagen Dank des Einspeisevorrangs emissionsreichen Kohle-, Öl- oder Gasstrom verdrängen. Sie verdrängen dadurch aber auch die nötigen Emissionszertifikate, die durch die Betreiber der konventionellen Anlagen eingesetzt werden müssen. Diese werden dann frei und sind international handelbar in allen Ländern, die dem ETS beigetreten sind. Da die Zertifikatspreise enorm gestiegen sind (derzeit liegen sie bei über 90 Euro pro Tonne) wirft niemand diese in den Papierkorb, sondern verkauft sie. Somit werden die Emissionen nur aus Deutschland ins Ausland verlagert und dort eingesetzt. Das hilft „dem Klima“ nicht.

Es entspricht aber vollends der deutschgrünen Sicht auf den eigenen Vorgarten. Dieser muss sauber sein. Deutsche Kohleförderung und -verstromung wird abgelehnt, Gasförderung durch Fracking ebenso wie die Nutzung der Kernkraft. Wenn dies alles zu schmutzig oder gefährlich wäre, sollten wir auch die Welt davor schützen und bewahren. Stattdessen importieren wir ausländischen Strom wie auch Gas aus ebendiesen Quellen. Und obendrein beschweren wir uns über die mangelhafte Verfügbarkeit französischer Kernkraftwerke.

Das ist scheinheilig bis zynisch, auch mit Blick auf den Pro-Kopf-CO2-Ausstoß in Frankreich, der in den letzten 30 Tagen nur ein Fünftel des deutschen betrug (93 gegenüber 525 Gramm pro Kilowattstunde).

Spätestens wenn man am (Wind-)Gipfel angekommen ist, kann es nur noch bergab gehen. Die nächsten Jahre werden der Windbranche, vor allem aber Rotgrün, alle Illusionen rauben. Die Illusionen von heute sind die Enttäuschungen von morgen, wonach wieder niemand die Verantwortung übernehmen wird, dafür aber alle die Schuld bei anderen suchen werden. Zunehmender Energiemangel, Inflation und knappe Rohstoffe werden der verwöhnten Branche die Lust verleiden. Schon heute denken die Klimaangst-Profiteure eher an große Fotovoltaik-Freiflächen als an flatternden, aufwendig erzeugten Windstrom.

„Wer baut auf Wind, baut auf Satans Erbarmen“, heißt es im ersten Akt des „Fliegenden Holländers“ von Richard Wagner. Ganz Deutschland droht zum Segelschiff zu werden, das abhängig von den Launen des Wetters nur eingeschränkt steuerbar übers Meer getrieben wird. Heizer und Maschinisten werden dann nicht mehr gebraucht, sondern Matrosen zum Segel setzen und reffen und Galeerensträflinge zum Rudern, wenn der Wind ausbleibt. Wer die Entwicklungen neuer Energietechnologien durch die Beschränkung auf Wind und Sonne für beendet erklärt, bewirkt Rückschritt und Abstieg. Von Gipfeln sowieso.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

 

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