Dagmar Jestrzemski*

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Riesige Windparks auf der Insel Neufundland sollen „grünen“ Wasserstoff für Deutschland produzieren.

Doch in der Bevölkerung der kanadischen Region erhebt sich beträchtlicher Widerstand

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Bei dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit einer Delegation von Wirtschaftsvertretern vom 21. bis 23. August in Kanada stand die Energie- und Klimapolitik im Fokus. Kanada verfolgt das Ziel, einer der größten Erzeuger und Exporteure von Wasserstoff und dessen Derivaten mit Hilfe von „sauberen“ Technologien zu werden. Wenn der Energieträger Wasserstoff durch Elektrolyse mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, gilt er als nahezu CO₂-freier, „grüner“ Wasserstoff.

In die Entwicklung und Infrastruktur für Windparks und sogenannte Power-to-Gas-Anlagen investiert Kanada ab sofort Milliarden und sucht dafür ausländische „Wasserstoff-Partner“. Die Deutschen ließen sich nicht lange bitten, zumal das große Potential für die Onshore- und Offshore-Windenergie entlang der windreichen kanadischen Atlantikküste als ideale Voraussetzung für die Erzeugung von „grünem“ Strom gilt.

Nach Montreal und Toronto war das 6600-Einwohner-Städtchen Stephenville im Südwesten Neufundlands das letzte Ziel der deutschen Gäste. Der ehemalige Militärstützpunkt mit seiner günstigen Lage in der Baye St. George im Golf von St. Lorenz ist als erster Knotenpunkt (Wasserstoff-Hub) für Kanadas zukünftige Wasserstoff-Wirtschaft vorgesehen. Im Beisein von Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau unterzeichnete der Bundeskanzler eine Absichtserklärung zwischen beiden Ländern über eine Wasserstoffallianz im Umfang von zwölf Milliarden Euro.

Ab 2025 soll geliefert werden

Am Tiefwasserhafen von Stephenville soll laut Plan die erste Anlage des Landes zur Gewinnung von Wasserstoff mithilfe von regenerativ erzeugtem Strom für den Export nach Deutschland, Europa und Asien errichtet werden. Für den Transport in Tankschiffen muss der Wasserstoff entweder verflüssigt oder in ein Trägermedium wie Ammoniak umgewandelt werden. Deutschland will heimische Firmen unterstützen, damit diese den Wasserstoff importieren können. Die ersten Schiffe sollen laut Plan 2025 ablegen. Trudeau äußerte sich zufrieden über das Abkommen. Es werde in der Region Arbeitsplätze schaffen, die lokale Wirtschaft fördern und zur Produktion von sauberer Energie in Kanada beitragen.

Bislang werden in dem Land noch 95 Prozent des Wasserstoffs aus der Dampfreduzierung von Erdgas gewonnen. So entsteht der sogenannte blaue Wasserstoff. Die Medien der Provinz Neufundland und Labrador (N.L.) meldeten, dass sich das Interesse der Deutschen ausschließlich auf den teureren, grünen Wasserstoff richte, weil dabei praktisch keine Emissionen anfielen. Der Energieträger wäre dann im Sinne der nationalen Klimaziele klimaneutral.

Baubeginn schon 2023

Bei der Produktions- und Verbindungsinfrastruktur für den grünen Wasserstoff ist der Bau von drei großen Windparks an der windreichen, dünn besiedelten atlantischen Westküste Neufundlands von elementarer Bedeutung, um, so die „taz“, mit der dort erzeugten sauberen Energie „kostengünstig“ grünen Wasserstoff in einer 0,5-Gigawatt-Wasserstoffanlage zu produzieren. Die Standorte für ein Gigawatt Windstrom-Kapazität befinden sich unweit von Stephenville.

Kanadische Experten wiesen demgegenüber darauf hin, dass der kanadische grüne Wasserstoff nur ein kleiner und teurer Teil der Lösung für die europäische Energiekrise sein könne – zu teuer für den Export möglicherweise. Im April war für Neufundland und Labrador ein 15-jähriges Windkraft-Moratorium ausgelaufen. Nach offiziellen Angaben legte das Konsortium World Energy GH2 dem Umwelt- und Klimaministerium von N.L. nach Ablauf des Moratoriums seine Pläne vor, wonach an drei Standorten in der Baye St. Georges sowie in der Blow-Me-Up- und Lewis-Hills-Bergkette am Golf von St. Lorenz Windstrom für den Wasserstoff-Hub in Stephenville produziert werden soll. Baubeginn ist für Sommer 2023 vorgesehen. Die liberale Regierung der Provinz unter Premierminister Andrew Furey signalisierte freie Fahrt.

Ein gerissener Schachzug

Unter der Bezeichnung Nujio’Qonik GH2 ist in einer ersten Phase der Bau eines Windparks auf der kleinen Halbinsel Port-au-Port mit 164 Windkraftanlagen von jeweils 200 Metern Höhe vorgesehen. Die etwa 100 Kilometer lange und bis zu 45 Kilometer breite Halbinsel ist durch eine schmale Landenge mit Neufundland verbunden. Gelegen an der Südspitze der stark erodierten Kette der neufundländischen Appalachen an der Westküste der Insel ragt das dünn besiedelte Gebiet in den Golf von St. Lorenz hinein.

Laut World Energy GH2 bietet die Lokalität „exzellente Wind-Ressourcen“ mit Windgeschwindigkeiten, die einigen Offshore-Windfeldern weltweit nicht nachstünden. Ein in den regionalen Medien veröffentlichter Plan stellt dar, dass die Windräder aufgrund der geltenden Abstandsregeln von 1000 Metern zu Wohngebäuden über nahezu die gesamte Fläche der Halbinsel verteilt errichtet werden müssten.

Es war ein gerissener Schachzug der Planer, den einflussreichen Chef der Qalipu First Nation, Brendan Mitchell, bereits im März auf ihre Seite zu ziehen. Auf dessen Einverständnis deutet der Name Nujio’Qonik, was in der Mi‘kmaq-Sprache heißt „wo der Sand weht“. Ohne die Zustimmung der First Nations kann in Kanada kein größerer Eingriff in die Landschaft vorgenommen werden. Später beklagte sich ein Sprecher des Environmental Transparency Committee Port-au-Port bitter darüber, dass Chief Mitchell seinen Mitbürgern den brisanten Plan und seine Einwilligung monatelang verschwiegen habe. In einer zweiten Phase soll eine Windfarm nördlich von Stephenville entlang der Blow-Me-Up- und Lewis-Hills-Bergkette am Golf von St. Lorenz entstehen. Dort verläuft der kontinentübergreifende Wanderweg „International Appalachian Trail“ (IAT). Die Regierung von N.L. rief zu Interessenbekundungen für weitere Windparkflächen im Kronland (öffentliches Land) auf.

Bereits seit März fanden Treffen der Windkraft-Projektierer mit den Bürgermeistern einiger von dem Projekt betroffener Gemeinden statt, während die Einwohner von Port-au-Port erst am 6. Juli auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung in der Landkreisgemeinde Cape St. George erfuhren, welche einschneidenden Veränderungen für ihre Heimatregion vorgesehen sind. Dementsprechend groß war die Aufregung der Anwesenden, desgleichen ihre Empörung über die von der Regierung angesetzte kurze Entscheidungsfrist der Bürger über das Projekt von nur 14 Tagen.

Seltene Arten werden gefährdet

Entsetzt war man auch über das gewaltige Ausmaß des Windparks mit den zahlreichen neu anzulegenden Wegeverbindungen. Unter anderem wurden Sorgen wegen einer Verschmutzung des Trinkwassers geäußert. Die Bürgermeisterin Stella Cornect forderte in einem Interview mit dem Sender CBC mehr Zeit für eine ausführliche Diskussion. Ungeachtet der von Umwelt- und Klimaminister Bernard Davis zugesicherten gründlichen Umweltverträglichkeitsprüfung rechnet der bekannte kanadische Naturschützer Michael Burzynski im Falle der Umsetzung des Vorhabens mit einer weitgehenden Vernichtung der seltenen Pflanzen, die unter anderem auf dem Kalkgestein vergesellschaftet sind.

Die Windräder und Strommasten wären zudem eine ständige Gefahr für zahlreiche Tierarten, speziell für die Kolonien der auf Port-au-Port brütenden Zugvögel wie Tölpel sowie für Eulen und Fledermäuse. Die Langzeitauswirkungen auf die Habitate seien nicht abzuschätzen. Burzynski sagte, er sei irritiert darüber, dass die Provinzregierung diese einzigartigen Wildnisareale des Kronlands einigen umtriebigen Großinvestoren preisgeben wolle, die Strom in dem schützenswerten Naturerbe zur privaten Gewinnmaximierung und noch nicht einmal für das Stromnetz von Neufundland erzeugen wollen.

Direktor des Konsortiums World Energy GH2 ist John Risley, Mitbegründer von „Clearwater Seafoods“ in der Provinz Nova Scotia, des größten Meeresfrüchte- und Muschelproduzenten Nordamerikas, und CEO der familiengeführten Investmentgesellschaft CFFI Ventures Inc., die unter anderem Beteiligungen in der Fischindustrie und der Finanzdienstleistung hält. Das von CFFI verwaltete Vermögen wird auf mehr als eine Milliarde US-Dollar geschätzt. Mit dabei ist das Schifffahrtsunternehmen Horizon Maritime in St. John’s, Neufundland, das als Versorger der Offshore-Industrie für Kunden wie Equinor (Norwegen) und Exxon Mobil (USA) tätig ist. Ein anderer Investor musste sich wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft aus dem Konsortium zurückziehen, nachdem seine Freundschaft mit N.L.-Premierminister Furey bekannt geworden war.

Empörung der Menschen wächst

Das ETC Port-au-Port gab auf seiner am 1. August abgehaltenen ersten öffentlichen Versammlung eine Erklärung bekannt, in der ein sofortiger Stopp des Projekts Nujio’Qonik GH2 gefordert wird. Das Genehmigungsverfahren für den Windpark sei „so transparent wie eine schmutzige Pfütze“. Auf der für YouTube gefilmten Veranstaltung warf ein Redner der Regierung und den Windpark-Projektierern Lügen und unfaires Verhalten vor. Seine Vorwürfe: Was sei „grün“ an einem der größten Windpark-Projekte der Welt ausgerechnet in unserer kostbaren, weitgehend unberührten Landschaft? Warum sollen gerade hier die vielen Wolkenkratzer mit nächtlicher Beleuchtung errichtet werden und warum so schnell? Deutschland will kein Öl mehr aus Russland importieren? Wir können helfen und euch das Öl liefern! ETC startete eine Petition gegen den Bau des Windparks.

84 Prozent lehnen das Projekt ab

Auch der Präsident der International Appalachian Trail Association, Paul Wylezol, äußerte scharfe Kritik an der Standortwahl für die Mega-Windparks. Seine Organisation bemühe sich seit fast zehn Jahren um den Status eines UNESCO Global Geoparks für die Port-au-Port- sowie die bewaldete Blow-Me-Up- und Lewis-Hills-Region, um die einzigartige Geologie und Ökologie dieser Landschaften zu würdigen. Die Gegend sei spektakulär. Man dürfe dieses Juwel in der Krone Neufundlands nicht dafür hergeben, dass andere den Profit machen.

An Deutschland gerichtet erklärte Wylezol: „Wir verstehen die Lage, in der Deutschland sich befindet: Deutschland will unabhängig von russischem Öl werden. Wir wollen helfen – aber nicht auf unsere Kosten.“ Daraufhin drohte John Risley, das Wasserstoffprojekt werde scheitern, sollte der Bau der Windparks verhindert werden.

Sofern sich die Provinzialregierung an ihr Versprechen hält, das Votum der Bürger zu respektieren, ist das deutsch-kanadische Wasserstoffabkommen wegen des Widerstands der Einwohner gegen die damit verbundenen Windparkprojekte zum Scheitern verurteilt. Am 28. Oktober veröffentlichte ETC Port-au-Port das Ergebnis einer Abstimmung in zehn Gemeinden über den geplanten Windpark auf der Port-au-Port-Halbinsel. 84 Prozent der Einwohner, die an der Abstimmung teilnahmen, lehnten das Projekt ab.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  25. November 2022, S.12; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie der Autorin Dagmar Jestrzemski  für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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