Von Bernd Packulat
Die Internationale Bauausstellung (IBA) hatte in den Jahren 2006 bis 2013 viele interessante Projekte vorgestellt, unter anderem auch das Projekt „Tiefengeothermie“:
Im Sandstein tief unter den Elbinseln erwarten Geologen eine Temperatur von 130 Grad Celsius. Mit Bohrungen in eine Tiefe von 3.000 bis 4.000 Metern soll dieses Energiepotenzial nutzbar gemacht werden. Die Vision: Ein geothermisches Kraftwerk könnte bald mehrere tausend Wohnungen und andere Gebäude in Wilhelmsburg mit Wärme versorgen – im besten Fall sogar auch mit Strom. Aus dem Forschungsvorhaben der IBA Hamburg und der von ihr mitgegründeten Gesellschaft GTW Geothermie Wilhelmsburg GmbH werden auch wertvolle Informationen für die Nutzung der Tiefengeothermie in ganz Hamburg erwartet.
Umweltfreundlich, wetterunabhängig und emissionsfrei – Geothermie ist eine Energiequelle mit Zukunft. Thermalwasser aus tiefen Gesteinsschichten soll dabei zur Wärme- und Stromversorgung eingesetzt werden. Durch eine Förderbohrung wird das warme Schichtwasser an die Oberfläche gepumpt. Mittels eines Wärmetauschers wird über Tage die Wärme entzogen, zu Heizzwecken als Fernwärme genutzt sowie über eine Turbine und einen Generator Strom aus Wasserdampf erzeugt. Das abgekühlte Wasser gelangt durch eine Injektionsbohrung wieder zurück in den Untergrund. Unter Tage bewegt sich ständig neu erwärmtes Wasser zur Förderbohrung – so wird der Kreislauf geschlossen.
Um dieses Potenzial besser abschätzen zu können, waren zunächst aber umfangreiche seismische Untersuchungen der Gesteinsschichten notwendig. Die IBA Hamburg hatte das Ingenieurbüro GTN Geothermie Neubrandenburg beauftragt, die seismischen Erkundungen zu planen und vorzubereiten sowie die Messergebnisse auszuwerten.
Für derartige Erkundungen nutzen die Geophysiker schlauen Schall. Mit der eingesetzten Messmethode, der Reflexionsseismik, wird der Aufbau der Erdkruste bis in etwa 4.000 Meter Tiefe bestimmt. Entlang vorab festgelegter Messprofile senden Vibratorfahrzeuge abschnittsweise Schallwellen in die Erdkruste, die von den Gesteinsschichten im Untergrund reflektiert und an die Erdoberfläche zurückgesendet werden. Dort zeichnen sensible Messgeräte die Signale auf. Mit den gespeicherten Informationen errechnet ein Computer ein zweidimensionales Bild, aus dem die Geologen Lage und Eigenschaften der Gesteinsschichten ablesen können.
Die Messprofile in Wilhelmsburg verliefen auf zwei Straßenzügen: der Georg-Wilhelm-Straße im Süden bis zum Spreehafen im Norden sowie auf der Wollkämmereistraße, bei der Wollkämmerei und der Mengestraße. Die Erkundungen dauerten etwa zehn Tage.
Im November 2010 schließlich wurde das positive Resultat veröffentlicht. „Die Ergebnisse der seismischen Untersuchung sind erfreulich: Die Hauptförderschicht ist groß genug, dass sie in 3.500 Meter Tiefe ausreichend förderfähiges Tiefenwasser birgt“, sagt IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg. Das heiße Tiefenwasser in Wilhelmsburg befindet sich im sogenannten Rhät, einer Gesteinsschicht der Obertrias. Das Wasser erreicht hier eine Temperatur von bis zu 130 Grad Celsius und bewegt sich in den Zwischenräumen des Gesteins.
Die Gesellschafteranteile der IBA Hamburg an der GTW Geothermie Wilhelmsburg wurden mittlerweile von Hamburg Energie übernommen. Damit könnte Hamburg Energie seine Wärmenetze auf der Elbinsel mit der Tiefengeothermie weiter ausbauen und zukünftig auch vernetzen.
Am 11.08.2022 titelt das Hamburger Abendblatt:
22 Millionen Euro für Wilhelmsburger Energieprojekt
Am 24.02.2021 titelt das Hamburger Abendblatt:
Hamburg startet Erdwärmeprojekt nach 10-jähriger Planungsphase
Auch am 28.01.2022 titelt das Abendblatt:
Heizen mit Wasser aus 3.500 m Tiefe
Noch am 21.07.2022 jubelt das Hamburger Abendblatt (leicht verhalten):
Thermalwasser gefunden, zweite Bohrung beginnt
Nun kommt am 22.07.2022 die gewaltige Ernüchterung:
Bohrung von Hamburg Energie halbwegs erfolgreich
Wilhelmsburger Wärmewende-Projekt verläuft anders als geplant. Warum neu gedacht werden muss.
Wilhelmsburg. Die Geothermie-Spezialisten von Hamburg Energie waren sich so sicher: In etwa 3000 Meter Tiefe unter Wilhelmsburg liegt heißes Wasser, mit dessen Energie man jeden Haushalt auf der Elbinsel heizen könnte. Eine Probebohrung in der Nähe des „Dockville“-Geländes sollte die Vermutung zur Gewissheit machen. Tatsächlich fand man das heiße Wasser in der vermuteten Tiefe. Allerdings lässt es sich nicht zur Energiegewinnung nutzen. Ganz lang wurden die Gesichter der Techniker und Wissenschaftler aber nicht.
Denn auf halbem Weg der Sondierung waren sie auf ein weiteres Warmwasservorkommen gestoßen. Dieses ist nutzbar. Auch hier gibt es jedoch einen Haken: Es ist mit 40 bis 60 Grad in 1300 Metern Tiefe nur etwa halb so heiß. Das, welches man eigentlich nutzen wollte, hätte 110 Grad mitgebracht. Um Wilhelmsburg mit Erdwärme zu heizen, muss sich Hamburg Energie etwas einfallen lassen. Man ist aber zuversichtlich, Lösungen zu finden.
Weiteres Warmwasservorkommen ist nur etwa halb so heiß
Die Geothermienutzung sollte ein zentraler Energielieferant des Projektes „Integrierte Wärmewende Wilhelmsburg“ (IW3) werden. In einer ersten Phase sollen mit IW3 10.000 Haushalte – alle in den geplanten IBA-Neubaugebieten sowie einige Tausend im zentralen Reiherstiegviertel – beheizt werden. Neben der Geothermie sollen dafür auch die Abwärme der Nordischen Ölwerke sowie Solarthermie aus dem Wilhelmsburger Energiebunker zum Einsatz kommen.
Dass die nutzbare Erdschicht nun weniger Wärme mitbringt, gefährdet IW3 wohl nicht existenziell. Allerdings wird einiges neu berechnet und noch näher erkundet werden. Im Turm drehen sich deshalb bereits wieder die Bohrstangen. Eine weitere Probebohrung soll detaillierte Erkenntnisse über den 1300-Meter-Horizont geben.
Das Projekttagebuch führt dazu aus:
Im Rahmen des wissenschaftlichen Begleitprogramms mesoTherm wurden mehrere Meter lange Gesteinsproben, sogenannte Bohrkerne, in unterschiedlichen Gesteinsschichten entnommen. Diese haben auch gezeigt, dass in Sandsteinschichten in über 3.000 Meter Tiefe keine ausreichenden Thermalwasservorkommen zur geothermischen Nutzung zu erwarten sind. Die Sandsteinschicht in 1.300 m Tiefe hat sich dagegen als besonders mächtig erwiesen. Sie wurde daher anhand von Bohrkernen und hydraulischen Tests erstmalig auf ihr geothermisches Potenzial untersucht. In einer Tiefe von 1.300 Metern ist generell mit einer Thermalwasser-Temperatur in einer Bandbreite von 45-50 Grad Celsius zu rechnen.
Wenn Träume sterben, dann wird es kalt.
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Die bekannten Phasen eines gescheiterten Projektes:
1. Begeisterung
2. Ernüchterung
3. Suche nach den Schuldigen
4. Bestrafung der Unschuldigen
5. Auszeichnung der Nichtbeteiligten
6. Die deutschen Zipfelmützen machen trotzdem damit weiter
@Stefan Steger am 1. August 2022 um 20:02
Zwischen 2. und 3. gehört noch „Bestürzung“ …. ;-), so kenne ich es aus DDR-Zeiten.
„Am 11.08.2022 titelt das Hamburger Abendblatt:
22 Millionen Euro für Wilhelmsburger Energieprojekt“
Hä? Hat da jemand eine Zeitmaschine erfunden??? Heuer ist erst der erste August… .
Das muss die Zeitmaschine sein, mit der Temperaturdifferenzen gemessen werden, ohne Absoluttemperaturen zu messen.
Geothermiekraftwerke sind nur in Ländern mit aktivem Vulkanismus wie z.B. Island sinnvoll. Weder Deutschland noch seine direkten Nachbarländer bieten die hierfür geeigneten Voraussetzungen. Eine Bohrung kostet zweistellige Millionenbeträge, und die Erträge sind wenn überhaupt dann nur ganz knapp kostendeckend. Auch wird schamhaft verschwiegen, dass die gesamte Technik störanfällig ist und erhebliche Schäden durch Verschleiß und Korrosion auftreten. Es ist zu bezweifeln, dass solche Projekte eine Laufzeit von mehr als 1-2 Jahrzehnten durchhalten. Die Beiträge sind auf der elektrischen Seite in aller Regel mitleiderregend mickrig, oft nur wenige MW, wenn überhaupt. Wie will man mit solchen Spielsachen den Strombedarf Deutschlands in einer Größenordnung von 650 TERAWATTSTUNDEN/ Jahr jemals decken können?
Verschwiegen werden auch die nicht unbeträchtlichen Risiken. In Gegenden mit hohen Spannungen im Gestein kann man durch das erforderliche Fracking Erdbeben auslösen, so z.B. in Otterbach an der deutsch-schweizerischen Grenze oder in St. Gallen. Beide Projekte mussten deshalb abrupt abgebrochen werden.
https://eike-klima-energie.eu/2014/11/25/gruene-energiepolitik-je-sinnloser-desto-lieber-geothermie-allzu-oft-nur-die-gier-nach-subventionen/
Die entsprechenden Befürworter finden jedoch in unserem an MINT-Absolventen armen, mit grünen Spinnern jedoch überreich gesegnetem Land immer wieder Politiker und Journalisten, die ihnen helfen, öffentliche Gelder für ihre Projekte lockerzumachen.
Das ist alles so preiswert, das Scheitern in Deutschland! Der Verbraucher bekommt seine Zwangskosten von denen, die Probleme mit Problemen lösen, ungefragt ohne Gegenwert aufs Auge gedrückt!
Warum Fracken die denn den Sandstein nicht?
Sie koennen doch auch bei natuerlich vernuenftigen Naturschutzauflagen, das Wasser aus der einen Zone in die andere Zone leiten.
Damit waere das Problem geloest!
Nur 42 Geothermieprojekte in Deutschland! Das sind ja nicht mal zwei pro Jahr. Wer so lange die Energiewende verschlaeft, der muss Nachruesten und alle verfuegbaren Technologien ausprobieren.
Wir schaffen das!
„Wenn Träume sterben, dann wird es kalt.“
Was soll denn dieser Zynismus? Freut sich der Auto hier über einen Fehlschlag? Die Geothermie birgt immer auch ein „Fündigkeitsrisiko“. Das ändert nichts daran, dass Geothermie eine umweltfreundliche, wetterunabhängige, emissionsfreie und grundlastfähige Energie ist.
Die Geothermie birgt zudem auch ein induziertes Erbebenrisiko. Deshalb müssen Kosten hinzugerechnet werden, um Gebäude in der Nähe erdbebensicher zu machen.
Wieder einer der glaubt daß von der Natur nichts böses kommen kann.
Zitat: „Das ändert nichts daran, dass Geothermie eine umweltfreundliche, wetterunabhängige, emissionsfreie und grundlastfähige Energie ist.“
Beim Fracking erregt man sich über bekannte milde Chemikalien, die in geringer Menge dem Bohrwasser beigemischt werden. Die Giftbrühe, die mit dem Tiefenwasser (bekannt aus dem Grubenwasser im Bergbau) an die Oberfläche gespült wird, kann man aber bedenkenlos hinnehmen? Auch Geothermie hat das Problem einer relativ geringen Energiedichte. Wie lange kann man wohl einem Tiefenwasser mit 50°C Grundtemperatur ausreichend Wärme entziehen, bis der umgebende Untergrung nur noch 10 oder 20°C nachliefert? Es ist immer das gleiche Drama mit den Energiewendern. Ihre Vorstellungskraft scheitert regelmäßig an den erforderlichen Mengen.
@Klaus Bücherl am 1. August 2022 um 12:08
Meinen Sie das wirklich ernst??? Wasser von 50°C ist „grundlastfähig“? Da können Sie noch nicht einmal Tee brühen….
Sie haben bestimmt alle MINT-Fächer erfolgreich abgewählt.
Das das umweltfreundlich sei ist genau so in Lüge, wie bei der Windkraft.
„Das ändert nichts daran, dass Geothermie eine umweltfreundliche, wetterunabhängige, emissionsfreie und grundlastfähige Energie ist.“
Erzählen Sie das mal den Menschen in Staufen, wo sich der Boden nach Geothermie-Bohrungen stark gehoben hat – alle Häuser kaputt. „Wenn Träume sterben, wird es kalt“ – das stammt von den Puhdys (DDR-Rockband). Und das Problem mit der Geothermie ist oftmals mit Giften und schwermetallen belastetes Tiefenwasser – nicht immer kann man das wieder gefahrlos im Untergrund entsorgen. Auch Seismik kann zum Problem werden. Auch Sie müssen es eben noch lernen: EINE RUNDUM UMWELTFREUNDLICHE, KOSTENGÜNSTIGE UND PROBLEMARME ENERGIEQUELLE WURDE BIS HEUER NICHT GEFUNDEN – ES GIBT SIE (VERMUTLICH) AUCH NICHT!!!
Was nicht im Artikel steht, bei der Tiefen-Geothermie muss immer Fracking zum Einsatz kommen, damit das Wasser durch das Gestein fließen kann und sich dabei erhitzen kann. Das in der Norddeutschen Tiefebene geothermisch wenig los ist, ist altbekannt. Am Rheingraben und in Bayern ist da mehr los. Bei der Tiefen-Geothermie kostet 1 m Bohren etwa 1 Mio. Euro. Ehe man das raus hat, dauert es ewig.
Geothermie induziert bekanntlich auch Erdebebn. Deshalb müssen auch Kosten für die Sicherung von Gebäuden berücksichtigt werden.
Richtig. Mit natürlichen, tiefen Warmwasserquellen ist da wenig zu holen. Nur mit Fracking. In Elsass und der Schweiz wurde Fracking zwecks Geothermie betrieben und hat Beben getriggert, welche zu Schaden führten.
Da hat sich wohl ein Fehler eingeschlichen: 1.000 m Bohrung kostet ca 1 Mio €.
Richtig. 1 m kostet 1.00o €. 1.000 m etwa 1 Mio. In Deutschland steigt die Temperatur mit ca. 3°C/ 100 m.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Hannover hat ein Geothermieprojekt bereits im Jahr 2008 am Standort Buchholz in Angriff genommen (Bohrbeginn 24. Juni 2009). Nach Erreichen des geplanten Horizontes bei 3.901 m wurde ein „Wasserfrack“ durchgeführt, um das Gestein aufzureißen und die notwendigen Fließwege zu schaffen. Die Anlage ist nie produktiv geworden, seit 2018 gibt es anscheinend keine Aktivitäten mehr, jedenfalls keine offizielle Berichterstattung auf den Seiten der BGR im Netz.
Richtig.
https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Nutzung_tieferer_Untergrund_CO2Speicherung/Projekte/Geothermie/Laufend/GeneSys_Projekt.html?nn=1542156
Kenne dort sogar Leute, die dort beteiligt waren.