Das Wetter meint es zurzeit gut mit der deutschen Energiewende. Wie bestellt bläst in den ersten zwei Monaten nach den weiteren Abschaltungen von Kern- und Kohlekraftwerken zum Jahresende 2021 ein kräftiger Wind. Nur die Preise zeigen den Mangel an Erzeugung und hohe Systemkosten. Wird der Wettergott weiter gnädig zur Fortschrittsregierung sein?
Von Frank Hennig
Geradezu ein Marathon an Sturmtiefs überquerte im Februar unseren Kontinent. Insbesondere Ylenia, Zeynep und Antonia forderten nicht nur Menschenleben, sondern auch einen Milliarden-Sachschaden. Bei Zehdenick in Brandenburg stürzte ein Hochspannungsmast um. Eine gefallene Windkraftanlage in Wales, ein abgerissenes Rotorblatt auf der „Nauener Platte“ westlich von Berlin sind zu verschmerzen angesichts der Einkünfte der Windmüller, deren Profit nach unten abgesichert, nach oben hingegen unbegrenzt ist.
Am 16. Februar wurde ein Windstromspitzenwert, gleichzeitig ein Rekord, von 47,12 Gigawatt (GW) ins deutsche Netz eingespeist. Für Januar und Februar 2022 schätzt man nun einen Windstromertrag von 37 Terawattstunden (TWh), berichtet die Tagesschau. In den Vergleichsmonaten waren es 2020 37,28 TWh und 2021 nur 23,42 TWh. Zwei Fakten fallen ins Auge:
1. Die Erträge sind wetterabhängig über die Jahre sehr verschieden, eine längerfristige Prognose ist nicht möglich.
2. Trotz des vielen Windes wurde die installierte Leistung (64,2 GW) bei weitem nicht erreicht, sondern nur 73 Prozent von ihr. Deshalb sind Zielzahlen an installierter Leistung für die Begründung eines künftigen Energiesystems im Grunde sinnfrei.
3. Bei Starkwind kommt es zur Sicherheitsabschaltung von Anlagen (ab etwa 27 Metern pro Sekunde, ca. 100 km/h). Dies stellt auch die Netzbetreiber vor besondere Herausforderungen, denn die Anlagen schalten aus dem Volllastbetrieb schlagartig ab. In Belgien standen am 18. Februar wegen zu hoher Windgeschwindigkeit erstmals seit 2009 alle Offshore-Windkraftanlagen still.
Obwohl also viel Windstrom ins Netz blies, fiel der Börsenstrompreis im Gegensatz zu vergangenen Jahren nicht tief ins Minus, sondern nur kurz am 19. Februar auf minus 0,52 Euro pro Megawattstunde (€/MWh). Im Durchschnitt bewegte er sich in dieser 7. Kalenderwoche um die 120 €/MWh. Das ist ein deutlicher Hinweis, dass es den gepriesenen „Überschussstrom“, aus dem der grüne Wasserstoff generiert werden soll, nicht mehr gibt. Auch der Elektrolysestrom wird künftig gut bezahlt werden müssen.
In zu erwartenden windarmen Zeiten bleibt künftig nur der Griff zum Gashahn. Die deutsche Ausstiegspolitik führt nicht nur zu stark steigenden Gasverbräuchen und –preisen, sondern auch zu Zoff im grünen Stuhlkreis. Angesichts der Spannungen um die Ukraine will Klimaminister Habeck nun den Bau des Flüssiggas(LNG)-Terminals in Brunsbüttel vorantreiben, wogegen sich die grüne Basis in Schleswig-Holstein stellt. Was soll auch ein Terminal in Brunsbüttel, das vielleicht 2027 fertiggestellt sein wird, wenn man 2035 auch aus dem Erdgas aussteigen will? Die Begründung erfordert besondere grüne Logik und Denken als sozialem Konstrukt:
Das fossile Erdgas soll aus Klimagründen weg. Die Alternative sei die Produktion von Wasserstoff. Das ist ungefähr so pfiffig, wie Licht in Säcken ins Rathaus zu tragen.
Ein Energierohstoff soll nicht genutzt, dafür ein Energieträger Wasserstoff erst hergestellt werden, wofür eine Unmenge von Strom, natürlich Ökostrom, nötig ist. Der soll aber auch Atom- und Kohlestrom im Netz ersetzen. Es gab letztmalig im November 2021 deutlich negative Preise an der Strombörse als Zeichen von Überschuss.
Dazu kommen nun die politischen Komplikationen um die Gasimporte aus Russland. Der deutsche Energiewendekurs hat zu einem Anstieg der Gasnutzung von 2011 bis 2021 um 35 Prozent geführt, bei sinkenden deutschen und niederländischen Fördermengen. Von der „Übergangstechnologie“ hängt immer noch die Wärmeversorgung von etwa der Hälfte des Gebäudebestands in Deutschland ab, selbst im Wohnungsneubau noch zu 27 Prozent. Nun kommt ein erheblicher Bedarf für die Stromproduktion hinzu.
Die Preisrallye der vergangenen Monate ist ein Indikator künftigen Mangels, dennoch tun deutsche Politiker so, als könne man Russland mit geringeren Importen strafen, ohne uns energetisch zu zerlegen. Jürgen Hardt, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, stellt im radio1-Frühgespräch am 23. Februar tatsächlich die Frage, wie viel russisches Erdgas „wir in Deutschland noch tolerieren wollen“. Noch einer, der nicht bemerkt hat, dass wir am Röhrengas hängen wie der Junkie an der Nadel.
Kommissionspräsidentin von der Leyen riet kürzlich den Mitgliedsländern, sich in Fragen der Energieversorgung breiter aufzustellen. Deutschland verfährt genau gegenteilig, in dem es seinen Energiemix planmäßig durch Kernkraft- und Kohleausstieg verengt. Dabei stützt es sich auf die Naturgötter wie Sonne und den im Moment sehr gnädigen Wind.
Neben dem rekordträchtigen 16. Februar gab es auch einen 10. Januar mit einer Windleistung von 1,84 GW, gerade einmal 2,9 Prozent der installierten Leistung. Darüber berichtete die Tagesschau nicht. Es könnte die Bürger verunsichern.
„Wird der Wettergott weiter gnädig zur Fortschrittsregierung sein?“
Der schaltete schon ab dem letzten Februar-Wochenende wieder auf Flaute um – auch da fiel die Windstromerzeugung zeitweise unter 2 GW (im ARD- und ZDF-Verblödungsfernsehen natürlich unerwähnt). Und wenn ich mir so die Prognose-Karten für die ersten zwei Märzwochen ansehe: Ein Flaute-Hoch nach dem anderen… . Die „Fortschrittsregierung“ plant schon mal den Wiedereinstieg in die Braunkohle. Gut so, aber nicht ausreichend. Wie wär’s mit ’ner Laufzeitverlängerung der verbliebenen KKW und dem Wiedereinstieg in die Kernenergie?
Herr Hennig, Ihr Bericht „strahlt“ eine gewisse Skepsis aus. In Anbetracht der hehren Worte von Frau v.d.L. sollten Sie sich aber getrost entspannt zurücklehnen. Das klappt schon…