Langsam zeichnet sich ab, welchen Weg die Trump-Administration für die Kernenergie vor hat. Nachdem die Fesseln des Obama-Zeitalters für die fossilen Energien erfolgreich durchschnitten wurden, wird der Umbau der Energieerzeugung nun auch konsequent auf die Kernenergie ausgedehnt. Die Reihenfolge war folgerichtig: Die meisten Arbeitsplätze und das schnellste Wirtschaftswachstum konnte kurzfristig nur über die Öl- und Gasindustrie geschaffen werden. Hier traf alles zusammen: Hohe Nachfrage zu akzeptablen Preisen auf dem Weltmarkt mit vorhandenem Wissen und Kapital im eigenen Land. Nebenbei wurde noch die Kohleindustrie stabilisiert und die überbordende Förderung für „alternative Energien“ zurechtgestutzt. Ein einziger Albtraum für jeden gläubigen „Klimaschützer“. Nachdem der Präsident nun das sichere Fundament für seine Wiederwahl gelegt hat, kehrt etwas Ruhe ein und man kann sich langfristigen Projekten wie der Kernenergie widmen.

Die Lage der Kerntechnik in den USA

Der Schock kam mit dem Desaster der Neubauprojekte Vogtle und Summers. Die USA sind nicht mehr in der Lage, einen in den USA entwickelten Reaktortyp fristgerecht und zu den vereinbarten Preisen fertigzustellen. Zu aller Schande wurden die gleichen Reaktoren in Lizenz in China errichtet und sind inzwischen am Netz. Es gibt in den USA — wie in Deutschland und Frankreich — keine leistungsfähige Industrie mehr, die solch komplexe Projekte unter den speziellen Randbedingungen der Kerntechnik durchziehen kann. Der Faden ist durch die jahrzehntelange Zwangspause beim Neubau einfach abgerissen. Man lernt in Vogtle und Olkiluoto genauso wieder von vorn, wie in den fünfziger und sechziger Jahren. Da sich auch in den USA keine weiteren Kernkraftwerke als Anschlussaufträge abzeichnen, droht eine Abwärtsspirale.

Wie immer, wenn man in einer Sackgasse steckt, muß man die Situation analysieren und neu denken. Es ist etwas von dem „Apple-Geist“ nötig, der mitten in der Krise der Computerindustrie das Smartphone erfunden hat. Heutige Kernkraftwerke erfordern riesigen Kapitaleinsatz, lange Bauzeiten (vom ersten Genehmigungsantrag bis zur Fertigstellung), große Stäbe von erfahrenen Fachkräften. Solche Randbedingungen sind heute nur noch in Staatswirtschaften zu realisieren. Will man verhindern, daß China und Rußland das weltweite Monopol für Kernkraftwerke erhalten, muß man deshalb genau hier ansetzen. Der eingeschlagene Weg läuft über eine Serienproduktion anstelle einer Kosteneinsparung über einen „Größenvorteil“. Ein revolutionärer Ansatz, wie einst der Umstieg vom „Handy“ auf das Smartphone. Ganz wichtig ist hierbei die Schaffung eines Zusatznutzens, der für sich allein einen Kaufanreiz darstellt — zumindest für eine vorhandene kaufkräftige Konsumentengruppe als Starter.

Tot geschriebene, leben länger

Die kerntechnische Industrie in den USA ist noch lange nicht tot. Jedenfalls so lange, wie sie über einschlägige Forschungszentren mit zehntausenden (der besten) Fachleute weltweit verfügt und eine — etwas im Verborgenen blühende — Reaktorindustrie vorhanden ist. Wenig beachtet, existiert das „Büro für Schiffsreaktoren“, welches 82 Kriegsschiffe mit Kernreaktoren unterhält, über sechs Werften, vier Übungsreaktoren an denen jährlich 3500 Studenten ausgebildet werden, zwei eigenen Forschungszentren (Bettis/Knolls), hunderten von klassifizierten Zulieferern und einem eigenen, kompletten Brennstoffkreislauf, verfügt. Dort weht immer noch der Geist von Admiral Rickover. Völlig geräuschlos — und vor allem ohne spektakuläre Unfälle — wird dort Reaktortechnik auf höchstem und sonst weltweit unerreichtem Niveau betrieben. Allein diese Organisation kann (wieder) als Keimzelle einer neuen Industrie dienen. Außerdem hat sich offensichtlich der öffentliche Wind gedreht: Es gibt mehr als 70 neugegründete Unternehmen, die sich mit den unterschiedlichsten Reaktortypen beschäftigen. Universitäten brauchen sich keine Sorgen mehr über den Nachwuchs zu machen.

In diesem Umfeld fehlt es nur noch an politischem Willen. Dieser scheint nun endlich in der Gestalt von Präsident Trump gekommen zu sein. Er hat das Zeug zu einem Kennedy der Kerntechnik zu werden. So, wie einst die Mondlandung zu einer Explosion der Raumfahrt geführt hat, könnte heute der „Micro-Reactor“ eine Initialzündung für einen neuen Industriezweig auslösen.

Was macht dieses Konzept so anders?

Grundgedanke ist die Serienfertigung. Die heutigen (unvorhersehbaren) Bauzeiten für Kernkraftwerke in westlichen Ländern sind für jeden Investor völlig indiskutabel. Zwar bekommt man nicht einmal ein Gaskraftwerk beim Kaufmann um die Ecke, aber zumindest Termingerecht in einem überschaubaren Zeitraum. Die unvorhersehbaren Zeiträume sind die Hauptursache für die hohen Kosten. Dies zeigen die Preise für baugleiche Kraftwerke in China überdeutlich — z. B. gegenüber den ewigen Baustellen in USA (Vogtel), Frankreich (Flamanville) und Finnland (Olkiluoto).

Die notwendige Erstinvestition für eine kleine Leistung ist entsprechend gering gegenüber einem großen konventionellen Kernkraftwerk. Das wirtschaftliche Risiko ist dadurch leichter handhabbar. In wie weit die Serienfertigung hierbei mit einer Kostendegression durch Größe mithalten kann, wird die Zukunft zeigen. Viel wichtiger ist jedoch, daß sich durch die geringen Leistungen völlig neue Märkte für die Kerntechnik erschließen. Auch die Großraumflugzeuge haben in der Luftfahrt nicht die Neuentwicklung kleiner Jets verhindert. Im Gegenteil, haben die kleinen Flugzeuge völlig neue Märkte erschlossen und damit die Luftfahrt insgesamt belebt.

Die Brennstoffkosten sind bei Kernkraftwerken vernachlässigbar — ausdrücklich auch unter Einschluß der notwendigen Entsorgungskosten! Man sollte deshalb nicht den Wirkungsgrad, sondern die Investitionskosten und die Robustheit in den Vordergrund stellen. Lange Betriebszeiten (geplant mindestens 10 Jahre) zwischen den Brennstoffwechseln ergeben schnell geringere Stromkosten zu festen Preisen (Leistung in kW x Betriebsstunden = produzierte Kilowattstunden) gegenüber Windmühlen und Sonnenkollektoren. Aber das absolute Killerargument gegenüber allen wetterabhängigen Verfahren ist: Immer wenn der Schalter umgelegt wird, ist die benötigte elektrische Leistung vorhanden. Ganz ohne Speicher und sonstigen teuren Ballast und auch noch ohne Luftbelastung.

Der ungesehene Markt

Alle Kleinreaktoren leiden unter dem „Henne-Ei-Problem“: Größere Stückzahlen sollen über eine Serienfertigung die Preise drastisch senken. Es fehlt aber der Kunde, der für einen ersten Reaktor bereit ist, das volle Risiko und den notwendigerweise erhöhten Preis zu tragen. Ein Problem, das der Flugzeugindustrie wohl bekannt ist. Es gibt jedoch einen Kunden, der mit diesem Phänomen gewohnt ist umzugehen und überdies noch durch den Steuerzahler gedeckt ist: Das Militär.

Für das US-Militär ist die Versorgung mit Energie stets ein strategisches Problem gewesen. Jeder Versorger muß im Ernstfall durch Kampftruppen (z. B. Begleitung von Konvois) geschützt werden — bindet also Kampfkraft. Außerdem schreitet mit stark zunehmender Geschwindigkeit die Elektrifizierung des Militärs voran (Kommunikation, Radargeräte usw., bis hin zu Waffensystemen selbst). Gleichzeitig werden die vorhandenen Stromnetze auch in USA durch den vermehrten Einsatz von „Erneuerbaren“ immer störungsanfälliger und die Stromkosten steigen immer weiter. Der Scheidepunkt zwischen immer mehr zusätzlicher Notstromversorgung zur Absicherung und Eigenversorgung rückt immer näher. Das US-Verteidigungsministerium ist für über 500 Liegenschaften mit mehr als einem Megawatt Anschlussleistung allein auf dem eigenen Staatsgebiet Auftraggeber und somit einer der größten Stromkunden überhaupt (ca. 21% des gesamten öffentlichen Verbrauchs). 90% dieser Objekte kann mit 4 x 10 MWel voll versorgt werden. Hinzu kommen noch langfristig Heizwärme und Trinkwasser (Meerwasserentsalzung). Im ersten Schritt wird aber eine reine Stromversorgung angestrebt. Da die Spitzenlast nur im Ernstfall benötigt wird, kann sich Zukünftig eine Umkehrung anbieten: Das militärische Kraftwerk speist Überschußstrom ins Netz und senkt damit die eigenen Kosten. Somit ergeben sich folgende Anforderungen:

  • Kleine Abmessungen und geringes Gewicht, damit die „Kleinkraftwerke“ später auch im Feld folgen können.
  • Um möglichst viele Anwendungsfälle zu erschließen, nur eine kleine Leistung — bis 10 MWel derzeit angestrebt.
  • Inhärente („walk away“) Sicherheit.
  • Möglicher Betrieb über den vollen Lastbereich mit hoher Änderungsgeschwindigkeit um Inselbetrieb zu gewährleisten.
  • Langzeit-Dauerbetrieb mit Brennstoff Wechselintervallen von mindestens 10 Jahren („Batterie“). Dies macht eine höhere Anreicherung von nahezu 20% (HALEU) nötig.
  • Weitestgehend vollautomatischer Betrieb durch Soldaten — nach kurzer Schulung und Einarbeitung.
  • Möglichst eine zivile Zulassung durch die NRC um die potentiellen Stückzahlen zu erhöhen und eine Einspeisung ins öffentliche Netz zu ermöglichen.

Das Genehmigungsverfahren

Heutzutage eine Genehmigung für einen neuen Reaktortyp zu erlangen, gleicht einem einzigen Hindernislauf mit ungewissem Ausgang. Von einer Behörde, die ein Monopol hat und überwiegend im Stundenlohn (rund 280$/h) arbeitet, kann man keine Sprünge erwarten. Sie wird sich noch grundlegend umorganisieren müssen um sich den neuen — teilweise noch in Arbeit befindlichen — Randbedingungen anzupassen: Bei Reaktoren so kleiner Leistung ist die Menge radioaktiver Stoffe (Spaltprodukte) so klein, daß auch im ungünstigsten Fall eine Gefährdung von Personen außerhalb des Betriebsgeländes ausgeschlossen werden muß. Eine schlimme Kröte für alle „Atomkraftgegner“! Eine inhärente Sicherheit, d. h. keine nukleare Explosion und auch keine Notkühlung ist erforderlich. Ein vollautomatischer Betrieb, der keine Fehlbedienung erlaubt. In diesem Zusammenhang ist interessant, daß die gesetzlichen Bestimmungen über die Nuklearversicherung bald routinemäßig auslaufen und zwangsläufig überarbeitet werden müssen. Es bietet sich an, für solche Reaktoren die Haftpflicht nur noch rein kommerziell auszugestalten. Eine (spezielle) Industrieversicherung mit kalkulierbar geringeren Kosten. Auch das wird für „Atomkraftgegner“ nur schwer verdaulich sein, da es doch zu deren Grundüberzeugungen zählt, daß Kernkraftwerke gar nicht zu versichern seien!

Wer an dieser Stelle glaubt, das seien alles nur Wunschträume, der täuscht sich gewaltig. Die NRC steht unter Druck. Sie hat schon lange den Bogen überspannt. Ganz entscheidend ist aber, daß sich mit der Wahl von Präsident Trump der Wind von gegen, in pro Kernenergie gedreht hat. Der Präsident ist nämlich in dieser Frage sehr mächtig: Nach dem Atomic Energy Act of 1954 kann er das Verteidigungsministerium (DoD) anweisen, einen solchen Reaktor für militärische Zwecke zu bauen und zu betreiben (siehe 42 U.S.C. §2121(b)). Es bedarf dazu ausdrücklich keiner Genehmigung durch die NRC (siehe 42 U.S.C. §2140(b)).

Allerdings ist der Eigenbau gar nicht gewollt. Es geht um die Wiederbelebung der kerntechnischen Industrie. Dafür ist aber eine Genehmigung und Überwachung durch die NRC nötig. Im Gespräch sind private Investoren und Betreiber. Das Militär würde nur für 40 Jahre den Strom zu einem festgelegten Preis kaufen. Das Kraftwerk könnte in unmittelbarer Nähe des Stützpunktes errichtet werden und von dieser wirtschaftlichen Basis aus, sein Geschäft erweitern. Ein Vorbild ist auch die NASA, die eng mit privaten Raketenherstellern zusammenarbeitet und von diesen Nutzlast kauft.

Der Zeitplan

Aktuell geht man von einer Realisierung innerhalb von 5 bis 10 Jahren für den „Neuen Reaktor“ einschließlich Brennstoffkreislauf, Genehmigungen und Bau aus. Für einen Kerntechniker hört sich das wie Science Fiction oder einer Geschichte aus vergangenen Zeiten (erstes Atom-U-Boot Nautilus etc.) an. Vielleicht knüpft Präsident Trump aber bewußt an diese Traditionen an. Ein solches Projekt ist weniger eine Frage der Ingenieurleistungen sondern viel mehr des politischen Willens. Gelingt es ihm, hat er wahrlich „America Great Again“ gemacht. Wenn Amerika wirklich wollte, hat es immer das Unmögliche geschafft: Manhattan Project, Nautilus, Apollo usw.

Nun ist es auch nicht so, als wenn man bei Stunde Null mit diesem Projekt anfängt. Technisch gibt es kaum Unwägbarkeiten. Politisch sind auch bereits die entscheidenden Gesetze durchgebracht. Es ist halt der unvergleichliche Donald Trump Regierungsstil: Immer viel Kasperletheater als Futter für die Medien und sonstige schlichte Gemüter, bei gleichzeitig harter Sacharbeit im Hintergrund.

Der Beitrag erschien zuerst auf der Website des Autors hier

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