Worum geht es?

Da sowohl Erdöl als auch Erdgas leichter sind als das umgebende Formationswasser, haben diese Kohlenwasserstoffe das Bestreben, nach oben aus den Muttergesteinen auszuwandern, um dann letztlich an der Erdoberfläche in die Atmosphäre zu gelangen. Auf diesem Weg nach oben können sie in „Fallen“ geraten, beispielsweise domförmige (antiklinale) undurchlässige Schichten, unter denen sie sich dann dauerhaft anreichern.  Ausschließlich auf diesen „sekundären“  Lagerstätten beruhte bisher die Förderung von Kohlenwasserstoffen, weshalb diese Lagerstätten oder auch deren Nutzung heute „konventionell“ genannt wird. Da die Kohlenwasserstoffe in diese Lagerstätten hineingewandert sind, sich also in diesen Gesteinen bewegen können, kann man sie auch verhältnismäßig leicht gewinnen. Ist dies in Ausnahmefällen durch zwischenzeitliche Gesteinsveränderungen nicht mehr der Fall, spricht man oft von „tight gas“ Lagerstätten. Die angesprochenen Sekundärlagerstätten sind global nahezu erschöpft, die Reichweiten liegen für Öl bei einigen Jahrzehnten und bei Gas etwas länger. Die Menge der Kohlenwasserstoffe, die im Muttergestein verblieben sind, ist ungleich größer. Gelingt es, diese zu fördern, steigen die verfügbaren Vorräte und somit die Reichweiten drastisch an. Die Tatsache, dass noch Öl und Gas im Muttergestein ist, ist natürlich ein Hinweis darauf, dass es dort nicht ohne Anstrengung heraus zu bekommen ist.  Brauchbare Technologien sind heute jedoch verfügbar und werden seit Jahrzehnten, inzwischen auch millionenfach, angewendet. Einerseits müssen die Förderbohrungen über lange Strecken in der Kohle- oder Tonsteinschicht geführt werden (oft unpräzise horizontales Bohren genannt), andererseits muss erreicht werden, dass Öl oder Gas aus der Umgebung der Bohrung dieser zufließen kann. Es geht dabei um Entfernungen von einigen hundert Metern. Dies alles wird durch hydraulisch erzeugte (gefrackte) und künstlich offen gehaltene kleine Risse in der Umgebung der Bohrung erreicht. Im tight gas wird dies seit Jahrzehnten weltweit erfolgreich und ohne große Risiken praktiziert. Für unkonventionelle Lagerstätten hat dies in den USA einen Öl- und Gasboom ausgelöst und von dort aus einen weltweiten Technologieschub bewirkt, der nur aus politischen Gründen das eine oder andere Land noch nicht erreicht hat.

Und was sagt die Öffentlichkeit?

Jahrzehnte lang nahm die Öffentlichkeit von der neuen Technologie (eben diesem Fracking) keine Notiz, erfreute sich aber dennoch an niedrigen Energiekosten. Dann kam der Film „Gasland“, der mit spektakulären Falschbehauptungen und gefälschten Bildern – beispielhaft erwähnt das „brennende Wasser“ – nicht nur einen Oskar einheimste und zum wirtschaftlichen Riesenerfolg wurde, sondern geradezu eine Anti-Fracking-Volksbewegung begründete. Trockene Dementis amerikanischer Fachbehörden hatten gegen die „Kraft der Bilder“ keine Chance. In Deutschland, das ja ohnehin zu überzogener Angst neigt, war die Verbreitung der Angst vor Fracking besonders durchdringend. Populismus-Tendenzen taten ihr übriges. Medien fühlten sich ihren Lesern, Zuhörern und Zuschauern verpflichtet, die großen Naturschutzverbände handelten so, wie es ihre Mitglieder und Kleinsponsoren erwarteten, die großen Kirchen nutzten die Chance, zu zeigen, dass ihnen das Wohl der Gläubigen am Herzen liegt. Dann kamen in einer zweiten Welle die Bierbrauer, die Bauern, die Ärzte und viele andere dazu. Es wimmelte plötzlich bei den Veranstaltungen der Bürgerinitiativen von selbsternannten Frackingexperten.

Und die Politik?

Die Politik besann sich auf die Basisdemokratie als dem schöner klingenden Bruder des Populismus. Was die Mehrheit der (zuvor irregeleiteten) Wählerschaft denkt, muss umgesetzt werden. Die Lobbyarbeit der Verbände und Bürgerinitiativen tat ein übriges. Die Politik schwenkte ein, wollte sich aber zunächst noch ein „Wissenschaftsmäntelchen“ umhängen. Es wurden Gutachten und Studien in Auftrag gegeben (NRW und UBA 1 und 2). Die Wissenschaftler wurden sorgfältig so ausgesucht, dass sie von Fracking möglichst keine Ahnung hatten, zumindest aber noch nie etwas zum Thema veröffentlicht hatten. Dennoch entstanden überraschenderweise brauchbare Gutachten, die zum größten Leidwesen der Politik deren populistische Positionen nicht begründeten. Die Gutachten stuften Fracking nicht als Risikotechnologie ein, sondern bezeichneten es als „beherrschbar“. Freilich formulierten sie auch eine ganze Reihe von „Handlungsempfehlungen“, die einerseits die Beherrschbarkeit sicherstellen, andererseits aber die Zukunftstechnologie ermöglichen sollten. Die Politik stand nun vor einem Problem, da die unbedarfte Bevölkerung nach wie vor große Risiken im Fracking sieht, die Wissenschaft diese aber verneint. Auf wen wird die Politik hören?

Und was macht die Wissenschaft?

In vielen Fragen ist sich ja „die Wissenschaft“ uneins und es wäre vermessen, dies zu leugnen. Das war auch bei der Sicherheit der Atomkraftwerke so. Beim Fracking ist es aber grundsätzlich anders. Es gibt keinen seriösen Wissenschaftler, der im Fracking eine Risikotechnologie sieht (verglichen mit anderen Methoden der Energiebereitstellung). Die Wissenschaft versucht aktuell, dies der Politik, den Medien und der Bevölkerung zu verdeutlichen. Universitäten und Großforschungseinrichtungen haben sich gemeldet,  die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, auch die geologischen Landesämter sind sich einig. Ein Schulterschluss mit den Kompetenzzentren der europäischen Nachbarländer wurde hergestellt. Die Wissenschaft freut sich verständlicherweise nicht, wenn sie gegenüber den Laienmeinungen untergeht – sie wehrt sich aber entschieden dagegen, dass uminterpretiert und umgedeutet wird, was sie geschrieben hat. Die Politik sollte zumindest den Mumm haben, deutlich zu sagen, dass sie gegen die einheitliche Meinung der Wissenschaft handelt, wenn es denn unbedingt so sein muss.

Und wie geht es weiter?

Das Kind ist ja noch nicht in den Brunnen gefallen. Vielleicht entscheidet sich ja die Politik doch noch gegen den Technologiestillstand. Wir müssen abwarten, wie der Entwurf des  Fracking- oder Antifracking-Gesetzes aussehen wird. Die Politik sollte sich dann auch erinnern, dass es sich oft bewährt hat, Entscheidungen auf der Basis wissenschaftlich begründeter Argumente zu fällen: beispielsweise beim Heilen des Ozonlochs. Politiker hätten im übrigen ohne die Arbeit der Wissenschaft dieses Loch sicher nicht selbst bemerkt. Und sollte es mit dem Fracking erst 2021 (nach Ablauf des Moratoriums durch das geplante „Totregeln“) losgehen, ist das Gas sicher noch immer dort, wo es schon seit einigen Millionen Jahren auf uns wartet.

Prof. Dr. Horst Rüter ist Präsident von HarbourDome
und Mitglied der folgenden Organisationen:
 
  • Deutsche Geophysikalische Gesellschaft (DGG)
  • Geothermische Vereinigung – Bundesverband Geothermie (Vice-president)
  • International Geothermal Association (IGA), (Director)
  • European Geothermal Council (EGEC)
  • Geounion- Alfred Wegener Stiftung (Board Member)
  • European Association of Geoscientists and Engineers (EAGE)
  • Society of Geophysicists (SEG)
  • Australian Society of Geophysicists (ASEG)
  • Society of Professional Well Log Analysts
  • Deutsche Gesellschaft für Polarforschung
  • Indian Geophysical Union (IGU) Foreign Fellow

Mit Dank übernommen von der Website des Deutschen Arbeitgeberverbandes hier

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