Bild rechts: Eine US-Marinepatroullie streift über eine verkohlte Öl-Landschaft nahe einem brennenden Bohrloch bei Kuwait City im März 1991. Sorgen um die Ölversorgung standen bei der Intervention der USA und ihrer Alliierten während der irakischen Invasion in Kuwait Pate. Aber die amerikanische Politik ändert sich derzeit angesichts der zurück gehenden Importe von Öl aus dem Nahen Osten in die USA. Quelle: Credit John Gaps III / AP
Seit über 40 Jahren wurzelte die Präsenz der USA in der Region in einer einzigen Tatsache: Von dort kommt unser Öl. Die Notwendigkeit, das Öl am Fließen zu halten bedeutete, dass die US-Regierungen den engen Schulterschluss mit Saudi-Arabien gesucht haben. Es bedeutete, dass das US-Militär Flugzeugträger rund um den Golf stationiert hat. Und es bedeutete, dass die USA auch den Willen zum Krieg hatten, um die Öl-Schifffahrtsrouten offen zu halten, eine Position, die erstmals von Präsident Carter deutlich ausgesprochen worden ist:
„Der Versuch irgendeiner auswärtigen Macht, Kontrolle über das Gebiet des Persischen Golfes zu erlangen, wird als ein Angriff auf die vitalen Interessen der USA aufgefasst“, verkündete Carter in seinem Bericht zur Lage der Nation (State of the Union address) 1980. „Ein solcher Versuch“, sagte Carter, „wird mit allen notwendigen Mitteln abgewehrt werden, einschließlich militärischer Operationen“.
Seitdem war die Carter-Doktrin Grundlage der US-Politik.
Als der Irak im Jahre 1990 in Kuwait einmarschiert war und die Ölversorgung aus der Golfregion bedroht hatte, haben die USA und seine Alliierten interveniert. Das öffentlich verkündete Ziel war, Kuwait zu helfen, seine Souveränität zurück zu erhalten, aber das ist nicht die ganze Wahrheit.
„Es gab eine Masse Implikationen bzgl. Öl hinter der ganzen Episode und unserer Reaktion darauf“, sagt Roger Altman, stellvertretender Schatzminister in der Clinton-Administration. „Ich sage nicht, dass wir Kuwait ohne die Öl-Perspektive nicht geholfen hätten, aber das Öl musste eine große Rolle spielen“.
Eine andere Energiegleichung
Die Angelegenheit Öl hat sich jedoch seitdem erheblich verändert. Der aus dem Golf stammende Anteil der Ölimporte in die USA ist um ein Drittel zurückgegangen. Viel von diesem Öl geht stattdessen nach China, Japan und Korea.
„Die asiatischen Länder sind tatsächlich die größten Verbraucher von Öl aus dem Nahen Osten”, sagt Mikkal Herberg, Direktor des Energiesicherheitsprogramms im National Bureau of Asian Research. „Wir bekommen nur noch sehr wenig Öl aus dem Golf. In Zukunft werden wir überhaupt keine nennenswerten Mengen von Öl mehr aus dem Persischen Golf brauchen“.
Die USA erzeugen jetzt mehr ihr eigenes Öl. Außerdem steigen die Importe aus Kanada, Mexiko und Brasilien.
Ein neuer Bericht der EIA beleuchtet die Verschiebung im Handel mit Öl aus dem Nahen Osten. Die in Paris ansässige Organisation projiziert, dass bis zum Jahr 2035 fast 90 Prozent der Ölexporte vom Persischen Golf nach Asien gehen und die USA nur noch einen vernachlässigbaren Anteil erhalten.
„Die Beziehungen zwischen den USA und Brasilien werden ziemlich wichtig sein”, sagt Altman, inzwischen Vorsitzender der Evercore Partners, einer Investmentbank. „Die Beziehungen mit Mexiko werden ziemlich wichtig sein. Aus energiepolitischer Sicht werden sie wichtiger sein als Beziehungen mit Irak oder Libyen oder potentiell Iran“.
Der drastische Rückgang der Abhängigkeit von Öl aus dem Persischen Golf wirft Fragen darüber auf, ob die Carter-Doktrin immer noch gelten soll.
„Die USA waren der Garant der Seewege und der Produzenten am Golf, weil wir fühlten, wie vital das für die Energie- und Sicherheitsinteressen der USA war“, sagt Herberg vom National Bureau of Asian Research. „Da wir quasi energieunabhängig werden, wird man sich wahrscheinlich hier in den USA fragen, ‚müssen wir uns diese Last wirklich aufbürden?’“.
Sicherheit der wichtigsten Schifffahrtswege
Wenn es künftig nicht mehr so wichtig ist, die Ölversorgung aus dem Persischen Golf sicherzustellen, würde das einen Rückgang der US-Präsenz im Nahen Osten rechtfertigen?
Öl aus dem Persischen Golf wird wichtig bleiben, und irgendjemand muss die Sicherheit der Seewege im Golf sicherstellen. China, das zur Nummer 1 des Aufkaufens von Öl aus dem Golf aufsteigen wird, profitiert derzeit von der gewaltigen US-Präsenz in der Region. Vielleicht könnten die USA die Verantwortung für die Sicherheit im Persischen Golf an China übertragen.
„Strategisch ist das etwas, das wir nicht wirklich wollen”, sagt Herberg. „Aber hinsichtlich Öl profitieren sie am meisten hiervon. Sie sind Trittbrettfahrer auf diesen freien Seewegen, die die USA offen halten. Wie also geht man mit diesem Konflikt um?“
Die IEA, die die Regierungen hinsichtlich Energiepolitik berät, wies in dem 2012 veröffentlichten Bericht zur Weltenergie darauf hin, dass die Verschiebung im Ölhandel neue militärische Bündnisse schmieden könnte. Angesichts des angespannten Verteidigungshaushalts hallt dieses Argument nach.
Der Energietycoon T. Boone Pickens wird im Magazin Parade mit den Worten zitiert: „Es ist hirnrissig, dass die 5. Flotte der US-Marine dort fest stationiert ist, um Öl zu schützen, dass nach China und Europa geht“.
Der neuen Verteidigungsstrategie des Pentagon zufolge, festgelegt im Januar, sollten die USA [ihr Verhältnis] zur Region Asien – Pazifik neu „austarieren“. Aber sie spricht sich nicht dafür aus, die Rolle der USA im Nahen Osten herabzustufen.
Die Frage des globalen Ölmarktes
Nur wenige Funktionäre der US-Verteidigung würden sich mit dem Gedanken anfreunden können, dass die chinesische Marine die der USA im Persischen Golf ersetzt. Aber es könnte auch einen Grund hinsichtlich des Öls geben, die US-Präsenz am Golf aufrecht zu erhalten.
Öl wird auf einem globalen Markt gehandelt. Vielleicht brauchen die USA nicht mehr so viel Öl aus dem Persischen Golf wie bisher, aber sie müssen ein Interesse daran haben, dass das Öl weiterhin fließt. Eine Unterbrechung des Ölhandels vom Golf hätte steigende Ölpreise für jedermann zur Folge.
„In gewisser Weise steht die US-Marine vor einem neuen Dilemma”, sagt Herberg. „Der Zugang der USA zu Öl wird in der westlichen Hemisphäre immer sicherer. Am Golf ist er viel weniger zuverlässig. Aber hinsichtlich des Ölpreises, der globalen Ölmärkte und des Einflusses auf die globale und die US-Wirtschaft bleibt der Ölfluss aus dem Golf von vitalem Interesse.“
Sollte der Ölpreis wegen Schwierigkeiten am Persischen Golf in die Höhe schießen, würde dies ein größeres Handelsdefizit im Energiebereich bedeuten. Damit würde ein größerer Anteil des nationalen Einkommens der USA das Land verlassen.
Carl Pope, der ehemalige Vorsitzende des Sierra-Clubs, sagt, dass man die Realität im Auge behalten muss. „Es geht nicht so sehr darum, wie viele Barrel Öl wir importieren”, sagt Pope. „Es geht um die hunderte von Milliarden Dollar, die wir exportieren, die unsere Sicherheit bedrohen“.
Die US-Flugzeugträger im Persischen Golf könnten noch eine ganze Weile gebraucht werden.
Tom Gjelten
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