Irrungen um die Flut im Saarland

Von Frank Bosse

Es war mal wieder so weit: Es gab Starkregen da, es gab Überflutungen und schon ist die Ursache klar: Der Klimawandel. Wenn wir weniger CO2 emittieren würden, z. B. mit einem Tempolimit auf Autobahnen, wäre die Flut ausgeblieben, so einige Thesen. Man könnte darüber hinweg gehen, wenn nicht Politiker in hoher Verantwortung ähnlich argumentieren würden. Kathrin Henneberger, Mitglied des Bundestages für die Grünen und „Klimapolitikerin“ entwickelt ihre Gedanken und „Lösungen“ auf „X“, vormals Twitter.  Sie führt u.a. aus:

„Wenn die Temperatur der Erdatmosphäre steigt, kann auch mehr Feuchtigkeit gehalten werden. Um sieben Prozent pro Grad Celsius steigt die Aufnahmefähigkeit von Wasserdampf in unserer Luft. …Besonders kommt es durch die Klimakrise zu heftigem Niederschlag innerhalb kürzester Zeit. Dies führt zu Hochwasser und damit zu Überflutungen.“

Was ist dran an dieser rein thermodynamischen Ursache? Sie führt das Gesetz von Clausius Clapeyron (CC) als DIE Ursache für das aktuelle Hochwasser an: Ein Grad höhere Temperaturen führt zu 7% mehr Aufnahmevermögen von Wasserdampf der Atmosphäre. Bedingung ist dabei natürlich, dass auch so viel Wasser zum Verdunsten zur Verfügung steht. Das ist über Ozeanen stets der Fall, bei Landmassen wird es komplexer. So einfach scheint es also nicht zu sein. Man kann auch mit Beobachtungen die These: “Höherer Temperaturen= mehr Starkregenereignisse” überprüfen. Zwischen 1960 und den aktuellen Jahren erhöhte sich die Lufttemperatur im Deutschlandmittel um ca. 2°C. Nach der simplen Logik müsste sich damit nach CC ca. 14% mehr Wasser in der Atmosphäre befinden und die Starkregenereignisse sollten flächendeckend deutlich zunehmen. Das tun sie jedoch nicht:

Ein Bild, das Text, Screenshot, Reihe, Schrift enthält. Automatisch generierte Beschreibung

Das Diagramm wurde mit den täglichen Reanalyse- Daten von ERA5 erstellt. Es zeigt keinen Trend.

Die Starkregenereignisse werden nicht mehr. So einfach wie es sich Frau Henneberger (und damit wohl die Fraktion des Bundestages, die auch den Wirtschafts-u. Klimaminister stellt) vorstellt, ist es definitiv nicht. Vermutlich hat sie sich auch nicht so intensiv mit der Materie befasst, dafür gibt es ja Spezialisten, die da beraten. Einer davon, Özden Terli vom ZDF -Wetter, meldete sich zu Wort ursprünglich in der „Saarbrücker Zeitung“, da war das Interview jedoch schnell wieder verschwunden oder hinter einer Paywall und für den Nicht-Abonnent nicht mehr auffindbar. Es ist jedoch weiterhin zu lesen. Die Überschrift ist schon mal seltsam:

„Zu sagen, dass es früher gab es auch schon Hochwasser gab, ist extrem fahrlässig“.

Keine Hochwasser früher? Die Saarbrücker Zeitung schrieb zum Zeitpunkt des Maximums des aktuellen Hochwassers:

 Beim Jahrhunderthochwasser im Jahr 1947 stieg die Saar bis auf über zehn Meter, damals konnte man den St. Johanner Markt mit Booten befahren. Normalerweise liegt der Pegel an der Messstelle St. Arnual bei um die zwei Meter. Am Freitagnachmittag hat er die Fünf-Meter-Grenze bereits überschritten…“

Höhere Wasserstände als bei der aktuellen Flut in der Vergangenheit waren schlicht eine Tatsache, die Erwähnung einer solchen ist wohl nur in Terlis Welt „extrem fahrlässig“. Auch der Inhalt ist fragwürdig. Er referiert als Quelle des Wassers in der Luft über dem Saarland das (westliche) Mittelmeer:

„Es ist normal und natürlich, dass sich die Mittelmeerregion im Frühling, Frühsommer und Sommer mehr aufheizt als unsere Regionen, weil sich dort eher Hochs ausbilden. Aber dadurch, dass sich das Temperaturniveau insgesamt erhöht hat und es am Mittelmeer wärmer ist als früher, heizt sich auch das Wasser mehr auf und warme Luft kann zudem mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Die physikalischen Parameter wirken sich einfach extremer aus: Mehr Wärme, mehr Feuchtigkeit, mehr Regen. Je nachdem, wie die Wetterlage ist, kann es zu extremen Unwettern kommen wie letztes Jahr in Griechenland, aber diese aufgeladene Luftmasse zieht auch mal nach Deutschland. Die Folgen sind katastrophal, wie man sieht.

Wie warm ist denn das Mittelmeer? Ein Vergleich:

Ein Bild, das Text, Karte, Diagramm, Screenshot enthält. Automatisch generierte Beschreibung

Oben die aktuellen Meerestemperaturen (ihre Abweichung von den Werten der Jahre 1980-2010) aktuell (Mai 2024) und unten im August des Vorjahres. Gegenwärtig beträgt die Anomalie +0,4-0,8 °C, damals waren es zum Teil über +2 °C und im August 2023 gab es definitiv keine Überflutungen im Saarland. So einfach ist es offensichtlich nicht. Terli kommt auch auf den tatsächlich wohl viel wichtigeren Punkt als die reine Thermodynamik zu sprechen: die Atmosphärendynamik. Er führt dazu aus:

„Es gibt wenig Wind, der das Tief wegführen könnte. Die Zugbahn ist schon ungewöhnlich, normalerweise kommen die Tiefs vom Westen, dieses aber von Süden. Auch diese Veränderung in den Strömungen, also wie Tiefs ziehen, ist auch auf die globale Erhitzung zurückzuführen. Dazu gibt es bereits eine ganze Menge wissenschaftliche Studien. Es hängt mit dem Jetstream, also extrem starken Windströmungen in acht bis zwölf Kilometern Höhe, zusammen, der übrigens derzeit abwesend ist, dementsprechend zieht das Tief auch kaum. Aber es ist festzustellen, dass der Jetstream häufiger mäandert, wodurch Luftmassen an Orte gelangen, wo sie normalerweise nicht hingehören.“

Aha, der durch den Klimawandel veränderte Jetstream ist also der wahre Übeltäter! Welche Studien meint er, die da die „klimawandelbedingte Verlangsamung und Mäanderung“ zeigen? Bestimmt solche wie Mann et al. (2017), die Thesen der Verlangsamung durch die bodennahe arktische Verstärkung der Erwärmung und damit geringere Temperaturdifferenz Arktis-Tropen aufstellten. Das Problem daran ist, dass es in der Arktis tatsächlich nur bodennah wärmer wird als in den Tropen, in der Höhe des Jetstream jedoch nicht. Modere Forschung von Ende 2023 findet also wie erwartet das Gegenteil: einen leicht schnelleren Jetstream mit dem Klimawandel. Auch mit dem Nachweis des stärkeren Mäanderns mit dem Klimawandel tun sich aktuelle Beobachtungen sehr schwer.

Auch hier hält der Artikel von Terli einer kritischen Prüfung nicht stand. Er sammelt auf, was ihm passt, auch wenig aktuelle Thesen, um zu „eindeutigen“ Schlüssen zu kommen. Man sollte ihm zurufen, was Einstein einmal formulierte:

„Halte es einfach, aber nicht zu einfach.“

Die wahren Ursachen der Mai-Flut im Saarland sind viel komplexer. Die Atmosphärendynamik ist schon immer hoch variabel wie der Jetstream selbst, voller Zufälle und Änderungen keineswegs so eindeutig der zweifellos nach 1980 erfolgten Erwärmung zuzuschreiben. Es ist mit Sicherheit am Ende ein Strauß von Ursachen, möglicherweise spielte der Klimawandel auch eine kleine Nebenrolle, nicht so einfach zu finden. Er war jedoch mit Sicherheit nicht DER GRUND. Wenn uns da Politik und „Experten“ eine falsche Sicherheit vermitteln wollen, so muss man sehr vorsichtig sein. Es ist dann nur eines sicher: Es ist keine Wissenschaft.

Der Beitrag erschien zuerst bei Klimanachrichten.de hier

 




Die grünen Energievernichter

Von der Primärenergie wird nur ein Drittel  genutzt. Mit der Energiewende sinkt dieser Anteil ständig. Es wird immer mehr Energie durch die grünen Ideologien vernichtet, bevor sie den Endverbraucher erreicht. 

Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel

Die grünen Weltverbesserer von der CDU bis zu den Linken jubeln. Die Energiewende komme voran. Im letzten Jahr seien mehr als 50 Prozent „Ökostrom“ in das Netz eingespeist worden. Vor allem Wind- und Solarstromanlagen müssten weiter ausgebaut werden. Es wird mit installierten Leistungen geprahlt, die niemals erreicht werden. Verschwiegen wird, dass Wind- und Solarstrom keine gesicherte Leistung liefern können und damit auch kein stabiles Stromnetz aufbauen und halten können. Dazu sind Kraftwerke erforderlich, denn nur sie stellen jederzeit die verlangte Leistung bereit. Der Strom aus Wind und Sonne ist FAKEPOWER (Fake = Täuschung), denn die grünen Politiker versichern uns den Unsinn, man könne Deutschland mit diesem Strom vollständig, sicher und preiswert versorgen.


Fakepower braucht viele Regelkraftwerke

Fakepower kann nur begrenzt in ein stabiles Stromnetz eingespeist werden. Die Kraftwerke müssen dann zusätzlich noch die zwischen 0 bis 60 Prozent schwankenden Fakepower-Leistungen auf den Bedarf regeln. Dadurch sind die Regelkosten von 100 Millionen Euro pro Jahr auf inzwischen 4.200 Millionen angestiegen. Durch diese häufigen Leistungswechsel wird in den Kraftwerken der Brennstoffverbrauch pro Kilowattstunde erhöht. Wir kennen das vom Autofahren. Beschleunigen und Bremsen kostet merklich mehr Treibstoff als durchgängiges Fahren. Fakepower erfordert mehr Brennstoffe in den Kraftwerken.


Es wird zu viel Fakepower erzeugt

Im letzten Jahr (2023) gab es über 300 Stunden mit negativen Strompreisen an der Börse. Das bedeutet: Teuer vergütete Fakepower musste unter Zuzahlung entsorgt werden. Inzwischen werden Fakepower-Anlagen bei Starkwind und Sonnenschein immer häufiger abgeschaltet, um Zuzahlungen (= Subventionierungen) zur Entsorgung zu vermeiden. Die Betreiber erhalten jedoch eine Ausfallvergütung, die letztlich auf den Stromkunden abgewälzt wird. Auch dies ist Energievernichtung.


Hohe Stromverluste durch lange Leitungen

Strom soll über immer größere Entfernungen transportiert werden. Dies gilt für den zunehmenden Importstrom, der mit dem Abschalten der konventionellen Kraftwerke benötigt wird. Windstrom soll über neue Überlandleitungen in den Süden fließen. Von den Off-Shore-Windanlagen muss der Strom angelandet werden. Der Stromtransport ist nicht gratis. Es gibt erhebliche Leitungsverluste. Über eine Distanz von 500 km gehen rund 10 Prozent der Energie verloren, wenn man die Umformverluste bei der Ein- und Ausspeisung einrechnet. Der Transport fossiler Brennstoffe zu den Verbraucherzentren ist wesentlich günstiger.


Wasserstoff ist keine Lösung

Inzwischen haben auch die grünen Politiker begriffen, dass für eine sichere Energieversorgung Regelkraftwerke notwendig sind, die den gesamten Strombedarf bei Dunkelflaute liefern müssen. Mit der Verdammung der fossilen Brennstoffe sollen diese Kraftwerke in Zukunft mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Das Verfahren wird auf Neudeutsch „Power to Gas“ genannt. Mit Fakepower soll aus Wasser elektrolytisch Wasserstoff gewonnen, in Kavernen gelagert und bei Bedarf in Gaskraftwerken wieder in Strom umgewandelt werden. Eine schöne Idee. Doch bei genauerem Hinsehen geht die eingesetzte Fakepower durch die Umwandlungen bis auf etwa 10 Prozent verloren. Diese Restenergie oder sogar noch mehr wird jedoch für den Transport und die Speicherung des Wasserstoffs in Kavernen unter einem Druck von 300 Bar gebraucht. Die geplante Wasserstofftechnik entpuppt sich als ein riesiges Energie-Vernichtungsprogramm.


Nur Nutzenergie führt zum Wohlstand

Energie ist der Schlüssel zu unserem Wohlstand. Das gilt jedoch nur für die Energie, die wir nutzen. Eine sinnvolle Energiepolitik muss Stromverluste auf dem Weg zum Verbraucher mindern. Die Verbraucher müssen frei sein, die für sie effektivsten Geräte einzusetzen. Diese Grundforderungen erfüllt die Ampel-Regierung nicht. Im Gegenteil. Wie gezeigt, führen die Energiewende-Gesetze zu immer größerer Stromvernichtung. Das gilt auch für das umstrittene Heizungsgesetz. Die vorgeschriebene Heizungsumstellung führt erst nach 10 Jahren zu einer Energieeinsparung.  Bis dahin übersteigt der Energieaufwand für die Installation der neuen Heizung die Einsparungen.

Es wird hohe Zeit, unsere Energieversorgung von ideologischen Vorstellungen auf wirtschaftliche Füße zu stellen. Die Ampel-Regierung ist dazu offensichtlich nicht bereit. Die kommenden Wahlen werden zeigen, ob sich der Wähler weiterhin von den Ideologen und Märchenerzählern täuschen lässt.

 




Einladung zur Podiumsdiskussion am 22. Mai 2024, 18:00 Uhr, im Thüringer Landtag

Von: THLEmV-Bueroleiter <thlemv.bueroleiter@aol.de>

Betreff: Einladung zur Podiumsdiskussion am 22. Mai 2024, 18:00 Uhr, im Thüringer Landtag

Datum: 5. Mai 2024 um 19:42:11 MESZ

Antwort an: THLEmV-Bueroleiter <thlemv.bueroleiter@aol.com>

Liebe Mitglieder und Mitstreiter in den BI-n,

der Thüringer Landesverband Energiepolitik mit Vernunft e.V. (Vernunftkraft Thüringen) hat mit logistischer Unterstützung der parlamentarischen Gruppe der FDP für den 22. Mai 2024, 18:00 Uhr, im Thüringer Landtag eine öffentliche Podiumsdiskussion  organisiert. Zu der Veranstaltung wurden die im Thüringer Landtag vertretenen Fraktionen  und die parl. Gruppe der FDP schriftlich eingeladen. In der moderierten Podiumsdiskussion sollen das Thema

„Vernünftige Energiepolitik – zum Wohl von Mensch, Natur u. Wirtschaft“

sachlich besprochen, Probleme erörtert und wichtige Fragen beantwortet werden.
An der Gesprächsrunde nehmen weiterhin teil:
Prof. Dr. ……………..NN (noch zu benennen durch die Fraktionen LINKE, SPD, GRÜNE)
Prof. Dr.
 rer. silv. habil. Martin Heinze (Wissensch. Wald- u. -bodenschutz, Kospoda)
Dr.-Ing. Detlef Ahlborn (Unternehmer, Maschinenf. Großalmerode, Vorstand BuI VK)
Dr. Rainer Vinkemeier (Mittelstandsinitiative ENERGIE KLARTEXT, Wiesbaden)
Dipl.-Physiker Dieter Böhme (i. R., Vorstand Vernunftkraft TH, Gera)
Univ.-Doz. (Wien) Dr. med. Gerd Reuther (Radiologe i.R., Bestsellerautor, Saalfeld/S.)
Dr.-Ing. Christian Singewald (Geologe, Sachverständiger, Gera) 

Wegen des großen öffentlichen Interesses und der bevorstehenden allgemeinen Wahlen  in Thüringen, wird die Presse eingeladen. Durch die anzumeldenden Teilnehmer können  Fragen an die Politiker und weitere Gesprächspartner gestellt werden.

Bitte teilt zu 1. u. 2. bis 17. Mai 2024 (per E-Mail: thlemv.bueroleiter@aol.de) mit:

1. Anmeldung: Welche Mitglieder und Sprecher von Bürgerinitiativen wollen an der  Veranstaltung teilnehmen?

Wichtige Hinweise:
Die Teilnehmerplätze (im Plenarsaal und auf der Besuchertribüne) sind begrenzt.  Aus Sicherheitsgründen ist zur Teilnahme eine namentliche Anmeldung erforderlich.  Beim Betreten des TLT ist ein gültiges Ausweisdokument (PA, Pass, FS) vorzulegen.  Anmeldungen sind bis zum Erreichen des Kontingents möglich („Windhundprinzip“).
Zur Anmeldung bitte nachfolgende TEILNAHMEMELDUNG ausfüllen und zusenden.

2. Fragestellung: Soll evtl. eine Frage an Politiker oder Experten gestellt werden?

Relevante Frage zum Thema bitte in der TEILNAHMEMELDUNG kurz anführen.
Hinweise:
Die Fragesteller werden in der Gesprächsrunde durch den Moderator angesprochen. Aus Zeitgründen kann nur eine wichtige Frage gestellt werden oder alternativ ein  kurzes Statement zum betreffenden Thema oder Argument abgegeben werden.

3. Für interessierte Mitglieder und Mitstreiter in den Bürgerinitiativen, die keine  Möglichkeit haben persönlich an der Podiumsdiskussion teilzunehmen, sind ein  Video-Stream und eine Video-Aufzeichnung der Veranstaltung geplant.

TEILNAHMEMELDUNG:

Name*                 :
Vorname*           :
Bürgerinitiative  :
E-Mail-Adresse:
(* Pflichtfeld)
Evtl. kurze Frage:

Mit freundlichen Grüßen

i. A. Ludwig Freitag
THLEmV e.V.
https://www.thlemv.de/

 




Sozioökonomie einer Kernkraft-Werk-Baustelle

Der Besuch einer modernen AKW-Baustelle zeigt eindrücklich, dass Deutschland nicht nur eine sichere Stromversorgung verloren hat, sondern eine Armada von Jobs und Berufen mit wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften.

von Dr. Klaus-Dieter Humpich

Es wird immer viel über die „teuren Kernkraftwerke“ lamentiert. Dabei wird gern unterschlagen, dass die Ausgabe des Bauherrn grundsätzlich auch der Umsatz der Auftragnehmer ist. Was die Milliardenausgaben bewirken, kann bestenfalls von Volkswirtschaftlern nachvollzogen werden. Viel sichtbarer sind die Vorgänge auf und im Zusammenhang mit der Baustelle.

Ein Beispiel: Im Dezember 2018 begann der Bau des britischen Kernkraftwerks Hinkley Point C mit zwei Reaktoren vom Typ EPR mit zusammen 3.260 MWel. Ursprünglich geplant war die Inbetriebnahme des ersten Blocks für 2025. Inzwischen wurde der Termin vorläufig auf 2030 verschoben – ein wenig Corona und viel französische Leistungsfähigkeit. So geht es halt, wenn man in einem Land 30 Jahre kein Kernkraftwerk mehr gebaut hat. Der Faden ist gerissen, und man fängt wieder ganz von vorne an.

Dies betrifft insbesondere das qualifizierte Personal. 30 Jahre sind praktisch ein volles Arbeitsleben. Die Fachkräfte von damals sind längst im Ruhestand und man hat vergessen, deren Erfahrung weiterzugeben. Heute müssen die Erbauer wieder ihre eigenen Erfahrungen mit all den üblichen Rückschlägen machen. Ein Kernkraftwerk ist halt kein Stahlturm mit Plastikflügeln. Selbst die Chinesen müssen noch bestimmte Komponenten importieren und sind auf ausländische Hilfe angewiesen.

Ganz anders bei Windmühlen und Sonnenkollektoren. Die haben Sie in kürzester Zeit nachgebaut und sogar optimiert. Unsere Kombinatsleiter rufen nun verzweifelt nach Subventionen, aber der Drops ist längst gelutscht: „Einfache Technik“ können Schwellenländer immer billiger produzieren, denn die Material- und Lohnkosten sind dort geringer. Es war schon ein genialer Plan, Deutschland von Kernenergie auf Wind und Sonne umzustellen. Nun müssen unsere Windmüller und Sonnenbarone halt warten, bis das Lohnniveau bei uns wieder auf chinesische Werte geschrumpft ist.

Die Baukosten sind – wie bei EDF leider üblich (OlkiluotoFlamanville) – auch wieder aus dem Ruder gelaufen. Inzwischen mussten sie von 26 Milliarden Pfund Sterling auf 31 bis 34 Milliarden (in 2015er Preisen) hochgerechnet werden. Das braucht die Engländer nicht weiter zu stören, da sie die Energie zum fest vereinbarten Preis geliefert bekommen – die Verluste muss EDF und letztendlich der französische Steuerzahler übernehmen. Warum EDF immer wieder solche Fehleinschätzungen bei Bauzeit und Kosten unterlaufen, ist ein Rätsel. Wahrscheinlich ist hier viel Politik im Spiel.

Die Dimension der Baustelle

Bisher wurden auf der Baustelle 23.500 neue Arbeitsplätze geschaffen (Stand Anfang 2024). Wohlgemerkt, nur auf der Baustelle, auf der nur Hochbau und die Montage der Komponenten (Druckgefäß, Dampferzeuger, Turbine etc.) stattfindet. Es gibt in einem Kernkraftwerk nahezu keine Technik, die es nicht gibt. Insofern werden unzählige Fachkräfte und Spezialisten gebraucht. Aber nicht nur.

Für die Unterbringung und Versorgung von über 20 000 Mitarbeitern reicht eine Imbissbude nicht aus. Jeder, der schon mal mit Gastronomie und Hotellerie zu tun hatte, kann sich vorstellen, wie viele Köche, Küchenhilfen, Hotelfachangestellte usw. nötig sind. Ein immenser Aufschwung für eine „etwas zurückgebliebene“ Region wie die Grafschaft Somerset, die bis zum Projekt Hinkley Point C stark unter Abwanderung litt.

Inzwischen verzeichnet die Region ein Wachstum von 25 Prozent bei jungen Menschen im Alter von 25 bis 39 Jahren – dreimal höher als der nationale Durchschnitt. Nichts ist für junge Menschen attraktiver als gut bezahlte und interessante Arbeitsplätze. Jedenfalls, wenn sie nicht mit dem goldenen Löffel, wie z.B. die Reemtsma-Girlies, geboren wurden. Wenn man alles hat und schon alles gesehen hat („Meilen-Luisa“), muss man die Langeweile und Leere anders bekämpfen.

EDF und das britische Bildungssystem

Zu viele junge Menschen in Großbritannien brechen ihre Aus- und Weiterbildung nach der Schule ab, sodass sie in Jobs mit niedrigen Löhnen und begrenzten Entwicklungsmöglichkeiten gefangen sind. Ein Problem, das auch in Deutschland um sich greift. Schule ist viel zu weit entfernt von der realen Welt. Woher sollen Schüler wissen, welche Berufe es gibt und welche Anforderungen sie stellen?

EDF hat deshalb in Zusammenarbeit mit den Schulen der Umgebung das „Young HPC-Programm“ (HPC = Hinkley Point C) geschaffen und wesentlich finanziert. Es richtet sich an Schüler ab 13 Jahre. Es soll jungen Menschen die große Anzahl von Möglichkeiten zeigen, die eine solche Baustelle bietet: Von einer Lehre über angelernte Tätigkeiten bis zu einem einfachen Job. Es geht darum, in die nächste Generation von Fachkräften für Großbritannien zu investieren und Menschen auf einen Karriereweg zu bringen, der gute Bezahlung, Fortschritt und persönliche Entwicklung bietet.

Es werden kostenlose Veranstaltungen und Einzelberatungen für junge Menschen angeboten, die über ihren nächsten Lebensabschnitt nachdenken. Es wird beim Schreiben von Lebensläufen geholfen, Vorstellungsgespräche werden erklärt und geübt und auf die benötigten Soft Skills verwiesen. Regelmäßig werden Teilnehmer und ihre Eltern zu Besichtigungstouren auf der Baustelle eingeladen.

Das Programm scheint ein voller Erfolg zu sein, was andererseits ein Armutszeugnis für das staatliche Bildungssystem ist. Bisher sind 24 Millionen Pfund in dieses Programm geflossen. Es wurden 77 Veranstaltungen durchgeführt, an denen allein 7.400 Menschen in 2023 teilgenommen haben. 820 Menschen sind in die Schulungsmaßnahmen aufgenommen worden und erhalten regelmäßige Unterstützung, um einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden.

HPC bietet für alle Branchen Praktika zu einer T-Level-Ausbildung an. T-Level findet an dafür geeigneten Fachschulen statt. Eingangsvoraussetzung ist ein GCSE (General Certificate of Secondary Education; entspricht einem deutschen mittleren Schulabschluss). Die Studenten erhalten einen Mentor und praktische Erfahrung mit dem Projekt, der sie auf eine zukünftige Beschäftigung vorbereitet. Eine echte Alternative zum Zwang, studieren zu müssen und dann aus Verlegenheit „irgendwas mit Medien“ zu machen.

Nichts geht ohne (eigene) Ausbildung

Will man eine so komplexe Anlage wie ein Kernkraftwerk bauen, braucht man geeignetes Personal. Dies war und ist der Hinderungsgrund in sogenannten „Entwicklungsländern“ – leider inzwischen auch in Zentraleuropa. Zu wenig Arbeitskräfte lässt alle Termine platzen. Dies ist der wesentliche Grund, warum Russland und China (inzwischen) ihre Termine einhalten können. Man hat gewaltig in die Ausbildung investiert. Das so entstandene System ist heute ein Exportschlager für deren Baustellen in der Türkei, Ägypten, Bangladesh, Pakistan usw. Gerade in solchen Ländern findet man jede Menge junger Menschen, die etwas lernen wollen, um ihre persönliche Situation zu verbessern. Das ist im saturierten Europa etwas anders geworden.

EDF betreibt das „Hinkley Point C-Jobportal“. Eine Datenbank, in der inzwischen über 10.000 Bewerber registriert sind. Dort kann man kostenlos seinen Lebenslauf und seine Wünsche eingeben. Als Anreiz bekommen dort Registrierte unmittelbar exklusiv ein Angebot, wenn eine Stelle frei wird. Erst nach 48 Stunden werden die Angebote über weitere Kanäle öffentlich gemacht. Auch hier steht wieder die Unterstützung im Vordergrund: Bisher wurden über 18.000 Menschen kostenlos beraten. 6.000 Menschen nahmen an Veranstaltungen teil, bei denen Karriereberatung und Unterstützung bei Bewerbungen das Ziel war.

Wichtig für den Erfolg ist die Niedrigschwelligkeit und das Zugehen auf die Menschen. Für Menschen, die nur „gejobbt“ haben, ist ein Bewerbungsschreiben und ein aussagekräftiger Lebenslauf bereits ein unüberwindliches Hindernis. Das Gefühl, „bei einem solchen Projekt brauchen die keinen wie mich“, muss erst mal durch „dort kann jeder Arbeit finden“ ersetzt werden. Bei HPC geht man ausdrücklich so weit, dass man ein Programm für Menschen mit Beeinträchtigungen aufgelegt hat. Menschen mit Lernschwächen oder körperlichen Einschränkungen werden 10 Wochen Praktika unter intensiver Betreuung auf der Baustelle angeboten. Umgekehrt schafft so etwas starke Bindungen zu dem Projekt, wenn dort Menschen eine Arbeit finden, die bisher durch alle Raster durchgefallen sind – gelebte Inklusion, die eine ganze Gemeinde positiv beeinflusst.

Während man in Deutschland immer nur über „Fachkräftemangel“ lamentiert und darauf wartet, diesen durch Einwanderer lindern zu können, ist man bei HPC längst in der Realität angekommen: Zu wenig Arbeitskräfte —> Terminverzug —> Kostenexplosion. Also muss man versuchen, das vorhandene gewaltige Potenzial zu heben. Die meisten Menschen erkennen nach einigen Jahren, dass sie in der Falle der „Sozialleistungen“ gefangen sind, während in ihrem Umfeld die Menschen „Karriere“ machen und sich dadurch ihren Lebensstandard verbessern. Letztendlich hilft nur die persönliche Entwicklung. Wer immer nur den Facharbeiter oder Ingenieur mit Berufserfahrung sucht, wird kaum fündig werden. Bei HPC hat man deshalb ein System von Praktika, Anlerntätigkeiten und klassischer Lehre eingeführt.

Das Denken in einem Jahrhundert

Ein Kernkraftwerk ist nicht nur eine riesige Baustelle, sondern kann auch ein Arbeitgeber „fürs Leben“ sein. Zu der Entwicklung der Region gehört auch eine spezielle Förderung lokaler Unternehmer und eine Ansiedelungspolitik. Auf diesem Gebiet arbeitet HPC eng mit den lokalen Gemeinden zusammen. HPC bietet Unternehmern langfristige Verträge mit festem jährlichen Auftragsvolumen. Diese Verträge ermöglichen den Banken, Kredite zu vergeben. Umgekehrt wird ein Businessplan verlangt, der insbesondere einen entsprechenden Personalaufbau erwartet.

So ist es gelungen, viele lokale Unternehmen beträchtlich zu vergrößern und – vor allem – zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze bereitzustellen. Inzwischen hat sich dieses Programm auf ganz England ausgedehnt. Es wurde speziell die Schweißtechnik gefördert (Desaster bei Flamanville), und man hat inzwischen die übliche Pyramide der Ausbildung von „einfachen Tätigkeiten“ bis zu höchsten Anforderungen der Nukleartechnik wieder erschaffen. Dies ist ein Bereich, der insbesondere Menschen aus einfachen Jobs (Systemgastronomie, Reinigungskräfte etc.) völlig neue Kariere und Gehaltsstufen ermöglicht. Dies gilt insbesondere auch für Frauen: von der Friseuse zur Vermessungsgehilfin oder zur Fachkraft für zerstörungsfreie Materialprüfung.

HPC als guter Nachbar

Von Anfang an hat sich EDF stark für soziale Projekte engagiert: vom Karnevalsumzug bis zum Instandsetzungsprojekt für alte Fahrräder. Man sponsert sogar den Weiterbetrieb einer eingestellten Buslinie. Wen wundert es da, dass die üblichen Hetzgruppen aus der „Anti-Atom-Bewegung“ oder selbsternannte „Klimaschützer“ keine Resonanz finden? Frankreich hatte schon immer ein geschickteres Vorgehen bei der Kernenergie als Deutschland. Wer kennt nicht die Propagandafilme im deutschen Staatsfernsehen über geknechtete und verstrahlte Reinigungskräfte in „Atomanlagen“? Die Bilder von schwer bewaffneten Polizisten zur Durchsetzung der „Atompolitik“. HPC fördert die Stelle einer Gemeindepolizistin, die für die Ordnung in den Kneipen sorgen soll, weil das Gegröle angetrunkener Bauarbeiter die Einwohner belästigt hat…

Das polnische Programm

Ortswechsel. Polen hat schon 2014 ein Kernenergieprogramm aufgelegt. Von staatlicher Seite hat man den Bau von sechs AP1000 Reaktoren von Westinghouse beschlossen (es gibt noch weitere, rein privatwirtschaftliche Projekte). In Analogie zu GB (Hinkley Point C und Sizewell C) werden diese auch in zwei Schritten gebaut. Baubeginn für das erste Los ist 2026 in Lubiatowo-Kopalino an der Ostseeküste. Dort werden drei AP1000 mit insgesamt 3.354 MWel gebaut – also eine ähnliche Größenordnung wie die Baustelle von Hinkley Point C.

Im Moment beginnen die ersten Vorbereitungen auf der Baustelle. Insofern sind noch keine wirtschaftlichen Auswirkungen messbar. Es wurde aber von PriceWaterhouseCoopers (pwc) eine Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Projekts für Polen durchgeführt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass das Bruttoinlandsprodukt (GDP) um 27 Milliarden Euro über die Projektlaufzeit von 20 Jahren ansteigt, etwa 205.000 Mannjahre mit über 12 Milliarden Euro Arbeitseinkommen und rund 12 Milliarden Steuereinnahmen anfallen werden. Grob gerechnet, kann man diese Zahlen für das erste Los in Lubiatowo-Kopalino halbieren. Ein gewaltiges Entwicklungsprogramm für die westliche Küstenregion in Polen. Interessant wird der Vergleich des Wohlstandsniveaus mit dem angrenzenden Mecklenburg-Vorpommern in zehn Jahren werden: High Tech in Polen, gegenüber Windenergie und Erdgasanlandung in Meck Pomm.

Selbstverständlich laufen Steuereinnahmen und Einkommen auch während der Betriebszeit (60 plus 40 Jahre) in erheblichem Maße weiter. Kernkraftwerke erfordern eine laufende Prüfung, Wartung und gegebenenfalls Modernisierungen. Viel interessanter ist der Aufbau einer eigenen Zulieferkette. Man geht von weiteren Bauvorhaben für den AP1000 in Europa aus. Bei jedem weiteren Reaktor bieten sich für Polen Chancen auf Aufträge im Volumen von 3.300 Mannjahren mit entsprechender Lohnsumme und zusätzlichen Steuereinnahmen von über 180.000 Euro.

Der Besuch einer modernen AKW-Baustelle zeigt eindrücklich, dass Deutschland nicht nur eine sichere Stromversorgung verloren hat, sondern eine ganze berufliche Kaskade mit gewaltigem wirtschaftlichen und sozialen Hintergrund.

Inzwischen erkennen immer mehr Menschen den Zusammenhang zwischen den höchsten Strompreisen in Deutschland und der Abschaltung der Kernkraftwerke: Die Strompreise werden weiter steigen, und damit setzt sich die Deindustrialisierung weiter fort. Wer soll den „Sozialstaat“ eigentlich zukünftig finanzieren? Die Zusammenschrauber der Sonnenkollektoren? – Die Kollektoren selbst kommen ja aus China.

Vielleicht sollten sich die „Atomkraftgegner“ mal einen Augenblick die Frage stellen, was wäre, wenn die „viel zu teuren AKW“ nach wie vor aus Deutschland exportiert würden? Das ist der eigentliche Verlust für Deutschland, darüber kann auch das Gefasel über den Verlust, der Sonnenkollektoren, der Windmühlen, der Elektroautos usw. an die „bösen“ Chinesen nicht hinwegtäuschen.

Einfache Technik wurde schon immer ausgelagert. Das deutsche Wohlstandsergebnis funktionierte nur, weil wir technisch anspruchsvolle Produkte (teuer) exportieren konnten und damit (billige) Konsumgüter importieren konnten.

 

Dr. Klaus Humpich studierte Maschinenbau und Energie- und Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Kerntechnik, bevor er zehn Jahre am Institut für Kerntechnik in der Technischen Universität Berlin arbeitete. Seit 20 Jahren ist er freiberuflich im Bereich Energietechnik tätig.

Der Beitrag erschien zuerst auf der Webseite des Autors hier

 




Dänischer Ökostrom – oder doch eher Stromimport aus Kernkraft?

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie sind wir zum Netto-Stromimporteur geworden. Nicht so schlimm, das sei halt marktgerecht, sagen die einen. Was, wenn jetzt alle dem „Vorreiter“ Deutschland folgen würden? Zum Glück tut das kein einziges Land der Welt und unsere Nachbarn werden uns Strom liefern können, hoffentlich immer zur rechten Zeit die rechte Menge. 

Von Frank Hennig

Kernenergie ist Teufelszeug, das ist spätestens seit 1998 eine Staatsräson. Fast die dritte Generation deutscher Kinder und Jugendlicher bekommt dies von Kindheitsbeinen an eingetrichtert. So wurde der Boden bereitet, der schon bei Aufruf des Themas in breiten Teilen der Bevölkerung einen Pawlowschen Reflex auslöst. Das Instrument Angst wurde und wird erfolgreich eingesetzt.

2011 stimmte nicht nur eine Mehrheit im Bundestag, sondern auch eine Mehrheit der Menschen im Land dem Atomausstieg zu. 13 Jahre später ist die Welt eine andere, wie auch die öffentliche Meinung. Naturstrom ist immer noch unfähig, Versorgungssicherheit herzustellen, und die Klimaangst erreicht den Stand der Atomangst, sodass fast parallel zum Atomausstieg der Kohleausstieg eingeleitet wurde. Das sah man 2011 mit der Änderung des Atomgesetzes zum Zweck des Ausstiegs noch anders. Zwei Bedingungen waren für die Abschaltung der Kernkraftwerke genannt worden: der Bau der großen Nord-Süd-Leitungen (Sued-Link und andere) sowie der Bau hochmoderner Kohlekraftwerke als Ersatz. Beide Punkte wurden nicht erfüllt, abgeschaltet wurde trotzdem. Proteste aus Bayern und Baden-Württemberg gab es zumindest bis kurz vor Ultimo nicht.

Die großen Trassen werden frühestens 2028 Strom je nach Windaufkommen in den Süden transportieren. Neue Kohlekraftwerke gab es nur wenige, im Fall Hamburg-Moorburg wurde eines der weltweit modernsten nach nur sechs Jahren Betrieb wieder stillgelegt. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, sagte sich Eigentümer Vattenfall, beteiligte sich an den Ausschreibungen zur Stilllegung und bekam noch Geld dafür, die Feuer zu löschen. Wiederum viel Geld wird gebraucht für die Umsetzung der sogenannten Kraftwerksstrategie, also für den beabsichtigten Bau vieler Gaskraftwerke. Fossil für Fossil. Wir seien ein reiches Land, sagt man.

Standhaft wird behauptet, der Ausstieg aus Kernkraft und Kohle sei richtig. Damit diese offizielle Sicht der Regierung weiter akzeptiert wird, muss das entsprechende Framing dauerhaft betrieben werden. Am Ende würde eine Akzeptanz der Kernkraft den heiligen Satz, das zentrale Mantra der Energiewende, erschüttern: „Wir brauchen mehr Erneuerbare!“ Die Menschen würden umso deutlicher fragen, ob der Einschlag von Wäldern für Windkraftanlagen und die Versiegelung von Flächen durch ökologisch tote Photovoltaik-Anlagen überhaupt sinnvoll seien.

Der fast Tag genau am 15. April 2023 mit der Netztrennung der verbliebenen drei Kernkraftwerke einsetzende bilanzielle Stromimport wird dahingehend uminterpretiert, dass es vor allem Ökostrom sei, der uns geliefert wird. Dazu muss als Präzedenzfall das Lieferland Dänemark herhalten, von dem 2024 bisher tatsächlich mehr Strom als aus Frankreich zu uns kam.

Strom unter dem Dannebrog

Richtig ist, dass Wind und Biomasse im dänischen Erzeugungsmix gut vertreten sind. Ebenfalls sind Erdgas, aber auch Steinkohle enthalten. Insgesamt ist das dänische Portfolio zu gering, um deutsche Wünsche zu erfüllen, insbesondere in wind- und sonnenschwachen Zeiten. Windstrom aus Dänemark brauchen wir angesichts der Vielzahl eigener Anlagen nicht.

Das kleine freundliche Land mit knapp sechs Millionen Einwohnern hat kein Problem mit der eigenen Versorgung. Es gibt wenig Schwerindustrie und die Lage im europäischen Netz ist günstig. Kabel- und Leitungsverbindungen nach Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Deutschland schaffen Sicherheit, jemand von denen kann immer liefern und der Bedarf ist mit etwa 35 Terawattstunden pro Jahr, so viel wie Hessen, überschaubar.

Dennoch schaut Dänemark in Richtung Kernkraft. Copenhagen Atomics forscht an Thorium-Reaktoren und auch an SMR („small modular reactors“) besteht Interesse. Selbst Norwegen denkt über Investitionen in SMRs nach, bei mehr als 90 Prozent Wasserkraft im eigenen Netz. Warum das selbst die Ökostrom-Musterländer tun, sollte tieferes Nachdenken bei unseren Energiewendern auslösen.

Das ist natürlich kein Thema für deutsche sogenannte Qualitätsmedien. Die Aufgabe für unsere Regierungsbegleitenden besteht darin, die Stromimporte auf „billigen“ Ökostrom zurückzuführen und die Erwähnung importierten Stroms aus Kernkraft zu vermeiden. Bei näherer Betrachtung der Zahlen wird allerdings deutlich, dass unser nördlicher Nachbar vor allem Transitland ist. Norwegische Wasserkraft, schwedische Wasser- und Kernkraft, dazu in Teilen Strom aus Biomasse und fossiler Strom kommen via Dänemark zu uns.

Die Grande Stromnation

Erhebliche Strommengen fließen aus Frankreich zu uns, das lässt sich auch medial nicht uminterpretieren. Waren vor Kurzem noch schlechte Verfügbarkeiten französischer Kernkraftwerke (KKW) dankbares Anti-Atom-Argument, so ist dies inzwischen entfallen. Nun taucht ein neues Problem auf. Französische KKW könnten zwar über die Grenzen liefern, sogar mehr als bisher, aber seit Anfang März sind die Exporte über die Ostgrenzen in Richtung Belgien, Deutschland, Schweiz und Italien so groß, dass eine Gefahr für das französische Netz entsteht.

Besondere Maßnahmen seien notwendig, zeitweise müssten die Exportmengen begrenzt werden, sagt der Netzbetreiber RTE. Das hat Folgen. Die für den Mai gehandelten Strompreise für französischen Strom liegen in Deutschland mehr als doppelt so hoch als in Frankreich. Die europäische Netzsituation gibt inzwischen einige Rätsel auf, es kommt zu größeren Frequenzsprüngen, ohne dass die Ursache eindeutig zu benennen ist, und die Ausregelung dieser Schwankungen dauert merkwürdig lange.

Drei atomstromfreie Länder sind die größten Stromimporteure in Europa. Sie werden zur Belastung und zum Risiko des europäischen Netzbetriebes: Italien, Deutschland und Österreich. Die Deutschsprachigen sind vehement in ihrer Ablehnung eigener Kernkraftkapazitäten, greifen aber gern auf solchen Strom aus Frankreich, Belgien, der Schweiz, Tschechien, Ungarn, Slowenien und Schweden zurück, wenn eigener Strom knapp oder zu teuer ist. Bisher war Deutschland ein sicherer Exporteur von Strom via Schweiz nach Italien. Tempi passati. Die Regierung Meloni erwägt inzwischen den Atomeinstieg, aber wenn es dazu kommt, braucht es Zeit.

Mehr „Erneuerbare“ brauchen wir nicht

Durch den starken Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik in Deutschland werden die ins System eingetragenen Schwankungen immer größer, oft wird zu viel Ökostrom erzeugt. Am 14. April um 11:30 Uhr lieferten Wind, Solar und die Laufwasserkraft in Deutschland mehr als 52 Gigawatt (GW) bei einem Bedarf von knapp über 49 GW. Das heißt, es war keine (ergänzende) Residuallast mehr nötig. Der Überschuss musste dringend außer Landes geschafft werden, unter Zugabe eines Geldbetrages von 60 Euro pro Megawattstunde. Wurde damit unsere Vollversorgung durch die „Erneuerbaren“ erreicht? Nein, auch hier muss wieder Wasser in den Wein gekippt werden. Zum gleichen Zeitpunkt waren Braunkohle-, Steinkohle- und Gaskraftwerke mit einer Leistung von 5,4 GW am Netz.

Warum denn das? Zum einen, um Wärmelieferverträge zu erfüllen. In Anlagen mit Kraft-Wärmekopplung (KWK) kann man Wärme ohne gleichzeitige Stromproduktion nicht liefern. Zum anderen, weil ohne rotierende Massen die Momentanreserve im Netz nicht gegeben ist und die so genannten Systemdienstleistungen (Frequenz- und Spannungshaltung) von den „Erneuerbaren“ nicht geliefert werden können. Jede neue Windkraftanlage, jede neue PV-Anlage, die ins Netz einspeist, erhöht die Systemkosten.

Nun einigten sich die G7-Staaten auf einen Kohleausstieg bis 2035, was in Deutschland heftig begrüßt wird. Das fällt den anderen leicht, weil sie Kernkraft nutzen, mit Ausnahme Italiens, das aber kaum Kohle verstromt. Ausgerechnet Deutschland, das mit dem Ersatz von Kohlestrom die größten Probleme bekommt, jubelt darüber. Die anderen freuen sich im Wissen darüber, dass die deutsche Wirtschaftskraft dadurch enorm geschwächt wird.

Diese einigermaßen irre Netzsituation ist dem Energiewende-Missmanagement geschuldet, das zum einen den Zubau volatiler Erzeuger nicht mit dem Netzausbau harmonisiert und zum anderen diese vor allem nicht für den regelbaren Netzbetrieb in die Pflicht nimmt. Im Gegenteil, die anarchischen Regelungen aus dem Ur-EEG, der Einspeisevorrang und die Entschädigung für nicht ableitbaren Strom („Phantomstrom“) haben immer noch Bestand.

Das Netz stellt gnadenlose 50 Hertz als Bedingung, sodass sich immer mehr die Frage der Regelung stellt. Schon zur Ausregelung unserer eigenen Lastschwankungen sind wir auf die Hilfe der Nachbarn angewiesen. Zeitweise exportieren wir tagsüber den Sonnenstrom, mit sinkender Sonne setzt der Import ein – zu höheren Preisen.

Heraus zum 1. Mai!

Am 1. Mai gab es eine klassische „Hellbrise“, das Gegenstück zur Dunkelflaute. Unsere Vorfahren arbeiteten Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte daran, in der Energieversorgung unabhängig von den Launen der Natur zu werden, und sie hatten es geschafft. Unser Kurs geht zurück ins energetische Mittelalter. Dunkelflaute wie Hellbrise bringen das System an den Rand der Funktionstüchtigkeit.

An diesem Tag verschenkten wir wieder erhebliche Strommengen ins Ausland unter Zugabe von Geld. Zwischen 10 und 17 Uhr lagen die Börsenpreise im Minus, in der Spitze nach unten bei minus 120 Euro pro Megawattstunde. Die zahlt der deutsche Stromkunde und aus seinem Steuergeld wird die EEG-Umlage für diesen überflüssigen Strom bezahlt. Das ist die Folge, wenn grünökologische Planwirtschaft auf den europäischen Strommarkt trifft.

Zeitweise importieren wir auch durchgängig, wie an den Werktagen der 17. Kalenderwoche. Regelbare Kapazitäten werden abgebaut, Zufallsstromerzeuger zugebaut. Dieser Trend wird sich fortsetzen, bis die Netzbetreiber zu rigiden Maßnahmen gezwungen sein werden, die hoffentlich einen Blackout verhindern.

Propagandistisch wird uns das grüne Zukunftsparadies erhalten bleiben. Es wird immer weiter in die Zukunft verschoben oder man wird in bewährter Weise beim Scheitern nach Schuldigen suchen. Dazu kommen mehrere in Frage, zum Beispiel alte weiße Männer, die tumbe Landbevölkerung, Putin, der Klimawandel, die CSU, Schröder, soziale Medien, Sahra Wagenknecht oder eine besonders verhasste Partei, die aber nicht regiert. Erkenntnisprozesse dauern in Deutschland immer etwas länger. In 30 Jahren wird die Kernenergie vielleicht kein Teufelszeug mehr sein, wenn dann grüne Politikfossilien keine Deutungsmacht mehr haben. Menschen sind lernfähig, der Pawlowsche Reflex wirkt begrenzt.

Hoffen wir bis dahin auf immer ausreichend Strom von unseren Nachbarn.

Daten: https://energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier