Entwicklung der Anzahl der Sonnenstunden

von Dr. Konrad Voge

Aufgabenstellung

In den Artikeln über die Niederschlagsmengen und Windgeschwindigkeiten in Deutschland wurde festgestellt, dass etwa ab dem Jahr 2000 gravierende Veränderungen bezüglich dieser Größen vorliegen. Für beide Größen wurde eine signifikante Abnahme ab dieser Zeit nachgewiesen. In vielen Artikeln zur Temperaturentwicklung (Kowatsch et. al.) ist eine Erhöhung der Temperatur ab dem Jahr 1988 genannt.

Im folgenden Artikel ist die Entwicklung der Anzahl der täglichen Sonnenstunden in Deutschland beschrieben.

Dabei ist von Interesse, ob ähnlich wie bei den Niederschlagsmengen und der Windgeschwindigkeit auch bei den täglichen Sonnenstunden eine Veränderung ab 2000 gegenüber der Zeit vorher, nachweisbar ist.

Methoden

Wie in den beiden oben genannten Artikeln werden die an Wettermeßstationen aufgenommenen Zeitreihen zerlegt in die Zeit Messbeginn bis 2000 und ab 2000 bis 2022. Für diese beiden Abschnitte werden Regressionsgeraden ermittelt und deren Anstiege verglichen. Die Regressionsgeraden haben die Form

S = a0 + a1 * J

Mit S als Anzahl der Sonnenstunden und J als Jahreszahl. Die Koeffizienten a0 und a1 werden nach der Methode der kleinsten Fehlerquadratsumme bestimmt.

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Bild 1 Durchschnittliche Anzahl der gemessenen Sonnenstunden an der Station Angermünde mit den beiden Regressionsgeraden.

Die Konfidenzintervalle folgen entsprechend der gewählten Irrtumswahrscheinlichkeit aus dem Algorithmus der linearen Regression im Modell 1 (feste unabhängige Variable, zufällige abhängige Variable) der Statistik.

Bei den weiteren Betrachtungen ist nur der Anstieg a1 von Interesse, da nur der Vergleich des Verhaltens der Zeitreihen vor und nach 2000 geführt wird. Um das Anstiegsverhalten der Zeitreihen untereinander vergleichbar zu machen, werden diese auf den Wert des Jahres 2000 normiert. Bild 1 zeigt beispielhaft die Vorgehensweise, allerdings sind hier die natürlichen Meßwerte (nicht normiert) aufgetragen.

Aus den Anstiegen der beiden Regressionsgeraden wird die Differenz

Delta = a1 nach – a1 vor

Mit a1 vor als Anstieg der Regressionsgeraden von Meßbeginn bis 2000 und a1 nach als Anstieg der Regressionsgeraden nach 2000 bis Meßende.

Nach dieser Vorgehensweise werden nun alle Stationen des Deutschen Wetterdienstes untersucht, an denen Meßwerte für die Anzahl der Sonnenstunden vorliegen. Um eine Aussage für ein gesamtes Bundesland zu erhalten und eine verzerrende Mittelwertbildung zu vermeiden, werden die Regressionsgeraden mit den gesamten vorliegenden Werten des jeweiligen Bundeslandes berechnet (z.B. Bayern 2437 vor 2000, 1028 nach 2000).

Daten

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) stellt auf einer Seite die Tageswerte mehrerer wetterbeschreibender Größen zur Verfügung. Unter anderem auch die Anzahl der täglichen Sonnenstunden. Auf der DWD-Seite sind 1367 Wettermeßstationen (Stationen) aufgeführt. Es liegen jedoch nicht für alle dort aufgeführten Stationen Messungen der Sonnenstunden vor.

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1 Anzahl der ausgewerteten Meßstationen

2 Anzahl kompletter Meßreihen (über das Jahr 2000 gehend)

3 Anzahl Meßreihen vor 2000

4 Anzahl Meßreihen nach 2000

5 Anzahl der Meßwerte (Jahreswerte)

Tabelle 1 Anzahl der ausgewerteten Meßreihen

Eine erste Sichtung ergab, dass an 1268 Stationen überhaupt Sonnenstunden gemessen wurden. Eine weitere Reduzierung der Anzahl der zur Auswertung verfügbaren Stationen ergab sich aus Aufgabenstellung, da gemäß Bild 1 die Zeitreihen genügend Werte für eine sinnvolle Bestimmung der Regressionsgeraden aufweisen müssen. Es wurden jedoch auch Zeitreihen, die nicht das Jahr 2000 enthalten, allerdings in der Nähe von 2000 enden oder beginnen (z.B. 1951…1997), in die Auswertung aufgenommen.

Nach Tabelle 1 sind 334 Zeitreihen ausgewertet worden. Davon sind 249 als „komplett“ zu bezeichnen, da sie von Meßbeginn deutlich nach 2000 endeten, so dass genügend Werte zur Bildung der Regressionsgeraden 2000-2022 Zur Verfügung standen.

Die Gesamtauswertung stützt sich auf insgesamt 16 880 Jahreswerte, was ca. 6,16 Millionen Tageswerten entspricht.

Meßverfahren

Es sei hier darauf hingewiesen, dass um 2000 ein neues Meßverfahren eingesetzt wurde. Die Autoren (Hannak et. al.) verglichen zwischen 2008 und 2017 die beiden Meßverfahren an 13 ausgewählten Meßstationen. Es wurde festgestellt, dass mit dem neuen Meßverfahren eine geringere tägliche Anzahl von Sonnenstunden gemessen wird. Das beutet: würde das alte Verfahren auch nach 2000 eingesetzt werden, könnte der Anstieg nach 2000 noch größer ausfallen.

Beispiel Land Brandenburg/Berlin

Anhand des Beispiels für das Land Brandenburg/Berlin wird die Vorgehensweise gezeigt. Im Bild 2 sind die normierten Meßwerte der Sonnenstunden aller 24 auswertbaren Stationen der Länder Brandenburg und Berlin mit den zugehörigen Regressionsfunktionen und einem 99,9 % Wahrscheinlichkeit Konfidenzintervall dargestellt.

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Bild 2 Normierte Meßwerte aller 24 Stationen von Brandenburg (18) und Berlin (6)

Die Regressionsgerade, beginnend 1893 bis 2000, weist einen geringen Anstieg auf, während ab 2000 ein deutlicher Anstieg der Anzahl der Sonnenstunden zu verzeichnen ist. Für die Berechnung der Regressionsfunktionen wurden alle Werte der 24 Zeitreihen verwendet. Es sind 758 Werte für den Zeitraum 1893 bis 2000 und 484 Werte für 2000 bis 2022. Der Anstieg der Geraden ab 2000 beträgt das16 fache des Anstieges der Geraden bis 2000.

Für die auswertbaren Meßstationen von Brandenburg/Berlin sind die Anstiege in Tabelle 2 zusammengestellt.

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Tabelle 2 Anstiegswerte der 24 Meßstationen von Brandenburg/Berlin

Bild 3 gibt einen optischen Eindruck zu den Werten der Tabelle 2. An acht Meßstationen liegt eine negative Tendenz des Anstiegs der Meßwerte bis 2000 vor. Allerdings ist der Anstieg der Zeitreihen bis 2000 im Vergleich zu dem Anstieg der Zeitreihen nach 2000 gering. Eine Ausnahme bilden die Werte der Stationen Manschow, Kyritz und Berlin-Kaniswall.

Bei dem Anstieg der Zeitreihen nach 2000 fallen die Meßstationen Berlin-Buch, Neuglobsow und Neubrandenburg aus dem Muster. Vermutlich handelt es sich mehr um Meßungenauigkeiten als um einen systematischen Einfluss durch die Sonne.

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Bild 3 Anstiegswerte der Regressionsgeraden der Meßstationen von Brandenburg und Berlin

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Bild 4 Anstiegsdifferenz Delta der Zeitreihen von Berlin und Brandenburg

Die gleiche Tendenz, die in Bild 3 ersichtlich ist, spiegelt sich auch in Bild 4 wider. Nur an den Stationen Manschow, Kyritz und Berlin-Kaniswall liegt ein negatives Delta vor, was bedeutet, dass ab 2000 weniger Sonnenstunden als vor 2000 gemessen wurden.

Bild 5 zeigt die Regressionsgeraden für die 18 Brandenburger Meßstationen. Auf die Angabe der Konfidenzintervalle wurde aus Darstellungsgründen verzichtet. Es ist ein relativ schmales Bündel der Geraden, das dann ab 2000 einen starken Anstieg aufweist. Aus dem Rahmen fällt jeweils der Anstieg der Zeitreihen der Stationen Wiesenburg (vor 2000 und Neuglobsow vor und nach 2000).

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Bild 5 Regressionsgeraden der Brandenburger Meßstationen

Am Beispiel Brandenburg/Berlin ist die Vorgehensweise bei der Auswertung der Zeitreihen der Messung der Sonnenstunden gezeigt worden. Nach dieser Methode sind die Zeitreihen der Meßstationen für alle Bundesländer ausgewertet worden. Generell kann gesagt werden, dass etwa ab dem Jahr 2000 ein gravierender Anstieg der Sonnenstunden zu verzeichnen ist.

In einem zweiten Teil wird die Auswertung für alle Bundesländer beschrieben.

Entwicklung der Anzahl der Sonnenstunden Teil II

Auswertung alle Bundesländer

Die Verfahrensweise bei der Auswertung der ausgewiesenen Sonnenstunden ist in Teil I beschrieben. Anhand des Bundeslandes Brandenburg und Berlin ist die Auswertung ausführlich als Beispiel gezeigt worden. Hier in Teil II sind die Ergebnisse der Auswertung für alle Bundesländer dargestellt. Das Saarland wurde vernachlässigt, da dort nur drei Stationen Meßwerte angeben und bei der Station Saarbrücken nur Werte bis 1987 vorliegen.

In Tabelle 3 ist die Anzahl der Meßreihen zusammengestellt. Daraus ist ersichtlich, dass im Zeitraum bis 2000 keine wesentliche Tendenz bezüglich des Anstiegsverhaltens vorliegt. Im Zeitraum nach 2000 gibt es 21-mal mehr Meßreihen mit positivem als jene mit negativem Anstieg. Die gleiche Tendenz liegt zwangsläufig auch bei den Delta-Werten vor. (siehe Teil I)

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1 Anzahl Meßreihen vor 2000 mit positivem Anstieg (a1 positiv)

2 Anzahl Meßreihen vor 2000 mit negativem Anstieg (a1 negativ)

3 Anzahl Meßreihen nach 2000 mit positivem Anstieg (a1 positiv)

4 Anzahl Meßreihen nach 2000 mit negativem Anstieg (a1 negativ)

5 Anzahl positiver Delta Werte

6 Anzahl negativer Delta Werte

Tabelle 3 Anzahl der ausgewerteten Meßreihen der Bundesländer

Die berechneten Anstiegsfaktoren a1 in Tabelle 4 setzen sich aus allen Meßwerten der jeweiligen Station zusammen. Um, wie bereits oben erwähnt, die verzerrende Mittelwertbildung zu umgehen, werden alle Meßwerte der Stationen eines Bundeslandes zusammengefasst und damit die Regression vorgenommen. So wird beispielsweise für Bayern die Regressionsfunktion für die Zeit vor 2000 aus 2437 Meßwerten ermittelt.

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Tabelle 4 Anstiegswerte aller Meßstationen der 13 Bundesländer

Bild 6 Anstieg der Regressionsfunktionen der Bundesländer

Des Weiteren enthält Tabelle 4 die auf das Jahr 2000 bezogenen Größen a1vor und a1nach des Anstiegs der Regressionsgeraden der Bundesländer. Es ist ersichtlich, dass bei neun Bundesländern ein negativer Anstieg bis zum Jahr 2000 hin vorliegt. Lediglich bei Brandenburg/Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist ein leichter positiver Anstieg vorhanden. Für Thüringen ist der Anstieg etwa Null.

Völlig andere Verhältnisse liegen bei den Zeitreihen nach 2000 vor. Sämtliche Zeitreihen weisen einen signifikanten positiven Anstieg auf, siehe Bild 6.

Eine entscheidende Größe ist die Differenz Delta der Anstiege der Regressionsgeraden vor und nach 2000. Diese zeigt an, welcher Unterschied im Anstiegsverhalten der Regressionsgeraden vor und nach 2000 besteht. Wie aus Tabelle 4 und Bild 7 ersichtlich ist, liegt bei allen Bundesländern ein positiver Deltawert vor. Das bedeutet, nach 2000 nimmt die Anzahl der jährlichen Sonnenstunden zu.

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Bild 7 Deltawerte der Bundesländer

In Bild 8 sind für alle Bundesländer die normierten Regressionsfunktionen eingetragen. Wie schon beim Beispiel der Meßstation Angermünde in Teil I, liegen diese auch als Bündel um den Wert 1. Auf die Darstellung der Konfidenzintervalle wurde auch hier aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit verzichtet.

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Bild 8 Bündel der Regressionsfunktionen der Bundesländer

Zusammenfassung

Wie bei den Wettererscheinungen Niederschlag und Windaufkommen liegt auch bei der Anzahl der jährlichen Sonnenstunden eine signifikante Änderung ab dem Jahr 2000 vor. Diese Behauptung stützt sich auf die Auswertung der vom Deutschen Wetterdienst veröffentlichten Daten. Von allen untersuchten Wettermeßstationen waren 334 übriggeblieben, die verwertbare Zeitreihen lieferten. Die Zeitreihen wurden in die Zeit vor 2000 und nach 2000 aufgespalten und für die jeweiligen Zeiträume die Regressionsfunktionen jeder Station berechnet. Um Aussagen für jedes Bundesland treffen zu können, wurde eine Regressionsfunktion unter Verwendung der Meßwerte aller Stationen eines Bundeslandes gebildet. Dadurch ist die Verzerrung durch Mittelwertbildung umgangen. Als Ergebnis liegt ein Bündel von Geraden vor, das einen deutlichen Anstieg ab dem Jahr 2000 zeigt. In einer weiteren Untersuchung wäre zu klären, ob der Anstieg mit dem Jahr 2000 zusammenfällt, oder dazu verschoben ist. Des Weiteren müssten die physikalischen Zusammenhänge untersucht werden, welche Ursachen zu den auffälligen Änderungen bezüglich der Größen Niederschlag, Windgeschwindigkeit und Sonnenstunden beginnend um das Jahr 2000 geführt haben könnten.

Verweise

DWD Wetterstationen Tageswerte

https://opendata.dwd.de/climate_environment/CDC/observations_germany/climate/daily/kl/historical/

Hannak, L., Friedrich, K., Imbery, F. und Kaspar, F.: Vergleich der manuellen und automatischen Tagessonnendauer an deutschen Klimareferenzstationen

https://asr.copernicus.org/articles/16/175/2019/

19. August 2019

Javier Vinós

Woher wir wissen, dass die Sonne Motor des Klimawandels ist.

https://eike-klima-energie.eu/2024/04/26/woher-wir-wissen-dass-die-sonne-motor-des-klimawandels-ist-teil-1-die-vergangenheit/

26. April 2024

Konrad Voge

Niederschlagsmengen, Windkraft – und Photovoltaik Anlagen

https://eike-klima-energie.eu/2023/04/30/niederschlagsmengen-windkraft-und-photovoltaik-anlagen/?print=pdf

30.April 2023

Konrad Voge

Windentwicklung in Deutschland

https://eike-klima-energie.eu/2024/01/24/windentwicklung-in-deutschland-teil-1/

24.Januar 2024

Josef Kowatsch, Matthias Baritz

Der Sommer wird in Deutschland erst seit 1988 wärmer!

https://eike-klima-energie.eu/2024/09/11/der-sommer-wird-in-deutschland-erst-seit-1988-waermer/