Der Hunga-Tonga-Ausbruch sowie andere Faktoren als Grundlage von Aussichten für den kommenden Winter

Vorbemerkung des Übersetzers: Hier folgen zwei Beiträge von Cap Allon, in welchen er verschiedene Faktoren heranzieht für Rückschlüsse auf die Witterung im kommenden Winter. Der erste (kurze) Beitrag befasst sich noch einmal mit dem Hunga-Tonga-Ausbruch, den der Autor quasi als „Aufhänger“ für seine Betrachtungen im zweiten Beitrag hernimmt.

Zum kommenden Winter in Mitteleuropa hat ja Kämpfe am Ende seines jüngsten Beitrags schon vage etwas gesagt, nämlich das es nach einem so warmen September wie in diesem Jahr nie einen kalten Winter in Europa gegeben hat – offenbar bis in das Mittelalter zurück („Ist der September gelind, wird der Winter ein Kind“). Cap Allon kommt bei seiner Betrachtung völlig anderer Faktoren zur entgegen gesetzten Folgerung. M. E. ist auch dieser Beitrag sorgfältig recherchiert – und man darf gespannt sein. – Ende Vorbemerkung

Hunga Tonga’s beispiellose Injektion von Wasserdampf in die Stratosphäre wird den Polarwirbel beeinflussen

Die Veränderung der Wasserdampfverteilung in der oberen Stratosphäre nach dem Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Haʻapai am 15. Januar 2022 ist recht bemerkenswert.

Man beachte (in der Abbildung unten rechts) die Ausbreitung der Anomalie vom Äquator zu den Polen seit dem Ausbruch; siehe die Verteilung des Wasserdampfs in der mittleren und oberen Stratosphäre – Konzentrationen, die die höchsten sind, die je beobachtet wurden:

Bild: Wasserdampf ist das bei weitem „stärkste“ Treibhausgas.

Die klimatischen Auswirkungen waren gewiss, wir wussten nur nicht, wann, wo und wie stark.
Peter Kolb, promovierter Waldökologe und außerordentlicher Professor:

„Der Rekordausbruch von Tonga blies etwa eine Billion Tonnen Wasser in die obere Atmosphäre … und erhöhte den Wasserdampf in der Stratosphäre um 10 %. Wir sprechen davon, dass ein Anstieg der Treibhausgase um ein oder zwei Hundertstel eines Prozents den globalen Klimawandel verursacht, und hier hatten wir einen Vulkan, der den Wassergehalt der Stratosphäre um 10 % erhöht hat.“

Zunächst kam es zu einer Abkühlung.

Dann wurde eine (zweifellos vorübergehende, aber immer noch recht starke) Erwärmung festgestellt. [In deutscher Übersetzung hier]

Aber das ist noch nicht alles.

Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie von Manney et al. (Juli 2023) werden ab diesem Herbst und Winter große Auswirkungen auf den arktischen „Polarwirbel“ erwartet:

Bildinschrift: Die Ausbreitung des HTHH H₂O in die polaren Breiten nach dem Zusammenbruch des antarktischen Wirbels (z. B. Abbildung 1) führte zu beispiellos hohen H₂O-Anomalien in der gesamten SH, die voraussichtlich noch mindestens einige Jahre anhalten werden (z. B. Khaykin et al., 2022; Millán et al., 2022), was große Störungen der Chemie des antarktischen Polarwirbels und des Ozonlochs im Jahr 2023 und darüber hinaus erwarten lässt. HTHH H₂O wurde auch in die nördliche Hemisphäre transportiert (z. B. Schoeberl et al., 2023), erreichte den arktischen Wirbelrand jedoch erst, nachdem der Wirbel gut entwickelt war, und wurde erst nach einer starken plötzlichen Stratosphärenerwärmung ab Mitte Februar über die nördliche Hemisphäre verteilt (Beitrag in Vorbereitung). Daher wird erwartet, dass sich große Auswirkungen auf die Chemie des arktischen Polarwirbels auch in der kalten Jahreszeit 2023/2024 zeigen werden.

Mehr dazu im folgenden Beitrag …

Link: https://electroverse.info/snow-new-zealand-b-c-and-utah-winter-hunga-tongas-water-vapor-stronge-cme/

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Die Winterprognosen für 2023-24 tendieren alle zu kälterer Witterung – raue Bedingungen werden für Nordamerika und Europa erwartet

Cap Allon

Der Winter steht vor der Tür und die Vorhersagen werden verfeinert. Die neuesten Modelle zeigen eine Verschiebung hin zu niedrigeren Temperaturen, wobei mehrere Faktoren, wie El Niño, auf eine frostigere und schneereichere Wetterlage für die Vereinigten Staaten, Kanada, Russland und Europa hindeuten.

Ein sich verstärkender El Niño wird zweifellos eine der Haupttriebkräfte des Winters 2023-24 auf der Nordhalbkugel sein, aber hinzu kommen weitere Faktoren wie der Polarwirbel, eine neue Anomalie in der Stratosphäre, und auch die beispiellose stratosphärische Injektion von Wasserdampf nach dem Hunga-Tonga-Ausbruch im Januar 2022.

Nach der jüngsten Analyse gibt es vier große Faktoren, die die kommende Wintersaison bestimmen werden:

– ein El-Niño-Ereignis (ENSO)

– der stratosphärische Polarwirbel

– die quasi-bienniale Oszillation (QBO)

– Stratosphärischer Wasserdampf

Jeder dieser Faktoren weist unterschiedliche Phasen auf: warm/kalt, positiv/negativ, Ost/West usw., und unterschiedliche Kombinationen können zu sehr unterschiedlicher Winterwitterung führen.

Darin liegt die Komplexität der Wetter-/Klimavorhersage, denn die Prozesse sind zahlreich – wir kennen sie noch immer nicht alle – und ihre Wechselwirkungen sind kaum verstanden (ganz zu schweigen von der treibenden Kraft hinter allem, der Sonne, die selbst eine kumulative (zwei Zyklen) historisch niedrige Leistung aufweist).

Im Folgenden finden Sie eine vereinfachte Aufschlüsselung dessen, was die neuesten Modelle vermuten lassen, um sich auf die Situation in diesem Winter zu konzentrieren.

ENSO

In Bezug auf die El Niño Southern Oscillation (oder ENSO) wird allgemein angenommen, dass wir in die warme Phase (El Niño) eintreten, nachdem wir drei seltene Winter lang in der kalten Phase (La Niña) feststeckten – ein „Triple-Dip“.

Der sich abzeichnende El Niño ist in der jüngsten NOAA-Analyse der Ozeananomalien zu erkennen:

Man beachte das Gebiet mit überdurchschnittlich hohen Meerestemperaturen in einer Region des äquatorialen Pazifiks.

El Niño hat bekanntermaßen erhebliche Auswirkungen auf die tropischen Niederschläge, die Druckverhältnisse und den komplexen Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre – und mit einer kleinen Verzögerung breiten sich diese System-/Zirkulationsänderungen weltweit aus.

Nachstehend folgt eine Analysegrafik, die mit freundlicher Genehmigung des NOAA-CPC erstellt wurde und die langfristige ENSO-Vorhersage zeigt.

Gegenwärtig erwartet die NOAA diesmal (bis Mitte des Winters) eine Anomalie von +1,5 Grad, was einem mäßigen bis starken El Niño-Ereignis entspricht. Man beachte: Schwach = 0,5 bis 0,9; Mäßig = 1,0 bis 1,4; Stark = 1,5 bis 1,9; und Sehr Stark ≥ 2,0.

In einem El-Niño-Winter entwickelt sich normalerweise ein starkes und stabiles Tiefdruckgebiet im Nordpazifik.

Dadurch wird der polare Jetstream oft nach Norden gezogen, was milderes Wetter im Norden der USA und im Westen Kanadas mit sich bringt, aber auch den südlichen pazifischen Jet nach Süden abfallen lässt, was kältere Bedingungen und mehr Niederschläge im Süden der USA bedeutet.

Diese Konstellation begünstigt insgesamt mehr Schneefall: Niedrigere Temperaturen in der mittleren/südlichen Hälfte der USA führen zu stärkeren Ansammlungen von Schnee in Gebieten wie Texas, während die Temperaturen zwar etwas höher sind als normal, aber immer noch niedrig genug, um im Norden, etwa in Montana, ausgedehnte Schneestürme zu verursachen.

Der stratosphärische Polarwirbel

Vereinfacht ausgedrückt, beschreibt der Polarwirbel die ausgedehnte Winterzirkulation über der nördlichen (und südlichen) Hemisphäre.

Der Wirbel reicht hoch in die Atmosphäre, durch die Troposphäre und in die Stratosphäre:

Der höhere (stratosphärische) Teil hat eine eher kreisförmige und symmetrische Rotation mit weniger Hindernissen in der Strömung. Im Gegensatz dazu ist der untere (troposphärische) Teil des Polarwirbels aufgrund des Einflusses des Geländes und starker Drucksysteme unregelmäßig und gestört.

Die Stärke des Polarwirbels variiert, wobei die größten Auswirkungen an den Extremen auftreten: wenn er entweder am stärksten oder am schwächsten ist.

Ein starker Polarwirbel bedeutet eine enge und stabile Zirkulation (Jetstream), die die kalte Polarluft innerhalb des Polarkreises festhält, was mildere Bedingungen für die niedrigeren Breitengrade bedeutet. Ein schwacher Polarwirbel bewirkt das Gegenteil, die Strömung wird „wellenförmig“ und hat es schwerer, die kalte Luft im Norden zu halten, wobei „Ausbrüche“ regelmäßig nach Süden in Gebiete wie die USA und Europa vordringen.

Für einen sehr kalten und schneereichen Winter braucht man einen schwachen Polarwirbel – also einen Zusammenbruch des stratosphärischen Polarwirbels.

Dies wird normalerweise durch eine Erhöhung des Drucks/der Temperatur in der polaren Stratosphäre erreicht (auch bekannt als „Sudden Stratospheric Warming“). Ein solcher Aufbau erfordert jedoch eine Menge Energie, und zwar auf verschiedenen Ebenen. Dies führt uns zum nächsten Antrieb…

Quasi-Biennial Oscillation (QBO)

Dieses atmosphärische Phänomen (der QBO) ist eine wechselnde Windanomalie in der tropischen Stratosphäre. Ihr Vorhandensein ist seit vielen Jahrzehnten bekannt, und sie scheint eine entscheidende Rolle bei den saisonalen Wettermustern zu spielen.

Starke Stratosphärenwinde fließen entlang eines äquatorialen Gürtels:

Etwa alle 14 Monate ändern diese Winde ihre Richtung vollständig – die tropischen Stratosphärenwinde drehen sich alle eineinhalb Jahre von West-Ost nach Ost-West. Derzeit befindet sich der QBO in einer West-Ost-Strömung, einer so genannten „negativen“ Phase.

Die folgende Grafik zeigt die Anomalien der äquatorialen zonalen Winde der letzten 40 Jahre (in 24 km Höhe).

Ähnlich wie ein Herzschlag sind diese Windverschiebungen regelmäßig.

Eine aktuelle NASA-Radiosondenanalyse aus Singapur bestätigt, dass die östliche QBO-Phase in diesem Winter dominieren wird:

Die QBO hat sich als wichtiger Faktor für die Entwicklung des Winterwetters erwiesen, da er unter anderem den Polarwirbel und den Jetstream beeinflussen kann, d. h. die Stärke und Richtung des polaren Jetstreams kann sich mit dem QBO ändern.

Der genaue Einfluss der QBO hängt auch von äußeren Einflüssen ab, wie z. B. ENSO. Die Oszillation allein führt nicht zu einem festen Wetterergebnis: Ein östlicher (negativer) QBO wirkt sich je nach ENSO-Status unterschiedlich auf den Polarwirbel aus: El Niño oder La Niña.

Bei einem östlichen QBO ist ein Signal für eine warme Anomalie in der polaren Stratosphäre erkennbar (SSW-Ereignisse), was wiederum zu einem schwachen Polarwirbel/stratosphärischen Winterkreislauf führt und die Wahrscheinlichkeit von „Ausbrüchen“ arktischer Luft in die niedrigeren Breiten erhöht.

Die Kombination von El Niño und einer östlichen QBO erhöht die Chancen für einen Zusammenbruch des Polarwirbels: ein kalter und schneereicher Winter.

Der Winter 2009-10

Ich erinnere mich gut an diesen Winter. Es war ein brutal kalter und schneereicher Winter für große Teile der nördlichen Hemisphäre, auch für mich (damals in UK). Und siehe da, die Atmosphäre war ganz ähnlich aufgebaut wie jetzt.

Erstens war El Niño während des Winters 2009-10 aktiv (auch wenn es ein schwächeres Ereignis war als das für den kommenden Winter vorhergesagte):

Zweitens hatte die QBO in diesem Winter eine sehr klare östliche (negative) Ausrichtung:

Diese Bedingungen führten in dieser Jahreszeit zu einem starken SSW-Ereignis und einem Zusammenbruch des Polarwirbels ab Ende Januar/Anfang Februar.

Mit einer Verzögerung von 30 Tagen stürzten die Temperatur-Anomalien über dem transkontinentalen Russland, Europa und auch den Vereinigten Staaten ab (siehe unten) – kalte arktische Luftmassen wurden nach Süden gedrückt, als sich der Jetstream abschwächte und effektiv zusammenbrach.

Die Temperaturanomalie für die Wintersaison 2009/10 insgesamt zeigt deutlich unterdurchschnittliche Werte in den Vereinigten Staaten und Europa, während es im Norden und Osten Kanadas sowie in Grönland warme Anomalien gibt:

Wie viel von jenem kalten Winter auf El Niño, die QBO und den Zusammenbruch des Polarwirbels zurückzuführen ist, lässt sich nicht genau beziffern. Das Zusammenspiel der Faktoren machte es jedoch möglich – wie zu erwarten war, kam es zu einem überdurchschnittlich kalten Winter.

Wie bereits erwähnt, zeichnet sich für den Winter 2022-23 ein sehr ähnliches Bild ab, allerdings mit einem etwas stärkeren El Nino. Die ersten Anzeichen lassen mich mit einer brutal kalten und schneereichen Saison rechnen. Eine andere Schlussfolgerung lässt sich nicht ziehen.

Doch dieses Mal kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Der rekordverdächtige Ausbruch des Hunga Tonga am 15. Januar 2022 – oder genauer gesagt, die beispiellose stratosphärische Injektion von Wasserdampf, die sich vom Äquator bis zu den Polen ausgebreitet hat:

Und einer aktuellen Studie zufolge wird dies ab diesem Herbst und Winter einen „großen Einfluss“ auf den Polarwirbel haben.

Link: https://electroverse.info/winter-2023-24-forecasts-trending-colder/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE