Winter-Nachlese: Die Besonderheiten der Winterwitterung 2022/23 – Teil 1: Die Winterwitterung 2022/23 in Deutschland
Stefan Kämpfe
Der „Schaukelwinter“ 2022/23 ist längst Geschichte, doch erst jetzt liegen alle Daten vor, welche zu seiner endgültigen Einordnung in die Klimageschichte benötigt werden. Und auch die Daten der meisten internationalen Stationen sind nun „eingetrudelt“. In Mitteleuropa verlief dieser Winter zum Glück für uns alle relativ mild – doch anderswo zeigte er seine Zähne. Zunächst sollen in einem ersten Teil aber nur die mitteleuropäischen Verhältnisse mit dem Schwerpunkt Deutschland erläutert werden.
Wie mild war der Winter 2022/23 denn nun wirklich?
Mit 2,9°C im Deutschen Flächenmittel zählte dieser meteorologische Winter, welcher aus rechnerischen Gründen stets die kompletten Monate Dezember, Januar und Februar umfasst, zweifellos zu den mildesten. Aber das relativiert sich, wenn man längere Zeiträume und Zeitabschnitte betrachtet. Ein DWD-Flächenmittel für Deutschland liegt seit dem Winter 1881/82 vor. In dieser 142ig-jährigen Reihe belegt er Rang elf – auf den ersten Blick ein sehr milder Winter. Doch schaut man sich die gesamte Reihe an, so stellt man fest, dass nahezu alle extrem milden Winter, von 1974/75 einmal abgesehen, in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten aufgetreten sind, gipfelnd mit dem Rekordwinter 2006/07. Dabei sind noch zwei Umstände zu beachten: Im späten 19. Jahrhundert, also zum Start der Reihe, herrschte noch die letzte Phase der „Kleinen Eiszeit“, es war besonders kalt, und die Daten sind nicht vom langsam zunehmenden Wärmeinsel-Effekt (WI) bereinigt. Näheres zur WI-Problematik unter anderem hier.

Abbildung 1: Die Entwicklung der Wintertemperaturen in Deutschland lässt sich in drei Etappen einteilen: Eine erste mit vorwiegend kühlen Wintern, in welcher die Werte von Winter zu Winter relativ wenig schwankten, endete etwa Mitte der 1920er Jahre. Danach eine Phase mit stärkeren Schwankungen; herausragend kalt waren der Winter 1928/29, die drei Kriegswinter 1939/40 bis 1941/42 und der von 1962/63 (Bodensee letztmalig völlig gefroren); herausragend mild war der von 1974/75. Mit dem Klimasprung von 1987/88 begann die bis heuer andauernde Serie der sehr milden Winter, doch liegt der Rekordwinter von 2006/07 nun schon mehr als anderthalb Jahrzehnte zurück; und die Daten sind nicht WI-bereinigt.
Abbildung 2: Betrachtet man nur die letzten 36 Winter, so war der von 2022/23 nicht herausragend mild.
Leichte winterliche Erwärmung nur in den unteren, etwas Abkühlung in den höheren Luftschichten?
Anhand der Aerologischen Daten des Amerikanischen Wetterdienstes (NOAA) lässt sich die Wintertemperatur für ein Planquadrat, in welches Deutschland passt, errechnen. Sie weicht ermittlungsbedingt zwar leicht vom DWD-Mittel ab, zeigt aber seit 1988 dessen Verhalten. Aber in höheren Schichten der Troposphäre fehlt dieses Verhalten (keiner der Trends ist freilich auf höheren Vertrauensniveaus signifikant).

Abbildung 3: Entwicklung der Wintertemperaturen nach den NOAA-Daten für Mitteleuropa in drei Höhenniveaus: In bodennahen Luftschichten (1000 hPa-Niveau, grau), in etwa 1.500 Metern Höhe (850 hPa, blaugrün) und in etwa 5.500 Metern Höhe (500-hPa-Niveau, dunkelblau). Man erkennt eine leicht gegenläufige Entwicklung. Weil die Temperaturen im 500-hPa-Niveau sehr niedrig sind, wurden diese zur besseren Einpassung in die Grafik um 22 Kelvin (22°C) angehoben; der Trend ändert sich dadurch nicht.
Abbildung 4: Vergleich zweier nicht weit entfernter, aber sehr unterschiedlich hoch gelegener DWD-Stationen: München-Stadt erwärmte sich im Winter leicht, der Zugspitzgipfel kühlte leicht ab. Weil die Temperaturen auf der Zugspitze sehr niedrig sind, wurden diese zur besseren Einpassung in die Grafik um 6 Kelvin (6°C) angehoben; der Trend ändert sich dadurch nicht.