Frühling 2022 in Deutschland – sehr sonnig und meist zirkulationsschwach bei großen Witterungsgegensätzen

Stefan Kämpfe

Nur moderate Lenz-Erwärmung in Deutschland, ungünstiger Frühling für Landwirte, Gärtner und Windstromproduzenten

Der abgelaufene Frühling hatte so Einiges zu bieten – einen neuen Sonnenscheinrekord im März, Schnee bis ins Flachland Anfang April und Sommer im Mai – aber langfristig zeigen sich weder bei den Frühlings-Temperaturen noch bei den Niederschlägen besorgniserregende Trends.

Enorme Witterungsgegensätze – typisch für die Übergangsjahreszeit Frühling

Warum zeigt sich ausgerechnet der Lenz so launisch? Das hat mehrere Gründe. Über der Arktis wird jetzt nach der winterlichen Polarnacht Langtag – mit der einsetzenden Eisschmelze vermindert sich aber das Temperaturgefälle zwischen niederen und hohen Breiten; was den oft wintermilden, beständigen Westwetterlagen die Grundlage entzieht – es häufen sich so genannte Meridionale Lagen (Nord- oder Südlagen und der Sonderfall Ostlagen, die allesamt zu Extremen neigen). Und weil sich auch der die Westlagen stabilisierende, kalte Polarwirbel in der Stratosphäre nun aufgelöst hat, erfolgen oft jähe, dramatische Witterungsumbrüche. Außerdem setzt die Erwärmung der riesigen Landmassen Eurasiens ein, während die Meere (Wasser erwärmt sich nur sehr langsam!) noch sehr kalt sind. Letzteres begünstigt aber den Aufbau von Hochdruckgebieten auf dem Nordatlantik, bei Großbritannien und dem Nordmeer, und als „Ausgleich“ strömt Polar- oder gar Arktikluft aus Nordwest bis Nord ins sich erwärmende Festland. Die zwei wohl gegensätzlichsten Wetterlagen dieses Frühlings datieren vom 1. April und vom 19. Mai.

Abbildungen 1a und 1b: Wetterkarten vom 1. April (1a, oben) und vom 19. Mai 2022. Für diese Jahreszeit sehr kalte Arktikluft sorgte am 1. April für Schneefälle mit einer mehrere Zentimeter hohen Schneedecke bis ins Flachland und verbreitet mäßigen Nachtfrösten. Dagegen löste ein am 19. Mai ostwärts abziehendes Hoch eine kurze Hitzewelle mit der Luftmasse Subtropikluft (xS) und Spitzenwerten um 30°C aus. Bildquellen: wetterzentrale.de

Dieser Lenz zeigte uns: Die Großwetterlagen mit ihren Luftmassen bestimmen das Temperaturniveau – nicht die CO2-Konzentration.

Der Lenz – langfristig nur mäßig wärmer?

Wie alle Jahreszeiten in Deutschland, hat sich auch der Frühling langfristig erwärmt. Besorgniserregend ist diese moderate Erwärmung aber nicht, und die DWD-Daten sind ja auch noch wärmeinselbelastet.

Abbildung 2: Verlauf der Frühlingstemperaturen im Deutschland-Mittel seit 1881 mit drei Entwicklungsphasen. Einer langen, bis etwa 1948 dauernden kräftigen Erwärmungsphase folgte eine Phase geringer Abkühlung bis etwa 1988, in welcher sehr warme Lenze fehlten und die Werte weniger stark streuten. Beginnend mit 1988 und gipfelnd im Rekord-Frühling 2007, traten wieder häufiger warme Frühjahre auf, während sehr kühle mit unter 7°C nur noch zweimal zu verzeichnen waren; seitdem fiel die weitere Erwärmung sehr gering aus. In den gesamten 142 Jahren der Reihe betrug der Temperaturanstieg nur mäßige 1,56 Kelvin (°C) – bei enorm steigenden CO2-Konzentrationen. Mit WI-Bereinigung hätte es nur eine Lenz-Erwärmung um 0,8K gegeben, und der extrem warme Lenz 2007 mit 10,6°C liegt nun schon mehr als anderthalb Jahrzehnte zurück. Hinweis: Diese Grafik zeigt KEINE Klimasensitivität des CO2, sie verdeutlicht lediglich, dass die Temperaturentwicklung meist nicht zur immer schneller steigenden CO2-Konzentration passt.

Es lohnt sich, die Temperaturentwicklung seit den späten 1980er Jahren genauer zu betrachten; sie fiel bei deutlich steigender Besonnung, welche erwärmend wirkt, sehr gering aus.

Abbildung 3: Seit 1988 nur leichte, nicht signifikante Frühjahrs-Erwärmung in Deutschland bei merklich zunehmender Besonnung. Würde nur der Zeitraum ab dem Jahr 2000 betrachtet, so fehlt jegliche Erwärmung.

Aber während der April seit 1988 immerhin noch einen gewissen Erwärmungstrend zeigt, verhalten sich März und Mai erwärmungsträge:

Abbildung 4: Keiner der Frühjahrsmonate zeigt seit 1988 einen signifikanten Temperaturtrend: Der März blieb unverändert, der April erwärmte sich leicht, der Mai kühlte sich unwesentlich ab.

Die seit 1990 lückenlos vorliegenden phänologischen Aufzeichnungen des Autors bestätigen das erwärmungsträge Verhalten des Frühlings, denn von den in den meteorologischen Frühling fallenden Phasen verfrühte sich nur die Apfelblüte leicht, und die Rückkehr der Mauersegler hat sich seit der Jahrtausendwende eher leicht verspätet.

Abbildung 5: In den hier betrachteten meteorologischen Frühling fallen (meist) der Erstfrühling mit den ersten Wildstachelbeerblättern, der Vollfrühling (erste Apfelblüten früher Sorten) und der Frühsommer (erste, blühende Holunderdolden). Aber nur die Apfelblüte hat sich noch unwesentlich verfrüht.

Die Sonnenscheindauer als wesentlicher Treiber der Lenz-Temperaturen

Wie wir schon anhand der Abbildung 2 gesehen hatten, können die stark steigenden CO2-Konzentrationen nicht ursächlich für die Entwicklung der Frühlingstemperaturen gewesen sein. Besonders im März und April übt die Sonnenscheindauer einen signifikanten Temperatureinfluss aus. Das Deutschland-Flächenmittel dafür ist leider erst seit 1951 verfügbar:

Abbildung 6: Leichte Frühlings-Erwärmung in Deutschland seit 1951 auch dank höherer Besonnung (etwa 30% der Temperaturvariabilität werden von der Sonnenscheindauer bestimmt). Die Zunahme der Sonnenscheindauer hatte verschiedenste Ursachen, unter anderem die stark abnehmende Konzentration der Luftschadstoffe (SO2, Staub) und die Austrocknung Deutschlands durch Bebauung, Versiegelung und Meliorationen. Möglicherweise fördert auch die übertriebene Nutzung der Wind- und Solarenergie eine Bewölkungs- und Nebelabnahme, was mehr Besonnung nach sich zieht. Umrechnung der Sonnenscheindauer in Indexwerte, um sie anschaulicher mit den Lufttemperaturen in einer Grafik zu zeigen. Der abgelaufene Frühling 2022 gehörte zu den sonnigsten seit Erfassungsbeginn 1951; nur 2020 und 2011 fielen noch deutlich sonniger aus.

Der Lenz 2022 zählte vor allem wegen eines neuen Sonnenschein-Rekords im März zu den sonnigsten aller Zeiten; aber auch der April und vor allem der Mai verliefen sehr sonnig. Näheres zum März-Rekord hier.

Großwetterlagen und Stromproduktion im Frühling 2022

Betrachtet man die Großwetterlagen, welche nach HESS/BREZOWSKY seit 1881 vorliegen, so fällt langfristig die leichte Häufigkeitszunahme der erwärmend wirkenden Süd- und Zentralhochlagen (HM) auf, während die kühlen Lagen mit nördlichem Strömungsanteil seltener wurden.

Abbildung 7: Langfristige Lineartrends der Großwetterlagen mit nördlichem (blau) und südlichem (rot) Strömungsanteil; dazu noch der ebenfalls erwärmend wirkende Großwettertyp HM. Die Daten für 2022 liegen noch nicht vor.

Werfen wir noch einen Blick auf die leider erst seit 1980 vorliegende „Objektive Wetterlagenklassifikation“ des DWD. Im Lenz 2022 fällt sofort die weit überdurchschnittliche Anzahl der Wetterlagen ohne eindeutige Anströmrichtung auf (so genannte Unbestimmte oder XX-Lagen). Diese stellen sich bei schwachen Zirkulationsverhältnissen ein. Wie sich diese erkennen lassen, was sie verursacht und was sie bewirken, wird hier und hier erläutert.

Abbildung 8: Kaum Häufung von XX-Lagen im Frühling. Der Lenz 2022 wies jedoch nach 2013 (37 Tage) zusammen mit 1984 die zweithöchste Zahl dieser zirkulationsschwachen Wetterlagen auf.

Weil diese XX-Lagen fast stets sehr windschwach sind, wird auch klar, warum die Windstromproduktion in diesem Frühling sehr gering ausfiel. Stellvertretend seien hier nur der März und der Mai gezeigt. In der ersten Aprildekade sorgte eine Sturmwetterlage für reichlich Wind, doch im Vergleich zu den Vorjahren fiel auch dieser Monat recht windschwach aus.

Abbildungen 9a und 9b: Deutsche Stromproduktion nach Energieträgern im März (9a, oben) und im Mai 2022 (9b, unten). Von den benötigten 50 bis 70 GW (Last, schwarze Linie) konnten die über 30.000 Windräder oft nur lächerliche 0,3 bis 15 GW beisteuern; meist deutlich unter 10 GW (hell blau-grünliche Fläche, beim Mai dazu noch die ganz schmale graue Fläche darunter für Off-Shore-Wind); nur an wenigen Tagen 20 bis 30 GW. Die extrem fleißige Frühlingssonne stand nur für die Tageszeit zur Verfügung; nicht aber in den laststarken Morgen- und Abendstunden; nachts sowieso gar nicht (keine Grundlastfähigkeit). Summa summarum leisteten Braun- und Steinkohle, Kernenergie und das politisch momentan sehr unbeliebte Erdgas stets 30 bis 80% der Stromproduktion! Biomasse (grün) und Wasserkraft (dunkelblau) sind praktisch nicht mehr ausbaufähig. Deutschland, einst ein zuverlässiger Stromexporteur, wird zunehmend von Stromimporten abhängig (weiße Flächen unter der schwarzen Lastlinie) und muss seine Überschüsse (gelbe Spitzen über der Lastlinie) meist billig verschleudern. Zur Beachtung: Es handelt sich nur um die Stromproduktion; bei der Primärenergie (Heizen, Verkehr, Industrie) schnitten die „Erneuerbaren“ noch viel, viel schlechter ab. Bildquellen energy-charts.info, ergänzt.

Die Frühlings-Niederschläge 2022 – unzureichend für Landwirtschaft und Gartenbau

Mit um die 115 mm Niederschlag, das sind etwa zwei Drittel der CLINO-Periode 1991 bis 2020, zählte dieser Lenz nicht zu den trockensten seit 1881. Besonders regenarm fiel der März aus. Winterfeuchte und ein gebietsweise feuchter April könnten noch eine passable Ernte zulassen, zumal die stark gestiegenen CO2-Konzentrationen den Pflanzen dabei helfen, Trockenphasen besser zu überstehen. Ein Blick auf die Langfrist-Entwicklung der Frühlings-Niederschläge zeigt sogar eine unwesentliche Zunahme:

Abbildung 10: Langfristig sogar leichte Zunahme der Lenz-Niederschläge, allerdings ohne Signifikanz. Über die letzten 3 bis 4 Jahrzehnte zeigt sich eine Abnahme, die aber ebenfalls nicht signifikant ist.

Angesichts der aktuellen Ernährungskrise wäre aber eine größere Unabhängigkeit der Landwirtschaft von den Launen der Natur wünschenswert und im wasserreichen Deutschland auch problemlos möglich: Man nimmt Geld, das ja für Kriege, Gender-Fragen und Klimaschutz reichlich vorhanden ist, in die Hand, um Kleinspeicher und Bewässerungsanlagen zu bauen.

Abbildung 11: Landwirtschaftlicher Kleinspeicher bei Kromsdorf/Weimarer Land, im Dürre-Mai 2020 gut gefüllt. Solche Kleinspeicher helfen nicht nur bei der Ertragssicherung und der Qualitätsverbesserung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, sie erhöhen auch die Luftfeuchtigkeit, dämpfen Temperaturextreme und fördern die Artenvielfalt in der ausgeräumten Agrarlandschaft. Foto: Stefan Kämpfe

Wie sich unsere Frühjahrsniederschläge in der Zukunft entwickeln, bleibt ungewiss – auf langfristige Modellprognosen sollte man sich lieber nicht verlassen.

Stefan Kämpfe, Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher