Katholizismus und Umweltaktivismus
Bild rechts: Solarpaneele auf dem Dach der Audienzhalle von Papst Paul VI. Photo vom Dezember 2010. Quelle: CNS photo/Paul Haring
Christlichem Glauben zufolge ist es notwendig, „Respekt für die Integrität der Schöpfung“ zu zeigen (CCC 2415) und die Ressourcen der Erde mit Bedacht zu nutzen, aber dieser Glaube sagt uns nicht, ob spezifische Umweltinitiativen moralisch überzeugend sind.
Umweltaktivismus ist häufig eine Sache von Wissenschaft und Ideologie. Nicht selten, wenn jemand einer von Umweltaktivisten inbrünstig verfochtenen These nicht folgt, wird man als „Wissenschaftsleugner“ gebrandmarkt. Ironischerweise verstehen viele von denen, die ihre Gegner unbekümmert als „Wissenschaftsleugner“ verunglimpfen, selbst nicht die zugrunde liegende Wissenschaft.
Als Ingenieur und Wissenschaftler mit über 30 Jahren Berufserfahrung, der Umweltingenieur-Themen gelehrt hat und der es liebt, Geschichte zu erklären, habe ich meinen Anteil an schlechter Wissenschaft und schlechten Daten gesehen (traurigerweise bin ich selbst hier gelegentlich schuldig geworden). Ich habe verinnerlicht, dass während wir uns auf Daten verlassen müssen, ein ehrlicher Skeptizismus hinsichtlich der Daten ein wichtiger Aspekt der wissenschaftlichen Methode ist. Bei vielen Gelegenheiten haben Wissenschaftler und Experten einen Konsens zu etwas erreicht, das sich im Nachhinein als falsch erwiesen hat. Wie Matt Ridley in einem Artikel im Wall Street Journal im Jahre 2013 geschrieben hat: „In der Wissenschaft geht es um Beweise, nicht um Konsens“. Ich stimme Mr. Ridley zu, mich interessiert kein Konsens, egal wie leidenschaftlich oder moralisch entrüstet. Ich will Daten und Beweise sehen.
Objektive Kriterien, saubere Daten
Hier folgt ein Beispiel. Es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende Artikel und Anweisungen, die uns davor warnen, dass unsere Umwelt Angriffen ausgesetzt ist und sich deren Zustand verschlechtert – wie kann da noch irgendjemand behaupten, dass Amerikas Umwelt sauberer ist als seit über 100 Jahren? Ich kann und tue das auch, und zwar mit folgenden Beweisen auf der Grundlage dieser Kriterien: Krankheiten durch Wasserverunreinigungen, Niveau der Verschmutzung von Wasser und Luft, Habitaten, technologischer Innovation und sensorischer Beweise.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sowie noch bis in die zwanziger Jahre desselben sind Tausende in amerikanischen Städten an Typhus erkrankt. Krankheiten infolge verunreinigtem Trinkwasser sind in den USA praktisch ausgerottet, und zwar so sehr, dass die meisten Amerikaner die Unbedenklichkeit ihres Trinkwassers voraussetzen. In einer Zeit, in der wir jetzt Verschmutzer in parts per Billion oder sogar in parts per trillion entdecken und messen können, denken viele, dass wir immer mehr Verschmutzer freisetzen. Im Gegenteil, die Qualität geklärter Abwässer und das Wasser von Flüssen, Seen und Strömen hat sich stetig verbessert, belegt durch Messungen eines signifikant niedrigeren Niveaus von Verschmutzern. Einige Klärwerke lassen Wasser in die Flüsse fließen, das sogar eine noch bessere Qualität hat als der Fluss selbst.
Thema Luftqualität: es gibt effizientere Verbrennungsprozesse, weniger verschmutzende Reste von Verbrennung und eine bessere Technologie zur Luftreinhaltung. Dann gibt es da Habitate für Fische und Wildtiere. In einem Artikel in den Detroit News aus dem Jahr 2010 heißt es: „Von Weißkopfadlern bis zu See-Stören verzeichnen natürliche Flora und Fauna eine dramatische Rückkehr an Stellen, die man für höchst unwahrscheinlich hält: Die Wasser und Ufer des Detroit Rivers… Nach Jahrzehnte langen Bemühungen, die schmutzige Vergangenheit des Detroit River zu bekämpfen, sind inzwischen viele Fisch- und Vogelspezies in das Flussbett zurückgekehrt. Die aufstrebende Fischadler-Population wird begleitet von einer zunehmenden Zahl von Zandern, See-Stören und Renken ebenso wie von Vogelarten wie dem Weißkopf-Seeadler und dem Wanderfalken. Wir reden über Detroit, einst die produzierende Hauptstadt der Welt und immer noch ein bedeutendes Produktionszentrum. All dies geschieht überall in der gesamten Nation.
In einem Artikel im Wall Street Journal aus dem Jahr 2014 mit dem Titel [übersetzt] „Der Verknappungs-Trugschluss“ identifiziert Matt Ridley viele Beispiele, in denen Ökologen das Ende der natürlichen Ressourcen der Welt propagierten, obwohl technologische Innovationen diese Grenzen wieder und immer wieder durchbrochen haben. Gegen die beweise aus der Historie glauben Viele, dass ein Problem, wenn wir es heute nicht lösen können, auch im nächsten Jahr und im nächsten Jahrzehnt noch ein Problem ist. Düstere Vorhersagen basieren oftmals auf diesem Irrglauben [gilt das nicht auch z. B. für den deutschen Atom-„Müll“? Anm. d. Übers.]
Faktum: Wir verfügen über die Technologie, von der Toilette zum Wasserhahn zu gehen, falls die psychologische Barriere bewältigt werden kann*. Von Öl- und Gasreserven, die bereits zur Neige gegangen sein sollten, sagt man jetzt voraus, dass sie noch weit in die Zukunft ausreichen werden infolge von Innovationen hinsichtlich Fracking und Schieferöl. Moderne Technologien erlauben es uns, Infrastruktur zu reparieren oder zu ersetzen mit nur minimalen Störungen der Umwelt. Es gibt auch vielfältig sensorische Beweise, dass sich die Umwelt ständig verbessert hat. Einige können sich noch an jene Tage erinnern, als Flüsse und Seen von Ölfilmen bedeckt waren; als mit Kohle betriebene Heizöfen schwarze Wolken über unseren Städten erzeugt haben; als industrielle Abfälle einfach auf freien Plätzen oder in ungesicherten Deponien abgelagert wurden. Diese Umweltbedrohungen wurden in Amerika nahezu eliminiert. Zu vielen dieser Verbesserungen war es aufgrund der Bemühungen überzeugter Umweltaktivisten gekommen.
[*Redewendung: „go from toilet to tap“. Der ganze Satz lautet im Original: „we have the technology to go from toilet to tap, if the psychological barrier can be surmounted“. Ich habe keine vernünftige Übersetzung gefunden. Anm. d. Übers.]
Der Grund, dass diese auf Wissenschaft beruhenden Einschätzungen wichtig sind lautet, dass eine gute Behandlung der Umwelt nicht moralisch überzeugend sein muss, wenn es in Relation zu anderen – hiermit in Konflikt stehenden – Behandlungen evaluiert wird: Tausende Arbeitsplätze; Produkte, die uns gut ernährt, gesund und sicher halten; Eigentumsrechte oder sogar andere gute, aber sich widersprechende Umweltbehandlungen wie Null-Wasserverbrauch oder der niedrigste Kohlenstoff-Fußabdruck.
Ideologie zurückweisen, Ausgleich finden
Die Ideologie Vieler in der Umweltbewegung gehört auch untersucht. Es gibt ein quasi religöses und besonders bösartiges Element in der Umweltbewegung, für das, wie es das Journal beschreibt, „der Klimawandel zu einer fetischartigen kulturellen Angelegenheit geworden ist wie Abtreibung und Hochzeiten zwischen Gleichgeschlechtlichen… Was zählt ist, dass sie auf der richtigen Seite des kulturellen und politischen Symbolismus‘ stehen“.
Ohne auf das komplexe Thema Klimawandel einzugehen zeige ich, dass der Umweltaktivismus für Viele zu einem moralischen Magneten geworden ist, in dem Fakten, Daten und Beweise von sekundärer Bedeutung sind. Unter diesen lautstarken Aktivisten findet man die Leitmotive dafür, dass die Menschheit – einen nicht nachhaltigen Kohlenstoff-Fußabdruck hinterlassend – eher eine Bedrohung ist als ein transzendentes Geschöpf; dass der Mensch keine größere legale oder ethische Statur als irgendein anderes Tier hat; dass chaotische freie Märkte Umweltbedrohungen sind; dass Staaten oder Regierungsorganisationen mit Leuten, die es besser wissen, eine ökonomische Umwelt- und Energiepolitik etablieren sollten; kurz gesagt, eine materialistische Interpretation der Beziehung zwischen Mensch und Planet. Und damit wir nicht glauben, dass diese Motive auf den radikalen Flügel begrenzt sind, finden einige dieser Grundthesen Eingang in den Mainstream-Umweltaktivismus.
Gäbe man diesen Bewegungs-Aktivisten freie Hand, würde deren Energie- und Industriepolitik uns zurück zu Frieren im Winter und Rösten im Sommer bringen, und Verhungern durch Mangel von Nahrungsmitteln und pharmazeutischen Produkten zur Bekämpfung von Krankheiten wären an der Tagesordnung. Noch wichtiger, das katholische Konzept der Menschheit verursacht mit dieser Ideologie oder Quasi-Religion eine gewalttätige Zerstörung. Die Arbeit des Menschen und seine Würde sollten sich nicht der natürlichen Welt unterordnen, was alles andere heißt als zu sagen, dass der Mensch in der Lage sein sollte, die Natur zu vergewaltigen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Die richtige Balance wird erreicht, wenn der Mensch an Werte glaubt, so dass er sich verantwortungsbewusst verhält in Beziehung zur Umwelt. Traurigerweise betrachtet das materialistische Dogma, das viele dieser Aktivisten an den Tag legen, Werte und sogar Vernunft als bloße menschliche oder gesellschaftliche Konstrukte.
Es ist wichtig in Erinnerung zu rufen, dass die Katholiken bahnbrechende Arbeiten in den Wissenschaften durchgeführt haben. In einem vor kurzem erschienenen Artikel im Magnificat mit dem Titel „The Church and the Beginning of It All” schreibt Anthony Esolen über den Jesuitenpriester George Lemaitre, der zum ersten Mal die Big Bang-Theorie angesprochen hatte (und damit Einstein überzeugte) und den Mönch Gregor Mendel, der als der Vater der Genetik betrachtet wird. Ich habe mit einem gewissenhaften katholischen Ingenieur mit einer ausgeglichenen Umweltperspektive zusammengearbeitet, der mehr als jeder andere in der Welt weiß zum Thema selbständige Wasser/Abwasserbehandlung. Viele Katholiken scheinen sich der Anzahl hoch geschätzter katholischer Wissenschaftler nicht bewusst zu sein. Ernste und überzeugte Katholiken begrüßen fern von jeder Anti-Wissenschaft ehrliche und ethische wissenschaftliche Untersuchungen, während sie gleichzeitig erkennen, dass die Kompetenz der Wissenschaft sich nicht auf ultimative philosophische Fragen erstreckt.
Mit Sicherheit gibt es heutzutage Umweltthemen, die besorgt machen, selbst in einem saubereren Amerika: invasive Spezies, gelegentliche Ausbrüche von Pathogenen und giftigen Algen in Speichern zur Wasserversorgung, Schäden an Infrastruktur. Aber betrachtet man den von uns zurückgelegten Weg im vorigen Jahrhundert, sind diese Bedrohungen lösbar oder zumindest handhabbar.
Katholiken mit Interesse an der Umwelt sollten versuchen, legitime Wissenschaft von ideologischem Lärm und organisatorischen Selbstinteressen zu trennen; heutzutage keine leichte Aufgabe. Und sie sollten erkennen, dass die Umweltangst des Monats moralisch nicht überzeugend zu sein braucht, aber dieses rationale Vorgehen in Bezug zur Umwelt sollte immer unter dem Vorbehalt stehen, dass dem Menschen die Herrschaft über die Erde gegeben worden ist – Frauen und Männer sind mehr als nur intelligente Tiere – aber man erwartet von uns auch, dass wir gute Verwalter dieser Welt und seiner Ressourcen sind.
Über den Autor:
Thomas M. Doran ist professioneller Ingenieur, außerordentlicher Professor für das Bauingenieurswesen an der Lawrence Technological University und ein Mitglied des College of Fellows der Engineering Society von Detroit. Er ist auch Autor der Beiträge Toward the Gleam, Terrapin und Iota (October 2014), alle veröffentlicht von Ignatius Press.
Link: http://www.catholicworldreport.com/Item/3600/catholicism_and_environmentalism.aspx
Übersetzt von Chris Frey EIKE
Bemerkungen des Übersetzers hierzu: Zwar geht es in diesem Beitrag nicht um Klima oder Energie, sondern um Umwelt. Aber vieles hier Gesagte ist natürlich auch in der Diskussion zu beiden Themen gültig, weshalb ich diesen Beitrag übersetzt habe.
Erst vor Kurzem hat Herr Puls beim EIKE hier zur Haltung der evangelischen Kirche einen ausführlichen und verstörenden Beitrag geschrieben. Hier folgt nun ein Beitrag aus katholischer Sicht. Es war allerdings nicht feststellbar, ob hier eine Einzelmeinung beschrieben wird (wahrscheinlich), oder ob die katholische Kirche etwas bewusster an das Thema Umwelt herangeht.
Nicht einverstanden bin ich jedoch mit der Passage des Autors über die „großen katholischen Wissenschaftler“. Hier hat die katholische Kirche im Mittelalter allergrößte Schuld auf sich geladen, von der sie sich bis heute nicht wirklich distanziert hat. Vor diesem Hintergrund klingen derartige Äußerungen etwas heuchlerisch.
C. F.