Olympianachlese: Warum der Winter 2013/14 keinen Siegerpreis verdient hat
Bild rechts: Temperaturtreiber Föhn: Föhnwolken im milden Winter 2013/14 über Thüringen. Foto: Stefan Kämpfe
Nach fünf relativ kalten und teilweise sehr schneereichen Wintern durften wir uns diesmal über einen milden Winter freuen, der in Westdeutschland nahezu schneefrei war. Nur Nordostdeutschland hatte Ende Januar unter einer knapp zweiwöchigen Kältewelle mit Schnee zu leiden. Dass dieser insgesamt sehr milde Winter kein Menetekel einer „katastrophalen Erderwärmung“ sein konnte, zeigt ein Blick in andere Regionen. Zuerst schneite es im Dezember im Nahen Osten; sogar in Kairo. Danach wurde Nordamerika von einer Serie äußerst heftiger Kältewellen geplagt, und schließlich versanken zur Monatswende Januar/Februar Norditalien, Teile der Alpen und Südostpolen sowie im Februar dann auch noch Japan und Madeira in den Schneemassen; in Slowenien lähmte Anfang Februar gefrierender Regen fast das ganze Land. Der „Meteorologische Winter“, bestehend aus Dezember 2013, Januar und Februar 2014, erreichte ein Deutschland- Mittel von 3,3°C. Höchste Zeit also, als Nachtrag zur Winterolympiade den Sieger in unserer Disziplin „wärmster Winter aller Zeiten“ zu küren.
Dazu wollen wir möglichst weit in die Vergangenheit zurückgehen. Zunächst schauen wir uns die bei Wikipedia verfügbare und bis zum Winter 1760/61 zurückreichende Zeitreihe der Lufttemperatur in Deutschland an. Die Abbildung 1 zeigt- chronologisch geordnet- die 30 wärmsten Winter:
Abb.1: Nach dieser Reihe geht die Goldmedaille an den Winter 2006/07, gefolgt von 1974/75 und 1989/90, die gemeinsam Zweiter wurden. Der Winter 2013/14, welcher noch nicht in dieser Tabelle enthalten ist, landet auf Platz 4 (ein exaktes Ranking ist schwierig, da die Werte dieser Reihe mit größeren Ungenauigkeiten behaftet sind und häufig im Web geändert werden).
Man sieht, dass, dass 7 der 10 mildesten Winter in den vergangenen 40 Jahren aufgetreten sind, während auf die vorangehenden mehr als 210 Jahre nur 3 entfallen. Nun könnte man daraus vorschnell schließen, dass die „katastrophale Erwärmung“ schon eingetreten sei. Aber ähnlich wie bei einer „echten“ Olympiade sind die Ergebnisse zweifelhaft- oft wurden Medaillen aberkannt, weil sich herausstellte, dass Doping oder unerlaubte Hilfsmittel im Spiel waren. Das „Doping“ fast aller Messreihen ist der Wärmeinseleffekt infolge der zunehmenden Verstädterung und Entwässerung unserer Landschaft, welcher sich im 20. Jahrhundert, besonders aber nach 1950, enorm beschleunigte. Verstärkt wurde dieses „Temperaturdoping“ noch dadurch, dass in den letzten 30 Jahren viele Messstationen an Flughäfen verlagert wurden, wo Beton, Asphalt und die heißen Abgase der Jets besonders stark wärmen.
Bei einer realistischen WI- Bereinigung, die gegenwärtig etwa 1,2K betragen müsste, hätte sich der Winter 2013/14 daher nur zwischen den Plätzen 10 und 20 eingereiht, und auch die meisten anderen neuzeitlichen Winter wären in der Rangfolge deutlich abgerutscht.
Auch ansonsten herrschte keine Chancengleichheit, denn im 18. Jahrhundert standen nur ganz wenige Stationen zur Errechnung des Deutschland- Mittels zur Verfügung, und die Genauigkeit der Messungen war damals geringer. Es mussten also qualitativ und quantitativ sehr unterschiedliche Datensätze zur Erstellung dieser Zeitenreihe verwendet werden. Und der Zeitraum bis 1761 ist zwar lang; aber vielleicht nicht lang genug, um den wahren Sieger zu ermitteln. Deshalb gingen wir noch ein paar Jahrzehnte weiter zurück, was uns die Reihe von Berlin- Tempelhof ermöglicht (Abbildung 2):
Abb.2: Zumindest in Berlin geht die Goldmedaille an den schon über 250 Jahre (!) zurückliegenden Winter von 1755/56 mit stolzen 5,1°C. Knapp dahinter folgen zwei Winter mit je 4,9°C; aber die Silbermedaille gebührt dem Winter 1763/64, denn der von 2006/07 profitierte ja viel stärker von der durch die Verstädterung ausgelösten Erwärmung (diese Reihe ist ebenfalls nicht WI- bereinigt). Und der hier noch nicht enthaltene Winter 2013/14 muss sich mit einer Platzierung etwa zwischen 10 und 15 begnügen– bei einer WI- Bereinigung von etwa 1,2K wäre er gar nicht unter die ersten 30 gekommen– aber nach dem olympischen Geist zählt ja allein die Teilnahme!
In leichter Abwandlung eines Schlagertextes von Wolfgang Petry gilt für den Winter 2013/14: „Bronze, Silber und Gold, hat er nicht geholt!“. Auch bei dieser Reihe erfolgte die Wertung unter dem Vorbehalt der größeren Ungenauigkeit der älteren Messwerte. Ein Blick in die relativ zuverlässige Reihe aus Zentralengland zeigt jedoch, dass dort die Winter 1755/56 und 1763/64 ebenfalls sehr mild verlaufen sind, wenngleich sich in England aufgrund der anderen geografischen Lage eine zu Berlin mehr oder weniger abweichende Rangfolge der wärmsten Winter ergeben hat. In Zentralengland siegte der Winter 1868/69 mit knapp 6,8°C vor 1833/34 mit etwas über 6,5°C, und 1988/89 errang mit genau 6,5°C Bronze.
Nun ergibt sich die Frage, warum dieser Winter so sehr mild ausfallen konnte. Auch der Deutsche Wetterdienst gibt diesen Winter mit 3,3 C als den viertmildesten seit 1882 an. (Siehe DWD vom 27. Februar 2014). Das wollen wir nun versuchen zu erklären.
Guten Beobachtern ist sicher aufgefallen, dass der Wind fast ausschließlich aus Süd bis West kam und dabei milde atlantische Luft, zeitweise auch subtropische Mittelmeerluft, nach Deutschland strömte, die sich bei den relativ hohen Windgeschwindigkeiten kaum abkühlte und sich häufig bis zum Boden durch setzte (die sonst im Winter nicht seltenen Inversionen mit bodennah kalter Luft waren selten, weil das hierfür erforderliche schwachwindige Hochdruckwetter fast völlig fehlte). Im Lee der Alpen und der Mittelgebirge verstärkte häufiger Föhn diesen Effekt noch. Außerdem zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass ein enger, positiver Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Westwetterlagen und den Wintertemperaturen besteht:
Abb.3: Die Wintertemperaturen in Potsdam (blau) sind bevorzugt dann höher gewesen, wenn es im betreffenden Winter eine Häufung von Großwetterlagen mit westlichem Strömungsanteil gab (violette Kurve). Zur Atlantischen Mehrzehnjährigen Oszillation (AMO, grün) besteht ein inverser Zusammenhang, weil bei höheren Wassertemperaturen offenbar mehr kalte Nord- und Ostlagen im Winter auftreten. Die Sonnenscheindauer, welche während der letzten knapp 120 Jahre bei leichten Schwankungen im Winter als der einzigen Jahreszeit leicht abnahm, beeinflusst das Temperaturverhalten in der kalten Jahreszeit nur wenig- die Wintersonne hat einfach zu wenig Kraft und zu wenig Zeit, um eine wesentliche Erwärmung zu bewirken. Quelle der Originaldaten: PIK Potsdam
Den allgemeinen Zusammenhang zwischen AMO, NAO (Nordatlantischer Oszillation), der Häufigkeit der „Westwetterlagen im engeren Sinne“ und den Wintertemperaturen in Deutschland zeigt die Abbildung 4, wobei aber anzumerken ist, dass sich der Winter 2013/14 durch nur leicht übernormale NAO-Werte und gehäuft auftretende Süd- und Südwestlagen von den übrigen sehr milden Wintern unterschied:
Abb.4: Das Deutschland- Wintermittel der Lufttemperaturen (°C Deutschland, hellblau) ähnelt in seinem Verlauf dem NAO- Index (schwarz) und der Häufigkeit der am stärksten erwärmend wirkenden Westlagen im engeren Sinne (WA + WZ, violett), während zur AMO (grün) ein eher inverser Verlauf besteht.
Warum blieb ausgerechnet in diesem Winter trotz der noch immer positiven AMO- Phase (relativ hohe atlantische Wassertemperaturen) die Häufung kalter Nord- bis Ostwetterlagen zugunsten der milden, südlichen bis südwestlichen Luftströmungen aus? Infolgedessen war in Südwestdeutschland praktisch kein Schnee zu sehen.
Der Blick auf eine für diesen Winter typische Wetterlage zeigt die Ursache:
Abb. 5: Die Wetterlage vom 08. Februar 2014, 07 Uhr MEZ, (Quelle: DWD) zeigt ein bei nur etwa 55°Nord liegendes Orkantief dicht westlich von Irland. Das „normale“ Island- Tief, welches häufig im Zusammenspiel mit dem Azorenhoch mildes Wetter bis nach Deutschland bringt, war also im Winter 2013/14 oft deutlich südwärts verschoben und bescherte Großbritannien eine Serie schwerer Stürme mit Überschwemmungen, während Mitteleuropa auf der Vorderseite dieser Tiefs genau noch soviel Süd- und Westwind „abbekam“, dass eine dauerhafte Bildung bodennaher Kaltluft verhindert wurde, wobei schwere Stürme in Deutschland selten blieben. Dass diese Tiefs nicht, wie sonst üblich, weiter nach Osten zogen und so zumindest zeitweise hierzulande eine nördliche Strömung ermöglicht hätten, lag an einem oft starken, blockierenden „Russland- Hoch“, welches hinsichtlich seiner Intensität und Position zwischen Nordwestrussland, der nördlichen Ukraine und Westsibirien (dort war es am 8. Februar anzutreffen) hin und her schwankte.
Eine Verkettung glücklicher meteorologischer Umstände hat Deutschland also diesmal vor längerer Kälte bewahrt, obwohl die Luftdruckverteilung im Winter 2013/14 durchaus das für kältere Winter typische Muster bei (noch) relativ hohen Atlantiktemperaturen mit einer südlicheren Lage der Frontalzone und der Tiefdruckgebiete sowie besonders kräftigen Kältehochs über Osteuropa, aufwies. Diese großräumige und sehr stabile Wetterlage war mit einer länger andauernden Verstärkung der Strahlströme verbunden. Man vermutet, dass diese Zirkulationsstörung durch übernormale Ozeantemperaturen im Bereich des tropischen Westpazifiks entstand.
Aber nur dort waren die Ozeantemperaturen höher als normal, während der Ostpazifik weitgehend normale Temperaturen aufwies (La Niña- ähnliche Bedingungen nur im Westpazifik). Außerdem ist auch ein Zirkulationseinfluss der höheren Atmosphärenschichten (besonders der Stratosphäre in 10 bis 50 km Höhe) wahrscheinlich. Ein dort stark ausgeprägter Polarwirbel verstärkte den Strahlstrom über dem Nordatlantik. Der Polarwirbel wurde durch eine ausgeprägte Westwindphase der stratosphärischen Quasi-Biennial Oscillation gesteuert (QBO, ein quasi-zweijähriger periodischer Wechsel zwischen Ost- und Westwind in der tropischen Stratosphäre).
Interessant ist eine weitere Tatsache: Der sehr milde Winter 2013/14 in Mitteleuropa konnte den seit einem Vierteljahrhundert beobachteten leichten Rückgang der Wintertemperaturen in Deutschland nicht stoppen (folgende Abbildung 6). Zwar sind Zukunftsprognosen mit großen Unsicherheiten behaftet, doch ist bei dem erwarteten tendenziellen weiteren Rückgang der Sonnenaktivität bis mindestens zur Mitte des 21. Jahrhunderts eher mit stagnierenden oder gar leicht fallenden Temperaturen zu rechnen, so dass trotz der Unwägbarkeit vieler Einflussfaktoren der für Mitteleuropa typische Wechsel zwischen milden und kalten Wintern insgesamt andauern und die bislang erwartete Erwärmung, einhergehend mit immer schneeärmeren oder kürzeren, wärmeren Wintern, vermutlich weiterhin ausbleiben wird.
Abb 6: Obwohl der Winter 2014 mit 3,3 C sehr mild war, ist die Temperaturtrendlinie weiterhin fallend. Der diesjährige Winter scheint leider nur eine wohltuende Ausnahme in Mitteleuropa gewesen zu sein. (gezeichnet nach den Daten des DWD).
Fazit dieser etwas außergewöhnlichen Winterolympiade: Sehr milde Winter gab es schon immer- sogar schon vor mehr als 200 Jahren, also inmitten der Kleinen Eiszeit. Diese sehr weit zurückliegenden Winter waren teilweise noch milder als die sehr milden Winter der 1970er bis 2000er Jahre, auch wenn die Rangfolge je nach Region und Qualität der Daten unterschiedlich ausfallen kann. Der Winter 2013/14 ist vor diesem Hintergrund zwar als sehr mild, jedoch keinesfalls als extrem mild oder gar als rekordverdächtig mild, einzustufen. Die ständig geäußerten Befürchtungen mancher Klimaforscher, es werde immer wärmer, erweisen sich bei einem Blick in die weitere Vergangenheit und bei gründlicher Betrachtung der wirklich klimarelevanten Einflussfaktoren, als nicht zutreffend.
Trotz des sehr milden vergangenen Winters sind die Wintertemperaturen in Deutschland und auch in Zentralengland während der vergangenen 25 Jahre leicht, unter Berücksichtigung des Wärmeinseleffektes sogar deutlich, gefallen.
Stefan Kämpfe, Weimar.
Josef Kowatsch, Hüttlingen
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Eingestellt von Chris Frey, der auf einen Artikel von Hans-Dieter Schmidt hinweisen möchte, der zum gleichen Thema kürzlich hier beim EIKE erschienen ist. Er bestätigt die hier vorliegenden Ergebnisse voll und ganz, und zwar aus einer ganz anderen Richtung:
http://www.eike-klima-energie.eu/climategate-anzeige/der-milde-winter-in-mitteleuropa-klimawandel/