Um Antwort wird gebeten: “Kleine Anfrage” bei der Deutschen Bundesregierung zum Klimawandel

1) Sie schreiben:

Naturkatastrophen nehmen zu und verursachen enorme Kosten.

Laut Aussage der Munich Re hat es in den letzten drei Jahren 2012-2014 eher weniger als mehr Naturkatastrophen gegeben. Die Frankfurter Rundschau titelte dazu am 7. Januar 2015: “Wetterextreme: Weniger Schäden durch Naturkatastrophen“.

Siehe: http://www.fr-online.de/klimawandel/wetterextreme-weniger-schaeden-durch-naturkatastrophen,1473244,29500598.html

2) Sie schreiben:
Das Jahr 2014 war weltweit das wärmste seit 1881, dem Beginn der regelmäßigen Messungen. Das ergaben Untersuchungen der US-Weltraumbehörde NASA und des US-Wetteramtes NOAA.”

Die NASA hat sich hier mittlerweile selbst korrigiert und stellt den “Wärmerekord” jetzt offen in Frage. Sie erklärte, aus statistischer Sicht sei es wahrscheinlicher – nämlich zu 62% – dass es keinen neuen globalen Temperaturrekord 2014 gegeben hat. Klimaexperten der BEST-Projekts der University of California in Berkely äußern sich ähnlich: “…it is impossible to conclude from our analysis which of 2014, 2010, or 2005 was actually the warmest year”. (Übersetzung: …es ist unmöglich zusagen, aus unserer Analyse zu folgern, welches der Jahre 2014, 2010 oder 2005 das tatsächlich wärmste Jahr war).

Siehe: http://www.kaltesonne.de/nasa-rudert-zuruck-2014-war-moglicherweise-doch-nicht-das-warmste-jahr-der-messgeschichte-experten-erwarmungspause-setzt-sich-noch-5-10-oder-15-jahre-fort/

3) Sie schreiben (mit Bezug auf Deutschland):

Extreme Wetterereignisse häufen sich

Auf welche wissenschaftlichen Arbeiten und Zeiträume beziehen Sie sich? Meines Wissens fanden die meisten Studien für die vergangenen 100 Jahre KEINE Zunahme der Wetterextreme in Mitteleuropa. Siehe http://www.kaltesonne.de/klimawandel-in-deutschland-eine-geowissenschaftliche-betrachtung/ und z.B. http://www.kaltesonne.de/?p=15331 und http://www.kaltesonne.de/?p=14602

4) Sie führen in den Einschubboxen “Dauerregen und Sturmfluten nehmen zu” und “Die fünf größten Naturkatastrophen 2014” Beispiele für Extremwetterereignisse auf. Derartige Aufstellungen lassen sich nun aber für jedes beliebige Jahr erstellen. Klimatisch relevant sind in diesem Zusammenhang vor allem Langzeittrends der letzten 100-300 Jahre. Wie sehen diese aus? Was ist die Intention Ihrer Auflistungen?

5) Sie schreiben:

“Der Klimawandel verursacht hohe Kosten. Die Gesamtkosten durch Naturkatstrophen lagen 2014 weltweit bei 110 Milliarden Dollar. Ein Zyklon in Indien verursachte zum Beispiel einen Schaden von sieben Milliarden Dollar.”

Wissenschaftliche Arbeiten zeigen jedoch, dass der beobachtete Anstieg der globalen Extremwetterversicherungsschäden fast vollständig auf sozioökonomischen Gründen basiert. Siehe http://www.kaltesonne.de/neue-arbeit-von-roger-pielke-jr-anstieg-der-globalen-extremwetterversicherungsschaden-basiert-fast-vollstandig-auf-soziookonomischen-grunden/

Insbesondere ist keine Zunahme der Zyklone zu beobachten. Siehe: http://www.kaltesonne.de/wer-hatte-das-gedacht-studien-konnen-keine-zunahme-der-tropischen-wirbelsturme-im-indischen-und-pazifischen-ozean-finden/

6) Sie zitieren Peter Höppe von der Munich Re: “Schadensrelevante durch Gewitter bedingte Unwetter nehmen in verschiedenen Regionen wie den USA und in Mitteleuropa nachweislich zu“. Was ist mit anderen Gebieten der Erde? Wie sieht es im globalen Durchschnitt aus? Kann ausgeschlossen werden, dass es sich um natürliche Schwankungen/Verschiebungen handelt? Auf Letzteres deutet z.B. eine Studie aus Brasilien, die fand, dass die Blitzhäufigkeit in Brasilien während der vergangenen 60 Jahre im Takte der Sonnenaktivität variierte.
Siehe: http://www.kaltesonne.de/?p=14624

Mit freundlichen Grüßen

Dr. habil. Sebastian Lüning

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Da wir leider keine Antwort erhielten, versuchten wir es im Juni 2015 erneut über die Plattform direktzu.de. Dort antwortete uns die Kanzlerin Angela Merkel bzw. Ihre Pressestelle, es hätte bereits eine Antwort im März auf die ursprüngliche Anfrage im März gegeben, die jedoch leider nie ankam. Wir haben daher die Bundespressestelle gebeten, uns diese Antwort erneut zuzuleiten. Weiterhin haben wir – wie von Dr. Merkel vorgeschlagen – die Fragen dem Umweltbundesamt vorgelegt. Wir hoffen, von dort endlich Antwort auf diese wichtigen Fragen zu erhalten.

(Siehe Graphik oben rechts!)

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Nachdem wir wegen der vermissten Email noch einmal nachgehakt hatten, erreichte uns am 24. Juni 2015 das folgende Schreiben der Bundespressestelle:

An: Sebastian Lüning
Von: Bundespressestelle

Gesendet: 24.6.2015

Sehr geehrter Herr Dr. Lüning ,

vielen Dank für Ihre E-Mail zu einem Thema der Umweltpolitik. Nach der Aufgabenverteilung innerhalb der Bundesregierung ist das Ministerium für die Bearbeitung von Anfragen und Stellungnahmen zuständig, in dessen Aufgabenbereich das Anliegen fällt. Für viele Themenbereiche und Fragestellungen hat die Bundesregierung ein umfangreiches Informationsangebot entwickelt, das Ihnen einen schnellen Zugriff auf unser Wissen ermöglicht. In Ihrem Fall möchte ich Ihnen dazu den Internetlink http://www.bmub.bund.de/ empfehlen. Sollten Sie hier die gewünschten Informationen bzw. Klärungen nicht finden, möchte ich Ihnen raten, sich mit Ihrem Anliegen direkt an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) zu wenden. Sie können das Ministerium per E-Mail über service@bmub.bund.de erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Sylke Häring

Bürgerservice
Presse- und Informationsamt
der Bundesregierung

Deutschland im Dialog:
Jetzt mitmachen unter
www.gut-leben-in-deutschland.de

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Von: Sebastian Lüning
An: Sylke Häring, Bürgerservice Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Gesendet: 5.7.2015

Sehr geehrte Frau Häring,

Vielen Dank für Ihre Mail, auch wenn Sie mir bei meinen Fragen nicht weiterhelfen konnten. Ich habe mich wie von Ihnen vorgeschlagen an das BMUB und UBA gewandt. Leider habe ich auch von dort keine Antwort erhalten. Woher bekomme ich nun meine Antworten?

Die Sachlage ist klar: Die Bundesregierung hat auf ihrer Webseite einen Artikel veröffentlicht, der wissenschaftlich fragwürdige Behauptungen enthält. Sie sollten sich der Verantwortung stellen und meine Einwände ernst nehmen. Der Klimawandel ist ein zu wichtiges Thema, um beliebige Behauptungen auf staatlichen Webseiten aufzustellen und sich danach bei fachlicher Kritik vor der Diskussion zu drücken. Ich würde Sie daher bitten, mich mit dem Autor des Artikels in Kontakt zu bringen, um die Fragen wissenschaftlich klären zu können. Vielen Dank im voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. habil. Sebastian Lüning

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Nachdem wir am 5.7.2015 nachgehakt hatten (siehe oben) teilte uns Ilka Wagner am 31. Juli 2015 mit, dass das BMUB bereits am 24. Juni 2015 detailliert auf unsere Fragen geantwortet hatte. Die Mail muss wohl im Spam-Filter verschwunden sein. Wir bedauern dies sehr und werden entsprechende Verbesserungen unserer Email-Kommunikationspfade vornehmen. Wir freuen uns sehr über die Antwort.

Von: Ursula Fuentes Hutfilter
An: Sebastian Lüning

Gesendet: 24. Juni 2015

Betreff: Ihr Schreiben vom 1. Mai zum Artikel Kampf gegen die Erderwärmung

Sehr geehrter Herr Lüning,

Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 1. Mai 2015 an Frau Bundesministerin Dr. Hendricks. In welchem Sie den Artikel „Kampf gegen Erderwärmung: Klimaschutz hat Priorität“ auf der Website der Bundesregierung kritisieren (zugänglich unter: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/02/2015-02-24-klima-sucht-schutz.html). Ich wurde gebeten Ihnen zu antworten. Dabei werde ich mich eng an Ihre Aussagen halten (jeweils unten abgedruckt) und dann jeweils darauf reagieren.

Ihre Aussage 1:
“Naturkatastrophen nehmen zu und verursachen enorme Kosten.”
Laut Aussage der Munich Re hat es in den letzten drei Jahre 2012-2014 eher weniger als mehr Naturkatastrophen gegeben. Die Frankfurter Rundschau titelte dazu am 7. Januar 2015: “Wetterextreme: Weniger Schäden durch Naturkatastrophen”.
Siehe: http://www.fr-online.de/klimawandel/wetterextreme-weniger-schaeden-durch-naturkatastrophen,1473244,29500598.html

Unsere Antwort:
In dem von Ihnen zitierten Beitrag in der Frankfurter Rundschau heißt es weiter:

„Bei den Schadensstatistiken ist zum einen viel Zufall im Spiel – ob verheerende Stürme über Städte hinweg ziehen oder wie 2014 sich meistens über Ozeanen austoben, sagt Peter Höppe. Rein von der Anzahl her, hat der Risikoforscher der Munich Re 2014 erstmals fast 1000 schadensrelevante Naturkatastrophen registriert, die meist wetterbedingt waren. Im Schnitt der vergangenen zehn Jahre waren es 830 solcher Ereignisse, blickt man auf die letzten drei Jahrzehnte, kommt man sogar nur auf 640. Die Zahl der Naturkatastrophen nimmt also weiter zu und dass das mit dem Klimawandel in Verbindung steht, bezweifelt kein ernsthafter Experte.“

In der zugehörigen Pressemitteilung der Munich Re vom 7.01.2015 ist festgehalten (https://www.munichre.com/de/media-relations/publications/press-releases/2015/2015-01-07-press-release/index.html):

„Insgesamt wurden (2014) 980 schadensrelevante Naturkatastrophen registriert, deutlich mehr als im Durchschnitt der vergangenen 10 und 30 Jahre (830 bzw. 640). Mehr als neun von zehn (92 %) der schadenrelevanten Naturkatastrophen entfielen auf Wetterereignisse. Auffällig war die deutlich unterdurchschnittliche Hurrikan-Saison im Nordatlantik, wo sich nur 8 starke und daher benannte Stürme bildeten; der langfristige Durchschnitt (1950-2013) liegt bei 11. Dagegen war die tropische Wirbelsturmsaison im Ostpazifik von weit überdurchschnittlich vielen Stürmen geprägt, die meist aber nicht auf Land trafen.“

Aus den beiden Zitaten geht hervor, dass es nicht weniger, sondern mehr Naturkatastrophen gegeben hat. Die letzten drei Jahre werden dabei gar nicht thematisiert, sondern die letzten 30, die letzten 10 Jahre sowie 2014 mit Steigerungen von 640, über 830 auf 980 Naturkatastrophen. Im Jahr 2014 gab es lediglich weniger Schäden, was unter anderem damit zusammenhängt, dass Wirbelstürme im Ostpazifik nicht auf Land trafen. Zudem werden die Frühwarnsysteme verbessert, und die Menschen können besser Vorkehrungen treffen.

Ihre Aussage 2:
“Das Jahr 2014 war weltweit das wärmste seit 1881, dem Beginn der regelmäßigen Messungen. Das ergaben Untersuchungen der US-Weltraumbehörde NASA und des US-Wetteramtes NOAA.”
Die NASA hat sich hier mittlerweile selbst korrigiert und stellt den “Wärmerekord” jetzt offen in Frage. Sie erklärte, aus statistischer Sicht sei es wahrscheinlicher – nämlich zu 62% – dass es keinen neuen globalen Temperaturrekord 2014 gegeben hat. Klimaexperten der BEST-Projekts der University of California in Berkely äußern sich ähnlich: “…it is impossible to conclude from our analysis which of 2014, 2010, or 2005 was actually the warmest year”.
Siehe: http://www.kaltesonne.de/nasa-rudert-zuruck-2014-war-moglicherweise-doch-nicht-das-warmste-jahr-der-messgeschichte-experten-erwarmungspause-setzt-sich-noch-5-10-oder-15-jahre-fort/

Unsere Antwort:
Alle drei langjährigen Temperaturzeitreihen der NASA (Goddard Institute for Space Studies – GISS, http://data.giss.nasa.gov/gistemp/graphs_v3/Fig.A2.gif), der Universität von East Anglia und des Britischen Meteorologischen Dienstes (Climate Research Unit at the University of East Anglia und Hadley Center – HadCRUT, http://www.cru.uea.ac.uk/cru/data/temperature/HadCRUT4.png) und der amerikanischen Ozean-Atmosphärenbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration, http://www.ncdc.noaa.gov/sotc/global/2014/13/supplemental/page-4) weisen 2014 als das wärmste Jahr seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert aus. Die NOAA teilt dazu im Einzelnen mit (http://www.ncdc.noaa.gov/sotc/global/201413):
„Das Jahr 2014 war, gemittelt über die globale Land- und Ozeanoberfläche, das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1880. Das globale Mittel der bodennahen Lufttemperatur lag 0,69 °C über dem Mittel des 20. Jahrhunderts von 13,9 °C und brach damit unschwer die vorangegangenen Rekorde von 2005 und 2010 um 0,04 °C. Es ist das 38. Jahr in Folge (seit 1977), dessen globales Mittel über dem langjährigen Durchschnitt lag. Mit 2014 traten neun der zehn wärmsten Jahre in der 135-jährigen Geschichte der Aufzeichnungen im 21. Jahrhundert auf. 1998 rangiert gegenwärtig auf Platz 4 der wärmsten Jahre.
Auch die globale Ozeanoberflächentemperatur erreichte 2014 Rekordniveau mit 0,57 °C über dem Mittel des 20. Jahrhunderts von 16,1 °C und mit 0,05 °C über den vorangegangenen Rekorden von 1998 und 2003. Bemerkenswert ist, dass über das gesamte Jahr 2014 ENSO-neutrale Bedingungen herrschten.“

Die folgenden Internetseiten enthalten die den Zeitreihen zugrunde liegenden Temperaturabweichungen zum detaillierteren Vergleich:
HadCRUT: http://www.metoffice.gov.uk/hadobs/hadcrut4/data/current/time_series/HadCRUT.4.3.0.0.annual_ns_avg.txt
NASA:   http://data.giss.nasa.gov/gistemp/graphs_v3/Fig.A2.txt
NOAA: Die NOAA teilt dazu im einzelnen www.mitncdc.noaa.gov/sotc/global/201413

Ihre Aussage 3:
Sie schreiben (mit Bezug auf Deutschland):
“Extreme Wetterereignisse häufen sich”
Auf welche wissenschaftlichen Arbeiten und Zeiträume beziehen Sie sich? Meines Wissens fanden die meisten Studien für die vergangenen 100 Jahre KEINE Zunahme der Wetterextreme in Mitteleuropa. Siehe http://www.kaltesonne.de/klimawandel-in-deutschland-eine-geowissenschaftliche-betrachtung/ und z.B. http://www.kaltesonne.de/?p=15331 und http://www.kaltesonne.de/?p=14602

Unsere Antwort:
Die Aussage, dass sich extreme Wetterereignisse häufen, ist nicht nur auf Deutschland bezogen, sondern auch auf andere Regionen der Welt. Als Beispiel werden im selben Abschnitt neben Deutschland ja auch extreme Wettereignisse in Form von Starkregenereignissen, Tornados und Gewitterstürmen in Europa genannt. In diesem Zusammenhang heißt es in einer Pressekonferenz des Deutschen Wetterdienstes (http://www.dwd.de/bvbw/generator/DWDWWW/Content/Presse/Pressekonferenzen/2012/PK__03__05__12/Rede__Schreiber__20120503,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Rede_Schreiber_20120503.pdf):

„Die Klimaforscher haben eine Tendenz zur Zunahme von zentral über Mitteleuropa liegenden, feuchten Tiefdruckgebieten beobachtet. Die mittlere jährliche Zahl stieg von 1951 bis 2011 um 20 Prozent. Das wird sich, wenn die Klimaprojektionen Recht behalten, bis zum Ende des Jahrhunderts fortsetzen. Solche Tiefdruckgebiete enthalten überdurchschnittlich hohe Feuchtigkeit – die beste Voraussetzung für gefährliche Starkniederschläge. Wir müssen also künftig mit mehr Überschwemmungen rechnen – wenn wir uns darauf nicht vorbereiten. Kennzeichnend für diese Wetterlagen sind überdurchschnittlich kräftige Niederschläge, im Sommerhalbjahr verbunden mit Gewittern und stürmischen Winden. Diese Wetterlage kann sich immer wieder auch zu sogenannten Vb-Lagen entwickeln. Dabei entsteht ein Tief über dem Mittelmeer und zieht über den Balkan in das östliche Mitteleuropa. Diese Vb-Lagen können sehr hohe Niederschlagsextreme in Mitteleuropa mit riesigen Schäden verursachen. Beispiele sind die Hochwasser an der Oder im Jahr 1997 und an der Elbe im Jahr 2002. Die Szenarien deuten an, dass wir künftig öfter mit solchen extremen Wetterlagen vor allem im Winterhalbjahr rechnen müssen.“

Der 5. Sachstandsbericht des IPCC, in dem ja eine Vielzahl von Studien ausgewertet wurde, stellt die Zunahme bestimmter extremer Wetterereignisse fest (http://ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg1/WG1AR5_Chapter02_FINAL.pdf). Vergleichsweise gut ist die Datenlage im Hinblick auf Temperaturextrema. So wurde über den meisten Landgebieten, die analysiert wurden, eine signifikante Zunahme der Maximum- und Minimumtemperaturen seit 1950 festgestellt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 bis 100 % nahm in Europa, Australien und in den meisten Gebieten Asiens, wo ausreichend Daten vorhanden sind, die Häufigkeit von Hitzewellen seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu.

In Nordamerika und Europa nahmen entweder Häufigkeit oder Intensität von Starkniederschlägen mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 bis 100 % zu. In Nordamerika ist dies wahrscheinlich im gesamten 20. Jahrhundert der Fall. Für Südamerika zeigen viele neuere Studien eine Zunahme von Häufigkeit und Intensität von Starkniederschlägen über dem gesamten Kontinent.

Jedoch ist es unbestritten, dass die Untersuchung von Extremereignissen komplex ist. Schwierigkeiten verursacht unter anderem der Umstand, dass es in der wissenschaftlichen Literatur nicht in jedem Fall allgemeingültige Definitionen von Extremereignissen gibt. So können beispielsweise extreme Ereignisse von Ort zu Ort variieren. Ein heißer Tag in tropischen Regionen ist durch andere Temperaturen gekennzeichnet als ein heißer Tag in mittleren Breiten. Darüber hinaus gibt es Datenlücken, sich mit der Zeit ändernde Untersuchungs- und Beobachtungsmethoden sowie schwer zu verallgemeinernde Aussagen, weil Studien verschiedene Jahreszeiten und Regionen betreffen. Auf dem Gebiet der Erforschung von Extremereignissen gibt es demnach eine Reihe offener Fragen, deren Bearbeitung in näherer Zukunft sicher zu weiteren und vertieften Erkenntnissen führen wird.

Ihre Aussage 4:
4) Sie führen in den Einschubboxen “Dauerregen und Sturmfluten nehmen zu” und “Die fünf größten Naturkatastrophen 2014” Beispiele für Extremwetterereignisse auf. Derartige Aufstellungen lassen sich nun aber für jedes beliebige Jahr erstellen. Klimatisch relevant sind in diesem Zusammenhang vor allem Langzeittrends der letzten 100-300 Jahre. Wie sehen diese aus? Was ist die Intention Ihrer Auflistungen?

Unsere Antwort:
Die Box dient der besseren Veranschaulichung des Sachverhaltes mit Hilfe einiger Beispiele von extremen Wettereignissen in Deutschland. Es ging hier nicht darum, Langzeittrends der letzten Jahrhunderte anzugeben. Zudem begannen regelmäßige Wetteraufzeichnungen erst im 19. Jahrhundert, so dass belastbare Trends extremer Ereignisse über die letzten 200 oder 300 Jahre in den seltensten Fällen vorliegen dürften. Wir empfehlen jedoch, diese Frage an den Deutschen Wetterdienst zu richten. Im Hinblick auf längerfristige Trends extremer Wettereignisse in verschiedenen Regionen der Welt verweisen wir neben unseren Ausführungen zu Ihrer Frage 3 insbesondere auf den 5. Sachstandsbericht des IPCC, Kapitel 2 „Changes in Extreme Events“, S. 208 – 222 und auf den IPCC Sonderbericht “Management des Risikos von Extremereignissen und Katastrophen zur Förderung der Anpassung an den Klimawandel” (Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation – SREX).
http://ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg1/WG1AR5_Chapter02_FINAL.pdf
http://ipcc.ch/report/srex/

Ihre Aussage 5:
5) Sie schreiben:
“Der Klimawandel verursacht hohe Kosten. Die Gesamtkosten durch Naturkatstrophen lagen 2014 weltweit bei 110 Milliarden Dollar. Ein Zyklon in Indien verursachte zum Beispiel einen Schaden von sieben Milliarden Dollar.”
Wissenschaftliche Arbeiten zeigen jedoch, dass der beobachtete Anstieg der globalen Extremwetterversicherungsschäden fast vollständig auf sozioökonomischen Gründen basiert. Siehe http://www.kaltesonne.de/neue-arbeit-von-roger-pielke-jr-anstieg-der-globalen-extremwetterversicherungsschaden-basiert-fast-vollstandig-auf-soziookonomischen-grunden/
Insbesondere ist keine Zunahme der Zyklone zu beobachten. Siehe: http://www.kaltesonne.de/wer-hatte-das-gedacht-studien-konnen-keine-zunahme-der-tropischen-wirbelsturme-im-indischen-und-pazifischen-ozean-finden/

Unsere Antwort:
Für das Schadensausmaß durch Extremwetterereignisse spielen sowohl sozioökonomische Faktoren als auch die Häufigkeit und Intensität von Wetterextremen eine Rolle. Das konkrete Schadensausmaß hängt dabei stark von den regionalen Bedingungen ab: naturräumliche Situation, Bevölkerungsdichte, Gebäudebestand etc. Ein Anstieg von Wetterextremen kann ebenso zu einer Zunahme der (versicherten) Schäden führen wie beispielsweise die Zunahme von Bevölkerungs- oder Bebauungsdichte. Das Verhältnis der Einflussfaktoren auf das Schadensausmaß ist regional unterschiedlich und ändert sich auch im Zeitverlauf.

Ihre Aussage 6:
6) Sie zitieren Peter Höppe von der Munich Re: “Schadensrelevante durch Gewitter bedingte Unwetter nehmen in verschiedenen Regionen wie den USA und in Mitteleuropa nachweislich zu”. Was ist mit anderen Gebieten der Erde? Wie sieht es im globalen Durchschnitt aus? Kann ausgeschlossen werden, dass es sich um natürliche Schwankungen/Verschiebungen handelt? Auf Letzteres deutet z.B. eine Studie aus Brasilien, die fand, dass die Blitzhäufigkeit in Brasilien während der vergangenen 60 Jahre im Takte der Sonnenaktivität variierte. Siehe:
http://www.kaltesonne.de/?p=14624

Unsere Antwort:
Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand hat die Anzahl intensiver Niederschlagsereignisse seit etwa dem Jahre 1950 über mehr Regionen des Festlandes zu- als abgenommen, besonders über Nordamerika und Europa, wo – allerdings mit regionalen und jahreszeitlichen Unterschieden – Häufigkeit oder Intensität solcher Ereignisse angewachsen sind (http://ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg1/WG1AR5_Chapter02_FINAL.pdf). Für die Beurteilung der zu erwartenden Schadenssummen bzw. die lokal vorzunehmenden Anpassungsmaßnahmen ist der globale Durchschnitt naturgemäß irrelevant. Auch werden Häufigkeit und Intensität der Unwetterereignisse wie auch alle lokalen/regionalen Klimaänderungen entscheidend von den Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation bestimmt, die immanenter Bestandteil des Klimawandels sind.

Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass im Falle einer Erwärmung der Atmosphäre auch ihr Wasserdampfgehalt und damit die verfügbare Energie für konvektive Umlagerungen (einschließlich schadensrelevanter Gewitter) zunimmt. Diese Prozesse laufen ab, gleich aus welchem Grund sich die Atmosphäre erwärmt, wenn auch ein erheblicher Anteil der gegenwärtigen globalen Erwärmung mit der anthropogenen Zunahme der Treibhausgaskonzentrationen im Zusammenhang steht. Gleichwohl ist es richtig, dass die veränderte Häufigkeit von Unwetterereignissen mehrere Ursachen einschließlich natürlicher (klimasysteminterner) Schwankungen haben kann.

Mit besten Grüßen

Ursula Fuentes

Dr. Ursula Fuentes Hutfilter
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Leiterin Referat KI I 1
Grundsatzangelegenheiten des Klimaschutzes, Klimaschutzplan
Head of Unit KI I 1
Strategic Aspects of Climate Policy, Climate Action Plan
Köthener Str. 2-3, 10963 Berlin

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Von: Sebastian Lüning
An: Ursula Fuentes

Gesendet: 5.8.2015

Sehr geehrte Frau Fuentes,

Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort, die ich wie folgt kommentieren möchte:

AUSSAGE 1:
“Naturkatastrophen nehmen zu und verursachen enorme Kosten.”

Es macht in der Tat Sinn, über die letzten drei Jahre hinweg die Daten der letzten 30 Jahre zu betrachten. Sie zitieren hier statistische Daten eines Wirtschaftsunternehmens, der Munich Re. Es bleibt zunächst offen, ob die Zunahme der von der Munich Re verzeichneten schadensrelevanten Naturkatastrophen vielleicht durch eine verbesserte und detailliertere globale Abdeckung zu erklären wäre. Eine lückenlose Satellitenüberwachung liegt nur für einen Teilbereich der letzten 30 Jahre vor. Aus diesem Grund sind für derartige Betrachtungen wissenschaftlich begutachtete Studien auf jeden Fall vorzuziehen. Der IPCC hat die entsprechenden Studien augewertet und kann (bislang noch) keine statistisch robuste Zunahme von Extremwetterereignissen feststellen, mit Ausnahme von Hitzewellen. Mit Ihrer Aussage widersprechen Sie somit den neuesten Erkenntnissen des IPCC. Hier einige wichtige Zitate aus dem 2. Kapitel des IPCC AR5-Berichts:

Insgesamt sind die eindeutigsten globalen Schwankungen der Klimaextreme bei Messungen der täglichen Temperatur zu sehen, einschließlich bis zu einem gewissen Grad Hitzewellen. Extremereignisse bzgl. Niederschlag scheinen ebenfalls zuzunehmen, doch gibt es hier eine große räumliche Variabilität.

● Es gibt nur begrenzt Beweise für Änderungen von Extremen in Verbindung mit anderen Klimavariablen seit Mitte des 20. Jahrhunderts

● Gegenwärtige Datensätze zeigen keine signifikanten beobachteten Trends der Häufigkeit tropischer Zyklone während des vorigen Jahrhunderts … Keine robuste Häufung von jährlichen Ereignissen bzgl. tropischer Stürme, Hurrikanen und schweren Hurrikanen konnten während der letzten 100 Jahre im atlantischen Becken ausgemacht werden.

● Allgemein fehlen weiterhin Beweise, so dass nur geringes Vertrauen besteht hinsichtlich der Trendsignale hinsichtlich Größenordnung und/oder Häufigkeit von Überschwemmungen im globalen Maßstab.

Insgesamt gibt es geringes Vertrauen in die beobachteten Trends kleinräumiger Extremereignisse wie Hagel und Gewitter wegen Inhomogenitäten in historischen Daten und Schwachpunkte im Monitoring-System.

Insgesamt kommt man bei einer gegenwärtigen Bestandsaufnahme zu dem Ergebnis, dass nicht mehr als höchstens geringes Vertrauen besteht im global beobachteten Trend von Dürren seit Mitte des vorigen Jahrhunderts. Ursache sind fehlende Beobachtungen, geographische Inkonsistenzen in den Trends und Abhängigkeiten von äußeren Trends bei der Auswahl der Indizes. Auf der Grundlage aktualisierter Studien sind die Schlussfolgerungen im AR 4 hinsichtlich zunehemnder Dürre-Trends seit den siebziger Jahren möglicherweise übertrieben. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Häufigkeit und Intensität von Dürren im Mittelmeergebiet und in Westafrika zugenommen sowie im zentralen Nordamerika und Nordwest-Australien seit 1950 abgenommen hat.

Insgesamt ist das Vertrauen in großräumige Änderungen der Intensität extremer außertropischer Zyklonen seit dem Jahr 1900 nur gering.

Siehe auch: http://rogerpielkejr.blogspot.de/2013/10/coverage-of-extreme-events-in-ipcc-ar5.html

AUSSAGE 2:

Wärmerekord 2014

Sie schreiben, dass alle drei langjährigen Temperaturzeitreihen von NASA/GISS, Universität von East Anglia/Britischem Meteorologischem Dienst (HadCRUT), und NOAA 2014 als das wärmste Jahr seit Beginn der regelmäßigen Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert ausweisen.Wie bereits in meiner urprünglichen Anfrage ausgeführt, sind die entsprechenden Institutionen hier jedoch selber sehr viel vorsichtiger.

NASA & NOAA: Der Leiter des GISS-Temperatursystems Gavin Schmidt räumte am 18. Januar 2015 ein, dass der Rekord keineswegs gesichert ist. Man sei sich nur zu 38% sicher, dass es zum Rekord gekommen ist. Aus statistischer Sicht sei es wahrscheinlicher – nämlich zu 62% – dass es keinen neuen globalen Temperaturrekord 2014 gegeben hat. Schmidt reagierte damit auf die von Ihnen verlinkte NOAA-Meldung, die insofern überholt ist.

HadCRUT: Das Britische MetOffice formulierte von vorneherein viel vorsichtiger. In einer Pressemitteilung vom 26. Januar 2015 schrieb der Britische Wetterdienst:

http://www.metoffice.gov.uk/news/release/archive/2015/2014-global-temperature

Der HadCRUT4-Datensatz (zusammengestellt vom UK Met.-Office und der Universität von East Anglia) zeigt, dass das vorige Jahr um 0,56°C (±0.1°C) über dem vieljährigen Mittel lag (1961 bis 1990). Nominell rangiert das Jahr 2014 unter den wärmsten Jahren des Datensatzes mit dem gleichen Mittelwert wie 2010, aber die Unsicherheits-Bandbreiten bedeuten, dass es nicht möglich ist zu sagen, welches der vielen letzten Jahre das wirklich wärmste war.

In diesem Kontext ist auch eine am 23. Januar 2015 erschiene Zusatzerklärung von Associated Press zu sehen, in der die Unsicherheit bei der Wärmerekord-Zuteilung eingeräumt wird:

http://bigstory.ap.org/article/d7375a310ef6475c9841accc756c4ba4/heat-noaa-nasa-say-2014-warmest-year-record

In unserem Beitrag weisen wir auch darauf hin, dass der NOAA und der NASA zufolge 2014 das wärmste Jahr jemals war. Dabei wird aber nicht der Unzulänglichkeit Rechnung getragen, dass es in anderen Jahren ähnlich hohe Temperaturen gab – und sie alle innerhalb der Fehlerbandbreite, was die Sicherheit schmälert, dass irgendeines davon das wärmste jemals war. In einer früheren Version wurde die Klimawissenschaftlerin Jennifer Francis von der Rutgers University zitiert, die angemerkt hatte, dass die Fehlerbandbreite es fast unmöglich macht zu bestimmen, ob 2014 das wärmste, das zweit-, dritt- oder sechstwärmste Jahr war. Sie sagte, dass der Trend unabhängig davon eine „klare, konsistente und unumkehrbare“ Erwärmung der Erde zeigt. Dieser Hinweis auf die Fehlerbandbreite wurde in späteren Versionen weggelassen.

Auch die Temperaturexperten des BEST-Projekts der University of California in Berkely haben sich zu diesem Thema geäußert. Die Forscher stellen klar, dass es bei solch geringen Temperaturunterschieden statistisch gar nicht möglich ist, einen Spitzenreiter einwandfrei zu bestimmen. Im BEST-Newsletter vom 14. Januar 2015 schreiben die Forscher:

http://static.berkeleyearth.org/memos/Global-Warming-2014-Berkeley-Earth-Newsletter.pdf

Numerisch lautet unsere Best Estimate der globalen Temperatur 2014, dass sie geringfügig über dem bislang wärmsten Jahr 2010 lag (um 0,01°C), doch beträgt die Fehlerbandbreite 0,05°C. Daher ist es unmöglich, aufgrund unserer Analyse zu sagen, welches der Jahre 2014, 2010 oder 2005 wirklich das wärmste jemals war. Die von uns erreichte Fehlerbandbreite war bemerkenswert klein (0,05°C im 95%-Vertrauensintervall). Teilweise wurde dies erreicht durch die Einbeziehung von Daten von über 30.000 Temperatur-Messstationen und durch die Verwendung optimierter statistischer Verfahren. Das ist natürlich ein Hinweis darauf, dass sich die Temperatur der Erde im vergangenen Jahrzehnt nur sehr wenig verändert hat. Man beachte, dass die zehn wärmsten Jahre alle seit 1998 aufgetreten sind.

Im Lichte dieser starken Einschränkungen wird es schwierig sein, das Jahr 2014 als klares Wärmerekordjahr aufrechtzuerhalten.

AUSSAGE 3:

“Extreme Wetterereignisse häufen sich”

Aus dem Kontext erschien mir diese Aussage auf Deutschland bezogen zu sein, insbesondere weil es in der Folge um Anpassungsbemühungen in Deutschland geht. Aber gerne können wir auf Europa erweitern. In Ihrer Antwort sprechen Sie “extreme Wettereignisse in Form von Starkregenereignissen, Tornados und Gewitterstürmen” an. Laut dem neuesten Klimabericht des Umweltbundesamtes (UBA) kann in Deutschland bislang noch kein statistisch gesicherter Anstieg extremer Niederschläge oder von Trockenperioden verzeichnet werden.

http://www.umweltbundesamt.de/publikationen/monitoringbericht-2015

Ähnlich sieht es bei den Winterstürmen in Deutschland aus, die laut Helmholtz-Zentrum Geesthacht noch nicht vom anthropogenen Klimawandel beeiflusst sind.

https://idw-online.de/de/news606456

In Punkto Tornados gibt es aus Europa wenig Literatur. In den USA ist die Lage jedoch besser bekannt. Hier hat die Anzahl der Tornados in den letzten Jahrzehnten trotz Klimaerwärmung signifikant abgenommen.

http://www.kaltesonne.de/die-grose-tornadoflaute-kein-zusammenhang-zwischen-klimawandel-und-tornadohaufigkeit/

Mir ist zudem keine begutachtete wissenschaftliche Arbeit bekannt, die eine langfristige Zunahme von Gewitterstürmen belegen würde.

Sie fürchten weiter, dass hochwasserfördernde Vb-Wetterlagen häufiger werden könnten. Diese Prognose wird in der Fachwelt nicht unbedingt geteilt. Eine Forschergruppe um Katrin Nissen von der Freien Universität Berlin hatte im April 2012 auf einer Tagung der European Geosciences Union eine Prognose zur weiteren Entwicklung von Vb-Wetterlagen vorgestellt. Dabei fanden Nissen und Kollegen, dass bestehende Klimamodelle die Häufigkeit von Vb-Wetterlagen um das doppelte bis dreifache überschätzen. Zudem sagten die Forscher eine Abnahme der Häufigkeit dieses Phänomens vorher.

http://adsabs.harvard.edu/abs/2012EGUGA..14.7040N

Die überaus vorsichtigen Aussagen des IPCC AR5 zur Extremwetterentwicklung hatte ich bereits in der Diskussion zu Punkt 1 erwähnt. Eine Zunahme der Hitzewellen ist durchaus realistisch. Hier fehlt mir jedoch der Vergleich zur vergangenen (natürlichen) Wärmeperiode vor 1000 Jahren, der Mittelalterlichen Wärmeperiode, als es in Deutschland/Europa bereits schon einmal so warm war wie heute. Es ist davon auszugehen, dass es damals mindestens ähnlich viele Hitzewellen gegeben hat.

Sie beschreiben eine Zunahme der Starkniederschläge für Europa, Nordmerika und Südamerika. Mir ist nicht klar, auf welcher Grundlage diese Trends identifiziert wurden. Die mir bekannten Detailstudien können diese Trends nicht nachvollziehen.

Deutschland: UBA-Studie (siehe oben)

Alpen: http://www.kaltesonne.de/monaco/

Italien: http://www.kaltesonne.de/kein-anstieg-der-extremen-niederschlage-in-norditalien-wahrend-der-vergangenen-90-jahre/

Spanien: http://www.kaltesonne.de/analyse-der-hochwasser-in-spanien-ergibt-keinen-trend-fur-die-letzten-40-jahre/

Zudem sind hier zyklische Elemente in der Vergangenheit gerne übersehen worden:

Südamerika: http://www.kaltesonne.de/sonnenaktivitat-steuerte-den-sudamerikanischen-monsunregen-wahrend-der-letzten-1500-jahre/

Brasilien: http://www.kaltesonne.de/forscherteam-findet-tausendjahrige-bond-klimazyklen-vor-der-kuste-brasiliens/

Nordamerika: http://www.kaltesonne.de/millenniumszyklen-vor-florida-neue-arbeit-dokumentiert-bedeutenden-einfluss-der-sonne-auf-das-klima-vor-7000-jahren/

Studien postulieren sogar eine zukünftige Abnahme extremer Hochwässer:

Europa: http://www.kaltesonne.de/neue-begutachtete-studie-in-nature-climate-change-klimawandel-lasst-hochwasser-in-europe-wohl-seltener-werden/

Schweiz: http://www.kaltesonne.de/neue-schweizerische-studien-kunftig-weniger-hochwasser-in-den-zentralalpen-sonnenaktvitat-ubt-signifikanten-einfluss-aus/

AUSSAGE 4:

Einschubbox Extremwetter

Ich bleibe dabei, dass die Einschubbox mit Aufzählung einiger Extremwettereignisse ohne die Kenntnis von Langzeittrends irrelevant ist. Derartige Aufstellungen lassen sich für jedes beliebige Jahr erstellen und können daher nicht als Beleg für Irgendetwas dienen. Natürlich gibt es bereits Erkenntnisse zu bestimmten Langzeittrends, nämlich mithilfe geologischer Methoden. Diese Trends zeigen in der Regel an, dass die heutige Entwicklung den Bereich der natürlichen Schwankungsbreite noch nicht verlassen hat.

AUSSAGE 5:

Kosten für Extremwetterereignisse

Sie beschränken sich an dieser Stelle auf allgemeine Ausführungen. Daher halte ich als Ergebnis fest:

Wissenschaftliche Facharbeiten zeigen, dass der beobachtete Anstieg der globalen Extremwetterversicherungsschäden fast vollständig auf sozioökonomischen Gründen basiert.

http://www.kaltesonne.de/neue-arbeit-von-roger-pielke-jr-anstieg-der-globalen-extremwetterversicherungsschaden-basiert-fast-vollstandig-auf-soziookonomischen-grunden/

http://www.kaltesonne.de/news-xx2-3/ (MunichRe: “Gründe für die starke Zunahme von Schäden durch Wetterkatastrophen [in Ostasien] sind vor allem soziökonomische Faktoren wie das weiterhin hohe Wirtschaftswachstum und der damit verbundene Anstieg an Werten in exponierten Gebieten”)

Eine Zunahme der Zyklone ist nicht zu beobachten.
http://www.kaltesonne.de/wer-hatte-das-gedacht-studien-konnen-keine-zunahme-der-tropischen-wirbelsturme-im-indischen-und-pazifischen-ozean-finden/

AUSSAGE 6:

Unwetterentwicklung

Hier gibt es für mich noch zu unterschiedliche regionale und zeitliche Entwicklungen, um einen generellen Anstieg zu vermuten. Man sollte zunächst natürliche, ggf. zyklische Entwicklungen besser verstehen, bevor voreilige Trends gemutmaßt werden. Siehe u.a. meinen Artikel “Studies of the past as the key to the future? Geological and historical reconstructions provide valuable support for future trend prediction of natural disasters” in Disaster Advances (Oktober 2013).

http://worldresearchjournals.com/disaseditorials/edtoct2013.pdf

Link: http://www.kaltesonne.de/um-antwort-wird-gebeten-kleine-anfrage-bei-der-deutschen-bundesregierung-zum-klimawandel/

Beitrag zuerst erschienen im Blog „die Kalte Sonne“. Übersetzung der englischen Passagen von Chris Frey EIKE




Vahrenholt Buch: AWI Forscher Lemke verheddert sich beim „Widerlegen“

In einem Interview auf der Presseseite des Bremerhavener  Alfred-Wegener-Instituts (AWI) kritisierte der IPCC-Mitautor Prof. Peter Lemke die Hauptthesen unseres Buches “Die kalte Sonne” und verteidigte die Sichtweisen des Weltklimarats. Bereits vor gut einem Jahr war Lemke mit einem Beitrag im Bremer Weser-Kurier (5.12.2010)  aufgefallen, wo er vor einem Meeresspiegelanstieg von einem Meter bis 2100 warnte.  Das ist jedoch deutlich mehr als im letzten IPCC-Bericht angegeben, wo nur ein Anstieg von 18 bis 59 cm vorhergesagt wurde. Auch sagte Lemke damals kurioserweise, dass der Klimawandel sogar schneller voranschreitet als noch vom IPCC-Bericht 2007 vorhergesagt. Das mutet schon ziemlich seltsam an, wo doch die globale Durchschnitts-Temperatur nunmehr seit 12 Jahren nicht mehr angestiegen ist, der IPCC-Bericht hingegen noch eine Erwärmung von knapp 2 Zehntel Grad pro Jahrzehnt postuliert hatte.

Da wundert es nicht, dass auch Lemkes Argumentation im aktuellen AWI-Interview zu den Thesen unseres Buches eklatante Schwächen aufweist. Hinsichtlich der Klimawirkung unserer Sonne berücksichtigt Lemke in guter IPCC-Manier lediglich Schwankungen der solaren Gesamtstrahlung. Diese sind in der Tat zu gering, als dass sie größere Klimaschwankungen bewirken könnten. Lemke ist sich sicher: ”[Die Sonne] erzeugt eine Temperaturveränderung von lediglich ein paar Hundertstel Grad und reicht demzufolge allein nicht aus, um die aktuellen Klimaschwankungen zu erklären. Aus diesem Grund sagt auch der IPCC-Bericht ganz deutlich, dass die natürlichen Schwankungen der Sonne nur etwa fünf Prozent der Temperaturänderung ausmachen.” Leider versäumt Lemke zu erwähnen, dass mit dieser schwachen Klimawirkung der IPCC-Sonne die geologisch gut dokumentierten, sonnensynchronen Temperaturschwankungen der letzten 10.000 Jahre nicht erklärt werden können (siehe S. 68-75 in “Die kalte Sonne”). Darauf hatte auch der Heidelberger Prof. Augusto Mangini vor einigen Jahren bereits ausdrücklich hingewiesen und bekam von den IPCC-Vertretern keine zufriedenstellende Antwort.

Offensichtlich bedarf es eines Solarverstärkers um die klimatischen Millenniumszyklen der letzten Jahrtausende im Modell nachbilden zu können. Hier sind derzeit in der Forschung Prozesse über die UV-Strahlung als auch über die kosmische Strahlung bzw. Wolkenbedeckung im Gespräch. Auf beide Prozesse gibt es mittlerweile eine Vielzahl von hochinteressanten Hinweisen (siehe Kapitel 6 in “Die kalte Sonne”). Der Interviewer fragt also Lemke, ob er den Solarverstärker über die kosmische Strahlung für möglich hält. Lemke streitet, wie nicht anders zu erwarten, vehement ab: “Die [kosmischen] Teilchen … sind viel zu klein, um als Kondensationskerne für Wolken zu dienen. Abgesehen davon befindet sich in der Atmosphäre so viel Dreck und Staub – schauen Sie sich nur mal an, welche Staubfahnen von der Sahara nach Brasilien getragen werden und den Ozean mit Eisen düngen. Bei so viel Schmutz und Dreck spielen diese zusätzlichen und sehr kleinen Teilchen für die Wolkenbildung überhaupt keine Rolle.” Offensichtlich hat sich der Bremerhavener Professor schon länger nicht mehr mit der Materie beschäftigt. Sonst wären ihm die beeindruckenden Resultate der sogenannten Forbush Ereignisse geläufig gewesen. Hierbei führt ein starker Ausbruch auf der Sonne zu einer abrupten Abschwächung der kosmischen Strahlung auf der Erde. Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wolkenbedeckung nach diesen kosmischen Strahlungsflauten messbar abnimmt. Dies deutet an, dass die kosmische Strahlung, anders als Lemke es darstellt, sehr wohl eine wichtige Rolle für die Bildung tiefer Wolken spielt (siehe “Die kalte Sonne” Seite 215ff und 258). Hier kann es aufgrund von konkurrierenden Aerosolen durchaus regionale Unterschiede geben, wobei in polaren Gebieten oder mittleren Breiten andere Voraussetzungen herrschen als z.B. in den Tropen.

Ebenfalls im Interview zu Wort kommt Prof. Meinhard Schulz-Baldes, Koordinator der Klimastadt Bremerhaven. (Würde die Stadt eigentlich diesen Titel wieder verlieren, falls die Klimakatastrophe  nun doch nicht eintritt?) Bei der Erklärung des Treibhauseffektes versucht Schulz-Bades mit hohen Prozent-Zahlen zu punkten: “Das Problem jedoch ist, dass sich die Zusammensetzung dieser Gase in den vergangenen 100 Jahren sehr dramatisch verändert hat. Der Kohlendioxidgehalt der Luft hat im Zeitraum von 1750 bis 2010 um 35 Prozent zugenommen. Aufgrund dieser Beobachtung weiß man auch, dass die Zunahme der Gase ganz wesentlich die Temperatur auf unserer Erde mitbestimmt.” Schulz-Baldes wirft hier die Zahl 35% in die Diskussion. Wenn er gewollt hätte, hätte er es auch anders ausdrücken können, nämlich dass sich die CO2-Konzentration der Erdatmosphäre in den vergangenen 250 Jahren von 0,028 auf 0,039%  erhöht hat. Seltsam, denn sein Kollege Lemke hatte sich doch gerade zuvor beim Thema Sonne mit genau solch kleinen Zahlen beschäftigt und damit begründet, dass der Einfluss der Sonne minimal sei, weil sich sie Strahlung nur um “gerade mal drei Zehntelpromille” ändern würde. In Punkto kleine Zahlen spielen CO2 und Sonne absolut in der gleichen Liga. Aber zurück zum Thema. Entscheidend sind hier nicht die kleinen Zahlen, sondern die Klimawirksamkeit. Die Klimasensitivität des CO2 ohne noch immer schlecht verstandene Wasserdampf- und Wolken-Verstärkerprozesse beträgt erträgliche 1,1°C pro CO2-Verdopplung. Das hätte Schulz-Baldes gerne einmal erwähnen dürfen. Erst die Berücksichtigung der positiven “Feedbacks” führt dann zu den besorgniserregenden Erwärmungswerten von bis zu 4,5°C pro CO2-Verdopplung. Dem CO2 wird der Verstärker trotz magerere Beweislage gegönnt, der Sonne wird er trotz guter Indizien abgesprochen. Nicht gerade sehr fair, lieber Weltklimarat.  

Dann übernimmt Lemke wieder die Diskussion. Er wird gefragt, ob die Erderwärmung zum Stillstand gekommen sei. Wissenschaftlich korrekt wäre die Antwort gewesen: Die Temperaturen sind in der Tat seit 2000 nicht weiter angestiegen. Bei Betrachtung des 30-jährigen Klimatrends geht der Trend jedoch immer noch nach oben. Aber diese Differenzierung würde sich nicht gut in der Öffentlichkeit machen. Also entschied sich Lemke nebulös zu antworten: “Nein, überhaupt nicht. Wenn man sich die globalen Jahrestemperaturdaten ansieht, erkennt man, dass wir seit dem Jahr 1978 kein normales Jahr mehr hatten. Normal hieße, dass die Jahresdurchschnittstemperatur den Mittelwert der Jahre 1950 bis 1980 angenommen hätte.” Das ist schon ein starkes Stück. Er wird gefragt, ob der Temperaturanstieg (vorerst) gestoppt sei, was fast alle seine Kollegen bestätigen würden (z.B. Kaufmann et al 2011 oder Prof. Ottmar Edenhofer; selbst der Hamburger Klimaforscher Prof. Jochem Marotzke hat es gerade noch einmal in einem Interview mit der taz, Ausgabe 9. Februar 2012, bestätigt). Aber Lemke weist lieber auf das letzte Temperaturplateau hin, das vermutlich durch die abfallende Pazifisch Dekadische Oszillation/PDO sowie zum Teil den sehr schwachen 20. Sonnenzyklus um 1970 verursacht wurde (siehe S. 110-114 in “Die kalte Sonne”). Die ihm gestellte Frage jedoch hat Lemke damit nicht beantwortet.   

Dann nutzt Lemke die Gelegenheit, seinen Weltklimarat kräftig zu loben: „Diese Abgesandten aus 195 Nationen haben der Wissenschaft den Auftrag gegeben, alle sechs Jahre einen Bericht zum Klima zu schreiben – und sie bestimmen auch, welche Wissenschaftler die Funktion der Leit-Koordinatoren für jedes einzelne Kapitel übernehmen. Diese Personen werden anhand wissenschaftlicher Kriterien ausgewählt und gehören sicherlich zu den besten Experten in Sachen Umweltwissenschaften, die diese Welt hervorgebracht hat.” Schön wär’s. Glücklicherweise hat die kanadische Journalistin kürzlich in ihrem Buch “The delinquent Teenager who was mistaken for the world’s top climate expert” genau diesen Sachverhalt überprüft und eine Vielzahl von Interessenkonflikten identifiziert. In zwei Dritteln der 44 Kapitel des letzten IPCC-Klimaberichts arbeitete mindestens ein mit dem WWF verbandelter Wissenschaftler als Autor mit. In der sogenannten Arbeitsgruppe 2 war sogar an allen Kapiteln mindestens ein WWF-Autor dabei. Ein Drittel aller Kapitel des 2007er IPCC-Berichts wurde durch WWF-affiliierte Forscher geleitet. Drei Kapitel wurden sogar gleich von zwei WWF-Anhängern als koordinierende Leitautoren kontrolliert. Auch fand Laframboise, dass gleich vier der Leitautoren der letzten IPCC-Berichte gerade erst das College absolviert hatten. Einer der Leitautoren des Berichts von 2001 war ein Praktikant der Münchener Rückversicherung, der noch nicht einmal einen Masters/Diplom-Abschluss hatte, als er seine IPCC-Rolle ausübte. Seinen Doktortitel erhielt er sogar erst 10 Jahre später. Einer der Leitautoren des 1994er Berichts hatte seinen Masters gerade erst zwei Jahre abgeschlossen und veröffentlichte seine allererste Publikation erst 1995. Eine australische IPCC-Mitarbeiterin war Assistenz-Autor im Bericht von 2001 und Leitautor im letzten Bericht von 2007. Ihre Promotion jedoch schloss sie erst 2009 ab.  Der Niederländer und heutige Geographie-Professor Richard Klein war Leitautor bei sechs IPCC-Berichten und wurde 1997 zum koordinierenden Leitautor befördert als er erst 28 Jahre alt war. Seinen Doktortitel erhielt er jedoch erst 6 Jahre später. Zu guter Letzt sollte man sich auch fragen, wie viele der von Lemke zitierten 195 Länder wirklich über eine solide klimawissenschaftliche Expertise verfügen, um das richtige Personal für die IPCC-Berichte auszuwählen. Vermutlich nur ein, zwei Dutzend. Ein Großteil der Drittwelt-Länder erhofft sich hohe Klimaschaden-Transferzahlungen aus der ersten Welt. Je größer das Schreckenszenario, desto höher vermutlich die Zahlungen. Ist in einem solchen Kontext überhaupt mit einer rein wissenschaftlichen Auswahl zu rechnen?

Die Kritik von Prof. Lemke ist insgesamt schwach und wenig stichhaltig. Sie geht auf die wichtigsten Argumente unseres Buches “Die kalte Sonne” gar nicht ein. Zu empfehlen wäre dem Alfred-Wegener-Institut ein kleines Peer-Review der von Lemke im Interview vorgebrachten Argumente.

Dr. Sebastian Lüning;

zuerst erschienen auf bei "Die kalte Sonne"