Die deutsche ,Energiewende’* – schließlich doch einen Schritt zu weit?
[*Die Original-Überschrift lautet: The German ‚Energiewende‘ – finally One Step too Far? Auch im Originalbeitrag taucht dieses Wort immer wieder auf. Vielleicht wird daraus im angelsächsischen Sprachraum ein ,Germanizismus‘ wie etwa das Wort ,kindergarten‘. Anm. d. Übers.]
Bild rechts: Dampf steigt aus den Kühltürmen des Kohlekraftwerkes Mehrum in Hämelerwald am 10. März 2015 nahe der Ortschaft Sehnde. Energieerzeugung aus konventionellen Ressourcen wurde immer weniger profitabel mit der Ausweitung der Energieerzeugung mittels Erneuerbarer in Deutschland während des vorigen Jahrzehnts. RWE, einer der größten Versorger Deutschlands, warnte vor bevorstehenden Arbeitsplatzverlusten infolge der finanziellen Verluste aus der konventionellen Energieerzeugung. Das Kraftwerk Mehrum gehört mehrheitlich der Stadtwerke Hannover AG (Bild: Liza Litsch / pixelio.de)
E.ON und seine Partner verkündeten, dass man der Bundesnetzagentur (BnetzA) einen Antrag zugestellt habe, das Kraftwerk mit Wirkung ab dem 1. April 2016 vom Netz zu nehmen. Auf dem Blog German Energy werden die Gründe für den Zeitpunkt im Jahre 2016 erläutert und warum der deutsche Gesetzgeber informiert werden muss: „Die Kraftwerke werden betrieben unter einem Vertrag, der von der BnetzA im Jahre 2013 vermittelt worden ist (hier), welche die Kosten klassifiziert hinsichtlich der Frage, ob die Turbinen laufen, um Handelsstrom zu erzeugen, oder ob sie vom Netzwerk-Betreiber (TenneT) versendet [dispatched] werden“. Im Jahre 2014 haben Irsching 4 und 5 gar keinen Handelsstrom geliefert und wurden nur angefahren, als man sie brauchte zur Stabilisierung des Netzwerkes in Süddeutschland als Reaktion auf vorübergehende Fluktuationen (von Erneuerbaren). Wenn der Vertrag mit dem Netzwerk-Betreiber ausläuft, müssten die beiden CCGTs alle ihre Kosten mit dem Verkauf von Handelsstrom decken.
Wie genau lautet also die Entscheidung der Bundesnetzagentur hinsichtlich der Schließung des Gaskraftwerkes Irsching? Es wird ein grundlegender Testfall hinsichtlich des zukünftigen Weges der Energiewende. Der Gesetzgeber kann die Schließung unter bestimmten Bedingungen verbieten. Es steht ein interessanter Showdown bevor, weil die Versorger für diesen Fall juristisch auf dem Wege der Klage dagegen vorgehen wollen. Dr. Matthias Lang und Annette Lang vom German Energy Blog umreißen hier die relevanten juristischen Maßnahmen und erklären, dass ein Kraftwerk als ,systemrelevant‘ eingestuft wird, falls es eine hinreichend große Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass eine permanente Schließung zu einer substantiellen Gefahr für die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Stromversorgungssystems führt, der nicht mit anderen geeigneten Maßnahmen begegnet werden kann“.
Das Kraftwerk befindet sich bei Ingolstadt – bekannt durch den deutschen Autobauer AUDI – in Bayern. Allgemein erstreckt sich diese nördliche Region von Bayern bis zu der Industriestadt Schweinfurt und ist bekannt für seine Schwerindustrie (hier). Der Knackpunkt hier ist, dass das Haupt-Kernkraftwerk in der Region, das von E.ON betriebene AKW Grafenrheinfeld Ende Mai 2015 vom Netz gehen soll (hier). Folglich kann es sich weder die deutsche Regierung noch dieses industrialisierte Gebiet leisten – falls der gesunde Menschenverstand noch etwas gilt – zwei unabdingbare Stromquellen innerhalb eines Jahres zu verlieren – vor allem, wenn der erforderliche Netzausbau aus dem Norden (Nordsee-Offshore-Wind) nach Süden (Grafenrheinfeld) tief in politischen Kontroversen steckt hinsichtlich der Auswirkungen auf die Umwelt, der geplanten Strecke und der Kosten. Dies alles wird den Ausbau sehr verlangsamen, falls er überhaupt kommt.
„Im Wesentlichen kann man sehen, dass besonders die großen Nord-Süd-Überlandleitungen, die im Federal Requirements Plan Act [deutsche Bezeichnung?] bereits berücksichtigt sind, immer noch erforderlich sind und dringend gebraucht werden, um die Energienachfrage decken zu können. Diese Notwendigkeit ist wiederholt klar benannt worden in den Ergebnissen der Bundesnetzagentur“, sagte Jochen Homann, Präsident der Agentur. Obwohl sogar die Ausweitung des Netzes eine „geeignete Maßnahme“ dafür wäre, wird die Realisierung des Projektes noch sehr lange auf sich warten lassen, und die Frage, wer am Ende die ganzen Kosten trägt, ist noch nicht ausreichend beantwortet.
All dies kommt auch zu einer kritischen Zeit, befindet sich doch die Bundesregierung gerade im Prozess eines Gesetzentwurfes für einen neue Energiemarktstruktur vor dem Gipfel in Paris Ende dieses Jahres. Nach dem Ausstieg aus der Kernkraft als Folge von Fukushima bis zum Jahr 2022 denkt die Bundesregierung auch über den Ausschluss der Braunkohle nach – immer noch Deutschlands Top-Energiequelle ebenso wie der Top-Verschmutzer [?]. Wie Reuters berichtet, schwebt der Bundesregierung ein Energiemarkt vor mit einer zweckgebundenen „Kapazitäts-Reserve“. Reuters zufolge möchte „Deutschland Stromausfällen begegnen mit etwa acht neuen Kraftwerken und ohne die generösen Zuschüsse, auf die die Unternehmen gehofft hatten. – Im Zuge dieses Planes würden die diese Kapazität anbietenden Unternehmen Eigentümer der Kraftwerke bleiben, die jedoch nur in Notfällen betrieben werden könnten und nicht, um den Markt wie im Normalfall zu beliefern. Sie würden eine Standby-Pauschale erhalten, die von den Verbrauchern erhoben wird“. Soweit Reuters. Offensichtlich ist diese Energiemarktstruktur weit entfernt von einem ,Kapazitätsmarkt‘, welcher sicherstellen würde, dass moderne Gaskraftwerke – die ,Brückentechnologie‘ in der Terminologie vom Klimawandel – profitabel betrieben werden können, selbst wenn der Anteil der Erneuerbaren weiter steigt.
Die folgenden Graphiken illustrieren, warum die neue deutsche Energiemarktstruktur wahrscheinlich einen ,Kapazitätsmarkt‘ enthalten würde, finanziert von der Öffentlichkeit/den Stromverbrauchern, um die Stand-By-Reserve moderner Gas- und Kohlekraftwerke zu kompensieren, sowohl heimisch als auch in einem integrierten Energiemarkt auf europäischer Ebene. Hier muss der ,Merit-Order-Effekt‘ ausgeschaltet werden. Dieser Effekt bildet „den Abwärtsdruck auf Preise, wenn erneuerbaren Energiequellen Strom ins Netz einspeisen“ (hier).
Der ,Merit-Order-Effekt‘ auf Strompreise in Zeiten hoher und niedriger Einspeisung von erneuerbaren Energiequellen:
Quelle: Clean Energy Wire
Ein Energiemarkt der Zukunft in Deutschland ohne Kernkraft und deutlich reduzierter Kohlekraft-Kapazität – beides aufgrund der Regierungspläne – und obendrein mit der Schließung moderner Gaskraftwerke – eine unbeabsichtigte Konsequenz der zunehmenden Integration erneuerbarer Energie – könnte zu etwas führen, was an den „Morgenthau-Plan“ erinnert. Außer in diesem Szenario würde die Zerstörung Deutschlands durch die Bundesregierung höchstselbst via den deutschen Energiesektor implementiert. Daher achte man auf seine nächsten Schritte…
Link zum Original: http://breakingenergy.com/2015/05/11/the-german-energiewende-finally-one-step-too-far/
Übersetzt mit schriftlicher Erlaubnis von breakingenergy.com von Chris Frey EIKE