Zwangsbewirtschaftungen und die Energiewende

Aus der Kriegswirtschaft zur Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges kennt man einige Verfahren, die zur Herstellung von Gütern oder Rohstoffen verwendet wurden, weil auf Grund der besonderen Situation im Krieg nicht genügend für alle vorhanden war. Man versuchte Ersatz, Substitute, zu schaffen. Und wo das nicht ging, musste man eben verzichten, vor allem im zivilen Leben; die Bedürfnisse des militärischen Sektors hatte Vorrang. Ressourcen wurden alloziert, zugewiesen, verteilt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Ressourcenallokation, die nicht nur in Zeiten der Krise oder des Krieges notwendig ist, sondern allgegenwärtig.⁽¹⁾
Im Normalfall sorgen Marktmechanismen für die Verteilung. Eine Ressourcenproblematik entsteht erst durch politische oder militärische Konflikte, da unter diesen Umständen davon ausgegangen wird, dass die Marktwirtschaft versagt. Konflikte oder Krisen erzeugen Knappheiten, die im Zuge der Knappheitsbewältigung wieder neue Konflikte hervorrufen. In einem Tagungsbericht vom 49. Historikertag in Mainz heißt es dazu:⁽²⁾

In der Folge lassen ihre Lösungsversuche wiederum neue Konfliktfelder entstehen, und zwar sowohl dort, wo sie (scheinbar) erfolgreich waren als auch dort, wo das Versprechen einer Aufhebung der Ressourcenproblematik uneingelöst blieb.

Es zeigte sich, dass Wirtschaft und Gesellschaft unterschiedlich auf die Kriege vorbereitet wurden. Im ersten Weltkrieg hat es praktisch keine Strategie gegeben um knappe Güter und Ressourcen durch andere ersetzen zu können. Die technikwissenschaftliche Forschung sei erst nach Kriegsbeginn zur Entwicklung von Ersatzstoffen mobilisiert worden, für eine Umsetzung in die Praxis fehlte die Zeit und die Ressourcen um praktikable Lösungen zu entwickeln. Im zweiten Weltkrieg gelang die Umstellung ein wenig besser, da schon vor Kriegsbeginn im Rahmen eines Vierjahresplanes mit der gezielten Forschung von Ersatzstoffen begonnen wurde und es dadurch eine Reihe von Produkten gab die es bis zur Alltagstauglichkeit schafften. Als die kriegsbedingte Zwangsbewirtschaftung beendet wurde, konnten sich aber nur die wenigsten dieser Innovationen behaupten. In der Friedenswirtschaft erwiesen sie sich als unpraktikabel.

Am Beispiel der Siemens-Schuckertwerke führte Luxbacher aus, das nur zehn Prozent der Ersatzstoffprojekte auch als in der Friedenswirtschaft verwendungsfähig eingestuft worden seien. Ein ganz ähnliches Bild zeige die Ersatzstoffwirtschaft des Zweiten Weltkrieges, auch wenn die Materialforschung zu diesem Zeitpunkt bereits weiter entwickelt gewesen und die Umstellung in der Bewirtschaftung mit größerem Vorlauf erfolgt sei.

Heute haben wir zwar keinen Krieg, doch eine Krise rund um Ressourcen schon. Nehmen wir als Beispiel die fossilen Brennstoffe, die zwar nicht knapp sind, es in absehbarer Zeit auch nicht werden, aber dennoch alloziert werden sollen. Als Grund wird die angenommene Aufnahmefähigkeitgrenze der Ressource Atmosphäre genannt. Mit den Mitteln der Zwangsbewitschaftung sollen die Voraussetzungen geschaffen werden diese angenommene Knappheit überwinden zu können. Ob diese Knappheit eine reelle ist, oder nur eine angenommene, spielt bei dieser Betrachtung hier keine Rolle.
Zwangsbewirtschaftung kennen wir natürlich auch in Friedenszeiten, vor allem aus der sozialistischen Plan- oder Zentralwirtschaft, bei der der Preismechanismus als Knappheitsindikator außer Kraft gesetzt wurde, was sich aber nur sehr bedingt innerhalb des Systems durchsetzten ließ, und nur dort. Auf weltwirtschaftlicher Ebene mussten sich diese aus diesem System hervorgehenden Produkte dem marktwirtschaftlichen Preismechanismus stellen. In diesem Wettstreit wurde klar, was wir auch an Hand der Kriegsbewirtschaftung sehen, dass nur ein sehr geringer Anteil der entwickelten Lösungen marktfähig waren und nach Zusammenbruch des Systems kaum noch eine Rolle spielten.⁽³⁾ Wahrscheinlich war der Anteil der verwertungsfähigen Produkte und Innovationen auch nur so um die zehn Prozent, wie oben angeführt.
Zwangsbewirtschaftung, das zeigen die Erfahrungen aus der Vergangenheit, führen also nicht in nennenswertem Umfang zu Innovationen, Produkten oder Substituten welche sich am Markt behaupten können. Nur in abgeschotteten Wirtschaftsbereichen, wie sie im Krieg oder in der Planwirtschaft entstehen, können sie sich behaupten und tragen nur sehr selten zur Lösung von Problemen bei. Vielmehr entstehen bei diesen Problemlösungsversuchen neue Probleme welche die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Vor allem am Beispiel »Zweiter Weltkrieg« wird aber ein Aspekt deutlich, dessen positive Auswirkungen oftmals fehl gedeutet werden. Zum Ende des Krieges hatte „die durch die von NS-Deutschland forcierte Ersatzstoffforschung zur Folge, dass die deutsche Metallforschung eine internationale Spitzenstellung inne hatte.“⁽⁴⁾ Diesen positiven Wissensvorsprung konnte man aber erst nutzen, als die Zwangsbewirtschaftung nicht mehr wirksam war.⁽⁵⁾
Kommen wir nun zur Energiewende, welche ihrem Wesen nach ebenfalls eine Zwangsbewirtschaftung darstellt. Grundannahme ist, dass die Ressource Atmosphäre an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit gekommen ist, oder demnächst kommt. Ob diese Annahme stimmt oder nicht ist erst mal egal, wie weiter oben schon angeführt ist. Die Frage ist, was will man mit dem Konzept der Energiewende erreichen. Klimaschutz ist nur im globalen Maßstab möglich, also muss es andere Gründe geben, die aber bislang eher wenig in der Öffentlichkeit angesprochen wurden. Der gewichtigste ist, dass Techniken zur Marktreife gebracht werden sollen und von denen erhofft wird, dass diese ein großer Exporterfolg werden. So berichtet Peter Heller im Science-Skeptical-Blog von einem Vortrag Klaus Töpfers am 17. Oktober 2012:⁽⁶⁾

Man habe sich schlicht eine Welt vor Augen geführt, in der bald neun Milliarden Menschen leben. Neun Milliarden mit einem wachsenden Energiehunger. Dann habe man sich gefragt, welche Technologien denn Deutschland exportieren könne, um diesen Bedarf zu stillen. Und die Kernenergie habe man eben ausgeschlossen. Sie sei für ein Entwicklungsland schlicht zu teuer und zu kompliziert.
[…
Nein, die Energiewende ist eigentlich ein Auftrag an die deutsche Industrie, die Technologien zu entwickeln, an deren zukünftiges weltweites Wachstum die Politik glaubt.

Öffentlich wird oft einer gewünschten Vorreiterrolle Deutschlands gesprochen, nur die Deutschen könnten zeigen wie es geht. Oder: „Wenn es Deutschland nicht schafft, dann schafft es niemand.“ Was auch heißen könnte: „Wenn wir es schaffen haben wir einen erheblichen Vorteil und Vorsprung auf den Weltmärkten.“ Ins gleich Horn blies auch Umweltminister Altmaier in einer Rede bei der Jungen Union Waldhessen, die gemeinsam mit der Fima Kirchner Solar Group (!), eingeladen hatte.⁽⁷⁾ Auch er geht wie Töpfer davon aus, dass der Energiehunger der Weltbevölkerung steigt und man in Zukunft nicht mehr in der Lage sein wird, diesen mit fossilen Energien zu stillen und da die Kernkraft zu unsicher sei, müsse man diese Bedürfnisse der aufstrebenden Nationen mit sogenannten Erneuerbaren Energien stillen. „Wenn wir es klug anstellen,“ so meint Altmaier, „wird die dafür notwendige Technik in Deutschland produziert und exportiert werden. Und weiter:

„Wir haben uns aus Eigeninteresse dafür entschieden die Kernkraftwerke nicht durch konventionelle Kraftwerke zu ersetzen“

Wenn wir das unterschiedliche Publikum berücksichtigen, vor dem diese Reden gehalten wurden, dann sind die Gemeinsamkeiten in den Argumentation schon verblüffend. Klimaschutz, Ressourcenproblematik – alles kalter Kaffee. In Wirklichkeit geht es darum sich bestmöglich im internationalem Wettbewerb zu positionieren, von dem man glaubt zu wissen, wie er denn in de Zukunft aussieht. Das ist einer der Hauptfehler bei diesem Denkansatz. Ein weiterer ist, vorzugaukeln, der Staat wüsste welche Technologien und Möglichkeiten in Zukunft vorhanden sind.
Ich bin nach der Rede Altmaiers ein wenig irritiert, weil mir nicht klar ist, was er eigentlich so richtig meint. Innerhalb weniger Minuten bringt er gleich zwei Beispiele, die sich aber in ihrer Logik widersprechen. Er sagt zum einen, man müse vorsichtig mit Masterplänen sein, man könne nicht alles im voraus regeln. Als Beispiel beschrieb er die Handys etwa um 1993 als: „Groß wie Brikett, schwer wie ein Brikett und dumm wie ein Brikett.“ Wenn man damals einen Masterplan entwickelt hätte, wie denn Handys für Jahr 2012 auszusehen hätten, nämlich: „Halb so groß wie ein Brikett, halb so schwer wie ein Brikett und halb so dumm wie Brikett,“ dann hätten wir heute nicht das was diese kleinen Dinger zu leisten im Stande sind. Mit diesem Beispiel hat er sehr Recht, um aber umgekehrt zu argumentieren, dass es auch für eine alte Frau es sich lohnen würde, ihr kleines Häuschen energetisch zu sanieren, statt ihr Geld zu vererben. Die Erben würden ja von der Investition profitieren und so auch Geld sparen.
Die alte Frau handelt klug wenn sie sagt, dass so wie es jetzt ist, für sie in Ordnung ist. Und dafür lieber das Geld vererbt, als ein energetisch saniertes Häuschen. Einfach weil sie nicht weiß welche Bedürfnisse unsere Nachkommen haben, und vor allem nicht, welche Möglichkeiten. Altmaier bevormundet mit seinem Vorschlag sowohl die gegenwärtige Generation, als auch die künftige. Die Entwicklung des Handy konnte ja auch nicht vorhergesehen werden, wie er anschaulich verdeutlichte. Aber heute weiß man natürlich was richtig ist. Welch eine Anmaßung.
Dieses beanspruchte Zukunftswissen ist auch solch ein Aspekt, der immer wieder in den Argumentationen der Neue Ineffiziente Energien (NIE)-Befürworter vorkommt. Weshalb auch so allergisch reagiert wird, wenn von einem Komplettumbau oder Abschaffung des EEG die Rede ist. Mit besonderen Argwohn wird nun Richtung Brüssel geschaut, denn die EU will Leitlinien für die NIE-Förderung einführen lassen.⁽⁸⁾ Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) kommentierte dies so:

„Ein funktionierender Energiebinnenmarkt ist von entscheidender Bedeutung für eine zukunftsfähige Energieversorgung in Europa. Deshalb müssen Wettbewerbsverzerrungen durch konsequente Anwendung der Binnenmarktregeln und Wettbewerbsvorschriften abgebaut werden. Dabei begrüße ich, dass sich die Kommission mit den Themen Versorgungssicherheit und Erneuerbare Energien befassen will, da wir für ein wirtschaftlich starkes Europa auch in diesen Bereichen ein markt- und wettbewerbsorientiertes Umfeld brauchen. ….“

Dies würde aber ein Ende der Zwangsbewirtschaftung nach derzeitigen Stil bedeuten. Wenn die NIE sich dem offenen Wettbewerb stellen müssen sind sie tot. Alles was im Rahmen dieses EEG geschehen ist, war nur unter dieser Zwangsbewirtschaftung möglich. So wie das im Krieg oder im Einflussbereich der ehemaligen Sowjetunion üblich war. Was von diesen Produkten und Technologien übrig blieb, nachdem die Rahmenbedingungen sich änderten, sieht man heute. Vielleicht 10%, so jedenfalls auf dem Historikertag in Mainz genannt. Es wird höchste Zeit zu erkennen, dass Zwangsbewirtschaftung nicht nur kaum etwas zur weiteren Entwicklung von Technologie, Produkten oder zur besseren Ressourcennutzung beiträgt, sondern auch noch dabei die Wirtschaftsbereiche schädigt, die nicht direkt von dieser Zwangsbewirtschaftung betroffen sind.
Autor Quentin Quencher; zuerst erschienen auf Glitzerwasser und Science Sceptical
Verweise / Erläuterungen:
(1) Ressourcenallokation ist die Zuordnung und Verteilung knapper Ressourcen wie Arbeit, Kapital, Boden und Rohstoffen zur Produktion von Gütern. Von der Frage der Allokation zu unterscheiden ist die Frage der Verteilung (Distribution) der produzierten Güter auf Individuen oder gesellschaftliche Gruppen.
[Wikipedia: Ressourcenallokation]
(2)Deutlich wurde aber, dass die Lösung von Ressourcenkonflikten nicht nur historische, sondern aktuelle Dimensionen besitzt, die zukünftige interdisziplinäre Forschungen als attraktiv erscheinen lassen.
[HT 2012: Ersatzstoffwirtschaft als innovative Lösungen für Ressourcenkonflikte im Ersten und Zweiten Weltkrieg?]
(3) Wenn heute der Marktanteil der »Ostprodukte« betrachtet wird, so täuscht dieser Anteil darüber hinweg, dass viele dieser Produkte nur noch den Markennahmen haben, aber im Prinzip nichts mehr gemeinsam mit dem ursprünlichen Produkt haben.
[Die Zeit: Ost-Produkte verlieren den DDR-Bonus]
[absatzwirtschaft.de: Marktforschung / Die neuen Bundeslaender / Ein Jahr danach]
[Welt.de: Diese Ostmarken haben sich im Westen behauptet]
(4)So unternahm HELMUT MAIER (Bochum) einen Vergleich der Ersatzstoffentwicklung der beiden Weltkriege am Beispiel von Zink. Als Ersatz für knappen Kupfer habe Zink in beiden Weltkriegen eine Verlängerung der Rohstoffdecke ermöglicht. Anfängliche Schwierigkeiten in der Anwendung hätten durch die technikwissenschaftliche Forschung gelöst werden können. …
[HT 2012: Ersatzstoffwirtschaft als innovative Lösungen für Ressourcenkonflikte im Ersten und Zweiten Weltkrieg?]
(5) In der Bundesrepublik Deutschland generierte in den 1950er Jahren der Wiederaufbau das „Wirtschaftswunder“. Namentlich hinterließ es einen tiefen und bleibenden positiven Eindruck, dass ab dem Montag nach der Währungsreform die Zwangsbewirtschaftung, ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg, praktisch aufgehoben wurde und Industrie und Einzelhandel sich vorbereitet hatten: Die Läden waren auf einmal voll.
[Wikipedia: Nachkriegszeit]
(6) Das ist, was Klaus Töpfer unter der Energiewende versteht. Nachhaltigkeitsideologie? Klimaschutz? Atomangst? Alles irgendwie dabei, aber eben nicht so wichtig. Nein, die Energiewende ist eigentlich ein Auftrag an die deutsche Industrie, die Technologien zu entwickeln, an deren zukünftiges weltweites Wachstum die Politik glaubt. Diese Töpfer-Wende bestimmte den Hauptteil seines Vortrages.
[Peter Heller: Die Töpfer-Wende]
(7) Am 13.11.2012 besuchte Peter Altmaier die Kirchner Solar Group in Alheim-Heinebach. Thema: Chancen und Herausforderungen der Energiewende in Deutschland. Die Rede wurde per Videostream im Netz übertragen und nun bei Youtube zu sehen.
[Youtube: Bundesumweltminister Peter Altmaier zu Besuch in Waldhessen]
(8) Er soll auf europäischer und nationaler Ebene den Verbrauchern die Nutzung der Vorteile, die aus der Energiemarktliberalisierung resultieren, weiter erleichtern. Zudem soll der Ausbau der Energieinfrastruktur beschleunigt und die Versorgungssicherheit durch europäische Regelungen gewährleistet werden. Die Kommission kündigte für 2013 an, Leitlinien zu einer Reform von Fördermechanismen und zur Förderung Erneuerbarer Energien vorzulegen.
[iwr.de: EU will 2013 Leitlinien für Reform bei EE-Förderung vorlegen]
Beitrag ebenfalls erschienen in Glitzerwasser
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Der Hype um den Ökostrom folgt dem Niedergang beim Klimawandel-Die fünf Rechentricks der Ökobranche nebst einem Kommentar

Unter dem Titel “So rechnet die Ökobranche die Energiewende schön” zeigt Autor Daniel Wetzel in der „Welt am Sonntag“ eine überaus interessante Auflistung. Ich empfehle allen, den Artikel in gesamter Länge zu lesen. Hier sind die fünf Punkte, mit deren Hilfe die Ökobranche jetzt versucht, den Schwarzen Peter für die Erhöhung der EEG-Umlage wahlweise an die Industrie oder an die Politik weiterzugeben. Wobei der fünfte Punkt eigentlich eine Rechtfertigung für die hohen Preise ist, weil ohne “Ökostrom” alles schließlich noch viel teurer werden würde.

Die Fünf Punkte in Auszügen:

1. Sündenbockindustrie

Die Kostenrelativierer behaupten, dass die Befreiung der Industrie von der EEG-Umlage verantwortlich für den teureren Ökostrom sei. Denn alle übrigen Verbraucher haben entsprechend höhere Kosten zu schultern. Die In dustrie entziehe sich der Finanzierung des “nationalen Gemeinschaftswerks” Energiewende.
Daran ist zwar richtig, dass viele Betriebe von der EEG-Umlage befreit sind, die dieses Privileg gar nicht nötig haben. Doch das macht aus der Industrie nicht den schlimmsten Kostentreiber der Energiewende. Allein die EEG-Umlage zur Förderung des Solarstroms ist mit 1,77 Cent pro Kilowattstunde dreimal so hoch wie die “besondere Ausgleichsregelung” der Industrie, die nur 0,6 Cent beträgt.

2. Höheres Angebot

Der Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE) kritisiert, in der Höhe der EEG-Umlage spiegele sich nicht wider, dass Ökostrom den Großhandelspreis für Elektrizität senkt.
Richtig daran ist, dass die Einspeisung von Ökostrom das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage an der Strombörse verschiebt: Wenn der Wind stark weht, verdrängt Ökostrom dank seines gesetzlichen Einspeisevorrangs den Strom etwa aus relativ teuren Gaskraftwerken vom Markt. Allerdings bewirkt dieser sogenannte Merit-Order-Effekt nur eine Preissenkung um rund 0,5 Cent pro Kilowattstunde (Es ist zudem festzuhalten, das der an der Strombörse angebotene Strom aus „Eneuerbaren“ zuvor schon von den Netzbetreibern mit vollem Satz nach EEG Umlage bezahlt wurde, die „Preissenkung“ bis hin zu „negativen Preisen“ d.h. Zuschuss des Anbieters für den „Käufer“ damit dieser den Strom abnimmt- senkt nicht den realen Preis, sondern erhöht ihn zusätzlich. Anmerkung von M.L.)   .
(…) unterschlagen wird stets, dass der Merit-Order-Effekt nur kurzfristig wirkt: Wenn dauerhaft die noch auf lange Sicht unverzichtbaren konventionellen Kraftwerke abgehängt werden, macht das – erneut umlagefinanzierte – Reservekraftwerke notwendig. Deren Kosten dürften die preisdämpfende Wirkung des Merit-Order-Effekts aufzehren.

3. Preistreiber Fiskus

Der eigentliche Preistreiber beim Strom sei der Staat, nicht der Ökostrom, wird argumentiert. Schließlich mache der Anteil von Steuern und Abgaben mehr als 45 Prozent am Strompreis aus.
Das Argument ist nicht ganz falsch, verschleiert aber, dass die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom der zweitgrößte staatlich veranlasste Preisbestandteil nach der Umsatzsteuer ist. Sie hatte 2011 einen Anteil von rund 14 Prozent am Strompreis.

4. Präzedenzfall Atom

Die Ökostromsubventionen werden oft mit dem Argument relativiert, Atom- und Kohlekraft hätten ebenfalls Staatsgelder bekommen. So rechnet etwa Greenpeace.
Das mag ja stimmen, nur bremst das Argument nicht die Kostenlawine durch erneuerbare Energien. Zudem werden bei den Subventionen für Atom- und Kohlestrom oft Summen zusammenfantasiert, die mit der Realität wenig zu tun haben. Eine Greenpeace-Studie zu den Staatsbeihilfen für die Atomkraft rechnete zum Beispiel auch die Gelder mit ein, mit denen sich Deutschland an der Sicherung der AKW-Ruine in Tschernobyl beteiligte.

5. Knappe Ressourcen

Stets wird argumentiert, es werde sich auszahlen, eigentlich unwirtschaftliche Ökostromquellen zu subventionieren, weil die Kosten für fossile Energieträger noch viel stärker steigen würden.
Dennoch bleibt fraglich, warum der Aufbau mit unausgereifter Technologie unter künstlichem Zeitdruck und Aufgabe aller marktwirtschaftlichen Prinzipien geschehen muss – obwohl er das Risiko der De-Industrialisierung mit dem sozialer Schieflagen kombiniert.
Dank neuer Fördertechniken und Funde sind in den vergangenen Jahrzehnten die bekannten Erdölreserven der Welt nicht geschrumpft, sondern größer geworden. Die Reichweite der Gasreserven wird auf knapp 500 Jahre geschätzt. Durch die Schiefergas-Revolution haben sich die USA sogar vom Importeur zum Exporteur von Erdgas gewandelt. Der US-Verbraucher zahlt seither vier Fünftel weniger für Strom und Gas als der deutsche. Für Zeitdruck in der Energiewende spricht das nicht.
Ein Punkt, der aus meiner Sicht in dieser Aufzählung fehlt ist eigentlich ein ganz zentraler. Und zwar der eigentliche Grund, warum im Jahr 2000 das “Gesetz zum Vorrang Erneuerbarer Energien” überhaupt eingeführt wurde.

Ziel des EEG: die Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung als zentrales Element für Klimaschutz/ Umweltschutz/ nachhaltige Entwicklung (…)

Erinnert sich noch jemand? Es ging damals vorrangig darum die Erde vor einem unmittelbar drohenden katastrophalen Klimawandel zu retten. Die Tatsache, dass dieser zentrale Aspekt in der aktuellen Debatte um das EEG so gut wie keine Rolle mehr zu spielen scheint, spricht für sich schon Bände. Das Thema Klimaschutz ist in der Politik, in den Medien und auch in der Gesellschaft höchstens noch eine Randerscheinung. Wobei zwei Faktoren eine Rolle spielen.
Der erste ist, dass nach über zehn Jahren medialen Dauerfeuers das Interesse am Klimawandel in der Bevölkerung und Medien deutlich nachgelassen hat. (Info hier und hier) Eine Art Katastrophenmüdigkeit ist eingetreten.
Und der zweite und wohl entscheidende Faktor ist der Umstand, dass unser Planet sich, für die meisten Menschen offensichtlich, seit mehr als zehn Jahren beharrlich weigert die prophezeite Erwärmung zu zeigen. Eine Wahrnehmung, die von den Messdaten gestützt wird. Gerade heute wird berichtet, dass die globale Erwärmung nach Daten des britischen Met Office seit 16 Jahren zum Erliegen gekommen ist. Dieser Zeitraum ist inzwischen genauso lang, wie der der Erwärmung vorher.
Die Entwicklung um den Niedergang der globalen Erwärmung als Schreckgespenst kann uns einen Hinweis darauf geben, was dem Mantra “Die Erneuerbaren helfen, langfristig die Strompreise niedrig zu halten” droht. Denn das ist, wenn man die Fünf oben gezeigten Punkte liest, der zentrale Aspekt, auf den die Grünstrombranche jetzt hinaus will. Der Strom aus “Erneuerbaren” komme uns langfristig günstiger als ein Festhalten an fossilen Brennstoffen. Warum sonst sollte sich Deutschland schließlich auf ein so gewagtes Experiment wie die Energiewende einlassen, wenn die dadurch zu erreichenden Emissionsminderungen im weltweiten Vergleich absolut unbedeutend sind?
Mit der jetzt bekannten Erhöhung der EEG-Umlagevon 3,59 auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde (zuzüglich MWst sind das 6,3 ct/kWh Anm. M.L.) wird der Glaube an den Kostensenker Grünstrom einen ganz empfindlichen Dämpfer hinnehmen müssen. Eventuell reicht dieser Preisschock sogar aus, um in Politik, Medien und Bevölkerung ein grundsätzliches Umdenken einzuleiten. Eine Abkehr von dem bisher als unumstößlich geltenden Glauben, dass das Heil Deutschlands in der Zukunft einzig in den “Erneuerbaren Energien” zu suchen wäre.
Quentin Quencher;  zuerst erschienen auf Science Sceptical

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