Atomkraft – Das Tabu, Brauchen wir Kernkraftwerke? Eine Rezension

von Horst-Joachim Lüdecke

Der Autor des Buchs „Atomkraft – Das Tabu, Brauchen wir Kernkraftwerke?“, Prof. Martin Schlumpf, ist Musiker und Komponist. Sein Buch beschäftigt sich mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie (Kernkraftwerke) – mit besonderer Betonung der Schweizer Verhältnisse. Es enthält Beiträge – im Buch als Exkurse bezeichnet – von Simon Aergerter, Johannis Nöggerath, Alex Reichmuth, Hans Rentsch, Walter Ruegg und Markus Sauer, welche die Berufe von Mathematiker, Physiker (hier insbesondere mit den Ausrichtungen Kernphysik, Strahlenbiologie, Werkstoff-Physik) bis hin zur Ökonomie abdecken.

Damit ist das Buch schon einmal ein fundamentaler Kontrast zur deutschen Ethikkommission, die keinen einzigen Kernenergie-Fachmann aufwies, sondern nur ein Sammelsurium von komplett fachfremden Leuten. Sogar ein Philosoph und zwei hochrangige Kirchenvertreter waren darunter (hier).

Der Autor der vorliegenden Rezension, Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke, ist Physiker und hat in Kernphysik vor mehr als 50 Jahren promoviert, als die Nutzung der Kernkraft in Deutschland dabei war richtig Schwung aufzunehmen. Seine Industrietätigkeit und spätere Professur an der HTW Saarbrücken hatte mit Kernenergie dann nichts mehr zu tun. Dennoch ist er Koautor seines Fachkollegen Dr. Ruprecht, dem Miterfinder des Dual Fluid Reaktors DFR (hier), in dem vor 5 Jahren herausgebrachten Sachbuch „Kernenergie, der Weg in die Zukunft“. Beide Bücher, das Buch von Martin Schlumpf in der Schweiz und unseres in Deutschland haben gemein, dass in beiden Ländern große etablierte Verlage anscheinend nicht den Mut aufbringen, neutrale Sachbücher über die Kernkraft in ihre Verlagsprogramme aufzunehmen. Nicht dem grün-roten Mainstream folgend und kühl die Realität schildernd war es in der Schweiz der mutige Verlag Königstuhl (hier), im deutschen Fall der Tvrbuchshop des Verlegers Dr. Holger Thuß. Dass es Fakten über die zivile Nutzung der Kernkraft in weiten Teilen der deutschen wie der Schweizer Bevölkerung bislang schwer hatten, ist bei einer Propaganda von DDR-Qualitäten gegen die Kernkraft verständlich.

Inzwischen scheint sich die Situation zu entspannen. Die Energieknappheit durch jahrzehntelangen Rückbau, Verhinderung und Abschaltung von fossilen Kraftwerken und insbesondere von Kernkraftwerken, aber insbesondere ein für sichere Stromversorgung völlig ungeeigneter und extrem naturschädigender Ausbau von Wind- und Sonnenenergie haben das Blatt gewendet. In der deutschen Bevölkerung hat eine neue Akzeptanz der Kernenergie eingesetzt. Selbst die aktuelle Regierungs-Ampel hat die Realität vermutlich inzwischen zur Kenntnis genommen. Sie kann aber das unbedingt notwendige und langfristig vorausplanende Umschalten nicht vornehmen, weil sich die grüne und rote Wählerklientel immer noch im viele Jahrzehnte erfolgreichen Propaganda-Modus gegen die Kernkraft befindet und nicht so einfach aus dieser Nummer wieder herauskommt.

Es ist zu hoffen, dass sich dies nun nachhaltig ändert – die Welt macht es uns schließlich vor -, wobei das Buch von Martin Schlumpf im gesamten deutschsprachlichen Raum – zumindest aber in der Schweiz – einen wesentlichen Beitrag leisten kann. Die dunklen Zeiten, in denen sich z.B. der deutsche Ravensburger Verlag nicht zu schade war, das Machwerk „die Wolke“ zu drucken, welches sich in fast ans Kriminelle reichenden Faktenverdrehungen und Angstmacherei über die Kernenergienutzung austobt, scheinen sich dem Ende zuzuneigen. Das immer noch gültige Faktum „Über kein Thema wird in Deutschland so gelogen wie über die Nutzung der Kernenergie“ wird hoffentlich nach und nach einer der Zukunft und Realität zugewandten Berichterstattung über die Wahrheit weichen.

Der Inhalt des Buchs von Martin Schlumpf

Aus den sieben Geleitworten des Buchs von Dr. Eduard Kiener (ehem. Direktor des Bundesamts für Energie), Hans-Ulrich Bigler (Präsident Nulearforum und Vorstandsmitglied Nucleareurope), Dr. Irene Aegerter (Physikerin), Didier Sornette (Prof. em. on the Chair of Entrepreneurial Risks at ETH Zürich), Dr. Matthias Horvath (Präsident der Schweizerische Gesellschaft der Kernfachleute), Vanessa Meury (Präsidentin Energie-Club Schweiz) und schließlich Markus Somm (Chefredakeur Nebelspalter.ch) ist nachfolgend das der Physikerin Dr. Irene Aegerter herausgegriffen, weil insbesondere Frauen für die grüne Angstmache anfällig zu sein scheinen und eine weibliche Fachkraft hier am besten für die Vermittelung der Fakten sorgen kann:

„Als Gründungspräsidentin der Women in Nuclear (WiN), die nun schon 30 Jahre alt ist und immer noch wächst und in über 100 Ländern mit über 35.000 Mitgliedern aktiv ist, freut es mich, dass Martin Schlumpf mit seinem Buch den deutschsprachigen Lesern zeigt, dass nur mit Kernenergie der Ersatz der Fossilen Energien erreicht werden kann. Für WiN stand immer der Dialog – vor allem mit Frauen, aber nicht nur – über alle Aspekte der Stromversorgung im Vordergrund: Technische, wirtschaftliche, sicherheitsrelevante aber auch emotionale Themen und vor allen die Ängste vor Radioaktivität und Kernenergie werden angesprochen. Wir versuchen die Menschen zu informieren, etwas, was Martin Schlumpf mit seinen eingängigen Grafiken auch macht. Ich wünsche dem Buch den nötigen Erfolg, damit man auch im deutschsprachigen Raum einsieht, dass Sonne und Wind Kernenergie nicht ersetzen können.“

Nach Beurteilung des Autors der vorliegenden  Rezension werden alle im oben zitierten Inhalt des Buchs angesprochenen Teilthemen gründlich, sachlich korrekt und auch für Laien gut verständlich behandelt. Der Leser erhält ein weitreichendes Gesamtbild über die heutigen Kernkraftwerke und ihre Vorzüge gegenüber anderen Methoden zur Erzeugung elektrischen Stroms. Daher hier keine Buchkritik, sondern nur 6 Anregungen für die nächste Auflage des Buchs:

  1. Kern oder Atom? Im Titel benutzt das Buch den Begriff „Atom“, weiter im Buch wird es dann uneinheitlich. Ein Atom hat eine Elektronenhülle, der Kern besteht aus Nukleonen (Protonen und Neutronen). Fossile Verbrennung betrifft ausschließlich die  Atomhülle, Kernenergie dagegen ausschließlich den Atomkern. Man sollte daher nicht über das Stöckchen der Grünen springen, die bewusst von „Atom“kraftwerken reden, um die Gefährlichkeit einer Atombombe perfide mit Kernkraftwerken gedanklich zu assoziieren. Ein Kernkraftwerk kann aus prinzipiellen physikalischen Gründen niemals explodieren wie eine Atombombe (auch hier ist der Begriff Atom eigentlich falsch). Es sollte stets Kernkraftwerke und Kernkraft lauten, der Begriff Atom sollte hier nicht mehr verwendet werden. Im Buchtitel ist dies wohl nicht mehr zu ändern, im Buchtext aber schon.
  2. Die Windenergie sollte gegenüber der Fotovoltaik stärker thematisiert werden, ist doch ihr Naturschaden ungleich höher.
  3. Eines der wichtigsten Themen – welche Stromerzeugungsmethode verursacht die geringste Anzahl von Opfern pro TWh – könnte gründlicher behandelt werden. Die Grafik auf S. 66 ist schwer lesbar, und die Gegenüberstellung mit CO2-Emssionen unklar, denn CO2 ist ein Inertgas, das nicht tödlich ist. Es gibt dagegen folgende Veröffentlichungen, die sehr genau und komplett das Thema abdecken, wie die Kernenergie in Sachen Gefährlichkeit im Vergleich mit anderen Methoden der Stromversorgung einzuordnen ist. Diese sollten in einer Neuauflage berücksichtigt werden, insbesondere in einem Schweizer Buch sollte der extrem sorgfältige und umfangreiche Bericht des Paul Scherrer-Instituts nicht fehlen:

A) Severe accidents in the energy sector. Paul Scherrer Institut, Bericht Nr. 98, 16.11.1998, https://www.psi.ch/sites/default/files/import/ta/PublicationTab/Hirschberg_1998_ENSAD.pdf

B) Markandya, A., Wilkinsen, P., 2007, Electricity generation and health. Lancet, 370.,  https://philippelefevre.com/downloads/Electricity_generation_and_health_(Lancet_2007_Markandya).pdf

C) P. Preiss, P., Wissel, S., Fahl, U., Friedrich, R., Voß, A., et al., 2013. Die Risiken der Kernenergie in Deutschland im Vergleich mit Risiken anderer Stromerzeugungs-Technologien, https://www.ier.uni-stuttgart.de/publikationen/arbeitsberichte/downloads/Arbeitsbericht_11.pdf

D) Youtube von Prof. Andreaus Pautz https://www.youtube.com/watch?v=O6UOG8AbTxA  ,ferner  https://www.energiestudiengruppe.ch/vortragsunterlagen/

E) Wie viele Opfer forderte Tschernobyl wirklich? ZEIT Online, Hartmut Wewetzer, 21.April 2011, https://www.zeit.de/wissen/2011-04/tschernobyl-gesundheitsfolgen-bericht

  1. Die zu kurze Übersicht mit der Überschrift „Genügend Uran für mindestens 250 Jahre“ auf S. 45 des Buchs sollte besser durch eine vollständigere Übersicht über Uranreserven und Uranressourcen ersetzt werden. Dazu die Analyse aus unserem Buch „Kernenergie, der Weg in die Zukunft“ im Wortlaut – kann gerne von uns übernommen werden – zitieren natürlich vorausgesetzt.

… Vergleichen wir die Zahlen des Uranverbrauchs jetzt einmal mit den Vorkommen. Der Verbrauch eines Menschen bei hypothetischer Vollversorgung mit Uranstrom und dem heutigen Prozedere des Betriebs und der Brennstoffbehandlung beträgt, wie erwähnt, 15 kg Natururan in 80 Jahren, also ca. 0,2 kg/Jahr. Geht man von heutigen Uranpreisen von ca. 100 € pro Kilogramm aus, so kann man bei den aktuellen Vorkommen noch 5,4 Millionen Tonnen kostendeckend fördern. Dies entspricht dann ca. 28 Mrd. Personenjahren. Eine voll nukleare Stromversorgung von 7 Mrd. Menschen könnte damit gerade einmal 4 Jahre durchgeführt werden. Tatsächlich ist der weltweite Durchschnittsverbrauch an Elektrizität nur ein Viertel von dem in Deutschland, und nur 16% sind nuklear erzeugt, so dass bei einem „Business as usual“ die Vorräte 100 Jahre halten würden. Diese Zeitspanne, irgendetwas zwischen 4 und 100 Jahren, ist von Kernkraftgegnern oft als Argument der ohnehin zwangsweisen Aufgabe der Kernenergienutzung infolge Brennstofferschöpfung zu hören.

Könnte man jedoch die restlichen 99% des Urans nutzen, die bei den heutigen Reaktoren wie oben gezeigt nichts mit der Stromerzeugung des Reaktors zu tun haben, so würde sich die Brennstoffreichweite auf 10.000 Jahre erhöhen. Auch arbeiten heutige Reaktoren bei relativ niedrigen Temperaturen und haben deshalb nur einen elektrischen Wirkungsgrad von 35%. Moderne Gaskraftwerke erreichen da bereits 60%, und es gibt kein physikalisches Prinzip, das eine Steigerung des Wirkungsgrads auch bei Kernkraftwerken verbietet. Eine weitere Verdopplung der Reichweite ist also nicht unrealistisch. Man sieht also, dass die Ausnutzung des Urans eine wesentliche Rolle spielt. Dass thermische Reaktoren nur weniger als 1% nutzen, ist prinzipbedingt und kann sich bei diesen Reaktortypen kaum steigern lassen. Bei zukünftigen Kernkraftwerken, die es als Prototypen zum größten Teil bereits gibt oder sogar gab, sieht die Situation dagegen ganz anders aus. Die meisten von ihnen arbeiten mit einem schnellen Neutronenspektrum und können somit das gesamte Uran nutzen. Einige von ihnen haben auch eine höhere Betriebstemperatur und können somit den Wirkungsgrad erheblich steigern. Schon mit diesen Prototypen würde sich die Reichweite des Urans auf 20.000 Jahre erhöhen, wenn man von einer Wirkungsgradverdoppelung ausgeht. Bei einer derart effektiven Nutzung spielen die Brennstoffkosten nur noch eine untergeordnete Rolle. Man kann dann Uran auch aus Meerwasser extrahieren], was die Förderkosten nur etwa verdreifacht, aber vieltausendfach größere Ressourcen erschließt.

Die Brennstoffreichweite würde sich dabei auf Hunderte Millionen Jahre erhöhen!

Als Argument gegen Kernkraft sind die zu geringen Uranvorkommen daher nicht geeignet. Wir haben nämlich gesehen, dass die Brennstoffreichweite vom Verbrauchs-Szenario und von den Reaktortypen abhängt. Die Argumentation bei solchen Diskussionen wird dabei sogar oft noch auf den Kopf gestellt: Kernkraftgegner führen „wenige Jahre“ an, nehmen dabei aber ein nukleares Vollversorgungsszenario an, das sie selber gar nicht wollen. Befürworter zitieren gerne die „100 Jahre“, nehmen dabei aber implizit das heutige Szenario mit nur magerem nuklearem Ausbau an, den sie ja gerne erhöhen wollen. Dabei ist hier alles sehr einfach: Das zentrale Problem ist die viel zu schlechte Ressourcennutzung heutiger Reaktortypen. Es ist ein Problem, nach dessen Lösung man nicht mehr zu suchen braucht. Diese Lösungen existieren nämlich bereits seit längerer Zeit als real laufende Prototypen und Demonstrationsanlagen.

  1. Etwas mehr Zitate aus der Fachliteratur können nicht schaden.
  2. Die Abbildungen im Buch könnten noch als Abb.xx durchnumeriert werden.

Wir wünschen dem Buch von Martin Schlumpf den besten Erfolg!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beide Bücher stellen die Fakten einwandfrei und allgemeinverständlich dar. Das Schweizer Buch

 

 

 




Mehr Demokratie ist eine Voraussetzung für eine sinnvolle Zukunft

Die Rede des ehemaligen tschechichem Statatspräsidenten Dr. Vaclav Klaus auf dem Wiener Kongress com.Sult vom 30. Januar in Wien:

Vielen Dank für die Einladung, vor diesem hochkarätigen Publikum zu sprechen. Ich schätze diese Gelegenheit sehr. Nach Wien zu kommen und an der Montagmorgensitzung des Wiener Kongresses teilzunehmen, ist für einige von uns schon seit Jahren die beste Art, den letzten Januar-Montagmorgen zu verbringen. Anstatt in den Bergen Ski zu fahren oder etwas Produktives zu tun. Ich habe das Privileg, Teil dieser Gruppe zu sein. Es gibt immer viele spannende Themen, die darauf warten, angesprochen zu werden. Deshalb freue ich mich auf unsere heutigen Gespräche. Und auf die Gelegenheit, viele gute alte Freunde zu treffen. Es ist schön, wieder vor Publikum zu sprechen, nachdem ich zwei Jahre lang nur vor Fernsehkameras gesprochen habe.

Als Vorsitzender des Beirats des Kongresses, mehr in ehrenamtlicher als amtlicher Funktion, hatte ich die Gelegenheit, mit David Ungar-Klein die für den diesjährigen Kongress geplanten Themen zu besprechen. Einige dieser Themen werden in den heutigen Sitzungen behandelt. Ich muss gestehen, dass es Meinungsunterschiede gab. Während David „die Zukunft gestalten“ wollte, war ich dafür, uns – etwas bescheidener – „auf die Zukunft vorzubereiten“ und unser Bestes zu tun, die Zukunft nicht mit einem Erbe zu belasten, das wir an diese Zukunft weitergeben. Der Titel der Sitzung „Zukunft durch mehr Demokratie“ ist ein Kompromiss zwischen unseren beiden Positionen.

Meine Sichtweise ist stark von eigenen Erfahrungen geprägt. Ich habe mehr als die Hälfte meines Lebens in einem System verbracht, das versucht hat, die Zukunft zu „konstruieren“, oder in heutiger Terminologie euphemistischer ausgedrückt, sie zu „gestalten“. Ich weiß aus Erfahrung, dass das nicht funktioniert. Dies ist der Grund, warum ich skeptischer als David bin.

Der Titel dieser Sitzung sollte eine wichtige Botschaft vermitteln: Demokratie, nicht aber ausgeklügelte, intellektuell ehrgeizige Pläne und Entwürfe ist die Voraussetzung für die Gestaltung einer besseren Zukunft. Dies mag wie ein trivialer und selbstverständlicher Gemeinplatz klingen. Aber im gegenwärtigen Zustand der Postdemokratie und wenn man sich die Projekte und Ambitionen einiger unserer Zeitgenossen ansieht, wird die Betonung der Demokratie inzwischen zu einer revolutionären Idee, die uns zu einen grundlegenden Wandel in unserem Denken ermahnt.

Die Demokratie, ihre Qualität, ihre Voraussetzungen und Eigenschaften werden überhaupt nicht mehr diskutiert. Sie werden vielmehr für selbstverständlich gehalten – dies völlig zu Unrecht. Und sie werden für unbestreitbar gehalten. Im Austausch gegen diese angeblich selbstverständlichen Voraussetzungen werden wir dagegen aufgefordert, auf Wissenschaft und Innovationen zu setzen, auf „Netzwerk Logistik“, auf Informationstechnologie, auf Digitalisierung, auf die Entdeckung der innovativen Talente schon im Kindergarten, auf künstliche Intelligenz, auf Beratung, um die im Programm des diesjährigen Wiener Kongresses immer wieder genannten Begriffe zu verwenden. Dies ist aber nicht der richtige Weg.

Um uns herum gibt es viele mit der Demokratie konkurrierende Ideen und Programme, wie wir unsere heutige Welt meistern, gestalten und organisieren sollen. Wir sind konfrontiert mit einer aggressiven Propaganda und mit der Förderung militanter Ideologien wie Klimaschutz, Genderismus, Multikulturalismus, Human-Rightism, Expertokratie usw. Allesamt versuchen sie, die gegenwärtige Welt zu zerstören, eine Welt, die noch in gewissem Maße auf Freiheit, Demokratie, Anstand, Respekt vor den vergangenen Werten und Traditionen, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und parlamentarischer Demokratie beruhte.

Wissenschaft, Vernetzung, Informationstechnologien oder künstliche Intelligenz werden uns nicht helfen, die Hauptprobleme der heutigen Welt zu lösen. Ganz im Gegenteil, wir müssen die Freiheit des Einzelnen vor den negativen Auswirkungen der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz schützen. Wir sollten die Ziele, Wünsche und Präferenzen freier Individuen in den Vordergrund stellen und vor allem ein System schützen, das freies Denken und freies politisches Handeln ermöglicht.

Ich weiß, dass einige von Ihnen es vorziehen würden, über pragmatischere und technischere Themen zu sprechen, aber in diesem Fall sollten wir nicht verkünden, dass wir Ambitionen haben, die Zukunft zu gestalten. Ich bin daher davon überzeugt, dass es notwendig ist, unsere Anstrengungen auf die Rettung von Freiheit und Demokratie zu konzentrieren, denn sie sind jetzt im Westen stark gefährdet. Diese Bedrohung sollte nicht unterschätzt werden. Vor kurzem habe ich Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern“ erneut gelesen und über seine Worte nachgedacht, in denen er die Gefühle beschreibt, die er kurz vor der Ankunft des Nazi-Regimes hatte. Stefan Zweig fasste sie im Nachhinein in folgendem Satz zusammen: „Wir haben die Gefahr noch nicht gesehen“. Dies ist ein Memento. Wir sollten uns dieser Erfahrung bewusst werden.

Ich habe mein kleines, gerade erschienenes Buch mitgebracht, eine Sammlung von Essays und Reden aus den letzten Monaten. Der Titel „The Brave New West“ spielt auf den Titel „Brave New World“ an, dieses berühmte Buch, das Aldous Huxley bereits vor fast einem Jahrhundert schrieb. Als es veröffentlicht wurde, entpuppte es sich als radikale Dystopie in Form politischer Science-Fiction. Zu meinem großen Bedauern scheint es nun fast eine Dokumentation der aktuellen Situation gworden zu sein. Unterschätzen wir nicht, was um uns herum vor sich geht. Machen wir uns keine Illusionen mehr. Dass wir uns dem „Brave New West“ nähern, ist der Kern meiner Interpretation dessen, was derzeit in Europa und Nordamerika vor sich geht.

Um dem „Brave New West“ zu entkommen und mit ihm fertig zu werden, müssten wir unser Denken und unser politisches Verhalten radikal ändern. Wir müssen wieder zur echten Freiheit zurückkehren, zu freier Rede, zu freien Märkten, zur Demokratie, zu den Ideen des klassischen Liberalismus, zu Mises, Hayek und Friedman, genau zu der Denkweise, die in den neuen freien Ländern Mittel- und Osteuropas nach dem Fall des Kommunismus vorherrschte. Diese Ideen forderten die Ablehnung des roten wie des grünen Sozialismus, die Wiederherstellung eines neuen Gleichgewichts zwischen dem freien Individuum und dem allgegenwärtigen und immer weiter expandierenden Staat, die Beendigung der umfassenden staatlichen Verwaltung der Wirtschaft, die Rückkehr zu normaler Politik und zu expliziten ideologischen Auseinandersetzungen statt der Teilnahme an leeren und oberflächlichen TV-Talkshows, denn Demokratie und Tiefe werden dort nur vorgespielt.

Wenn wir die Entscheidung nicht „auf der Straße“ wollen, und ich betone, dass ich das nicht fordere, müssen wir den politischen Prozess ändern, Ideologien aufgeben, die politischen Parteien neu aufbauen, die Menschen motivieren, sich politisch zu engagieren, weg von TV-Talkshows zum freien politischen Diskurs zurückkehren, weg von den NGOs zu den klassischen politischen Parteien, weg von den leeren internationalen Organisationen zum Volkswillen und den auf ihm basierenden nationalen Institutionen.

Das mag in den Ohren einiger von Ihnen radikal klingen. Aber lassen Sie uns nicht denselben Fehler machen wie die Generation von Stefan Zweig. Wir sollten akzeptieren, dass wir uns in einer Sackgasse befinden und dass wir zur letzten Kreuzung zurückkehren müssen, an der wir falsch abgebogen sind. Wir sollten unsere Augen nicht verschließen, wenn wir mit unangenehmen Realitäten konfrontiert werden. Sonst wird es keine positive Zukunft für uns, unsere Kinder und Enkelkinder geben.

Anmerkung EIKE:

Wir danken Herrn Vaclav Klaus für die freundliche Genehmigung, seine Rede ins Deutsche übersetzen und in EIKE veröffentlichen zu dürfen. Ferner möchten wir im gegebenen Zusammenhang und zur Bestätigung des Inhalts seiner Rede an die hiesigen Schäden erinnern, welche bereits aus undemokratischen, planwirtschaftlichen Maßnahmen entstanden sind, die immer noch fälschlich mit den Begriffen Demokratie und Marktwirtschaft seitens der staatssubventionierten (im Klartext, von der Regierung gekauften) Medien versehen werden. Eine auf unzureichender Faktenbasis beruhende (anthropogenes CO2 würde ohne die horrend teuren CO2-Vermeidungsmaßnahmen zum Weltuntergang führen) grünideologische Energiewende wird blind von allen Parteien mitgetragen, die AfD ausgenommen. Ein derart geballtes Kritikdefizit ist kaum charakteristisch für eine funktionierende Demokratie. Die Energiewende zerstört nun unsere mittelständische Industrie, das Rückrat des bisherigen Wohlstands.

Als zweites Beipiel sind die Affairen „Thilo Sarrazin vs SPD“ sowie „Hans-Georg Maaßen vs CDU“ zu nennen. In beiden Fällen reichte bereits das Beschreiben oder Aussprechen von Fakten aus, um ihre zugehörigen Parteien mit an stalinistische Säuberungsmethoden erinnernden Maßnahmen zu veranlassen, zwei untadelige Demokraten mit Mut zur freien Rede auszuschließen. Inzwischen scheint in Vergessenheit zu geraten, dass zu einer echten Demokratie unabdingbar die freie Rede gehört wobei das Aussprechen von Fakten nicht behindert, sondern gewünscht wird.

Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke

 

 

 




Die Rede des Jahres: Was Europäer wirklich gegen den Klimawandel tun können

Konstantin Kisin, ein russisch-britischer Satiriker, hat sich in einer famosen Rede, die sich gegen die Woke – Bewegung richtete, auch des Klimawandels angenommen. Hier dieser Redeteil aus dem Blog Achgut (hier), der dort aus dem Englischen ins Deutsche übertagen wurde. In wenigen Minuten, klaren Worten und britischem Humor entkernt Kisin das Problem und seine Lösung und schildert den gefundenen Kern.

Gebete zu Füßen der heiligen Greta des Klimawandels

Man sagt uns, dass Ihre Generation sich mehr als alle anderen um ein bestimmtes Thema kümmert, und dieses Thema ist der Klimawandel. Man hat uns gesagt, dass viele von Ihnen unter Klimaangst leiden. Sie wollen den Planeten retten, und heute Abend und nur heute Abend werde ich mich Ihnen anschließen. Ich schließe mich Ihnen an und bete zu Füßen der heiligen Greta des Klimawandels. Lassen Sie uns alle hier und jetzt akzeptieren, dass wir in einer Klimakrise leben und dass unsere Eisbärenbestände extrem knapp werden. Ich schließe mich dieser Ansicht an. Das tue ich wirklich. Was sollen wir nun gegen dieses riesige Problem der Menschheit unternehmen?

Ein sibirisches Scheißhaus im Garten errichten?

Was können wir in Großbritannien tun? Wir können nur eine Sache tun. Und wissen Sie, warum? Dieses Land ist für zwei Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich, was bedeutet, dass, wenn Großbritannien im Meer versinken würde, dies absolut keinen Unterschied beim Problem des Klimawandels machen würde. Und wissen Sie, warum? Weil die Zukunft des Klimas in Asien und Lateinamerika entschieden werden wird, von armen Leuten entschieden wird, die sich einen Dreck um die Rettung des Planeten scheren. Die Zukunft des Klimas wird in Asien und Lateinamerika von armen Menschen entschieden, denen die Rettung des Planeten egal ist. Wissen Sie, warum? Weil sie arm sind.

Ich komme aus Russland, das kein armes Land ist. Es ist ein Land mit mittlerem Einkommen. 20 Prozent der Haushalte in Russland verfügen nicht über eine Innentoilette. Was sie haben, ist eine Außentoilette. Und damit meine ich nicht eine dieser hübschen Außentoiletten, die wir hier haben. Ich meine nicht einmal eine Glastonbury-Toilette (WCs wie beim Open-Air-Musikfestival, Anm. d. Red.). Ich meine eine Holzhütte mit einem Loch im Boden, in dem sich die fermentierten Erinnerungen an die letzten 10.000 Besuche sammeln. Wie viele von Ihnen werden heute Abend nach Hause gehen und sagen: Lasst uns unser Badezimmer herausreißen und ein sibirisches Scheißhaus im Garten errichten? Und wenn Sie es nicht tun, warum sollten sie es tun?

120 Millionen Menschen in China haben nicht genug zu essen. Und damit meine ich nicht, dass sie keinen Nachtisch bekommen. Ich meine, dass sie an Unterernährung leiden. Das bedeutet, dass ihr Immunsystem zusammenbricht, weil sie nicht genug zu essen haben. Sie werden sie nicht dazu bringen, arm zu bleiben.

Welche Priorität hat der Klimawandel für Xi Jinping?

Stellen Sie sich vor, Sie wären Xi Jinping, der Staatschef von China. Als Sie zehn Jahre alt waren, gab es in Ihrem Land eine Kulturrevolution. Die Menschen kamen und steckten Ihren Vater ins Gefängnis. Ihre Mutter musste ihn denunzieren. Ihre Schwester nahm sich das Leben. Und Sie, der Sie nicht mehr den Schutz Ihres ehemals mächtigen Vaters genossen, wurden in ein Dorf geschickt, wo Sie in einem Höhlenhaus wohnten.

Und hier sind Sie nun, Jahrzehnte später. Sie haben sich an der blutigen und schmierigen Stange der chinesischen Politik hochgekämpft und sind der unangefochtene oberste Führer der Kommunistischen Partei, die Ihre Familie zerstört hat. Und Sie wissen, dass das Wichtigste, was Sie tun müssen, um zu überleben und an der Macht zu bleiben, darin besteht, das zu liefern, was das chinesische Volk will: Wohlstand und Wirtschaftswachstum. Was glauben Sie, welchen Platz der Klimawandel auf Xi Jinpings Prioritätenliste einnimmt?

Ein Drittel aller Kinder, die weltweit in extremer Armut leben, leben in Indien. Das bedeutet, dass sie hungern und an vermeidbaren Krankheiten sterben.

Was wir tun sollten, statt Suppe auf Gemälde zu schütten

Vor etwa 15 Monaten wurde meine Frau schwanger. Nicht ich, denn wir sind old school. Neun Monate lang sprachen wir darüber, wie ein Junge aussehen würde, was er machen würde, wenn er erwachsen ist. Wir sahen uns Baby-Scans und Videos auf YouTube an, die zeigten, wie der Fötus in der neunten, zwölften und 20. Woche aussieht. Und schließlich wurde er geboren. Und er ist ein süßer kleiner Wonneproppen. Er ist niedlicher als etwa 80 Prozent aller Welpen. Wenn Sie mir jetzt sagen würden, dass ich die Wahl hätte, entweder mein Sohn hätte ein ernsthaftes Risiko zu verhungern oder im nächsten Jahr an einer vermeidbaren Krankheit zu sterben, oder ich könnte einen Knopf drücken und er würde leben. Er würde zur Schule gehen. Er würde seine erste Freundin mit nach Hause bringen. Er würde auf die Universität gehen, seinen Abschluss machen und ein woker Idiot werden.

Und dann würde er einen Job finden, heiraten, Kinder bekommen und ein Mann werden. Aber alles, was ich tun muss, ist diesen Knopf zu drücken. Und für jeden Tag im Leben meines Sohnes wird dadurch eine riesige CO2-Säule in die Atmosphäre entlassen. Sie sind alle noch sehr jung, und die meisten von Ihnen sind keine Eltern. Lassen Sie mich Ihnen etwas sagen: Es gibt kein einziges Elternteil auf der Welt, das diesen Knopf nicht so fest drücken würde, dass seine Hand blutet. Sie werden diese Leute nicht dazu bringen, arm zu bleiben. Sie werden sie nicht einmal dazu bringen, nicht reicher werden zu wollen.

Und deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren, es gibt nur eine Sache, die wir in diesem Land tun können, um den Klimawandel zu stoppen. Und das ist, wissenschaftliche und technologische Durchbrüche zu erzielen, um saubere Energie zu erzeugen, die nicht nur sauber, sondern auch billig ist. Und das Einzige, was “wokeness” als Gegenleistung zu bieten hat, ist die Gehirne von klugen jungen Köpfen wie Ihnen zu waschen, damit Sie glauben, dass Sie Opfer sind, dass Sie keine Macht haben, dass das, was Sie tun müssen, um die Welt zu verbessern, darin besteht, sich zu beschweren, zu protestieren und Suppe auf Gemälde zu schütten.

Und wir auf dieser Seite des Hauses sitzen auf dieser Seite des Hauses, weil wir wissen, dass der Weg zur Verbesserung der Welt darin besteht, zu arbeiten, zu schaffen, zu bauen. Und das Problem mit der „Woke Culture“ ist, dass sie zu viele junge Menschen wie Sie dazu gebracht hat, das zu vergessen.

Ich danke Ihnen vielmals.

Anmerkung der EIKE-Readaktion: Wir danken Achgut für die Genehmigung der Übernahme dieses Beitrags. Unsere Version ist gegenüber der Achgut-Version teilweise geringfügig gekürzt und enthält nicht den „Woke – Teil“.




Witze über „Klimaschutz“ und Energiewende werden immer besser: Ältere unter uns kennen dieses Phänomen noch aus der ehemaligen DDR

Von Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke

Dem sachlichen Abersinn der Ampel in Sachen Klimawandel und Energieversorgung ist mit Fachkenntnissen und gesundem Menschverstand nicht mehr beizukommen. Immerhin hätten die Wähler eigentlich wissen müssen, was ihnen blüht, wenn sie ihr Häkchen bei „grün“, „rot“, „kommunistisch“, oder „schwarz“ auf dem Wahlzettel machen – in allen vier Fällen sozialistische Planwirtschaft. Ausgenommen ist hier nur die Werteunion der CDU, aber die hat dort noch wenig zu melden.

Nur bei „gelb“ war es ein wenig anders: Diese angeblich liberale Partei in einer Ampel-Koalition macht bei der seit Jahrzehnten größten Steuererhöhung infolge Inflation mit und insbesondere auch bei der satten Erhöhung der Erbschaftssteuer. So etwas wie „sich der Planwirtschaft entgegen stemmen“ ist nicht sichtbar.  „Gelb“ macht sich gemein mit Politikerkollegen, die nichts Ordentliches gelernt haben, die reale Wirtschaft nicht kennen und daher zu nichts fähig sind, außer das Geld anderer Leute auszugeben. Mit diesem „Gelb-Desaster“ hatten nur abgebrühte Zyniker gerechnet. Die AfD schließlich ist von der Bevölkerungsmehrheit noch nicht als Alternative entdeckt worden, das konsequente Bashing der Kartellparteien funktioniert. Man darf gespannt sein, wie lange noch. Im Grunde geht es bei Wahlen aber stets um das geringste Übel, die ultimative Politik-Prinzessin gibt es nicht.

Der Abersinn der Ampel übersteigt allmählich jedes Maß. So etwa die geplante Installation von immer mehr wirkungslosen Windrädern und die schnellste Beseitigung der einzig sinnvollen und dringend benötigten Anlagen der Stromerzeugung wie moderne Kohlekraftwerke und unsere letzten drei KKW. Die Ampel-Maßnahmen erreichen bereits den Bereich fortgeschrittener Demenz. In diesen Zusammenhang gehört auch die nicht mehr zu unterbietende Aussage unseres „liberalen“ Finanzministers über Windräder als Freiheitsenergien.

Infolgedessen macht sich in der Bevölkerung Galgenhumor breit, wie er als letztes Ventil aus Diktaturen bekannt ist. Je schlimmer es kommt, umso besser der Humor. Um dazu erste Beispiele zu bringen, hört man zur Zeit „Wir leben in einer offenen Psychiatrie, die schweren Fälle sitzen auf der Regierungsbank, der Nachwuchs klebt auf den Straßen“. Oder passend zur gescheiterten Energiewende, aber auch zum superpeinlichen Benehmen und genau dadurch verursachtem Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft in Katar „Wer in der Welt lachen will, schaut auf Deutschland, wer nichts zu lachen hat, wohnt in Deutschland“.

Insbesondere der Internet-Blog Quotes & Shorts hat sich mit Kurzvideos von ca. 1 Minute Dauer in Richtung Galgen-Humor positioniert. Die nachfolgende kleine Auswahl soll dem Leser nicht vorenthalten bleiben:

https://www.youtube.com/watch?v=8i7HBxp5EpE  anlässlich des Expertenforums von Tichys Einblicke in Dresden am 10.10.2022, Wie retten wir uns vor der Energiewende, erzählt von Dr. Arnold Vaatz, ehemaliger stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (hier)

https://www.youtube.com/shorts/_5DC_lqAWWg , von Jan Fleischhauer (hier)

https://www.youtube.com/shorts/dx_AkY3Tgn4 , von Jan Fleischhauer

https://www.youtube.com/shorts/OCmd95D9x-Q , der Name dieses Kabarettisten ist dem Autor leider nicht bekannt, er bittet daher um Entschuldigung

https://www.youtube.com/shorts/q_hDuZ1shas , von Prof. Claudia Kemfert (gelungener unfreiwilliger Humor)

https://www.youtube.com/shorts/4QHkRyyFn3M , von Jan Fleischhauer

Viel Spaß!

 

 




Kann die Weltwirtschaft stabilisiert und zum Wachsen gebracht werden – angesichts vorherrschender Ideologien und Interessen?

Eine Rede von Václav Klaus – dem ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten

Vielen Dank für die Einladung zu dieser Konferenz*), das Privileg, hier sprechen zu dürfen, für die Möglichkeit, alte Freunde zu treffen, und nicht zuletzt dafür, wieder in Budapest zu sein. In einer Stadt und einem Land, das eine mutige und dringend benötigte Rolle in der brave new world des heutigen Europas spielt. Ich bin enttäuscht, dass mein Land mit seiner derzeitigen politischen Vertretung nicht in der Lage ist, das Gleiche zu tun.

*) Bei der Konferenz handelt es sich um den  Second Danube Summit on Geopolics, Security and Defence in Budapest vom 1.-2. Dez. 2022 in Budapest).

Ich habe das Thema der Rede ohne das geringste Zögern angenommen, was sich nicht als sehr klug erwies. Als ich begann, Notizen für meine heutige Präsentation vorzubereiten, stellte ich fest, dass das Thema schwieriger ist, als es mir anfänglich vorkam.

Über eine stabile Weltwirtschaft zu sprechen, bedeutet nicht, ein klar definiertes und gut strukturiertes Thema zu erörtern. Es hat viele Dimensionen, die zu verschiedenen Disziplinen und zu mehreren Sozialwissenschaften gehören. Es gibt keine einfache Lehrbuchweisheit zu diesem Thema, weil es sie nicht geben kann. Selbst zuverlässigen Daten können nicht helfen und auch keine ausgefeilten ökonometrischen Modelle. Ich kann daher nicht mehr versprechen, als ein paar grundlegende Anmerkungen zu machen.

Vielleicht können dabei meine persönlichen Erfahrungen und die Perspektive meines Landes eine Hilfe sein. Zumindest hoffe ich das. Meine Erfahrungen lassen sich kurz so zusammenfassen: vierzig Jahre Kommunismus, ein faszinierendes Jahrzehnt der Ära der radikalen Transformation in politischen Spitzenpositionen und zwei weit weniger befriedigende Jahrzehnte des Lebens in einem speziellen Gebilde, namens Europäische Union (Einige von Ihnen haben vielleicht von meinen bedauerlicherweise erfolglosen Bemühungen gehört, den für die europäische Demokratie, die Nationalstaaten und die europäische Wirtschaft verheerenden Vertrag von Lissabon zu blockieren).

Diese Mischung mag nützlich sein. Sie ist fast einmalig. Auch meine Perspektive ist von Bedeutung: ein kleines mitteleuropäisches Land ohne geopolitische Ambitionen, ein stark industrialisiertes Land, ein Land ohne Zugang zum Meer und ohne ausreichende inländische Reserven an natürlichen Ressourcen.

In dieser Sitzung sollen Wege diskutiert werden, die zum „Wiederaufbau einer stabilen Weltwirtschaft“ beitragen können. Das ist für mich ein eher illusorisches, wenn auch nicht völlig fehlgeleitetes Ziel. Es ist konstruktivistisch, und wir mit unserer künstlich aufgebauten kommunistischen Vergangenheit sind sehr zurückhaltend mit solchen Ambitionen. Ist der Wiederaufbau einer Weltwirtschaft eine sinnvolle Aufgabe? Wessen Aufgabe sollte das sein? Wer sollte das Mandat erhalten, die Weltwirtschaft wieder aufzubauen? Ein neuer zentraler Planer, oder heutzutage ein digitalisierter?

Leute wie ich neigen dazu, zu behaupten, dass Versprechungen zum Aufbau einer stabilen Weltwirtschaft in die Plenarsitzungen der UNO oder vielleicht des IWF gehören, aber nicht in die Versammlungen des Donauinstituts. Ich gehe nämlich davon aus, dass wir, heute hier versammelt, nicht an eine globale Steuerung der Wirtschaft glauben und auch nicht daran interessiert sind, die Rolle von Beratern zu spielen. Ich für meinen Teil bin sicherlich nicht motiviert, präskriptive Empfehlungen zu geben.

Trotzdem vergesse ich nicht mein Versprechen, ein paar Worte zu diesem Thema zu sagen. Lassen Sie mich auf zwei der vielen, sehr unterschiedlichen Dimensionen dieses Themas eingehen.

I. Die Rolle der Verschiebung der weltwirtschaftlichen Gravitationszentren

Ein Schlüssel zu dieser Debatte könnte darin bestehen, über mögliche und wahrscheinliche Verlagerungen der weltwirtschaftlichen Gravitationszentren (wie man sie manchmal nennt) in der absehbaren Zukunft zu spekulieren. Die aktuellen Trends und Tendenzen sind wohlbekannt und so unbestreitbar, dass es nicht nötig ist, statistische Daten vorzulegen. Das Gravitationszentrum der Weltwirtschaft verlagert sich nach Osten. Die ursprünglichen Zentren Europa und Nordamerika haben in den letzten Jahrzehnten ersichtlich ihre bisherigen Positionen verloren. Vor allem Europa. In den 1990er Jahren kontrollierten die USA und Westeuropa fast 70 Prozent des weltweiten BIP, jetzt sind es nur noch 43 Prozent. Diese Verschiebung ist enorm, und sie wird sich fortsetzen.

Wenn ich mir die europäische Wirtschaft ansehe, die durch Überregulierung, Überbesteuerung, lächerliche Umweltauflagen und das aufdringliche Verhalten der EU-Bürokratie stranguliert wird, ist es offensichtlich, dass Europa nicht wachsen kann. Es ist zur Stagnation verdammt. Nnicht überraschend ist es genau das, was wir gerade erleben. Jetzt ist es sogar noch schlimmer – denn wir befinden uns in einer „Stagflation“. Die auf der Ideologie der Großen Mäßigung basierende Politik, die vor zwei Jahrzehnten so in Mode war, hat Inflationsraten hervorgebracht, die seit Jahrzehnten unbekannt sind – in meinem Land seit einem ganzen Jahrhundert. Die so viel gepriesenen Theorien und Modelle waren alle falsch, nicht nur das fast unglaublich lächerliche Konzept der Neuen Geldtheorie.

Im Gegensatz dazu sind China, Indien und andere BRICS (oder BRICS-ähnliche) nicht-westliche Länder auf dem Vormarsch und werden es auch weiterhin sein. Dies zu sagen ist weder neu noch revolutionär. Es ist bereits Teil der Mainstream-Orthodoxie geworden. Die unterschiedlichen Wachstumsraten des Westens und des Ostens werden bedeutende Folgen haben. Verschiebungen dieser Art destabilisieren die bestehenden Strukturen und untergraben die alte „Stabilität“.

In einer wachsenden Wirtschaft kann dies zu einem positiven Summenspiel führen. In einer stagnierenden oder gar schrumpfenden Wirtschaft wird sie das Gegenteil bewirken. Die historische Erfahrung lehrt uns, dass solche Entwicklungen oft zu Konflikten und Kriegen geführt haben. Ähnliche Konflikte und Kriege sind auch in absehbarer Zukunft zu erwarten. Die Ukraine ist nur ein Beispiel dafür. Dies wird die derzeitige fragile Stabilität der Weltwirtschaft sicherlich nicht verbessern.

Das Wachstum der Weltwirtschaft hängt natürlich nicht nur von den geografischen Verlagerungen in schneller wachsende Regionen ab. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass das beispiellose Wachstum der chinesischen Wirtschaft in den letzten vier Jahrzehnten zweifellos zum raschen Anstieg des weltweiten BIP beigetragen hat. Dieser Faktor scheint mir nun hauptsächlich oder zumindest teilweise ausgeschöpft zu sein. Ich stimme mit Richard Jerram überein, dass „der Eintritt Chinas in das globale Handelssystem im Wesentlichen eine einmalige Veränderung war, die offenbar schon ihren Lauf vollendet hat.“

In Anbetracht der jüngsten politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen in China und des relativ hohen wirtschaftlichen Reifegrads dieses Landes (ganz zu schweigen von seinem mehr als ernsthaften Problem der Überalterung) gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass China in den nächsten Jahrzehnten weiterhin schnell wachsen wird. Werden andere nicht-westliche Länder die bisherige Rolle Chinas übernehmen? Oder wird gar der Westen selbst in der Lage sein, dies zu tun? Darauf würde ich nicht wetten.

II. Die Rolle der Qualität des Wirtschaftssystems

Das weltweite Wirtschaftswachstum und seine Stabilität beruhen auf lange Sicht aber auf etwas ganz Anderem. Sicherlich nicht auf Wissenschaft oder Technologie, wie es von lautstarken Technokraten und Nicht-Ökonomen aller Art unverantwortlich verkündet wird, sondern auf der Effizienz des Wirtschaftssystems. Damit komme ich zu meinem Hauptargument, nämlich zur Betonung der Qualität des Wirtschaftssystems. In dieser Hinsicht gibt es allerdings keinen Grund zum Optimismus.

Als Bürger und als Wirtschaftswissenschaftler habe ich Jahrzehnte meines Lebens in einem System verbracht, in dem die Wirtschaft nicht autonom war, sondern von apriorischen politischen Imperativen diktiert wurde. Dies war die Lektion, die sich tief in unsere Köpfe eingebrannt hat. Vor 54 Jahren, im August 1968, in der Woche, in der die Armeen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschierten, veröffentlichte ich einen Artikel, der es wagte, die besondere Beziehung zwischen Politik und Wirtschaft in der kommunistischen Gesellschaft offen zu diskutieren. Dieses Thema geriet in den folgenden zwei Jahrzehnten in Vergessenheit.

Nach dem Fall des Kommunismus kehrten wir zu diesem Thema zurück. Diese Ära wird gewöhnlich als die konstruierte Wiedergeburt der Marktwirtschaft in unserem Teil der Welt verstanden. Ja und nein. Die entscheidende Veränderung war die Auflösung der ruinösen Verbindung zwischen Politik und Wirtschaft, die Abschaffung der Dominanz der Politik. Die Wiedergeburt der Marktwirtschaft war eine Folge davon. Der Markt kann nicht künstlich konstruiert werden.

Im kommunistischen, zentralistisch verwalteten Wirtschaftssystem musste die Wirtschaft der Politik folgen. Das bringt mich zu meiner Hauptfrage. War das spezifisch für den Kommunismus? Kann es sich nicht auch ohne einen altmodischen Kommunismus wiederholen? Bewegen wir uns nicht schon jetzt in dieselbe Richtung? Führen die neuen Ideologien nicht dazu, dass ein ähnliches System wieder auftaucht?

Mit meiner Erfahrung und aus meiner Perspektive betrachtet, sehe ich diese Vermutung als eine unmittelbare Gefahr an. Die Autonomie der Wirtschaft in meinem Land, in der EU und im Westen wurde mit der Zeit zusehends unterdrückt – offensichtlich und entschlossen seit der Krise 2008-2009. Was waren die Hauptursachen für diese Entwicklung? Ich werde mich auf vier konzentrieren, die ich für die entscheidenden halte:

  1. Nach dem Fall des Kommunismus gingen wir davon aus, dass der soziale Imperativ, der aus der altmodischen marxistischen Perspektive kam, bereits seine Kraft verloren hatte. Diese Überzeugung wurde durch die offensichtlich schwindende Macht der Gewerkschaften noch verstärkt. Wie wir heute sehen, war dies eine falsche Analyse und ein Wunschdenken unsererseits. Wir erleben, dass der Imperativ von der „Gleichheit aller“ nicht nur im wirtschaftlichen Bereich zu neuer Stärke gelangt ist. Die Idee der Gleichheit wird wieder einmal als Rechtfertigung für neue Formen der politischen Einmischung in die Wirtschaft benutzt. Die Folgen sind nicht weniger gefährlich als in der Vergangenheit. Sie werden heute in unverantwortlicher Weise von fast allen unterschätzt, weil es so aussieht, als hätten sie nichts mit dem Kommunismus zu tun.
  1. In den letzten fünfzig Jahren, seit der Veröffentlichung der Bibel des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“, hat sich ein neuer politischer, d.h. nicht-ökonomischer Imperativ herausgebildet. Diese Bibel beruht auf den Grundsätzen wie sie grüne Ideologie mit Umweltschutz gleich setzt. Sie unterdrückt auf fatale Weise die wirtschaftliche Ratio und damit die Effizienz der Wirtschaft. Sie verändert die Qualität des Wirtschaftssystems grundlegend und untergräbt das Wirtschaftswachstum und die Weiterentwicklung. Keiner der heutigen politisch korrekten grünen Slogans kann mit Gründen der Rationalität verteidigt werden. Diese Slogans haben keine wissenschaftliche Grundlage. Sie sind politisch apriorisch. Und sie sind zielgerichtet destruktiv.

Zufälligerweise begann ich mit der Vorbereitung meiner Notizen für den heutigen Vortrag am Tag  der Eröffnungssitzung des Klimagipfels in Sharm El Sheikh. Die skandalöse Aussage des UN-Generalsekretärs Antonio Guterrés, die Welt befinde sich auf einem „Highway zur Klimahölle“, braucht hier nicht weiter kommentiert zu werden. Solche nur politischen Standpunkte, die in reale Politik umgesetzt werden, verändern das Wirtschaftssystem. Die neuen Kriterien der Banken für die Bewertung von Investitionsprojekten und die Vergabe von Krediten, das so genannte ESG-System (Environmental, Social and Corporate Governance), stehen in krassem Widerspruch zur wirtschaftlichen Denkweise. Bedauerlicherweise protestieren die Wirtschaftswissenschaftler nicht laut genug. Sie ziehen es vor, auf einfache Weise zu promovieren und großzügige Stipendien zu erhalten.

  1. Der dritte fundamentale Schlag gegen die wirtschaftliche Effizienz und die Wirtschaftsleistung ist die Beschleunigung des Übergangs vom Aktienbesitz zur Anspruchsgruppe (im Englischen vom share holder zum stake holder hier). Dies erklärt die irrationalen und arroganten Ansichten führender Geschäftsleute zu vielen aktuellen, nicht nur wirtschaftlichen Fragen. Ihr Verhalten untergräbt die Substanz der Marktwirtschaft und das Funktionieren des Systems der Eigentumsrechte. Dieser Prozess wurde bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert diskutiert, hat aber in den letzten Jahren eine neue Stärke erreicht. Das Prinzip der Gewinnmaximierung, dieses Symbol wirtschaftlicher Effizienz, ist mehr oder weniger als politisch unkorrekt abgetan worden. Dies untergräbt auf fatale Weise die Möglichkeit eines gesunden und stabilen Wirtschaftswachstums.
  1. Die gesamte Idee unseres Übergangs vom Kommunismus zu freien Märkten beruhte auf dem freien Handel, auf der Ablehnung des Protektionismus, auf der Abschaffung des staatlichen Außenhandelsmonopols, auf der Kritik an der Bildung geographisch begrenzter Handelsblöcke usw. Eine der wichtigsten (und riskantesten) Entscheidungen in meiner frühen politischen Laufbahn war die Liberalisierung des Außenhandels in meinem Land am 1. Januar 1991. Das hat die Funktionsweise der Wirtschaft rapide verändert. Was wir jetzt erleben, ist das Aufkommen eines politisch motivierten Neoprotektionismus und neuer Formen und Argumente der politischen Förderung von Handelsblöcken. Ich betrachte dies als einen fatalen Angriff auf den Freihandel.

Nicht zufällig verwende ich den modischen Begriff „Globalisierung“ nicht oft, denn er ist kein wirtschaftlicher Begriff. Er gehört in den Journalismus und in TV-Talkshows. Ich spreche lieber von zunehmender oder abnehmender Internationalisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten. Das klingt jetzt politisch unkorrekt – es impliziert nämlich, dass eine Nation oder ein Nationalstaat die ursprüngliche Einheit, der Ausgangspunkt ist. Diese Denkweise ist heute nicht mehr zeitgemäß.

Was die so genannte Globalisierung betrifft, so wird deutlich, dass sie aufgrund der Komplexität der Technologie und der Lieferketten an ihre natürlichen Grenzen stößt. Wir sollten daher der Ratio von Innenpolitik mehr Aufmerksamkeit schenken. Kehren wir zurück zur Verteidigung von Offenheit, Freizügigkeit, Freihandel und liberalisierten Kapitalströmen! Wir sollten dies nicht nur ideologisch diskutieren.

Alles hier Gesagte zusammengefasst, lässt mich die Möglichkeit eines gesunden weltweiten Wirtschaftswachstums und einer gesunden Entwicklung in absehbarer Zukunft als pessimistisch einschätzen. Denn wie ich es bereits eingangs erwähnte, kann es ohne Wirtschaftswachstum keine Stabilität der Weltwirtschaft geben.

Anmerkung der EIKE-Redaktion

Wir danken Herrn Staatspräsidenten, Dr. Václav Klaus, ganz herzlich für seine Genehmigung, seine Rede – gehalten am 1.12.2022 im „Second Danube Summit on Geopolics, Security and Defence in Budapest“ – in den EIKE-News zu veröffentlichen, ferner für die freundliche Überlassung eines Bildes von ihm für diesen Beitrag hier. Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte von Horst-Joachim Lüdecke.