Die heutigen Bedrohungen der Energiesicherheit: Sind sie überraschend?

IX Global Baku Forum: Ich fürchte, dass ich hier heute – ungewollt und nicht zu meiner großen Freude – die Rolle eines Bilderstürmers spielen werde.

von Vaclav Klaus, Präsident der Tschechischen Republik von 2003 – 2013

Mein Land, die Tschechische Republik, ist ein „Netto-Energieimportland“, was unsere Position mehr oder weniger vorgibt. Wir haben Kohleminen und Kernkraftwerke (und sind nicht bereit, sie aufzugeben). Bis jetzt hatten wir einen Überschuss an elektrischer Energie. Dagegen importieren wir praktisch vollständig Erdöl und Erdgas, vor allem aus dem Osten – 50 % des Öls und 96,5 % des Gases aus Russland und 16 % des Öls aus Aserbaidschan (plus 18 % aus Kasachstan).

Wir sind daher für eine größtmögliche Kontinuität des internationalen Handels mit Erdöl und Erdgas zu sinnvollen Preisen, die deren wahre wirtschaftliche Substanz widerspiegeln – sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Als ehemaliger Finanzminister, ehemaliger Premierminister und ehemaliger Präsident kann ich – so hoffe ich zumindest – einige Bemerkungen zu den allgemeinen Aspekten der Energiesituation machen. Als nicht mehr aktiver Politiker bin ich aber weder in der Lage noch bereit, in den täglichen Frühnachrichten kurzfristige politische Fragen zu kommentieren.

Unsere heutige Realität ist sehr einfach, aber frustrierend: die rapide steigenden Energiepreise und die allgemeine und übergreifende Inflation stellen ein grundlegendes, seit Generationen unbekanntes Problem für die tschechischen Verbraucher und Unternehmen dar.

Als Wirtschaftswissenschaftler, der vor Jahrzehnten seine Doktorarbeit über die Inflation geschrieben und damit versucht hat, die Logik und die Mechanismen der nachfrageseitigen und der kostenseitigen Inflation zu verstehen, und als Politiker, der nach dem Fall des Kommunismus und seiner zentralen Planwirtschaft die Preise liberalisiert und alle Arten von Subventionen abgeschafft hat, bin ich ein großer Befürworter der freien Märkte und konsequenter Gegner von Preismanipulationen. Ich werde niemals Verfechter einer Politik von Preisstopps oder Preisobergrenzen sein. Wir, die wir in der kommunistischen Ära gelebt haben, wissen, wie zerstörerisch solche Maßnahmen für das Funktionieren der Märkte sind.

Der Mensch hat ein soziales Bewusstsein, und ich habe kein Problem damit, das zu akzeptieren. Unser soziales Bewusstsein darf aber unser Denken nicht vernebeln. Wir sollten diese Vorstellung zu unserer Prämisse machen. Ohne Preise, welche die wirtschaftliche Knappheit widerspiegeln, können wir kein funktionierendes Wirtschaftssystem haben.

Wir sollten daher die Bereiche der Wirtschafts- und der Sozialpolitik strikt voneinander trennen. Die Wirtschaft muss so autonom wie möglich sein. Sie darf nicht durch politische Entscheidungen gelenkt werden. Diese Schlussfolgerung mag altmodisch klingen. Sie ist auch nicht politisch korrekt und fortschrittlich oder progressiv genug, aber ich muss auf ihr bestehen. Die Bürger der ehemals kommunistischen Länder sind froh, dass sie nicht mehr mit zentraler Planwirtschaft, Fünfjahresplänen und irrationalen Preisen leben müssen.

Dreißig Jahre nach dem Fall des Kommunismus sind einige von uns frustriert, dass wir nicht laut genug protestiert haben, als in den letzten zwei Jahrzehnten, langsam und Stück für Stück, wieder eine postmoderne, weitgehend zentral verwaltete Wirtschaft eingeführt wurde. Das heutige System basiert wieder einmal auf vielen nicht-ökonomischen, apriorisch auferlegten Zwängen, die vor allem mit der wachsenden Rolle der grünen Ideologie zusammenhängen. Das zerstört die Rationalität des Systems der wirtschaftlichen Anreize und führt uns in die Irre.

Der tragische Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Preissteigerungen und Kürzungen der Energieversorgung, die wir jetzt erleben, sind nicht vom Himmel gefallen und kamen zudem nicht zu einem wirtschaftlich gesunden Zeitpunkt. Damit meine ich nicht nur die Covid-Pandemie. Der Krieg kam nach Jahren der Panik vor einer globalen Erwärmung und – besonders für uns in Europa – nach der Verabschiedung eines wirtschaftlich Projekts namens „Green Deal“ voller Fehler. Die enormen Energiepreissteigerungen in den Ländern Mittel- und Osteuropas in den letzten Wochen und Monaten sind die unvermeidliche Folge eines solchen Spiels mit den Märkten. Es fing lange vor dem Ukraine-Krieg an.

Im Dokument zum Baku-Forum, das wir vorab erhielten, warfen die Organisatoren die Frage auf: „Welche Schritte sollten die erdgas- und erdölproduzierenden Länder unternehmen“? Ich bin nicht so ambitioniert zu wagen, souveränen Ländern Ratschläge zu erteilen. Aber es ist offensichtlich, dass diese Länder kein Problem mit den steigenden Energiepreisen haben dürften. Sie sollten diesen Moment als eine historische Chance nutzen, um ihre Länder wirtschaftlich zu stärken und sie auf eine ungewisse Zukunft vorzubereiten. Die schon immer bestehende Unsicherheit hat sich durch den unverantwortlichen Krieg auf dem Territorium der Ukraine radikal verstärkt.

Die gas- und ölproduzierenden Länder könnten – im Interesse ihrer eigenen Entwicklung – von dem weltweiten Nachfrageüberhang profitieren, der das Ergebnis einer mehr als ein Jahrzehnt andauernden geldpolitischen Maßnahme der quantitativen Lockerung (Monetarisierung der Staatsschulden) und riesiger Haushaltsdefizite in den westlichen Ländern ist. Das garantiert die anhaltende Nachfrage nach Energielieferungen. Die Länder, die auf der Angebotsseite stehen, werden die Gewinner sein. Wir auf der Nachfrageseite, vor allem die kleinen europäischen Länder – werden eher die Verlierer sein. Das unverantwortlich herbeigeführte inflationäre Ungleichgewicht wird unsere Chancen auf einen Neustart unseres Wirtschaftswachstums blockieren. Leider haben wir das verdient, denn wir haben uns nicht ausreichend bemüht, die Inflationspolitik zu stoppen.

Der Zweck von Zusammenkünften wie dem bereits 9. Global Forum in Baku ist es, Menschen zusammenzubringen, um dringende Fragen und anstehende Herausforderungen offen zu diskutieren und um gegenseitiges Verständnis zu werben. Ich bin erfreut, hier zu sein und an dieser Zusammenkunft in Baku teilzuhaben.

Václav Klaus, IX Global Baku Forum, Panel 3: “Today’s Threats to Energy: Their Nature, Scope and the Need to Address Them in New, Wise Ways”, Baku, Azerbaijan, June 16, 2022.

 

Anmerkungen der EIKE-Redaktion

Wir danken dem ehemaligen Tschechischen Staatsprädidenten Dr. Vaclav Klaus ganz herzlich für die freundliche Genehmigung, seine Rede in Baku in den EIKE-News abzudrucken (Übersetzung des Englischen Originals (hier) von Prof. Dr. H.-J. Lüdecke)

Es dürfte unsere Leser kaum überraschen, dass EIKE den Inhalt der Rede von Vaclav Klaus vollumfänglich teilt, nämlich gegen Planwirtschaft und für freie soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Ehrhards. Auch in der Ablehnung von „Klimaschutz“, Energiewende und „great reset“  (auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos propagierte Weltdiktaturbestrebungen (hier), (hier), (hier)) sind EIKE und Vaclav Klaus deckungsgleich. Zwei EIKE-Mitglieder sind mit Vaclav Klaus anlässlich von Vorträgen auf gemeinsamen Veranstaltungen persönlich bekannt.




Neues aus der Klimaforschung: Ein Artikel im Nature Journal „Scientific Reports“ mit zwei EIKE-Mitgliedern als Autoren

Nature mit seinen zahlreichen Journalen gilt bekanntlich als „Goldstandard“ wissenschaftlicher Publikationen. Von den EIKE-Mitgliedern Prof. Dr. Gisela Müller-Plath und Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke, zusammen mit einem externen Autor, erschien am 18. Juni 2022 ein Fachartikel im Nature Journal Scientific Reports.

Über Scientific Reports, welches mehrere Themenbereiche aufweist, schreibt Nature (hier) „…Scientific Reports is the 6th most-cited journal in the world…”. Unser veröffentlichtes Paper ist open und kostenfrei bei Nature unter dem Link https://rdcu.be/cPQzt zu erreichen. Wir weisen zudem auf das zugehörige Supplement des Papers hin, welches eine ausführliche Beschreibung der Methoden und vor allem zahlreiche weitere Ergebnisse enthält.

Worum geht es in unserer Studie? Niederschläge in Europa weisen eine natürliche Variabilität auf, die je nach Jahreszeit und geografischer Region sehr unterschiedlich ausfällt. Diese Variabilität der Niederschläge wird zweifelsohne durch vielfältige, miteinander interagierende atmosphärische und geographische Faktoren verursacht und ist physikalisch noch sehr wenig verstanden. Als ersten Ansatz sucht man daher nach statistischen Zusammenhängen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben Messungen von Klimaparametern ganz erheblich zugenommen wie zum Beispiel von Land- und Meerwassertemperaturen (SST), Windgeschwindigkeiten, Luftfeuchten, Wolkenbedeckungen und weiteren mehr. Zu den Messungen gehören auch Luftdrücke bis etwa 500 m über Meeresspiegel und deren weiträumigen Differenzen, meist zwischen zwei festgelegten Punkten. Die nachfolgend gezeigte Abbildungen Figure 1 aus dem Paper zeigen die geographische Lage der fünf von uns verwendeten Druckdifferenz-Messungen – in der Literatur tragen sie die Kurznamen NAO, AO, NCP, MOI2 und WeMOI [4]. Figure 2 zeigt ihre Verläufe über die Zeit jeweils ab Beginn der Messungen als Jahresmittelwerte.

 

Figure 1 des Papers

Figure 2 des Papers

Vor unserer Arbeit gab es erst sehr wenige, leider kaum beachtete Facharbeiten, welche im Wesentlichen auf mögliche Einflüsse der WeMOI (s. Figure 1) auf Regenereignisse im Mittelmeerraum hinwiesen. Die Ergebnisse erschienen uns auf den ersten Blick wenig attraktiv für weitergehende Forschung. Trotzdem gingen wir der Spur nach, indem wir systematisch die Einflüsse aller fünf in Figure 1 gezeigten Druckdifferenzen auf die Regenmengen in allen 39 europäischen Länder im Zeitraum von 1950 bis 2019 detailliert durchkämmten. Dabei gingen wir monatsweise vor, d.h. der Verlauf der Regenmenge eines Landes mit dem Verlauf der fünf ausgewählten Druckdifferenzen über die 70 Jahre hinweg wurde für jeden Monat separat verglichen. Die folgend gezeigte Abbildung entstammt Figure 4 im Paper und vergleicht zum Beispiel die Januar-Regenmenge in Dänemark mit der mittleren Januar-Druckdifferenz „MOI2“ von 1950-2019. (Der Grad der Übereinstimmung der beiden Kurven wird in der Statistik mit einer Zahl zwischen -1 und 1 ausgedrückt, der so genannten Korrelation r, wobei r = 1 perfekter Gleichlauf bedeutet, r = -1 perfekter Gegenlauf und r = 0 kein Zusammenhang.)

Insgesamt zeigen die Ergebnisse spannende und teilweise völlig unerwartete Zusammenhänge. Es ergaben sich sich unzählige starke und statistisch signifikante Korrelationen von Druckdifferenzen mit Monatsregen vieler europäischer Länder in Abhängigkeit von den einzelnen Druckdifferenzen, den geographischen Lagen der betreffenden Länder und insbesondere den Jahreszeiten (Monaten). Figure 3 im Paper zeigt ihre Dynamik über die Jahreszeiten, d.h. ein systematisches An- und Abschwellen des Zusammenhangs einzelner Druckdifferenzen mit dem Regen in bestimmten europäischen Regionen.  Unerwartet waren zum Beispiel die Korrelationen der im Mittelmeer gelegenen MOI2 mit dem Regen in Nordeuropa in den Wintermonaten. Wegen ihres Umfangs ist Figure 3 besser in der Originalarbeit https://rdcu.be/cPQzt zu sehen.

In einem weiteren Auswertungsschritt haben wir das Zusammenwirken der fünf Druckdifferenzen untersucht. Oft korrelieren nämlich mehrere Druckdifferenzen substantiell und signifikant mit der Regenmenge eines Monats und Landes, z.B. für Januar in Slowenien sogar alle fünf. Da die Druckdifferenzen aber auch untereinander korrelieren, fragt man sich, ob einige für die Erklärung des Regens vielleicht überflüssig sind, da sie nur „Beiprodukte“ von anderen darstellen. Mit der statistischen Methode der „best subset selection“ im Allgemeinen Linearen Modell konnten wir ermitteln und validieren, welche Druckdifferenzen jeweils nötig sind zur optimalen Beschreibung jeder Regenreihe, und welche verzichtbar. Zur Beschreibung des Januarregens in Slowenien reichen tatsächlich die MOI2 und die WeMOI – die anderen drei sind verzichtbar (Figure 6 im Paper, und für weitere Regionen S. 47-49 im Supplement). Hieraus könnte sich in der Zukunft eine Möglichkeit der Regenvorhersage ergeben, sofern es der Forschung gelingt, die Druckdifferenzen vorherzusagen.

Eine schlüssige und vollständige physikalische oder meteorologische Erklärung für den so rätselhaft- genauen Einfluss von Druckdifferenzen auf weit entfernten Regen gibt es noch nicht. Wir haben keine Erklärung solcher Zusammenhänge versucht, sie hätte den Thema-Umfang unserer Studie zu weit überstiegen. Die von uns dokumentierten Einflüsse durch weit entfernte Druckdifferenzen zählen zu den sogenannten teleconnections, welche inzwischen zunehmend in den wissenschaftlichen Fokus geraten. Teleconnections waren auch das übergeordnete Thema vorangegangener Fachpublikationen von uns zusammen mit weiteren Autoren [1-3]. Anthropogenes CO2 spielt übrigens in allen hier angesprochenen Studien aber auch allgemein bei „teleconnections“, so gut wie keine Rolle. Ein Blick auf Figure 2 belegt dies bereits anschaulich; nirgendwo ist ein Einfluss der stark angestiegenen atmosphärischen CO2-Konzentration erkennbar. Dies ist vielleicht auch der Grund für die wissenschaftlich bislang etwas stiefmütterlich behandelten „teleconnections“.

Unsere aufgefundenen Korrelationen aus 39 Ländern, aus fünf Zeitreihen von Druckdifferenzen und aus 12 jahreszeitlich unterschiedlichen Monaten liefern sehr viele Ergebnisse mit hohen Korrelationswerten. Aus fundamental statistischen Gründen sind nicht wenige davon aber nur reiner Zufall. Von diesem Problem ist beispielsweise auch die Pharmaindustrie betroffen, wenn sie die Wirksamkeit eines Medikaments nachzuweisen sucht. Je mehr Patienten auf die Wirkung eines Medikaments getestet werden, umso mehr zufällig falsch-positive, aber auch zufällig falsch-negative sind unter den Ergebnissen. Es ist daher oft ein erheblicher Aufwand an modernen statistischen Verfahren erforderlich, um falls überhaupt möglich, Ergebnisse auch als verlässlich (signifikant) nachzuweisen.

Selbst in der begutachteten wissenschaftlichen Literatur begegnet man in diesem Zusammenhang gelegentlich immer noch unzureichender Sorgfalt. So sind wir seit einigen Jahren von begutachteten Klimajournalen nachgefragte Reviewer, die relativ oft in ihren Reviews unbelegte Behauptungen über angeblich „signifikante Ergebnisse“ bemängeln müssen, weil die erforderlichen ordentlichen Belege für die Behauptung „signifikant“ entweder fehlen, oder gar ihre grundlegende Bedeutung für den Wert von wissenschaftlichen Aussagen einigen Autoren nicht bekannt zu sein scheint.

Zum Abschluss einige allgemeinere Bemerkungen zur Klimaforschung bei EIKE: Es wäre jetzt zu wünschen, dass insbesondere die EIKE mehrheitlich feindlich gegenüberstehenden Medien auf der EIKE-Hauptseite unter „Publikationen“ nachsehen und die dort aufgelisteten  begutachteten wissenschaftlichen Publikationen von EIKE-Mitgliedern, wenn schon nicht würdigen, so doch zumindest zur Kenntnis nehmen. Wissenschaft ist keine Einbahnstraße eines 99% Konsenses, sondern stets der Wettstreit um die wissenschaftliche Wahrheit und wissenschaftliche Ergebnisse. Das Interview des WELT-Redakteurs Bojanowski mit dem weltbekannten renommierten Klimaforscher Lennart Bengtsson (hier) zeigt ein entspanntes, vorsichtig positives Bild von den klimatischen Einwirkungen des anthropogenen CO2, welches mit den düsteren Katastrophenbildern der allermeisten deutschen Medien nicht übereinstimmt. Diese Art von Medien sind lediglich Unterstützer einer fragwürdigen Klimapolitik, nehmen die Ergebnisse der Klimawissenschaft nicht zur Kenntnis und sind somit nicht, wie für eine funktionierende Demokratie erforderlich, neutrale ehrliche Berichterstatter.

 

Qellen

[1] Laurenz, L., Lüdecke, H.-J., Lüning, S., 2019. Influence of solar activity on European rainfall. J. Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 185: 29-42, doi: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1364682618305273,(Supplement), https://docs.wixstatic.com/ugd/0d4581_d545796c55374ae882be45843c858269.pdf.

[2] Lüdecke, H.-J., Cina, R., Dammschneider, H.-J.., Lüning, S., 2020. Decadal and multidecadal natural variability in European temperature, Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics 205, 105294. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1364682620301115

[3] Lüdecke, H.-J., Müller-Plath, G., Wallace, M.G., Lüning, S., 2021. Decadal and multidecadal natural variability of African rainfall, Journal of Hydrology: Regional studies 34, 100795. Open unter https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2214581821000240

[4] AO – Arctic Oscillation, NAO – North Atlantic Oscillation, NCP – North Sea-Caspian Pattern, MOI2 – Mediterranean Oscillation Indices (davon gibt es 2), WeMOI – Western Mediterranean Oscillation Index. Bei Eingabe der vollen Bezeichungen im Google-Suchfenster findet man die Details dieser Zyklen.




Der aktuelle Weltkonflikt: Barbarei gegen Fortschritt

Die Welt hat sich in den letzten fünfzig Jahren dramatisch verändert, so daß man von einer Zeitenwende sprechen muss. Die Weltbevölkerung hat sich in etwa verdoppelt. Und noch nie waren Produktions- und Lieferketten weltweit so eng miteinander verknüpft, daß aktuell selbst unscheinbar erscheinende Unterbrechungen sofort Unterversorgungen mit Gütern nach sich ziehen.

von Andrea Andromidas

Die wichtigste Veränderung aber ist die Verlagerung der industriellen Entwicklungsdynamik nach Asien. 1990 gehörten noch 80% der Kaufkraftparität zum „Westen“ und nur 20% zum Rest der Welt. Heute sind es im Westen 36% gegenüber 64%, wobei sich in Asien China besonders abhebt. Solch ein Auseinanderklaffen läßt Konflikte unausweichlich werden. Ihre tiefere Ursache ist, daß in Asien alles danach strebt, die Industrialisierung voranzubringen, während im Westen die industrielle Weiterentwicklung zum Feindbild geworden ist. Dies wirft die fundamentale Frage auf „Wie konnte es dazu kommen, und wer sind die Verantwortlichen?“

Nach der Ära von John F. Kennedys entstand im Westen das Programm einer nachindustriellen Gesellschaft. Dieser zuerst nur abstrakte Begriff ist in jüngster Zeit besonders in Europa und hier ganz besonders in Deutschland zum konkreten fanatischen Programm geworden. Zwar werden bei uns immer noch ständig die Schlagworte „Demokratie“, „Freiheit“ und „Menschenrechte“ im Munde geführt, aber wirkliche Freiheit, in Gestalt eines 250 Jahre erkämpften Fortschritts industrieller Entwicklung, soll zuerst zum Stillstand gebracht und schließlich in industriellen Rückschritt verwandelt werden. Der Begriff „industrieller  Fortschritt“ wird als Irrweg deklariert, weil angeblich die Erde darunter zu sehr gelitten habe.

Wie sehr dieses transformative Programm ein radikaler Umsturz ist, kann man der Forderung im WBGU-Bericht [1] aus dem Jahr 2011 entnehmen, in dem es heißt:

Das Wirtschaftsmodell der vergangenen 250 Jahre mit seinen Regelwerken, Forschungslandschaften, Ausbildungssystemen, gesellschaftlichen Leitbildern sowie Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Innovationspolitiken war nahezu alternativlos auf die Nutzung fossiler Energieträger zugeschnitten. Dieses komplexe System muß nun grundlegend umgebaut und auf die Dekarbonisierung der Energiesysteme sowie radikale Energieeffizienzsteigerungen ausgerichtet werden.

Bisweilen wird es dreister auch so formuliert:

Schluß mit Beton, Plastik und Düngemitteln.

Dieser Umsturz bedeutet in letzter Konsequenz, dass man industriellen Fortschritt mit seinen modernen Entwicklungen sogar weltweit beseitigen müsste, nicht nur im eigenen Hause! Die jüngsten offiziellen Aussagen über die notwendige Bekämpfung industrieller Entwicklung in Rußland oder in China und das hektische Verlangen nach immer neuen Wirtschafts-Sanktionen ist unübersehbarer Ausdruck dieser über Jahrzehnte gesteigerten Entwicklung. Der Hass auf Fortschritt ist – das kann nicht genug betonen werden – das fundamentale Gegenteil unserer eigenen kulturellen christlichen Tradition. Woher kommt aber dieser Haß? Welchem und wessen Geisteszustand haben sich die Verantwortlichen verschrieben?

 

Die Biosphäre W. Wernadskijs und Roosevelts Vereinte Nationen

Der Mensch ist das Ergebnis eines evolutionären Naturprozesses, der mindestens seit zwei Millionen Jahren andauert. Er hat die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Denken hervorgebracht. Durch ihn ist eine Kraft von enormer Bedeutung entstanden, deren Geschwindigkeit im Laufe der Zeit stetig zunahm. Schon die Entdeckungen von Dampfmaschine und Elektrizität haben die Industrialisierung rund um den Planeten entscheidend vorangebracht. Die „Explosion“ des wissenschaftlichen Denkens im 20. Jahrhundert, besonders die Entdeckungen bezüglich des Atoms und seiner Zerfallserscheinungen sind noch heute weltweit eine wissenschaftliche Herausforderung. Auf der Ebene des wissenschaftlichen Denkens ist die Welt bereits zu einer Einheit geworden, unabhängig aller anderen Besonderheiten, denn der Mensch unterscheidet sich von aller weiteren lebenden Materie durch die ihm eigene Kreativität und Vernunft [2] – all dies ausführlich im Werk des Geobiochemikers Wladimir Wernadskij zu finden (hier) „Der Mensch in der Biosphäre, zur Naturgeschichte der Vernunft“.

Franklin Delano Roosevelt hatte mit der Gründung der Vereinten Nationen ein besonderes Ziel im Auge. Insbesondere aus seinen Erfahrungen im ersten Weltkrieg war ihm bewusst, daß eine bessere Zukunft nur dann möglich ist, wenn alle Formen kolonialer Unterwerfungen aus den Beziehungen der Staatengemeinschaft ausgeräumt sind. Bis zu seinem Tod setzte sich Roosevelt daher für eine Friedensordnung ein, die auch dem Rest der Welt das ermöglichen würde, was Amerikas Wirtschaft groß gemacht hatte: Die umfassende industrielle Entwicklung des ganzen Landes.

 

Bertrand Russells Gegenentwurf: eine diktatorische Weltregierung

1926 veröffentliche Bertrand Russell (1872-1970) ein Buch mit dem Titel Ikarus oder die Zukunft der Wissenschaft. Das Thema, das ihn umtrieb, war immer das gleiche – auch in seinen späteren Veröffentlichungen: Die Welt erlebe gegenwärtig eine Industrierevolution, die seiner Vorstellung eines für die Ewigkeit gemachten Britischen Empires als bedrohlicher Gegensatz erscheint. Unter dem Banner des Pazifismus behauptet B. Russel, wissenschaftlicher Fortschritt und Industrialisierung führten am Ende immer zum Krieg, weil Überbevölkerung und Ressourcenknappheit die Welt auf ewig entzweien würden. Die Vorstellung, dass wissenschaftliche Forschung und Industrialisierung dagegen aus der Welt eine Einheit machen kann, die zwangsläufig friedliche Zusammenarbeit erfordert, war für ihn als Angehörigen einer privilegierten Kaste undenkbar.

In nicht allzu langer Zeit werden die technischen Bedingungen für die Durchorganisierung aller Länder der Welt als Produktions- und Konsumptionseinheiten verwirklicht sein

schreibt B. Russel weiter. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, sei die Errichtung einer Weltregierung. Und schließlich schreibt er

Dank der Narrheit der Menschen wird, glaube ich, eine Weltregierung nur durch Gewalt begründet werden; sie wird daher fürs erste grausam und despotisch anmuten. Aber ich glaube, sie ist notwendig für die Rettung einer mit Wissenschaft durchtränkten Zivilisation, und, wenn sie erst einmal Wirklichkeit geworden ist, werden auch die übrigen Voraussetzungen eines erträglichen Daseins sich aus ihr heraus entwickeln.“

Viele Gleichgesinnte von B. Russel waren geradezu besessen von der Notwendigkeit einer gewaltsamen undemokratischen Weltregierung. H.G. Wells, enger Vertrauter von Churchill, schrieb zwei Jahre später sogar ein Traktat über die Offene Verschwörung [3] mit einem ausführlichen Programm, wie diese Weltregierung zu erzwingen sei.

Russel ging freilich noch weiter. Am ersten Oktober 1946 veröffentlichte er im Bulletin of the Atomic Scientists einen Kommentar, in welchem er die Überlegung verbreitet, daß es mit dem weiteren Einsatz der Atombombe seitens der USA zur Errichtung einer Weltregierung kommen würde, was er persönlich mit Enthusiasmus begrüßen würde. Leider müsse man davon ausgehen, daß die USA dazu nicht bereit seien!

Zum Glück waren sie nach Hiroshima und Nagasaki dazu nicht mehr bereit. Mit der Präsidentschaft Dwight D. Eisenhowers (1953-1961) nahm schließlich ein US-Präsident die Geschäfte in die Hand, der ganz im Sinne von Franklin Roosevelt die neugeschaffene Institution der Vereinten Nationen als Plattform einer Gemeinschaft souveräner Staaten begriff. Am 8. Dezember 1953 hielt er vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York seine berühmte Rede „Atome für den Frieden“. Er forderte darin die Weltgemeinschaft auf, die Technik der Kernspaltung für die friedliche Nutzung zur Energiegewinnung einzusetzen, um allen Menschen den Weg der Entwicklung zu ermöglichen.

 

B. Russels Erben: Verdummung und Propaganda, das Prinzip der Unterwerfung

Als John F. Kennedy ermordet wurde, waren bereits fünf Nationen, die USA, die Sowjetunion, Frankreich und England im Besitz von Atomwaffen. Zwar war die Errichtung einer Weltregierung glücklicherweise nicht in greifbarer Nähe gerückt, aber diese verbrecherische undemokratische Idee wurde dennoch niemals aufgegeben. Wenn überhaupt, konnte sie in der Tat nur durch eine Art „Offener Verschwörung“ verwirklicht werden, wie sie H.G. Wells schon 1928 angedeutet hatte.

Entsprechende Weichenstellungen der frühen 70er Jahre orientierten sich ganz am Gedankengut des Bertrand Russell. Was die amerikanische Regierungsseite angeht, müssen in diesem Zusammenhang die Bukarester Bevölkerungskonferenz 1974 und das im gleichen Jahr verfaßte, damals geheime, strategische Memorandum NSSM 200 [4] erwähnt werden. Wesentlich bekannter ist dann die Gründung des Club of Rome, dessen Aussagen massenhaft Publikationen über Bevölkerungswachstum und angebliche Ressourcenknappheit nach sich zogen.

Längst war die nach außen hin kaum offen kommunizierte Entscheidung für die Maßnehmen gefallen, durch Auslagerung industrieller Billigproduktion nach Übersee zwar den daraus entstehenden Vorteil zu nutzen, aber gleichzeitig mit allen verfügbaren Mitteln sicher zu stellen, dass die zur Industrieentwicklung notwendige Schwelle in den (deshalb so genannten) „Schwellenländern“ Afrikas, Asiens und Lateinamerikas von diesen nicht überschritten werden konnte.

Der Aufstieg Chinas zu einer wirklichen Industrienation war daher aus der Sicht dieser westlichen „Weltregierung-Strategen“ im Sinne Russels der größte anzunehmende Unfall überhaupt und ist aus diesem Grunde auch der eigentliche Kern des gegenwärtigen Konflikts. China hat nämlich im Gegensatz zu anderen Ländern den Sprung von Billiglohnproduktion zu systematischer Industrieentwicklung geschafft und es auch noch verstanden, den wichtigsten Folgeschritt zu meistern, diesem Sprung Dauer zu verleihen.

Billigproduktion an sich verdient nämlich noch lange nicht den Begriff „Industrie“ oder gar „Fortschritt“. Erst wenn dafür gesorgt wird, daß wissenschaftliches Denken den Produktionsprozeß ständig bereichert, ist man in der Lage, die Wertschöpfung langfristig und permanent zu steigern. Dies erfordert notwendigerweise die Ausbildung weiter Teile der Bevölkerung und den Aufbau einer wirksamen Infrastruktur. Einmal entfesselt, schafft es dann ein Maß an Freiheit und Unabhängigkeit, das imperialen Interessen wie denen von B. Russel fundamental bedrohlich ist.

Nach dem britischen Rezept der „Offenen Verschwörung“ und unter Einsatz aufwendiger Propagandamittel hat dann die politische Klasse des Westens 50 Jahre lang versucht, mit einer Art Klima-Religion weitere Höhenflüge wie die von China nicht nur einzudämmen, sondern um jeden Preis bereits im Ansatz zu hintertreiben. Wir erleben gegenwärtig, dass in den höchsten Etagen zum Teil schon darüber spekuliert wird, erst die russische Wirtschaft zu schädigen oder gar zu zerstören und danach dann die chinesische [5], [6].

Die Natur des Menschen, die nach Wissenschaft, Fortschritt und mehr Wohlstand strebt, ist bis zum heutigen Tag Gegenstand einer maßlosen Wut unter denen, die es vorziehen, ganze Kontinente zu unterwerfen, anstatt dafür zu sorgen, daß Armut abgeschafft wird. Das Davos-Forum, das von Fridays for Future bis zur Bank von England alle fortschrittsfeindlichen Kräfte unter einem Dach vereint, hat es in dem Buch von Klaus Schwab über den Stakeholder-Kapitalismus mit unvergleichbarem Zynismus auf den Punkt gebracht, denn dort steht:

Das zeigt uns das zentrale unauflösbare Problem. Die Fähigkeit, die den Menschen dazu verhilft, die Armut zu überwinden und ein besseres Leben zu führen, ist gleichzeitig dafür verantwortlich, daß der Planet für zukünftige Generationen zerstört wird. Die Ursachen für den Klimawandel sind nicht nur das Resultat einer selbstsüchtigen Generation von Industriellen und Babyboomers im Westen. Sie sind die Konsequenz des menschlichen Strebens nach einer besseren Zukunft“ [6].

 

Quellen:

[1] WBGU, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation, 2011

[2] In Diskussion mit dem französischen Mathematiker Le Roy und dem Jesuiten Teilhard de Chardin.

[3] Herbert George Wells, Die offene Verschwörung, 1928

[4] https://nssm200.com/

[5] https://www.welt.de/wirtschaft/article205034846/Weltwirtschaftsforum-Die-groessten-Risiken-fuer-die-Zukunft-der-Welt.html

[6] Klaus Schwab, Stakeholder Capitalism, World Economic Forum 2021, Published by John Wiley& Sons, Inc., Hoboken, New Jersey S.154




Habecks Ministerium und die „Ampel“: ideologisch, unverhältnismäßig, verantwortungslos

Man sollte meinen, der Ukraine-Krieg und die damit verbundene extreme Gefährdung unserer Energieversorgung hätten endlich ein wenig Vernunft bei den politisch Verantwortlichen aufkommen lassen, doch leider keine Spur.

von Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke

Es müsste inzwischen klargeworden sein, dass die beschlossene weitere Verspargelung unseres Landes mit Windmühlen einer Katastrophe gleichkommt. Über 30 000 Windradanlagen plus die Photovoltaik erzeugen aktuell nur mickrige 3,5 + 1,5 = 5% der deutschen Primärenergie und dies auch noch wetterabhängig. Dafür zerstören Windräder Landschaften, Wälder und töten Vögel, Fledermäuse, Insekten. Die verbleibenden CO2-freien Kernkraftwerke sollen in kaum vorstellbarer Steigerung dieses Abersinns weggeworfen werden. Die herrschende Politik will es so.

Wer verantwortet eigentlich dieses Desaster? Wie es die letzten Landtagswahlen zeigten, war es erstaunlicherweise die größte existierende deutsche Partei – die Nichtwähler. Nichtwähler sind hierzulande anscheinend der Meinung, es sei besser, dass Deutschlands Wohlstand und sozialer Frieden im Energie-Nirwana untergehen, ehe sie die politisch Verantwortlichen abwählen. Das schmollende Warten der Nichtwähler auf eine „Partei-Prinzessin“, welche alle Wünsche erfüllt, ist pure Dummheit, denn solch eine Partei kann es niemals geben. Vernünftig wählen ist, nüchtern gesehen, die Wahl des kleinsten aller angebotenen Übel.

Nichtwählern ist unbekannt, dass echte Demokratie niemals eine beschauliche ruhige Einbahnstraße ist, sondern stets der heftige faire Streit gegensätzlicher Interessen. Eine herrschende Politik, welche uns zu „richtiger Haltung“ sowie einem immer engeren Meinungskorridor erziehen möchte, uns Einfamilienhäuser und das größte Freiheitsgeschenk in Form des Benzin/Diesel-Autos wegnehmen will, kann dieses Vorhaben im Extremfall auch einmal mit Einsperren und Umerziehung versuchen. Dass dies keine Übertreibung ist, belegen bereits  übergriffige „deep state“-Maßnahmen gegen Impfgegner, nicht nur bei uns, sondern insbesondere in Staaten wie Kanada und Australien, die bisher nicht durch Demokratiedefizite auffielen. Die permanente Verweigerung deutscher Nichtwähler, eine unerwünschte Politik konsequent abzuwählen, ist letztlich der vom Souverän überreichte Freipass zur Diktatur. Es gibt schließlich immer demokratische Alternativen beim wählen.

Nun zum eigentlichen Thema, welches die bisher allgemeinen Ausführungen mustergültig im technischen Detail belegt, nämlich die Stellungnahme von Dipl.-Ing. Frank Hennig anlässlich seiner Anhörung im Deutschen Bundestag:

In der 16. Sitzung, am 16. Mai 2022 fand im deutschen Bundestag eine Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weitere Maßnahmen im Stromsektor sowie zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften statt (hier). Zu dieser Anhörung war auch ein neutraler Experte, Herr Dipl.-Ing. Frank Hennig, geladen, der in seiner Stellungnahme kein Blatt vor den Mund nahm. Sie ist vom Bundestagsserver abrufbar (hier), wird hier aber noch einmal wiedergegeben:

Entwurf eines Gesetzes zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor – Drucksache 20/1630 –

Die Präambel bezieht sich auf das 1,5-Grad-Ziel, nach dem Deutschland seine „gesamte Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik“ ausrichte. Das ist unzureichend und kollidiert mit dem Paragrafen 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), das eine „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche . . .“ Versorgung als Ziel vorgibt. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält keine systemische Betrachtung, sondern nur eine Festlegung von Zielzahlen bestimmter Technologien, keinerlei implementierte Betrachtung von Versorgungssicherheit und Kosten für die Verbraucher. Das fundamentale energiepolitische Dreieck wird ignoriert.

Die Tatsache, dass der Begriff der Versorgungssicherheit in dem 267-seitigen Dokument ganze zweimal vorkommt (in nebensächlichen Zusammenhängen) zeigt ein massives Unverständnis der Funktionsweise des Stromversorgungssystems hinsichtlich der notwendigen Gleichzeitigkeit von Stromerzeugung und -verbrauch.

Der Ausbau der regenerativen Energieanlagen (EE) ist jedoch kein Selbstzweck, sondern soll weitere THG-Emissionssenkung bewirken. Auch diese sind nur Mittel zum Zweck, die globale Temperatursteigerung zu verringern. Auf Grundlage der im Pariser Klimavertrag angeführten Budgets wäre es erforderlich, einen Erfolg des Ausbaus der Windkraft an einer Gradzahl verhinderter Erwärmung zu bewerten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zunächst der entfallende Strom aus Kernkraft substituiert werden muss.

Die sechs bis Ende 2021 betriebenen Kernkraftwerke erzeugten im Jahresverlauf 69,1 Terawattstunden (TWh) Strom. Minister Habeck bezeichnete den Anteil des Kernkraftstroms 2022 als „minimale Mehrproduktion“. Um den Anteil 2021 durch Windkraft mengenmäßig zu ersetzen, wäre etwa die Hälfte der jetzigen Kapazität nötig, ohne dass dadurch ein emissionsmindernder Effekt eintritt. Das heißt, jeder weitere Zuwachs an Windkraft wird in den nächsten Jahren bilanziell als
emissionsarmer Ersatz des entfallenden emissionsarmen Stroms aus Kernkraft wirken, allerdings ohne Grund- und Regellastfähigkeit.

Beim Ausbaupfad Wind ist der Rückbaupfad nicht berücksichtigt. Das Ziel von 110 GW Windkraft onshore bis 2030 würde erfordern, in den nächsten acht Jahren arbeitstäglich etwa fünf neue Anlagen ans Netz anzuschließen. Dies hält dem Realitätscheck bezüglich Rohstoff-, Material, Hersteller- und Montagekapazitäten nicht stand. Die Kapazität von 200 GW Fotovoltaik bis 2030 bedeutet die Montage von über 400 Millionen Paneelen, arbeitstäglich mehr als 200.000 Stück.

Die These „Errichtung und Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit“ lässt die Frage offen, wer diese Sicherheitsleistung bei Dunkelheit oder Windstille erbringt. EE-Anlagen können auf Grund ihrer volatilen Produktion nicht als Netzreserve herangezogen werden. Minister Habeck fragte auf
seiner Reise nach Katar nicht nach Windkraftanlagen, sondern nach sicherer Energie.

Eine weitere finanzielle Förderung von EE-Bestandsanlagen ist beim gegenwärtigen und zukünftigen Preisniveau im Großhandel nicht mehr notwendig. EE-Anlagen können am Markt arbeiten, was eines Tages bei „100-Prozent-Erneuerbar“ ohnehin notwendig ist. Der Gesetzentwurf enthält keinerlei Maßnahmen, die regenerativen Anlagen an den Markt heranzuführen. Feste Einspeisevergütungen sind in dieser Hinsicht kontraproduktiv, weil sie die Entwicklung hin zu marktfähigen Lösungen
behindern. Aus dem Entwurf geht ein Unverständnis zu den Parametern Arbeit und Leistung, Gestehungskosten und Marktpreis hervor.

Vor dem Hintergrund der Information, die „Erneuerbaren“ (EE) seien billiger als konventionelle Energietechnologien ergibt sich die Frage, warum dann überhaupt ein Finanzierungsbedarf über Haushaltsmittel und ein Umlagesystem noch nötig sind. Eine Änderung der völlig veralteten Regeln im EEG (Einspeisevorrang unabhängig vom Bedarf, Vergütung von Phantomstrom) ist längst überfällig.

  • 28d der Änderung zum EEG gibt die Ausschreibungsvolumen für wasserstoffbasierte Stromspeicherung an. Daraus geht nicht hervor, ob es sich um die Elektrolyseurs- oder die Rückverstromungsleistung handelt.

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften – Drucksache 20/1634 –

Der Gesetzentwurf schreibt Zielzahlen zum Ausbau von Windkraftanlagen (WKA) auf See bis ins Jahr 2045 fest. Es gibt keine belastbare Herleitung dieser Zahl, etwa aus einer Gesamtsystemplanung für den Energiesektor. Offenbar besteht der Grundgedanke, durch einfachen Zubau von immer mehr regenerativen, aber volatilen Stromeinspeisern die THG-Emissionen wirksam senken und gleichzeitig ohne stabilisierende Aktivitäten das Energieversorgungssystem funktionssicher erhalten zu können.

Es wird ein Strommengenpfad verfolgt ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass Erzeugung und Verbrauch sich stets im Gleichgewicht befinden müssen. Die Fragen der Primär- und Sekundärregelleistung, der reduzierten Momentanreserven und der Spannungshaltung im Netz werden komplett ignoriert. Das mengenbasierte Umlagesystem behindert die Entwicklung systemdienlichen Einsatzes der EE.

Auch bei einer Volllaststundenzahl von 4.000 oder mehr kann man im Vergleich zu konventionellen Anlagen nicht von einer „hohen durchschnittlichen“ Zahl sprechen. Es muss weiterhin ein fast 100-prozentiges Backup vorhanden sein.

Am 27. April betrug die Offshore-Windeinspeisung 27 Megawatt, was 0,35 Prozent der installierten Leistung entspricht. Hochgerechnet auf eine installierte Leistung von 30 Gigawatt (GW) im Jahr 2030 würde dann die Einspeisung bei gleicher Wetterlage 105 Megawatt betragen. Das wäre in der Tat eine von Minister Habeck genannte „minimale Produktion“. Im Zeitraum 30. April bis 8. Mai verharrte die Windstromproduktion (onshore und offshore schwanken im Gleichtakt) weiterhin auf niedrigem Niveau. Die Frage, in welcher Form und Menge ein Backup beibehalten und neu errichtet werden muss, blendet der Gesetzentwurf völlig aus.

Die maximal zur Verfügung stehenden Flächen auf See erlauben einen maximalen Ausbau von 57 GW (Fraunhofer, 2017) und 60 GW (Deutsche Windguard, 2021). Die Lebensdauer der Anlagen offshore ist kürzer als onshore. Häufiger Starkwind und Salzwasseratmosphäre beschleunigen Verschleiß und Alterung. Ein entsprechender Rückbaupfad (mit Bindung der Kran- und Schiffskapazitäten) wäre zu
implementieren.

Primärenergie
2021 erbrachten die Offshore-Windkraftanlagen eine Strommenge von 26,4 TWh. Dies ist ein Anteil von etwa 0,8 Prozent am Primärenergiebedarf. Der Ausbau auf 30 GW bis 2030 entspricht etwa einer Vervierfachung der gegenwärtigen Kapazität und würde den Anteil am Primärenergiebedarf auf etwa 3,2 Prozent steigen lassen. Vor diesem Hintergrund ist Windenergie auf See ohne wesentlichen Effekt für den Klimaschutz und das globale 1,5-Grad-Ziel.

Rohstoffe
Der Gesetzentwurf enthält keinerlei Hinweis auf eine durchgeführte Plausibilitätsprüfung hinsichtlich zur Verfügung stehender Rohstoffe, Materialien sowie Bau- und Montagekapazitäten. 22 Rohstoffe stehen derzeit auf einer roten Liste, darunter das für Windkraftanlagen wichtige Neodym. 54 Prozent der Rohstoffe für Windkraftanlagen kommen aus China.

Die Verfügbarkeit der erforderlichen Längen an Seekabeln wurde nicht geprüft. Insgesamt erfordern die Ausbauziele Material in der Größenordnung von 1,8 Millionen Tonnen Kupfer, 95 Millionen Tonnen Zement und 30 Millionen Tonnen Stahl. Europaweit fuhren Aluminiumhersteller ihre Produktion zurück, Frankreich erstellt einen Sonderstromtarif zur Rettung dieser Betriebe. Trimet Aluminium in Deutschland senkte die Produktion ab und nimmt auf Grund hoher Strompreise keine
weiteren Aufträge an.

Hersteller
Die Auftragsbücher der Hersteller sind voll, dennoch schreiben Anbieter wie Siemens-Gamesa, Nordex und GE Renewables rote Zahlen infolge gestiegener Materialpreise und gerissener Lieferketten. In Deutschland sind wichtige Produktionsstandorte geschlossen worden, so in Lauchhammer, Magdeburg und Rostock. Ab Juli gibt es keine deutsche Rotorblattfertigung mehr. Vorgesehene Importe aus Indien und China stehen unter globalem Nachfragedruck. Das bisherige Preisniveau von etwa 800.000 Euro pro MW ist auf über eine Million angestiegen.

Stromableitung
Ein Abgleich mit dem Netzentwicklungsplan (NEP) ist offenbar nicht erfolgt. Die Errichtung der Transverterstationen sowie der weitere Netzausbau müssen neu geplant werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei den Nord-Süd-Verbindungen erheblicher Verzug besteht. Suedlink wird statt 2022 vermutlich erst 2028 in Betrieb gehen. Umfangreicher Ausbau von Windkraft offshore unterläuft den Ansatz, wonach die Energiewende dezentral sei. Große Erzeugungskapazitäten entstehen fernab von den Verbrauchern. Völlig ungeklärt ist die Frage, wer die Systemdienstleistungen zur Einbettung des stochastischen Windstroms bereitstellt. Die Außerbetriebnahmen der Kraftwerke im Norden, insbesondere Brokdorf, Grohnde, Moorburg und Bremen, verringern die Fähigkeiten zur Regelung außerordentlich.

Ungeklärt ist ebenso die Vernetzung auf See und die damit einhergehende Ableitung von Strom in andere Küstenländer.

Die hohen Netzanschlusskosten über werden zu 100 Prozent über die Offshore-Umlage sozialisiert, während die Gewinne aus dem Betrieb der Anlagen privatisiert werden.

Umwelt-, Wetter und Klimawirkungen
Der Offshore-Windkraft-Ausbau, der auch von benachbarten Küstenländern praktiziert wird, macht zusätzliche Betrachtungen der Fragen des Terrestrial Stilling (TS) und der Windverschattung der in großen Gruppen aufgestellten Anlagen erforderlich. Der Einfluss auf Wolkenbildung, die Bremsung der Luftmassen und die verringerte Verwirbelung der Wasseroberfläche (Wellenbildung) bedürfen tieferer Untersuchung. Nach einer Helmholtz-Studie verändern die turbulenten Wirbelschleppen der Windräder den strömungsgetriebenen Austausch zwischen Atmosphäre und Wasser, die Schichtung des Wassers wird stabiler und es verschieben sich Temperatur und Salzgehalt. Die Planktonproduktion wird reduziert, was die gesamte maritime Nahrungskette betrifft.

Das Narrativ, Windkraftanlagen offshore wie ohnshore seien umwelt-, wetter- und klimaneutral, wird gepflegt, trifft aber nicht zu. Die physikalischen Effekte sind bestätigt, weltweit Gegenstand von Untersuchungen und müssen in einer Strategie hinsichtlich ihrer quantitativen Wirkung Berücksichtigung finden (s. auch Dokumentation WD8-3000-076/20 des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags).

Tiefergehende Untersuchungen zum Thema Vogelschutz, insbesondere hinsichtlich der Flugrouten der Zugvögel sind zu berücksichtigen. Das Gesetzeswerk bedeutet in der Praxis das Unterlaufen des Tötungsverbotes nicht nur für Vögel, an Land auch für Fledermäuse und Insekten, zudem werden Lebensräume anderer Tierarten eingeschränkt.

Fazit zu beiden Gesetzentwürfen
Trotz mehrfacher Hinweise durch den Bundesrechnungshof gibt es weiterhin keine Kostenbetrachtung. Die Auswirkungen des Ausbaus auf Netzentgelte und Offshore-Umlage wird nicht untersucht. Die Energiewende insgesamt unterliegt keiner Projektorganisation mit den wichtigen Schritten Plan, Durchführung und (Kosten)Kontrolle in Abhängigkeit des Ziels (Verhinderung Erderwärmung). Die Entwürfe dieser Einzelgesetze sind neben eine Vielzahl anderer Gesetze der Energiewende gestellt und steigern das Maß an Bürokratie weiter. Jede kleinteilige
Regelung erzeugt weiteren Bedarf an Nachjustierung und Aktualisierung. Eine selbstregulierende Wirkung durch den Markt existiert kaum.

Es fehlt ein Masterplan oder –gesetz. Die fundamentalen Verknüpfungen zu den Themen der Stromableitung, der Systemdienstleistungen sowie die Berücksichtigung der Rohstoff- und Materialsituation fehlen. Die Entwürfe folgen in vollem Umfang den Wünschen der entsprechenden Branchen.

Es fehlen die Implementierung des Backup-Systems und jeglicher Bezug zu den Folgewirkungen des gegenwärtig stattfindenden Krieges (Energiebedarf zur Produktion der EE-Anlagen).

Für den Winter 22/23 ermittelte die Bundesnetzagentur einen Bedarf an Reservekraftwerksleistung 8.264 MW, davon müssen 1.424 MW im Ausland unter Vertrag genommen werden1. Es ergeben sich aus den Gesetzentwürfen keinerlei Hinweise, wie die Menge gesicherter, systemdienlicher Einspeisung gesteigert werden kann, um den Einsatz teurer, alter und emissionsstarker Reservekraftwerke zu verringern, auch hinsichtlich der Abhängigkeit vom Ausland.

Unter dem Punkt „Alternativen“ findet sich jeweils die Angabe: „Keine“. Das ist sachlich falsch. Für den deutschen Beitrag zur Annäherung an den 1,5-Grad-Pfad würden sich neben dem Ausbau der EE die vom IPCC vorgeschlagenen weiteren Instrumente eignen:

– Abscheidung von CO2 aus Rauchgasen und Speicherung oder Nutzung (CCS/CCU),
– Nutzung der Kernenergie
– gezielte Aufforstung zur Erzielung negativer Emissionen.

Das IPCC sagt: Keine einzelne dieser Optionen allein wird ausreichend sein (Bericht AR5, Teil 3, S.569). Der Forderung „folgt der Wissenschaft“ entspricht die Bundesregierung nicht.

Anmerkung der EIKE-Redaktion

Wir danken Frank Hennig für sein engagiertes Einverständnis, seine Stellungnahme hier zu veröffentlichen. Zur Versorgungssicherheit und danach zur Fragwürdigkeit von CO2-Einsparungen sind vielleicht auch noch die folgenden beiden Youtube-Beiträge interessant und empfehlenswert

https://www.youtube.com/watch?v=Vvf52b_JBYQ

https://www.youtube.com/watch?v=BdyKbSdm_U4

Eine Anmerkung zum zweiten Video: der Editor dieser EIKE-News kannte die Ersteller des Videos nicht, wurde von ihnen auch nicht informiert, und ist nicht mit jeder Aussage der Video-Ersteller einverstanden. Dennoch ist nach seiner Auffassung das Video informativ und hat sogar einen Unterhaltungswert, der ein Kompliment verdient. Nach wenigen Wochen wurde für dieses Youtube bereits eine Besucherzahl von rund 340.000 gezählt, dann wurde es gesperrt – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aktuell zählt das Video auf einem anscheinend neuen Kanal schon wieder über 40.000 Aufrufe.

 

 

 




Die verheerende Preis-Revolution

Die gegenwärtige Teuerungswelle kommt nicht von irgendeiner „Geldpolitik“, sondern von einer Produktivitäts-Zerstörung, die die realen Kosten der gesamten Volkswirtschaft immens steigert.

von Dr. Gerd Held

Zu den elementarsten Dingen, die über die Stabilität eines Landes und den Zusammenhalt seiner Gesellschaft entscheiden, gehören die Preise. Ihre Stetigkeit ist die Grundlage, auf der das Vertrauen, der Fleiß und das Durchhaltevermögen der Menschen gebaut ist. Tritt hier eine radikale Änderung ein, indem das allgemeine Preisniveau plötzlich stark ansteigt, führt das zu einer tiefen Erschütterung der wirtschaftlichen, staatlichen und kulturellen Architektur eines Landes. Andere Krisen, die gerade noch als größte Bedrohung erschienen, erscheinen dann auf einmal seltsam fern. Eine Teuerungswelle berührt die Menschen viel näher, sie greift viel unmittelbarer in ihr Alltagsleben ein. Und sie wirkt viel breiter. Sie entwertet nicht nur das Geld, sondern auch die Arbeit, die Wertschöpfung der Unternehmen, die Leistungsbilanz der staatlichen Infrastrukturen. Und das gilt besonders dann, wenn zu erwarten ist, dass das neue Preisniveau auf Dauer bleibt.

Das alles gilt für die Teuerungswelle, die sich in den vergangenen Jahren allmählich aufgebaut hat, und die nun mit großer Wucht über viele Länder – auch hochentwickelte Länder – hereinbricht. Sie hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Viele Preissteigerungen sind in den Rohstoffen und Vorprodukten schon gegeben, aber noch nicht in die Preise der Endprodukte eingegangen. Und schon auf dieser Stufe ist kein Element sichtbar, dass die Preise irgendwann wieder auf ihr altes Niveau zurückführen könnte. Die jetzige Teuerungswelle ist eine tiefgreifende und auf Dauer angelegte Veränderung. Es ist, als würde das ganze Land auf einmal auf einen „schlechteren Boden“ verlegt.

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Inflation? Es ist eine Preisrevolution – Es gibt in unserer Zeit zahlreiche Wieselworte, die durch gedankenlosen Gebrauch alles und nichts bedeuten. Ein solches Wieselwort ist „die Inflation“, mit der die gegenwärtige Teuerungswelle bezeichnet wird. Damit soll jedwede Verteuerung von Gütern erfasst werden – ohne darüber Auskunft zu geben, was dieser Verteuerung zu Grunde liegt. So verschwindet ein wichtiger Unterschied: Es gibt zum einen die Verteuerung, die auf übermäßige Geldvermehrung zurückgeht. Also auf eine veränderte Relation zwischen Geld und Gütern. Zweifellos ist das ein Element in der gegenwärtigen Teuerungswelle, verursacht durch die Politik des billigen Geldes der Zentralbanken. Aber zum anderen kann eine Teuerungswelle auch in Veränderungen der Realwirtschaft begründet sein – also in den Gütern und den Bedingungen ihrer Produktion. Wenn die Bedingungen sich verschlechtern, steigen die Kosten, und das schlägt sich in den Preisen nieder. Wenn sie sich verbessern, sinken die Preise. In beiden Richtungen können die Veränderungen sehr groß sein, und sie können quer durch eine ganze Volkswirtschaft gehen. Eine Preisrevolution, die auf besseren Produktionsbedingungen beruht, erleichtert das Wirtschaftsleben. Aber eine Preisrevolution, die auf einer Verschlechterung der Produktionsbedingungen beruht, erschwert es und kann so weit gehen, dass Betriebe, ganze Branchen und Infrastrukturen in den Ruin getrieben werden. Bestimmte Güter werden dann nicht nur extrem teuer, sondern sind überhaupt nicht mehr verfügbar. Eine Preisrevolution ist dann der Vorbote eines realwirtschaftlichen Substanzverlusts. Eine solche verheerende Preisrevolution findet in unserer Gegenwart statt.

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Die Revolution der Energiepreise – Der auffälligste Teil der gegenwärtigen Teuerungswelle sind die Energiepreise. Schon jetzt ist absehbar, dass Haushalte, Unternehmen und staatliche Einrichtungen im laufenden Jahr eine Verdopplung oder gar Verdreifachung ihrer Energiekosten erleben werden. Energiekosten wirken sich in allen Sektoren und Branchen aus – und auf allen Stufen des Wertschöpfungsprozesses. Energie wird als Antriebsenergie in Verkehrsmitteln und mechanischen Maschinen gebraucht; als Prozessenergie in der chemischen Stoffumwandlung und Konservierung (Lebensmittel); als Haushaltsenergie beim Heizen und Kochen; als Beleuchtungsenergie im privaten und öffentlichen Raum. Und die Digitalisierung hat ein ganz neues Feld der medialen Energienutzung eröffnet und den Verbrauch von Energie noch einmal gesteigert. So erfasst eine Verteuerung der Energie die Volkswirtschaft und Staatstätigkeit in ihrer ganzen Breite.

Ganz offensichtlich beruht der starke Anstieg der Energiepreise nicht oder nur zu einem geringen Teil auf einer Geldentwertung durch „billiges Geld“ und eine Aufblähung der umlaufenden Geldmenge. Nein, er beruht auf fundamentalen Veränderungen in die Bedingungen der Energieproduktion. Die Bedingungen werden erschwert. Aber worin besteht die Erschwernis? Ist ein plötzliches Verhängnis über die Erde und die Menschheit hereingebrochen, das dazu führt, das Energieressourcen weniger verfügbar sind oder Produktionsanlagen ausfallen? Oder geht die Verschlechterung auf bestimmte Entscheidungen zurück? Wird sie bewusst und willentlich in Kauf genommen oder sogar aktiv betrieben? Letzteres ist offenbar der Fall, wenn man an die „Klimarettung“ denkt, die mit der These einer „Klimakrise“ begründet wird, die so gefährlich sein soll, dass sie eine Ausschaltung wesentlicher Energieträger und eine drastische Verteuerung der Energie rechtfertigt. Und nun soll sich in der Ukraine-Krise mit „Putins Russland“ ein so weltbedrohender Feind gezeigt haben, dass eines der größten Energieländer der Erde ausgeschaltet werden soll. Angesichts solcher Begründungen ist die Revolution der Energiepreise durch irgendeine „Geldpolitik“ gar nicht zu verändern. Die Teuerungswelle zeigt, dass wir es mit einem tiefen Eingriff in die über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelten Produktionsbedingungen der Energie zu tun haben. Und mit einem immens teuren Eingriff, der die Produktivität erheblich senkt. Und es ist auf diesem Wege kein Element sichtbar, das eine Rückkehr zum alten Preisniveau ermöglichen könnte.

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Sprechen wir über Knappheit – Es ist klar, dass man einer solchen Verschlechterung der Realbedingungen nicht durch Veränderungen in Menge oder Wert des Geldes begegnen kann. Eine Politik des billigen Geldes kann die Verschlechterung höchstens eine Zeit lang überspielen und kaschieren. Aber das fundamentale Problem erreicht sie nicht. Um es zu erreichen, muss man in den „Maschinenraum“ eines Landes, in seine Produktionssphäre hinabsteigen, in der es harte physisch-technische Realitäten gibt. Man muss klären, worin die neue Härte der Bedingungen besteht, die die Kosten treibt. Worauf beruht die Preisrevolution, vor der wir jetzt stehen?

Ein Gut hat nur dann einen Preis, wenn es knapp ist. Güter, die unbegrenzt verfügbar sind, haben keinen Preis. Die Knappheit bildet den – oft unausgesprochenen – Hintergrund der Bewegungen von Angebot und Nachfrage. Knappheit erscheint zunächst als Konflikt zwischen Natur-Gegebenheiten und menschlichen Bedürfnissen. Aber es gibt einen Faktor, der diese erste, rohe Knappheit mildert und ihre Zwänge lockert: Dieser Faktor ist die Zivilisation. Eine Zivilisation kann (mit Arbeit, Wissen, Kapital, Infrastrukturen…) die ursprüngliche Enge der Welt stark erweitern. Diese Spielräume sind die materielle Grundlage unserer Freiheit. Auch dieser mildernde Faktor ist nur begrenzt verfügbar und wirksam. Es gibt also wiederum eine Knappheit und Knappheits-Preise. Aber diese Knappheit ist wesentlich geringer als die Knappheit in einer Welt ohne materiell-technische Zivilisation. Das klingt sehr nüchtern, aber es geht hier letztlich um große, kostbare Errungenschaften. Es geht um grundlegende Güter, an denen die Existenz von Menschen hängt – auch ihre Motivation zu Arbeit und Engagement. Es geht um Gedeih und Verderb von Städten und Landschaften, von ganzen Ländern und Gesellschaften. Die Bedeutung eines erreichten zivilisatorischen Niveaus wird in verheerenden Preisrevolutionen schlagartig sichtbar: Auf einmal gerät das, was man stillschweigend als sicher glaubte, ins Wanken.

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Die Politik der absoluten Imperative – Jetzt wird der Preis sichtbar, den wir für ein Szenario zahlen müssen, in dem wir maximalen Bedrohungen ausgesetzt sind und es nur eine maximale Rettungspolitik mit drastischen Eingriffen geben kann. In dies Szenario hat man uns mit der Ausrufung von immer neuen „Großkrisen“ versetzt. Mit ihm gibt es in der Politik keine Abwägungen mehr, sondern nur noch absolute Prioritäten und Imperative. Im Fall der „Klimakrise“ soll ein wesentlicher Teil der Energieproduktion zunächst verteuert und dann stillgelegt werden, um die „Überhitzung des Planeten“ zu verhindern. Das gilt als absolutes Gebot, das wichtiger ist als jede Energieproduktivität. Im Fall der „Ukraine-Krise“ soll die Ausschaltung fossiler Energieträger noch beschleunigt werden. Aber man ist bei der Entwicklung einer technisch tragfähigen Alternative noch gar nicht weitergekommen. Alles egal, gegenüber der absolut gesetzten äußeren Gefahr sind die Leistungen der modernen Energieproduktion zweitrangig. Sie müssen geopfert werden. So wurde schon in Bezug auf die Kernenergie nach dem Fukushima-Unglück argumentiert. Und schon da regierte die Politik der absoluten Imperative: Es gab keinen konkreten Gefahrenzusammenhang zwischen Fukushima und dem Betrieb der deutschen Kernkraftwerke.

Die gegenwärtige Energie-Preiswelle ist die logische Konsequenz einer Politik, die mit extremen Drohkulissen arbeitet. Gleich drei „größtmögliche Gefahren“ sind nun präsent: eine atomare Kraftwerkskatastrophe, eine drohende Überhitzung des Planeten, eine Weltkriegsgefahr durch einen wahnsinnigen Diktator. Doch dieser Extremismus der Gefahrenbeschwörung ergibt sich nicht einfach „aus der Sache“. Je mehr sich die verheerenden Konsequenzen für die Volkswirtschaft zeigen, wächst die Neigung, doch einmal abzuwägen: Stehen die Opfer und Verluste wirklich in einem vernünftigen Verhältnis zu den Gefahren? Und es wächst die Erkenntnis, dass die Teuerungswelle die Folge einer willkürlichen Prioritätensetzung ist. Ein Fall von politischem Radikalismus.

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Die Wiederkehr der abwägenden Vernunft – In einer solchen Situation entwickeln sich ganz unvermeidlich Gegenkräfte. Mit jedem neuen Preisschub und mit jeder neuen Branche, die von ihm erfasst wird, erheben sich mehr kritische Fragen. Wohin soll das immer weitere Steigern der Bedrohungs-Szenarien noch führen? Wie sind wir überhaupt auf diesen Weg gekommen? Und wie konnte es soweit kommen, dass wir unsere Industrien, die einmal so gut funktionierten und Europa so einen wichtigen Halt gaben, ruinieren?

So könnte es zu einem spannenden Wettstreit kommen. Natürlich werden die Versuche nicht weniger werden, die Menschen mit Schreckensmeldungen und rosigen Rettungsgeschichten zum Hinnehmen von wachsenden Kosten und Opfern zu veranlassen. Man merkt den politischen Statements und Nachrichten inzwischen an, wie sehr sie bemüht sind, das Publikum mit einer täglichen Schau aus Bedrohungen und Rettungen, aus Bösem und Guten in Atem zu halten. Demgegenüber muss sich das Lager der abwägenden Vernunft nicht an so einem Steigerungslauf beteiligen. Sie muss nichts gewaltsam vorwärtstreiben und nichts überspielen. Sie kann darauf vertrauen, dass der Punkt kommt, an dem die Politik der absoluten Imperative immer hohler wird und zugleich so gravierende Folgen hat, dass immer mehr Menschen zum Lager der Abwägenden wechseln.

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In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. April wird über die Ergebnisse der monatlichen repräsentativen Stimmungsumfrage berichtet, die das Institut für Demoskopie Allensbach für die FAZ durchführt. Die März-Umfrage befasst sich besonders mit energiepolitischen Fragen vor dem Hintergrund der Teuerungswelle. Dies Thema ist inzwischen zum wichtigsten Sorgenthema der Deutschen geworden. Die Umfrage zeigt, wie stark die Skepsis gewachsen ist, ob die fossilen Energieträger in absehbarer Zeit durch alternative Energieträger wie Sonne und Wind zu ersetzen sind. 86 Prozent der Befragten sagen, dass es in den nächsten Jahren Schwierigkeiten bei der Energieversorgung geben werde. 2019 hatte dieser Anteil nur 26 Prozent betragen. Jetzt glauben nur noch 26 Prozent, dass die Versorgung bis 2050 vollständig auf alternative Energien umgestellt werden könnte. In der Beurteilung der Rolle der Kernenergie gibt es einen regelrechten Stimmungsumschwung: Noch im Februar 2022 war 42 Prozent der Befragten dafür, die Kernkraftwerke wie geplant abzuschalten. 35 Prozent sprachen sich für einen Weiterbetrieb aus. Im März 2022 waren die Stimmen für einen Weiterbetrieb auf 57 Prozent der Befragten angestiegen, während nur noch 25 Prozent beim Abschalten bleiben wollten. Und die Ukraine-Krise? 57 Prozent der Befragten traten dafür ein, weiterhin Öl und Gas von Russland zu kaufen, nur 30 Prozent waren für ein sofortiges Embargo.

Anmerkung und Dank der EIKE-Redation

Wir danken Herrn Gerd Held ganz herzlich für seine freundliche Erlaubnis, seinen Artikel in den EIKE-News veröffentlichen zu dürfen. Er erschien am 7. Mai 2022 im Blog Tichys Einblicke.