Zu diesem Vorhaben stellen sich Fragen, die an die Parlamentarier zu stellen sind:
1. Überall in der Welt werden schwach radioaktive Abfälle (das ist die überwiegende Menge der Abfälle in der ASSE) oberflächennah endgelagert, z.B. in Frankreich im Endlager „Centre de la Manche“. Nur in Deutschland gibt es ein tiefes Endlager dafür, weil dafür ein still gelegtes Bergwerk zur Verfügung stand.
Bild 1 (wie auch oben rechts): ANDRA, Agence Nationale Pour La Gestion Des Dechets Radioactifs, zur verfügung gestellt von Dr. H. Hinsch
Frage: Warum stellt die tiefe Endlagerung in Deutschland eine Gefahr dar, während in allen anderen Ländern der Erde die oberflächennahe Lagerung ausreichend ist?
2. Wenn man die schwach radioaktiven Abfälle aus der ASSE herausholt, stände zu deren späterer Endlagerung nur Schacht KONRAD bereit. Dieser Schacht kann jedoch den Abfall aus der ASSE nicht zusätzlich aufnehmen, denn das genehmigte Hohlraumvolumen von KONRAD wird durch den schon vorhandenen und noch anfallenden schwach aktiven Abfall aufgefüllt werden.
Frage:
Man plant offenbar, die rückgeholten Abfälle in oberirdischen Bauten endzulagern [1]. Ist das sicherer als die Lagerung in der Tiefe?
3. In der ASSE lagern als wesentliche Nuklide Uran und Thorium [2], das sind alpha-Strahler mit einer Reichweite von wenigen Hundertstel Millimeter im Gestein. Für Menschen können alpha-Strahler nur dann gefährlich werden, wenn sie in den Körper gelangen, also verspeist werden.
Frage:
Ist das Risiko des Verspeisens der Abfälle nicht als geringer einzuschätzen, wenn diese in der Tiefe verbleiben anstatt sie an die Oberfläche zurück zu holen?
4. Der Fachverband Strahlenschutz – das ist der Zusammenschluß der im Strahlenschutz ausgebildeten Fachleute in Deutschland – hat gegen die Rückholung der Abfälle argumentiert, weil damit gegen den Grundsatz des Strahlenschutzes verstoßen wird, jede unnötige Exposition zu vermeiden [3].
Frage:
Warum ignoriert die Politik und das Bundesamt für Strahlenschutz den Rat der Fachleute?
5. Ebenso wendet sich Michael Sailer, Sprecher der Geschäftsführung vom Öko-Institut Freiburg und Vorsitzender der Entsorgungskommission des Bundes seit längerem gegen die Rückholung der Abfälle, weil diese nicht machbar sei. Das ist eine lobenswert sachliche Bewertung von Seiten der Kernkraftgegner, zu denen Herr Sailer gezählt werden kann.
Frage:
Warum ignoriert die Politik und das Bundesamt für Strahlenschutz den guten Rat vom Öko-Institut?
6. In die ASSE wurde durch die Abfälle ungefähr genauso viel Radioaktivität hinein gebracht (einige zehn hoch zwölf Becquerel), wie man zuvor durch den Bergbau durch Kali heraus geholt hatte (wenn man bei den Abfällen diejenigen mit kurzer Halbwertszeit außeracht lässt, weil diese schon in etwa 100 Jahren komplett zerfallen sind). Es also bezüglich der Menge von Radioaktivität in der ASSE nichts verändert worden, nur sind es dort anstatt Kalium-40 jetzt mit Uran und Thorium andere Nuklide.
Frage:
Der Mensch hat bezüglich der Menge von Radioaktivität durch die Abfalllagerung in der ASSE nichts verändert – warum soll jetzt durch Rückholung die Erde in über 500 Meter Tiefe frei von Radioaktivität gemacht werden?
7. In der Landwirtschaft werden in Deutschland jedes Jahr einige zehn hoch zwölf Becquerel in Form von Kalidünger auf den Feldern verteilt. Eine ähnlich große Menge von Radioaktivität (K-40, C-14) wird von den Menschen in Deutschland mit der Nahrung verspeist.
Frage:
Warum ist das verspeisen von Radioaktivität mit der Nahrung gestattet, nicht hingegen die Endlagerung der gleich großen Menge von Radioaktivität in der Tiefe?
8. In der ASSE werden die Abfälle durch das Deckgebirge geschützt, in dem sich hundertmal so viel Radioaktivität wie in der Tiefe befindet [4], wenn man wiederum die in 100 Jahren verschwundenen Nuklide mit kurzer Halbwertszeit vernachlässigt, siehe Skizze (bei diesem Vergleich ist es belanglos, ob man die Radioaktivität in Bq oder in kg misst):
Frage: Wie können die Abfälle in der Tiefe eine Gefahr bedeuten, die 100-fache Menge an Radioaktivität im Deckgebirge darüber jedoch nicht?
9. Es lässt sich berechnen, welche Menge an Uran die letale Strahlendosis ergibt; es müßten ca. 1 kg Uran verspeist werden. Die letale Dosis von Steinsalz liegt bei ca. 250g. Es ist also die Toxizität des Urans im Abfall geringer als diejenige vom umgebenden Steinsalz.
Frage:
Warum belässt das giftigere Steinsalz in der Tiefe und will das geringer giftige Uran aus dem Bergwerk herausholen?
Die ASSE wird vom Bundesamt für Strahlenschutz betreut, auch die Rückholung der Abfälle wird von dieser Behörde entgegen dem Rat von Fachgremien vorangetrieben. Es wird Werbung für dieses Vorhaben gemacht, das geschieht durch Berichte in vielen Zeitungen [5]. Dabei wird eine einfache Modellvorstellung beschrieben, die auf den ersten Blick für den Bürger einleuchtend ist und daher sofort geglaubt wird. Bei der ASSE ist es die Vorstellung vom Eindringen von Wasser in eine instabile Grube, das Rosten der Fässer, Auflösung des Inhalts, Verseuchung des Grundwassers. Dabei wird vieles falsch dargestellt:
Die Hohlräume der ASSE sind schon zu 90% wieder verfüllt worden, mit der Verfüllung wird das Grubengebäude immer stabiler. Brüchige Stollen und nachbrechendes Deckgebirge sind überall im Bergbau normal, nur bei Salz sehr gering. Für die Menschen im Ruhrgebiet ist es alltäglich, dass durch zusammenbrechende Stollen an der Oberfläche Vertiefungen entstehen, mit weitreichenden Folgen für Bebauung, Landwirtschaft, Infrastruktur, Natur. Für die ASSE wird es wegen der Verfüllung diese Dinge nicht geben. Es dringt kein Wasser ein, sondern Sole, die ist zu 100 % gesättigt mit Salz. Unterirdisch in 500 m Tiefe fließen keine Flüsse, es ist besser von einsickernder Feuchtigkeit zu sprechen. Der Zutritt von 12 Kubikmeter Flüssigkeit pro Tag ist unverändert seit 24 Jahren. Zum Absaufen des schon zu 90% verfüllten Grubengebäudes wären 76 Jahre erforderlich. Die Gefahren zum Absaufen oder für einen „großen Wassereintritt“ (wie das BfS sagt) sind gering. Mit der Verfüllung der Hohlräume wird das Einsickern von allein aufhören, denn nur in Hohlräume kann Feuchtigkeit einsickern. In der Sole ist fast nichts mehr löslich. Die Stahlfässer dürfen rosten, denn in den Fässern ist der Abfall in Beton eingebettet. Beton löst sich nicht in Wasser, noch weniger in Sole. Und auch die Abfälle in den Fässern sind im wesentlichen oxidischer Natur, damit kaum in Wasser löslich. Die Sole hat eine Dichte zwischen 1,2 und 1,3. Diese kann nicht nach oben durch höher liegendes Grundwasser mit der Dichte 1 steigen. Der Salzstock der ASSE ist 240 Millionen Jahre alt. Später im Tertiär war die norddeutsche Tiefebene viele Millionen Jahre vom Meer bedeckt, als sich die viel jüngeren Braunkohlelagerstätten bildeten – ohne Einfluß auf die viele Salzstöcke in Niedersachsen.
Sigmar Gabriel hat den ASSE-„Skandal“ im September 2008 erfunden. Er war zwar zuvor als Minister und als Ministerpräsident in Niedersachsen der zuständige Chef gewesen, aber zuvor war für ihn offensichtlich in der ASSE alles in Ordnung gewesen.
Das Vorgehen der Skandalisierung der ASSE war professionell, Bilder sind Hilfsmittel des Profis. So war in den Medienberichten immer das gleiche Bild zu sehen, nämlich ein Frontlader, der Fässer abkippt. Das sollte „Schlamperei“ bekunden und gelang, wie in vielen Internet-Blogs zu sehen war: Zorn und Emotionen wurden geweckt. Es gibt in der ASSE auch Kavernen mit sorgsam gestapelten Fässern, das wurde aber nicht gezeigt. Es wurde auch nicht gesagt, daß die gestapelten Fässer irgendwann vom sich absenkendem Gebirge zerdrückt werden, die auf einer schrägen Rampe abgekippten Fässern jedoch anschließend mit feinem Salz zugedeckt und wie in Beton für die Ewigkeit einbettet wurden.
Mit dem unsinnigen Gesetz zur Rückholung der Abfälle aus der ASSE macht sich Deutschland ein weiteres Mal vor den Augen der Welt lächerlich. Allerdings lachen nur die wenigen Fachleute mit Verständnis für die komplizierten Zusammenhänge zu Radioaktivität und Strahlung. Und diese Minderheit lacht nur insgeheim, denn sie wurde längst als „Lobbyist“ gebrandmarkt, wagt sich nicht mehr aus der Deckung. Die große Masse der Menschen wird in ihrer diffusen Strahlenangst bestärkt. Mit einfachen Dingen wird eine Massenhysterie erzeugt, ständig wiederholte Schlagworte wie „ungelöste Endlagerfrage“ gehören dazu [6].
Die Ideengeber der Kampagne bleiben unsichtbar. Multiplikatoren sind als „nützliche Idioten“ im Leninschen Sinne tätig, sie lenken bewusst oder unbewusst die Masse der Mitläufer – man sagt Gutmenschen – in die gewünschte Richtung. In der Geschichte wurden die Rezepte der Demagogie immer wieder benutzt, hier und heute zum Nachteil für Deutschland und alle anderen, die vielleicht dem falschen Vorbild folgen werden.
Dr. Lutz Niemann; EIKE
[1] „Asse_einblicke_17“, eine Informationsschrift des Bundesamtes für Strahlenschutz
[2] „ASSE, Ein Bergwerk wird geschlossen“ Info-Broschüre vom GSF-Forschungszentrum 2004
[3] „Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlage ASSE II“ vom Fachverband Strahlenschutz v. 15.2.2011 und „Arbeitskreis des FS, Stellungnahme des AKE zur Schachtanlege ASSE II“ in StrahlenschutzPRAXIS 1/2009 Seite 93, 94
[4] berechnet mit der mittleren Häufigkeit der Elemente in der Erdkruste nach Periodensystem VCH, oder Merck: „Tabellen für das Labor“: U: 3ppm, Th: 12ppm, K: 2,4%.
[5] Zum Beispiel in Süddeutsche Zeitung v. 28.12.2012, „Am Ende wird es immer Widerstand geben“; DIE WELT v. 13.12.2012, „Kaffee, Kuchen, Asse“; Der Spiegel v. 22.9.2012 „Mission Impossible“; u.a.m.
[6] Andere Beispiele: „Risikotechnik Kernkraft“, „Gendreck weg“, „Reichtum für alle“, „Yes we can“, „Erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch“, „Scheitert der EURO, dann scheitert Europa“.