Sonnig, windig, teuer und schmutzig: Deutschlands neuer „Superminister“ für Wirtschaft und Energie hat seine Arbeit aufgenommen
[*Das Wort Zeitgeist steht kursiv gesetzt so im Original!]
Aber Herr Gabriel, der darüber nachdenkt, 2017 als Kanzlerkandidat anzutreten, wird dann nach einem waghalsigeren Projekt beurteilt. Als Teil des Koalitionsabkommens mit Frau Merkel ist er jetzt ein „Super-Minister“ und steht zwei Ministerien vor, nämlich Energie und Wirtschaft. Folglich liegt die Rettung der ambitioniertesten und riskantesten heimischen Reform in seiner Verantwortung: Der gleichzeitige Ausstieg aus der Kernkraft und fossiler Energie, gemeinhin bekannt unter dem Begriff Energiewende*, einer Bezeichnung, die Energie-„Wende“ oder –„Revolution“ bedeutet.
[*Auch dieser Begriff steht kursiv im Original, und zwar während des gesamten restlichen Artikels.]
Mehr ein Marketing-Slogan als kohärente Politik besteht die Energiewende hauptsächlich aus einem Zeitplan für das Erreichen verschiedener Ziele. Deutschlands letztes Kernkraftwerk soll planmäßig im Jahre 2022 abgeschaltet werden. Auch ist geplant, den Anteil erneuerbarer Energie aus Sonne, Wind und Biomasse bei der Stromerzeugung bis zum Jahr 2050 auf 80% und beim Energie-Gesamtverbrauch auf 60% zu steigern. Treibhausgas-Emissionen sollen relativ zum Jahr 1990 um 70% bis zum Jahr 2040 und 80 bis 95% bis zum Jahr 2050 fallen.
Die deutschen Verbraucher und Wähler lieben diese Ziele. Aber sie ärgern sich zunehmend über die Nebeneffekte. Da ist zunächst der steigende Strompreis. Dieser ist die Folge eines Gesetzes zu erneuerbarer Energie aus dem Jahr 2000. Dieses garantiert nicht nur 20 Jahre lang festgesetzte Preise für Wind- und Solarstromerzeuger, sondern es bestimmt auch, dass erneuerbarer Strom vorrangig ins Netz eingespeist wird. Als Folge glänzen die Dächer in Bayern mittlerweile durch Solarpaneele, und Windmühlen dominieren die gesamte Landschaft. Im vorigen Jahr erreichte der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung den Rekordwert von 23,4%.
Diese Subvention ist kostspielig. Die Differenz zwischen dem Marktpreis für Strom und dem höheren festgesetzten Preis für Erneuerbare wird an die Verbraucher durchgereicht, deren Rechnungen seit Jahren steigen. Ein durchschnittlicher Haushalt zahlt heute zusätzlich 260 Euro pro Jahr, um die Erneuerbaren zu subventionieren: Die Gesamtkosten der Subventionen für Erneuerbare beliefen sich im Jahr 2013 auf 16 Milliarden Euro. Auch die Kosten für die Unternehmen steigen, was sie im Wettbewerb gegenüber ihren Rivalen in Amerika benachteiligt, profitieren diese doch vom Fracking-Boom.
Um die Abwanderung und Arbeitsplatzverluste zu verhindern, nimmt Deutschland daher Unternehmen von der Abgabe aus, die von Strom abhängig sind und die global im Wettbewerb stehen. Aber EU-Wettbewerbs-Kommissar Joaquín Almunia hat untersucht, ob das Gesamtpaket der Subventionen und Ausnahmen nicht gegen europäische Gesetze verstößt. Nur die konzertierte Lobbyarbeit Deutschlands in Brüssel kurz vor Weihnachten hat Almunia zurück gehalten, schon jetzt Strafzahlungen zu fordern.
Herr Gabriel sitzt also in der Zwickmühle. Neuesten Schätzungen des Beraterbüros McKinsey zufolge gibt es fast nichts, was er tun kann, um die Kosten der Subventionen zu reduzieren. Die Verfassung Deutschlands verbietet es, von einmal gemachten Versprechungen zurückzutreten. Eine Kürzung der Subventionen beispielsweise für neue Windmühlen um 15% während der nächsten beiden Jahre würde die Stromrechnung für einen durchschnittlichen Haushalt um lediglich 1 Cent billiger machen. Selbst wenn Herr Gabriel sich entscheiden sollte, die Unterstützung für Erneuerbare komplett zu stoppen (vollkommen unvorstellbar), würden die zusätzlichen Abgaben in den Stromrechnungen der Verbraucher kaum sinken. Und falls er hypothetisch alle Ausnahmen für die Industrie streichen würde (ebenfalls unvorstellbar), würde die durchschnittliche Stromrechnung nur geringfügig sinken.
Die Kosten sind nicht das einzige Problem bei der Energiewende. Sie hat im Endeffekt die gesamte deutsche Energieindustrie in eine Quasi-Planwirtschaft verwandelt, mit perversen Folgen. Zu bestimmten Zeiten an manchen Tagen können Sonne und Wind fast den gesamten deutschen Strombedarf decken. Aber die Sonne scheint nicht immer, vor allem im Winter, und das Verhalten des Windes ist nicht vorhersagbar. Und „Batterien“ – Speichertechnologien, die beispielsweise Strom in Gas verwandeln, das dann wieder in Strom umgewandelt wird – in einer Größenordnung, um eine Stadt zu versorgen, wird es noch viele Jahre lang nicht geben. Kernkraftwerke werden stillgelegt (das kürzlich ergangene Gerichtsurteil, dass die Schließung eines Kraftwerkes in Hessen illegal war, wird die Kosten sogar noch weiter steigen lassen, da der Betreiber Anspruch auf Schadenersatz haben könnte). Also müssen konventionelle Kraftwerke in Betrieb bleiben, um eine gleichbleibende Versorgung sicherzustellen.
Im Grunde hat die Energiewende die Ökonomie des Baus neuer konventioneller Kraftwerke auf den Kopf gestellt, besonders bzgl. von Gaskraftwerken, ist doch Gas sauberer, aber teurer als Kohle. Also müssen bestehende Kohlekraftwerke noch mehr erzeugen. Im vorigen Jahr erreichte die Stromerzeugung aus Braunkohle, die am wenigsten effiziente und schmutzigste Sorte, das höchste Niveau seit 1990. Gasbetriebene Stromerzeugung ging im Gegensatz dazu zurück (siehe Abbildung). Im Endeffekt haben die Emissionen von Treibhausgasen durch die Energiewende zu- und nicht abgenommen. [Wenigstens etwas! A. d. Übers.]
Dies alles bringt die SPD und Herrn Gabriel in eine schlimme Lage. Deutschland ist der weltgrößte Förderer von Braunkohle, und Kohlegürtel wie der in Nordrhein-Westfalen sind traditionelle Hochburgen dieser Partei. Herr Gabriel kann es sich daher nicht leisten, „anti-Kohle“ zu sein. Das ist jedoch genau das, was die ökologisch denkenden Grünen in der Opposition sind. Sie wollen, dass sich Herr Gabriel an Brüssel anlehnt, um den Emissionshandel in der EU zu reformieren, wobei CO2-Zertifikate teurer und Kohlekraftwerke folglich weniger attraktiv als Gaskraftwerke gemacht werden sollen. Ideologisch alliiert vor der Wahl im September vorigen Jahres werden die Grünen und die Sozialdemokraten jetzt immer mehr zu sich anschreienden Opponenten.
Bei der Planung seiner Rettung hat Herr Gabriel nur einen Vorteil im Vergleich zu seinen Vorgängern: Als Superminister hat er alle relevanten Verwaltungsbehörden unter seiner Kontrolle. Der damit einher gehende Nachteil besteht darin, dass die Wähler bei der nächsten Wahl genau wissen, wen sie für das Scheitern der Energiewende verantwortlich machen können. Falls das geschehen sollte, kann Herr Gabriel seine kleine Tochter sicher noch viel öfter von der Krippe abholen.
Übersetzt von Chris Frey EIKE
Anmerkung des Übersetzers: Rein nachrichtlich bringt dieser Artikel natürlich nichts Neues. Aber den ganzen Tenor der Berichterstattung aus angelsächsischer Sicht fand ich so interessant, dass ich diesen Artikel hier übersetzt habe.
Und was mir ‚off topic‘ noch auffiel: Beim Nennen der Namen wird grundsätzlich Mr. Bzw. Mrs. Vorangestellt – in D scheinbar undenkbar!
C. F.