Sehr geehrter Herr Schönenborn,
In Ihrer Presseclub-Sendung zu dem wichtigen Thema unserer Energieversorgung sind Sie leider Ihrem eigenen Anspruch: „Für das Publikum ein Angebot von Meinungen, die sich in der Diskussion überprüfen lassen müssen und auf diese Weise ihre Glaubwürdigkeit und Plausibilität unter Beweis stellen müssen…“ in nur unzulänglicher Weise gerecht geworden. Vielleicht darf ich Ihnen mit den folgenden Begründungen eine kleine Anregung geben, zukünftig diese Thematik auf etwas höherer Sachbasis und fachlich realer und weniger visionärer Bestimmtheit dem Zuschauer anzubieten:
Bereits in Ihrer Moderation wurde die korrekte, in der Begriffsnorm DIN/IEC 393-18-44 festgelegte Benennung: „Kernkraftwerk“ durch die zwar vielfach gebräuchliche Benennung „Atomkraftwerk“ oder noch schlimmer „Atommeiler“ ersetzt. Ein Kernkraftwerk ist nach IEC ein Kraftwerk, in dem elektrische Energie oder Wärmeenergie mit Hilfe eines oder mehrerer Kernreaktoren erzeugt wird (ISO 921/834). Es macht schon Sinn dass der Begriff „Kernkraftwerk“ in DIN/ IEC „393-18-44 Kernkraftwerk“ für öffentlich rechtliche Kommunikationen auf dem Gebiet der elektrischen Energieerzeugung eindeutig definiert ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine bestimmte Klientel den festgelegten Begriff „Kernkraftwerk“ aus politischem Kalkül gerne zu „Atomkraftwerk“ umbenennen möchte, um damit auch sprachlich die Nähe zu menschenverachtenden Atomwaffen stets präsent zu machen.
Leider fallen viele unbewusst auf diesen Trick herein und denken sich nichts Schlimmes dabei, aber das wäre für in öffentlich rechtlichen Medien tätigen Journalisten eine primitive Entschuldigung. In „Kernkraftwerken“ erfolgt die Energieerzeugung aus dem Massendefekt infolge von Kernspal•tungsprozessen gemäß der Einstein-Gleichung E = m c2 mit rd. 50.000 kWhe je kg Natururan. Bei Kohlekraftwerken erfolgt die Energieerzeugung dagegen aus der Vereinigung von einem Kohlen•stoffatom mit zwei Sauerstoffatomen zu einem CO2 Molekül, also durch Verlagerung der Elektronen in der Atomhülle mit rd. 3,5 kWhe/kg Steinkohle. Bei Kohlekraftwerken allerdings mit wesentlich hö•herem Brennstoffmassebedarf (15.000 fach mehr!). Demnach wäre bei Kohlekraftwerken die Be•nennung „Atomkraftwerke“ physikalisch noch eher begründet. Daher ist die richtige, im internationalen Wörterbuch des DIN und IEV festgelegte Benennung für Kraftwerke, bei denen die Energie aus der Kernspaltung gewonnen wird: „Kernkraftwerk“ und nicht Atomkraftwerk.
Zu den inhaltlichen Ausführungen über den Mangerappell möchte ich vorweg folgendes anmerken: Herrn Grossmann ist als Manager des größten deutschen Stromerzeugers RWE sehr zu danken, – als früherer Großkunde für Strom sowie Sanierer und Chef der Georgs-Marienhütte weiß er sehr gut, wovon er spricht – wenn er sich für eine global wettbewerbsverträgliche Energieversorgung einsetzt und diese Position gegenüber absurden Visionen aus der Politik und vieler Medien verteidigt. Wieso Politiker der Grünen wie Herr Trittin oder Frau Künast u.a. entgegen aller Erkenntnis an deutschen Hochschulen noch immer behaupten, dass eine bezahlbare, sichere und Bedarfsdeckende Energieversorgung ohne Kohle- und Kernenergie möglich sei, ist einfach peinlich für unser Land – 2 -und für alle studierenden in den Fachbereichen Energietechnik oder Energiewirtschaft an unseren Hochschulen. Unsere Bundeskanzlerin wird das als Physikerin schon richtig verstehen.
Der kräftige Sprung nach oben beim Steinkohleverbrauch für die Stromerzeugung im ersten Halbjahr 2010 um 23 % – deutlich stärker als die Konjunktur -, zeigt die Realität gegenüber den absurden Visionen vieler Politiker auf dem Energiesektor. Wenn die Kernkraftwerke in Deutschland einmal abgeschaltet sind, erübrigen sich die Gespräche, wie und an wen die 2,3 Mrd. € Kostenvorteil aus der Stromerzeugung mittels Kernenergie jährlich zu verteilen sind. Stattdessen werden jedoch wohl Gespräche notwendig, wer die dann auf uns alle zukommenden Mehrkosten für die Stromerzeugung von jährlich 27 Mrd. € übernehmen kann. Das ist mehr als zehnmal soviel, aber nicht zu bekommen, sondern zu bezahlen! Die Autoren des Appells dieser Presse-Initiative möchten das verhindern, da könnte auch der Kommentar des Presseclubs doch nur heißen: Herzlichen Dank dafür.
Aber nein, hier wurde neben auch sehr vernünftigen Ansätzen wie z.B. von Martina Fietz, „Focus online“: „….ja die Thematik ist komplex, man muss es daher nur richtig erklären“ auch unwidersprochen heftiger Unsinn verkündet. Die von Frau Fietz angemahnte sachlich begründete Erklärung wurde auch von Seiten der EVU`s in der Vergangenheit tatsächlich nur unzureichend gegeben, daher konnte sich in der Bevölkerung ein Wust von Irrtümern aufbauen, bis hin zu der absurden Meinung: dass bei genügend großer Zahl von Wind- und Sonnenanlagen die Kern- und Kohlekraftwerke verzichtbar wären. Diesen Unfug glauben ja sogar einige Politiker aller Parteien, für einen in dieser Technik tätigen Fachmann einfach un•glaublich naiv. Ja so unglaublich, dass man die dauernde Berichtigung gegenteiliger Auffassungen leider vernachlässigt hat.
Herr Bernd Ulrich, „Die Zeit“, meinte dazu problemlösend naiv: „ ….Speicher liegen in Norwegen und Österreich“ so dass erheblicher Netzausbau erforderlich sei. Das stimmt, denn er meinte damit wohl Wasserspeicher in Form vom Pumpspeicherkraftwerken, so wie sie bei uns in Vianden, Goldisthal und vielen anderen Orten seit Jahrzehnten bestimmungsgemäß betrieben werden. Aber warum bezieht Österreich wohl Kernenergiestrom aus Tschechien, nachdem das KKW Zwentendorf nicht in Betrieb gegangen ist, wenn dort noch ungenutzte Wasserkraftpotenziale vorhanden wären?
Warum bezieht Norwegen inzwischen mit zunehmender Tendenz von uns zu Schwachlastzeiten, insbesondere in der Nacht, Strom um die eigenen Wasserreserven zu schonen und dafür am Tage, wenn die Börsenpreise besonders hoch sind, den Wasserkraftwerksstrom an uns teuer zu verkaufen? Da fehlt wohl, wie so häufig, jedes Faktenwissen, leider.
Herr Günter Bannas, „FAZ“ sagte: „…. Baden Württemberg hängt mehr von der Kernenergie ab, als NRW“ das ist zwar bezüglich der Kraftwerks-Standorte richtig, sagt aber – abgesehen von örtlich gebundenen Arbeitsplätzen -, energietechnisch überhaupt nichts aus. Wenn das Gleichgewicht in jeder Minute zwischen Erzeugung und Bedarf nicht erfüllbar ist, schalten sich automatisch im schlimmsten Fall alle Kraftwerke Deutschlands, möglicherweise sogar im gesamten UCTE Netz ab, auch in den Bundesländern, die nur über Gaskraftwerke oder ganz viele Windenergieanlagen verfügen. Durch solche Ereignisketten war z.B. auch schon mal ganz Nordamerika stromlos, bei uns in Europa war das gebietsweise z.B. ganz Italien, schon mal der Fall. Falls die Betreiber der 17 deutschen Kernkraftwerke alle dies Kraftwerke z.B. am Sonntag den 5. Dezember nachmittags um 4 Uhr abschalten würden, würde das wahrscheinlich keiner merken, die Stromversorgung ginge unbeschadet zur Freude der Grünen weiter, bis an einem folgenden kalten Werktag so etwa bei – 10° Außentemperatur ab 11 Uhr vormittags das Leistungsgleichgewicht nicht mehr zu halten wäre und innerhalb weiniger Minuten ganz Deutschland sich aus dem Verbundnetz verabschieden würde, sofern es den Technikern gelingt, den Zusammenbruch des gesamten UCTE Netzes von Portugal bis Polen zu verhindern, ganz sicher wäre das allerdings nicht.
Frau Ulrike Winkelmann, „Der Freitag“ meinte, es ginge um Profite von 3 – 4 Mrd. € pro Jahr. Auch Sie hat recht, aber Sie hat nicht die Zuschauer darüber informiert, dass es ohne Kernkraftwerke um jährliche Mehrkosten von mindestens 27 Mrd. € pro Jahr gehen wird. Da ist das Verteilproblem von Profiten doch viel angenehmer. –
3 -Sehr geehrter Herr Schönenborn, Sie sehen das Gebiet ist in der Tat wichtig genug im Sinne von Frau Fietz analysierend den Fernsehzuschauern darzubieten, aber bitte sachgerecht und nicht mit unsinnigen Visionen, sondern in fachlicher Verantwortlichkeit des real machbaren. Was passieren würde, wenn wir bei der Stromversorgung vom Wind abhängig wären, können Sie den beigefügten Anlagen aus meiner energiewirtschaftlichen Vorlesung an der FH Aachen entneh•men. Aus den als Anlage dargestellten Ganglinien der Windleistung im Monat Juli 2010 kann wohl jeder zweifelsfrei erkennen, dass ein Ersatz der Kohle- und Kernkraftwerke durch Windanlagen niemals auch nur ansatzweise möglich ist und auch in langfristig absehbarer Zukunft niemals sein wird. Die Unwissenheit bei vielen Politikern ist doch erschreckend. Mit Alpa Ventus wird die Problematik nur noch schlimmer, es ist wissenschaftlich fast peinlich, worauf manche unserer Politiker ihre Zuversicht gründen, siehe Blatt 79-5.
Die Freude der Kernenergiegegner, dass bei Abschaltung der Kernkraftwerke der Strom weiter verfügbar wäre, ist zu Schwachlastzeiten – aber auch dann ohne jede Reservesicherheit – sogar richtig. Zu Starklastzeiten in den Wintermonaten ist die Aufrechterhaltung der Versorgung jedoch technisch unmöglich und es würde so etwa ab 11 Uhr Vormittags zu dauernden Ausfällen der Versorgung in ganz Deutschland kommen, so wie man das zu DDR Zeiten auch gewohnt war.
Herr Kohler hat in der DENA-Netzstudie einen gesicherten Leistungsanteil der Windstromeinspeisung bei 99 % iger Sicherheit mit rd. 6 % angegeben. Auch das ist richtig, aber wenn die Lufthansa mit 99 % iger Sicherheit fliegen würde, wäre jeder hundertste Flug der letzte. Eine sehr missliche Situation, keiner würde mehr fliegen. Ebenso misslich wäre dies für die Stromversorgung, von 365 Tagen wäre im Mittel an 3,65 Tagen die Stromversorgung ausgefallen. Die BZ würde nicht gedruckt und S und U Bahn ständen auf der Strecke.
In der Stromversorgung rechnet man mit einer Sicherheit von mindestens 99,9999 % also noch mindestens vier Neunen hinter dem Komma. Nun wäre jeder Millionste Flug rein statistisch der Letzte, darüber ließe sich so langsam reden, da kaum einer mehr als 10.000 Flüge in seinem Leben absolviert, also noch 990.000 weitere Flüge ebenso unfallfrei zu erwarten wären. Der Worte kurzer Sinn besagt, dass durch die regenerativen Energieeinspeisungen nahezu nur die elektrische Arbeit in den vorhandenen Kraftwerken, aber nicht die Kraftwerke selbst ersetzt werden. Das ist der eigentliche Pferdefuß bei derartigen Behauptungen, einer vermeintlichen Versorgung mit regenerativer Energie mittels Wind oder Sonne.
Bei Windstille reichen auch beliebig viele Windanlagen nicht aus, die Versorgung sicher zu stellen, denn Null mal Null ist Null und bleibt Null, auch wenn Grüne das anders sehen. Sehr geehrter Herr Schönenborn, in diesem Sinne des Versuches, ein wenig Sachwissen in die Diskussionen Ihrer immer interessanten Presseclubrunde einzubringen, verbleibe ich gerne mit den besten Wünschen zu einer stetigen qualitativen Verbesserung Ihrer ARD – Sendung „Presseclub“. Für eine Weiterleitung an die angesprochenen Persönlichkeiten Ihrer Runde wäre ich Ihnen dankbar. Mit freundlichen Grüßen,&nb
gez. Helmut Alt