Wenn man Zahlen schon frei erfindet, dachte sich Hohmeyer, so kann man sie auch gleich noch gründlich verfälschen. In Deutschland ist die Bevölkerungsdichte 10 mal so hoch wie im Umkreis von Tschernobyl. Da konnte Hohmeyer der Versuchung nicht widerstehen, den Tschernobyl-Reaktor in Hamburg explodieren zu lassen. Nun gibt es zwar in Deutschland überhaupt keine Reaktoren vom Typ RBMK, und ein derartiges Verhalten ist bei hiesigen Reaktoren physikalisch ausgeschlossen, aber egal, Hohmeyer ist schließlich kein Physiker oder Ingenieur, er kann dies also gar nicht wissen. Reaktor ist für unseren Volkswirten gleich Reaktor, ob RBMK, Druckwasserreaktor oder Kaffeemaschine, das ist alles gleich. Und es ist ja für einen guten Zweck, denn jetzt kann man schon 10 Millionen Opfer anbieten, und das macht schon was her.
Aber da geht doch noch was, richtig, der Reaktorkern! In Tschernobyl wurden nur einige Prozent des Reaktorkerns in die Luft geblasen. Gemäß der Devise „gar nicht erst kleckern, sondern gleich klotzen” kann man ja einfach mal behaupten, dass auch der gesamte Reaktorkern die Bevölkerung beglücken kann. Durch diesen phantastischen Trick kann man nun aus den 10 Millionen nochmals 100 Millionen Opfer machen.
Doch da kommt die fiese Statistik und macht Hohmeyer doch wieder einen Strich durch die Rechnung. Denn laut GRS-Studie ist die Wahrscheinlichkeit für ein Kraftwerk vom Typ „Biblis B”, durch einen Unfall und anschließendes „Däumchendrehen” Radioaktivität freizusetzen, 0,00003% pro Jahr. Damit käme man dann selbst für den oberen Wert für die Krebswahrscheinlichkeit „nur” auf 27 Opfer pro Jahr, schon wieder viel zu wenig. Also erfand Hohmeyer einen weiteren Trick. In fester Überzeugung, dass die GRS-Studie ohnehin keiner liest, erklärte er den „Schadensfall” kurzerhand zum „Super-GAU”. Die Wahrscheinlichkeit für einen Schadensfall ist nämlich einen Faktor 100 höher, womit wir schon bei 2.700 Opfern pro Reaktorjahr wären. Damit war Hohmeyer nun zufrieden, natürlich nicht ohne zu betonen, dass es noch viel schlimmer kommen könnte und die psychisch bedingten Schäden noch gar nicht erfasst sind.
Mit dieser Opferzahl kann man nun eine Menge anstellen. Man kann mit exorbitanten „versteckten” Kosten argumentieren, die Opferzahlen in Produktionsausfälle umrechnen und astronomische Versicherungssummen vorrechnen. Und dies alles nur, weil sich der Journalist Gerhard Bott, der als studierter Gesellschafts-, Rechts- und Staatswissenschaftler sicher für die Abschätzung radiologisch-medizinischer Risiken hoch qualifiziert ist, im Jahre 1987 durch eine Fernsehsendung profilieren musste.
Wir schließen nun unseren Rundgang durch die phantastische Welt der umgekehrten Wahrscheinlichkeiten (Kategorie „Unfall- & Katastrophenrisiko”) mit einem letzten Blick auf Hohmeyers unschlagbare Doktorarbeit, einmal in Form von 5 Millionen Krebserkrankungen (#37), zum anderen in Form exorbitanter Schadenssummen (#41), aber auch indirekt in Form von Betroffenheitsorgien (#38). Der Mythos „Jodtabletten” darf in diesem Reigen auch nicht fehlen (#40), aber es gibt wiederum einen klaren Sieger, Grund/Antwort #39. Hier hat die ehemalige Umweltorganisation Greenpeace mit einer völlig neuen Dimension der Strahlenausbreitung und -wirkung (man beachte das Diagramm auf der verlinkten Seite, da kann man nur noch schlucken. Begutachtete Publikationen schenkt sich Greenpeace angesichts dieses Horrors und hat eindeutig den Vogel abgeschossen.
Es existiert offensichtlich doch ein Parallel-Universum, in welchem eine parallele „Wissenschaft” stattfindet, die nach ganz eigenen Gesetzen funktioniert. In diesem leben neben Hohmeyer, Hickel, Bott, Körblein, dem IPPNW, Greenpeace und vielen anderen auch die Verantwortlichen der „100 guten Gründe”, Michael und Ursula Sladek, deren Elektrizitätswerke Schönau (EWS) wir alle mitfinanzieren, ob wir wollen oder nicht. Ein Parallel-Universum ist eben nicht ganz billig.
Hundert gute Antworten #37 – #41, die bisherigen Antworten finden Sie in den EIKE-News (Energie) vom 29.3.2013, 3.4.2013, 7.4.2013, 10.4.2013, 16.4.2013, 19.4.2013, 26.4.2013, 3.5.2013, 9.5.2013.
#37: Krebs für Millionen
Behauptung: Bei einem Super-GAU in Deutschland müssen Millionen von Menschen mit schweren Gesundheitsschäden rechnen.
Eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat – unter Berücksichtigung der Erfahrungen von Tschernobyl – die zu erwartenden Gesundheitsschäden nach einem schweren Atomunfall in Deutschland abgeschätzt. Für den Fall eines Super-GAUs etwa im Atomkraftwerk Biblis rechnet sie mit 4,8 Millionen zusätzlichen Krebserkrankungen. Hinzu kommen alle anderen direkten und indirekten Gesundheitsschäden durch Strahlung, Evakuierung und Verlust der Heimat.
„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS
Die hier zitierte Zahl von „4,8 Millionen zusätzlichen Krebserkrankungen” stammt ursprünglich nicht von der besagten Studie, sondern aus der 1989 angerfertigten Doktorarbeit des bekannten Antiatom-Lobbyisten und Volkswirten Olav Hohmeyer, bzw. dessen Doktorvater Rudolf Hickel. Sie wird seitdem immer wieder zitiert. Aber wo haben Hohmeyer und Hickel sie her? Welche epidemiologischen Studien wurden angefertigt, welche Krebsregister durchforstet, wie viele Leute befragt, wie die jeweilige Strahlendosis ermittelt?
Schlägt man Hohmeyers Doktorarbeit auf, findet man von all dem nichts – die Zahl wurde lediglich aus der 1987 ausgestrahlten Fernsehsendung des NDR „Tschernobyl – ein Jahr danach” kopiert. Dies ist keine wissenschaftliche Quelle, vor allem wenn man bedenkt, dass ein Jahr danach derartige statistische Untersuchungen unmöglich in begutachteter Form vorliegen können.
Es gibt eine gewaltige Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die sich dieser Thematik gewidmet haben. Die UN-Kommission zur Untersuchung gesundheitlicher Wirkung radioaktiver Strahlung, UNSCEAR, fasst in Kooperation mit der WHO all diese Ergebnisse in umfangreichen Berichten zusammen. Fazit des letzten Berichts von 2008: 6.000 zusätzliche Erkrankungen an Schilddrüsenkrebs, von denen „wahrscheinlich ein großer Teil der Radioaktivität geschuldet ist”. Abgesehen davon, dass die Ursache dieser zusätzlichen Erkrankungen nicht restlos geklärt ist, sind dies aber auf jeden Fall keine „Millionen”. Bisher, 25 Jahre danach, sind übrigens nur 15-20 an ihrer Erkrankung gestorben.
Da in Deutschland kein Tschernobyl-Reaktor steht, ist diese Überlegung ohnehin rein hypothetisch. Dass Biblis-B ein paar Prozent seines Reaktorinventars freisetzt kann statistisch seltener als einmal in 100 Millionen Jahren erwartet werden, so eine 1997 angefertigte OECD-Studie.
Quellen von KRITIKALITÄT
#38: Heimatverlust
Behauptung: Bei einem Super-GAU wird ein Gebiet von Zigtausend Quadratkilometern dauerhaft unbewohnbar.
Millionen von Menschen werden nach einem Super-GAU in einem deutschen Atomkraftwerk nicht mehr in ihre Häuser, Wohnungen, Betriebe zurückkehren können. Wo sollen sie leben, arbeiten, unterkommen? Wer kümmert sich um ihre Gesundheit? Wer kommt für ihren Schaden auf? Die Stromkonzerne sicher nicht – die sind dann längst pleite.
„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS
Die stets wiederkehrende Behauptung der „Millionen Menschen” stützt sich ausschließlich auf die 1987 angefertigte Dissertation des Volkswirten Olav Hohmeyer, der seine absurd hohen Opferzahlen den Behauptungen einer NDR-Fernsehsendung über den Tschernobyl-Unfall entnommen und auf die deutsche Bevölkerungsdichte hochskaliert hat. Schon die Ausgangszahlen sind grob falsch, die Übertragung auf deutsche Verhältnisse erst recht, denn in Deutschland steht kein Reaktor vom Typ Tschernobyl.
Das schlimmste denkbare Szenario hat sich in Fukushima abgespielt, ausgelöst durch einen Tsunami historischen Ausmaßes. Die Evakuierung der 30-Kilometer-Zone war in Anbetracht der Kontaminierung, die etwa der natürlichen Radioaktivität in Teilen Finnlands und dem Schwarzwald entspricht, überflüssig. Die Freisetzung der Radioaktivität fand kontrolliert zur Entlastung des Containments statt. Die Sperrzonen werden zu 80% bis 2014 wieder dauerhaft bewohnt werden dürfen, der Rest einige Jahre später.
Alle deutschen Reaktoren sind mit sogenannten Wallmann-Ventilen ausgestattet, die im Falle einer Druckentlastung, sollte sie denn jemals notwendig werden, die Radioaktivität zurückhielten. Somit wäre die „Belastung” der Umgebung nochmals Größenordnungen geringer als in Fukushima und eine Evakuierung selbst nach den übertrieben strengen Strahlenschutzregeln überflüssig.
Wer sich so viel Sorgen um die Mitmenschen macht, sollte sich zunächst mal die Sicherheit von Staudämmen und Talsperren ansehen. Hier sind die Opfer real, die „Millionen Super-GAU-Opfer” hingegen rein hypothetisch.
Quellen von KRITIKALITÄT
#39: Evakuierung
Behauptung: Die Evakuierung einer ganzen Region binnen weniger Stunden ist nicht möglich.
Die Katastrophenschutzpläne für Atomkraftwerke gehen davon aus, dass die radioaktive Wolke nach Beginn des Unfalls noch mehrere Tage im Reaktor zurückgehalten werden kann – Zeit, um die Bevölkerung zu evakuieren.
Was aber, wenn ein Flugzeug, ein Erdbeben oder eine Explosion das Atomkraftwerk zerstört? Oder wenn, wie etwa in Krümmel möglich, der Sicherheitsbehälter binnen Minuten durchschmilzt? Dann bleiben, je nach Wetterlage, gerade einmal ein paar Stunden, um ganze Regionen zu räumen.
Neue Ausbreitungsrechnungen zeigen, dass die Strahlenbelastung selbst in 25 Kilometer Entfernung und bei Aufenthalt im Haus binnen weniger Stunden so hoch ist, dass sie in der Hälfte der Fälle zum Tod führt. Die radioaktive Wolke macht dort sicher nicht halt. Für alle weiter entfernten Gebiete aber gibt es gar keine Evakuierungspläne.
„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS
Die Organisation Greenpeace, von der diese völlig neuartigen Strahlenschutzerkenntnisse und „neuen Ausbreitungsrechnungen” angeblich stammen, bleibt die zugehörigen Studien selbst leider schuldig. Es handelt sich demnach offensichtlich um einen makaberen PR-Gag, der nichts über Kernkraftwerke, aber viel über Greenpeace aussagt.
Das angebliche Durchschmelzen des Sicherheitsbehälters kann nur stattfinden, wenn der Reaktorkern selbst bereits geschmolzen ist und den Reaktordruckbehälter durchdrungen hat. Dazu müssen sämtliche anderen aktiven wie passiven Sicherheitsbarrieren bereits versagt haben, und das dauert mehrere Tage, wie Fukushima gezeigt hat. Und selbst dann befindet sich unter dem Sicherheitsbehälter jede Menge Beton, mit dem sich die Kernschmelze vermischt und langsam erstarrt. Frei werden schlimmstenfalls einige flüchtige Radionuklide, und auch nur, wenn das Reaktorgebäude beschädigt ist. An diesen Abläufen können weder Flugzeuge, Erdbeben und Explosionen etwas ändern.
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#40: Jod-Mangel
Behauptung: Jod-Tabletten nützen nichts, wenn man das Haus verlassen muss, um sie zu erhalten.
Jodtabletten sollen im Falle eines Atomunfalls die Strahlenbelastung durch radioaktives Jod vermindern. Doch nur im engsten Umkreis um Atomkraftwerke wurden die Tabletten bereits vorsorglich an die Haushalte verteilt. In allen anderen Gebieten sind sie im Rathaus gelagert oder müssen erst noch eingeflogen werden. Abholen wird schwierig: denn der Katastrophenschutzplan rät, das Haus nicht zu verlassen.
„Weiterführende Informationen” der EWS und „Quellen” der EWS
Jodtabletten schützen nicht vor Strahlung, sie verhindern nur die Aufnahme radioaktiven Jods. Dieses muss, sollte es einen Reaktor verlassen, erst mal durch die Nahrungskette, d.h. aufs Gras über Kühe in die Milch, was einige Tage dauert. Warum sollte man aber im Zeitalter des internationalen Waren- und Nahrungshandels und strengster Lebensmittelkontrollen ausgerechnet die kontaminierte Milch aus der Umgebung eines havarierten Kernkraftwerks trinken?
Der Mythos „Jodtabletten” stammt aus der Zeit des kalten Krieges, als man mit einem nuklearen Fallout kontinentalen Ausmaßes gerechnet hat. Die Einnahme stabilen Jods sollte es dann ermöglichen, auch kontaminierte Nahrung zu verzehren, sollte nichts anderes mehr zu beschaffen sein.
Die zentrale Lagerung stabiler Jod-Tabletten ist sehr sinnvoll, da eine Einnahme zu Nebenwirkungen führen kann, die die Auswirkungen radioaktiven Jods bei weitem übersteigen. Die Gefährlichkeit des radioaktiven Jods hingegen konnte nie nachgewiesen werden, selbst bei hochbestrahlten Patienten (Radiojodtherapie).
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#41: Wirtschafts-Kollaps
Behauptung: Ein Super-GAU führt zum volkswirtschaftlichen Zusammenbruch.
Ein Super-GAU in einem Land wie Deutschland würde einen Schaden von 2,5 bis 5,5 Billionen Euro verursachen. Das hat die Prognos AG bereits vor 20 Jahren in einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium errechnet. Inflationsbereinigt wäre die Summe heute sicher noch höher anzusetzen.
Zum Vergleich: Die Konjunkturpakete der 20 größten Wirtschaftsnationen der Welt zur Abfederung der aktuellen Wirtschaftskrise haben alle zusammen ein Volumen von insgesamt 3,5 Billionen Euro.
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Die bis zu 5,5 Billionen Euro basieren auf der Behauptung, Tschernobyl hätte 240 000 Strahlenkrebsopfer gefordert, von denen die Hälfte daran stirbt. In die Welt gesetzt wurde diese Zahl 1987 duch den Fernsehjournalisten Gerhard Bott. Von dort wanderte sie über die Doktorarbeit des Volkswirten Olav Hohmeyer in die „Studie” der Prognos AG. Der letzte UNSCEAR/WHO-Report 2008 zu Tschernobyl stellt hingegen klar: Es wurde ein Anstieg von 6.000 Schilddrüsenkrebserkrankungen beobachtet, von denen knapp 20 bisher daran gestorben sind. Wieviele davon durch Radioaktivität verursacht wurden bleibt unklar. Die Übertreibung ist also mindestens ein Faktor 40 bis 6.000.
Auch wird hier suggeriert, die Freisetzung des radioaktiven Inventars würde bei einem Reaktor wie Biblis-B mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftreten wie beim Tschernobyl-Reaktor. Eine 1997 durchgeführte OECD-Studie berechnet jedoch, dass mit einem derartigen Ereignis schlimmenfalls alle 100 Millionen Jahre zu rechnen ist. Ereignisabläufe wie in Tschernobyl sind bei Reaktoren westlicher Bauart in ihrer Auswirkung eher mit Three Mile Island bei Harrisburg 1979 zu vergleichen, bei dem keine Verletzten auftraten.
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