Durchgesickertes Memo von der Clinton-Kampagne betreffs ,Klimawandel‘ zeigt: es geht wirklich um Politik, nicht um Wissenschaft
John Podesta war leitender Mitarbeiter des Büros von Bill Clinton und Berater des Präsidenten für Obama. Er ist Chef der Kampagne von Hillary Clinton.
Chris Lehane – als er ein Anwalt im Counsel’s Office des Weißen Hauses war, haben er und sein jetziger Geschäftspartner Mark Fabiani sich selbst als die „Masters of Disaster” bezeichnet, und zwar wegen ihrer Arbeit als ein „Schnellreaktions-Team“ bzgl. der vielen Skandale der Clinton-Administration. Lehane war Mitautor eines Buches über Schadensbegrenzung mit dem Titel „Masters of Disaster: The Ten Commandments of Damage Control“ [etwa: Katastrophen-Meister: Die zehn Gebote der Schadensbegrenzung]. Jim Jordan, ehemaliger Kampagnen-Manager von John Kerry, nannte ihn einen „Meister des politischen Nahkampfes“ (hier) wegen seiner Arbeit als politischer Stratege.
Hier folgen Auszüge aus diesem Memorandum:
Danke, dass Sie uns aufgefordert haben, ein paar Gedanken für eine holistische Herangehensweise an das Thema Klima zu teilen. Unserer Anweisung zufolge ist das Ziel, Politik und Politiker zu vereinheitlichen. Außerdem sollen wir der Administration Hinweise geben, die ihr helfen zu entscheiden, wie man am besten einen fundierten Plan über einen Zeitraum von vielen Jahren ausführen könnte … Dieses Dokument soll soll einigen Stoff zum Nachdenken liefern angesichts des Umdenkens der Administration beim Thema Klima … es spricht die vier Komponenten an, die die Administration berücksichtigen sollte, wenn sie eine Führerschaft hierzu einnehmen möchte.
1. Drei-Jahre-Rahmen. …
2. Richtig oder falsch. Sammeln Sie Argumente, dass man das Thema Klima als eine Herausforderung einer historischen sozialen Veränderung sehen muss, wobei der Fortschritt teilweise davon abhängt, ob man das Thema erfolgreich als einen moralischen Fall betrachten kann, wer recht hat und wer falsch liegt …
3. Der Große Gedanke … Er könnte ein herangehen der gesamten Administration an das Thema Klima während der nächsten drei Jahre antreiben …
4. 2014 Aktionsplan …
Um den Sieg zu erringen, müssen wir den Klimawandel als eine Angelegenheit von historischer Bedeutung behandeln, die einer wirklichen politischen Bewegung wert ist, um Änderungen zu erzeugen. Diese politische soziale Bewegung muss auf moralischen Prinzipien fußen mit handfesten Definitionen, wer recht hat und wer unrecht hat, und es ist wichtig, die historisch negativen, irreversiblen Implikationen herauszustellen, zu denen es kommen wird, wenn wir nicht erfolgreich sind.
Mit der Verfolgung dieses Themas als politische soziale Bewegung werden Präsident Obama und seine Regierung am ehesten in der Lage sein sicherzustellen, dass sein Erbe seine beispiellose Führerschaft zum Thema Klima enthält, die initiativ dazu führte, die politischen tektonischen Platten unseres Landes so zu verschieben, dass eine transformative Klimawandel-Politik durchgeführt werden kann.
Am Ende muss man angesichts der mächtigen und fest verwurzelten Interessen gegen diese Klimawandel-Politik über eine Organisationsstruktur verfügen, die definitiv festlegt, dass die Regierung auf der richtigen Seite der Sache steht, und – genauso wichtig – die definitiv die Opposition dagegen als moralisch unverantwortlich hinstellt bei einem Vorgang, der Gesundheit und Wohlstand des amerikanischen Volkes bedroht. …
Man definiere das Thema so, dass all jene, die an die Wissenschaft glauben und daher Schritte unternehmen, um den wissenschaftlichen Ergebnissen Rechnung zu tragen auf der einen Seite stehen, und alle Opponenten als nicht an die Wissenschaft glaubend auf der anderen Seite. Die Kraft dieses Vorgehens liegt darin, dass die Opposition in eine unhaltbare Ecke gestellt wird (die große Mehrheit der Menschen glaubt der Wissenschaft, dass sich das Klima ändert). Außerdem passt es zu dem, was wir das Höhlenmensch-Narrativ nennen (Anti-Frauen; Anti-Latino; gegen eine dem gesunden Menschenverstand folgende Finanzpolitik und anti-wissenschaftlich). Dies wird grundlegendes Misstrauen gegenüber der Republikanischen Partei wecken – besonders bei wahlentscheidenden Wählergruppen. Entweder man glaubt an die Grundlagenwissenschaft, oder man ist gegen Grundlagenwissenschaft – wobei Letzteres eine Grundvoraussetzung vermissen lässt, in der Lage zu sein, ein öffentliches Amt zu bekleiden. …
Das Gewinnen-Prinzip
Der gesamte Vorgang muss animiert werden durch drei Prinzipien, die politische Maßnahmen in Verbindung bringen mit den „vier Freiheiten“ von Präsident Roosevelt [hier bei Wikipedia] oder den ,Three C’s von TR‘ [Google brachte keine Lösung, was das ist. Anm. d. Übers.]). Im Zusammenhang mit Informationen durch verschiedene Kampagnen (Kandidaten- und Abstimmungs-Initiativen), in welchen Klima eingesetzt wird als ein definitiv gewinnendes politisches Element gibt es drei Dinge, die wirklich als fest verankerte Prinzipien herausragen, die den Großen Gedanken stützen können (was immer der Große Gedanke sein möge).
Gesundheit/Sicherheit: Die Opposition muss dargestellt werden als engagiert in Praktiken oder als auf Positionen stehend, die demonstrativ Gesundheit und Sicherheit unserer Bürger gefährden. Dies reicht von großen Themen wie Extremwetter über lokale Themen wie Trinkwasser, Luftgüte und ,rail safety‘ [wie übersetzt man das? Anm. d. Übers.] bis hin zu Mikrothemen wie Asthma bei Kindern. Die Menschen werden aufmerksam, wenn es um Gesundheit und Sicherheit ihrer Familien geht.
Brieftasche: Die Menschen werden aufmerksam, wenn Klimaauswirkungen sie ökonomisch betreffen. Auf der positiven/angestrebten Seite kann es bei diesem Prinzip darum gehen, ob neue grüne Arbeitsplätze hier oder in Übersee entstehen, oder wie Bürger Geldsparen können, indem sie weniger für Energie bezahlen. …
Zuverlässigkeit/Berechenbarkeit: Man folge dem Geld! Wer ist verantwortlich für die schlimmen Dinge, die vor sich gehen, und wie malträtieren sie das System, um aus den schlimmen Dingen Kapital zu schlagen? …
Aktionsplan 2014
… Einrichtung einer Extremwetter-SWAT [Special Weapons and Tactics = Spezialeinheit der amerikanischen Polizei], die auf Zusammenarbeit vorbereitet sein muss und bei Extremwetterereignissen eingreifen soll – einschließlich der Reaktion darauf im lokalen Bereich, bei Medien und über wissenschaftliche Informationen der historischen Natur des Ereignisses …“
—————–Ende der Auszüge—————–
Schlussfolgerungen daraus:
Das Wichtigste bzgl. dieses Memos [warum nur musste ich bei der Übersetzung ständig an die Berichterstattung z. B. in der „Süddeutschen Zeitung“ denken? Anm. d. Übers.] – nach offensichtlich drei Jahren – ist dessen komplettes Scheitern [was die SZ offenbar noch nicht mitbekommen hat. Anm. d. Übers.]. Nur wenige Amerikaner betrachten Umweltprobleme als unser größtes Problem (hier). Es spielt bei der Präsidentenwahl nur eine untergeordnete Rolle (hier) und wird sogar kaum einmal erwähnt (hier). Klimawandel befindet sich nicht unter den Top 10 unserer Befürchtungen (hier).
Der ganze Vorgang ist reine Politik, und Wissenschaft wird kaum einmal erwähnt. Beispiel: die SWAT-Teams machen für sämtliche „Extrem“-Wetterereignisse den Klimawandel verantwortlich – und ignorieren die Tatsache [die jeder selbst nachvollziehen kann, wenn er denn will, Anm. d. Übers.], dass Extremwetter normal ist und auch schon lange vor irgendwelchen anthropogenen Effekten aufgetreten ist. Das IPCC hat dies wiederholt erklärt, nicht nur in den regelmäßigen Zustandsberichten, sondern auch in dem Report aus dem Jahr 2012 „Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation” (SREX).
Noch schlimmer: der polarisierende Rahmen („Die große Mehrheit der Leute glauben der Wissenschaft, dass sich das Klima ändert“) ignoriert die Schlüsselfrage, wie viel der Änderung anthropogenen Quellen geschuldet ist – und wann. Darüber wird unter Klimawissenschaftlern diskutiert (und da gibt es längst keinen Konsens), ebenso wie über den notwendigen Input für öffentliche politische Entscheidungen.
Klimawandel als moralische Angelegenheit zu beschreiben, schien für Lehane wie der sichere Gewinner auszusehen, vor allem in der Akademia, bei Journalisten und den meisten sie unterstützenden NGOs. Aber dies verhinderte politische Kompromisse oder auch jedwede rationale Diskussion über einen Kosten-Nutzen-Vergleich – beides ist unabdingbar für eine erfolgreiche öffentliche Politik. Das Ganze wurde polarisiert, so dass Amerika nur wenige Maßnahmen ergriffen hat, um sich auch nur auf Wiederholungen von Wetterereignissen der Vergangenheit vorzubereiten (woran uns der Hurrikan Matthew erinnert hat).
Noch schlimmer, Lehane erwähnt nicht, auf welche Quellen der Wissenschaft er sich stützt. Ist es das IPCC? Die NOAA? Sind es die Alarmisten, die Journalisten lieben ob ihrer markigen Schlagworte? Sind es die Klimawissenschaftler, die die Berichte der IPCC-Arbeietsgruppe I schreiben und die größte Mühe darauf verwenden, ihren Wissensstand zu erklären – und die vielfach großen Unsicherheiten darin? Es gibt eine große Lücke zwischen der Gewissheit der Erwärmung seit Anfang des 19. Jahrhunderts plus hinsichtlich der Größe der Rolle anthropogener Antriebe seit 1950 einerseits – und den massiven Wissenslücken hinsichtlich der Treiber des Klimas während des 21. Jahrhunderts andererseits. All das geht verloren, wenn das Ganze unter rein moralischen Gesichtspunkten erörtert wird.
Folglich haben sie verloren. Clintons möglicher Wahlsieg gibt Lehane und seinen mitstreitenden Aktivisten eine zweite Chance. Werden sie Lehren ziehen aus ihrem Versagen während der 28 Jahre, seit die Anhörung von James Hansen im Jahre 1988 vor dem Kongress (hier) die Bewegung ins Rollen brachte? Oder werden sie ausreichend politische Macht haben, um ihre Agenda durchzupeitschen trotz der geringen politischen Unterstützung und trotz ihrer ineffektiven Pläne?
Es gibt bessere Wege, mit großen öffentlichen Politik-Themen umzugehen. Klimawandel, oder verrückte Kriege im Ausland oder auch unser falsches Umgehen mit so vielen anderen grundlegenden Herausforderungen – diese zeigen unsere dysfunktionelle Politik bei der Arbeit. Wir können es besser!
Timothy Wirth (Präsident der UN-Foundation) ehemaliger Senator der Demokraten und Kumpel von Al Gore:
„Wir müssen auf dem Thema globale Erwärmung herumreiten. Selbst wenn die Theorie der globalen Erwärmung falsch ist, tun wir das richtige im Sinne der Wirtschafts- und Umweltpolitik.“
Christine Stewart (frühere kanadische Ministerin für Umwelt):
„Es ist egal, ob die Wissenschaft der globalen Erwärmung komplett an den Haaren herbeigezogen ist, gibt uns der Klimawandel doch die größte Möglichkeit, Gerechtigkeit und Gleichheit in die Welt zu tragen.“
Übersetzt von Chris Frey EIKE