Die große Energiekrise kommt erst noch*

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt*

Dass Deutschland diesen Winter glimpflich übersteht, ändert nichts daran, dass die Energiewende scheitern wird.

Doch steht zu befürchten, dass die Politik erst dann umlenkt, wenn die eigene Wirtschaft irreversibel geschädigt ist.

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Die Strom- und Gaspreise sind im Februar deutlich gesunken. Allerdings liegen sie noch doppelt so hoch wie 2021 und viermal so hoch wie im internationalen Wettbewerb. Ursachen für den leichten Rückgang sind der milde Winter, die bis April weiterlaufenden Kernkraftwerke sowie die wieder hinzugeschalteten Kohlekraftwerke. Aber nach wie vor haben wir die höchsten Strompreise der Welt nach Burkina Faso.

Die große Energiekrise steht uns aber erst noch bevor. Wenn die Kernkraftwerke im April vom Netz gehen und im nächsten Frühjahr die Ersatzkraftwerke auf Kohlebasis vom Netz gehen werden, wird es ein böses Erwachen geben. Der vom Bundeskanzler angekündigte Bau von täglich fünf Windkraftwerken wird das Problem nicht lösen.

Die Alternativen liegen vor unserer Haustür :

Denn Windkraftwerke liefern nur ein Viertel des Jahres ihre volle Leistung. An 140 Tagen liefern sie nahezu keinen Strom. Die Bundesregierung glaubt, mit 40 neuen Gaskraftwerken diese Lücke ausgleichen zu können. Diese Kraftwerke sollen bis 2030 auf Wasserstoff umgebaut werden.

Ausreichenden Wasserstoff wird es aber nicht geben. Es fehlen Elektrolyseure für Wasserstoff, Leitungen für Wasserstoff, Speicher für Wasserstoff und selbst Wasserstoffkraftwerke müssen noch entwickelt werden. Am Ende ist Wasserstoffstrom viermal so teuer wie Erdgasstrom.

Was Kanzler Scholz nicht sagt: Wir steuern in eine langanhaltende Stromkrise. Sie wird Deutschland viele, viele Arbeitsplätze kosten. Aber auch klimapolitisch ist der Zubau von 40 neuen Gaskraftwerken kurzsichtig. Schon im letzten Jahr kaufte Deutschland auf den Gasweltmärkten massiv ein und trieb die Preise hoch. Das führte zum Ergebnis, dass sich Staaten wie Pakistan oder Bangladesh Gasimporte nicht mehr leisten können. Pakistan hat daher beschlossen, keine Gaskraftwerke mehr zu bauen, sondern die Kohlekraftwerkskapazitäten zu vervierfachen. Wir legen Kohlekraftwerke still, treiben unseren eigenen Strompreis hoch und Pakistan baut Kohlekraftwerke hinzu. Das ist das Ergebnis einfältiger Energiepolitik.

Stattdessen wäre es nötig, sich auf unsere eigenen Kräfte zu besinnen und die Erdgasvorräte in Norddeutschland zu fördern. Statt Frackinggas aus den USA zu importieren, könnten wir Erdgas aus dem Tiefengestein viel umweltfreundlicher fördern als es die USA tun.

Die CO₂-Bilanz wäre um 25 Prozent niedriger und auch die Kosten wären deutlich geringer. Selbstverständlich müssen wir auch unsere eigenen Braunkohlevorräte nutzen und das bei der Verbrennung entstehende CO₂ aus den Kraftwerken abscheiden und in tiefes Basaltgestein verpressen. Wir wissen, dass sich das CO₂ innerhalb von zwei Jahren mit dem Basalt zu einem dolomitähnlichen Gestein verbindet. Und selbstverständlich müssen wir unsere Kernkraftwerke weiter laufen lassen, wenn wir eine bedrohliche Stromkrise vermeiden wollen.

Aus der Eindimensionalität des Klimaschutzes befreien

Natürlich müssen wir die CO₂-Emissionen senken. Aber wir sollten dabei auch alle verfügbaren und verantwortbaren Energiequellen nutzen, um Wohlstand zu sichern und eine breit angelegte Entwicklung möglich zu machen, von den Erneuerbaren Energien über die Kernkraft bis hin zum blauen Wasserstoff aus Kohle, Öl und Gas. Wir müssen das Angebot an Energie erweitern und nicht verknappen, wenn wir unsere industriellen Arbeitsplätze und bezahlbare Energiekosten behalten wollen. Wir müssen den ideologischen Feldzug gegen Kernenergie und fossile Energien einstellen und diese Quellen verantwortbar nutzen. Und wir sollten offen sein für neue Technologien wie etwa die Fusionstechnologie. Und wir müssen Energiepolitik aus der Eindimensionalität des Klimaschutzes befreien sowie der Versorgungssicherheit und der Bezahlbarkeit wieder den notwendigen Stellenwert geben.

Da sind, nicht zuletzt seit dem Ukrainekrieg, erhebliche Zweifel entstanden, ob Deutschland den richtigen Weg eingeschlagen hat, sich hierzulande allein auf Wind- und Sonnenenergie zu verlassen. Denn die Verstromung von preiswertem Erdgas aus Russland in Gaskraftwerken war die Lösung, um die unstete Stromversorgung durch Wind und Sonne auszugleichen. Dieser Weg ist vorerst versperrt, denn Russland lenkt seinen Export aus den Jamal-Feldern um nach China. Die Pipeline „Power of Siberia 2“ nach China wird gebaut und wird etwa soviel Gas nach China liefern wie Nord Stream 1 geliefert hat.

Die alternative Belieferung mit Fracking-Gas aus den USA ist langfristig nicht belastbar, da der US-amerikanische Präsident Joe Biden die Erschließung neuer Fracking-Felder auf öffentlichem Grund untersagt hat und daher im Verlauf der nächsten Jahre die Förderung aus bestehenden Feldern zurückgehen wird. Was mit den Exporten nach Europa aus den USA passieren wird, wenn Erdgas in den USA knapp und (wegen des Exports) teurer wird, kann man leicht vorhersehen. Als Mitte letzten Jahres die Ölpreise in die Höhe schnellten, erwägte der Präsident ein Ausfuhrverbot für Öl. Bei Gas kann uns das schnell wieder passieren.

Die großen Tabus – die eigene Erdgasförderung, die CO₂-Abscheidung bei Nutzung heimischer Braunkohle und die Weiterentwicklung der Kernenergie – stehen auf dem Prüfstand. Und je länger an diesen Tabus festgehalten wird, desto offensichtlicher wird, dass der bisherige Weg der Energiewende gescheitert ist.

Symptome des Scheiterns

In ihrem in der letzten Woche verabschiedeten Bericht zur „Versorgungssicherheit Strom“ kommt die Bundesnetzagentur schon jetzt nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass die Stromversorgung in den nächsten Jahren nur gesichert ist, wenn steigende Importe aus Frankreich, Tschechien und Polen stattfinden und wenn „Lastmanagementpotentiale zur Lastreduktion in Knappheitssituationen“ erfolgen. Die vernebelnde Sprache bedeutet auf Deutsch, dass die Versorgungssicherheit nur gewährleistet werden kann, wenn industrielle und private Verbraucher jederzeit abgeschaltet werden können. Das ist eine beeindruckende neue Definition von Versorgungssicherheit.

Das liegt auf der Linie der von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Drosselung von E-Auto-Ladestationen und Wärmepumpenanschlüssen. Wie berichtet wurde, sollte in Mangelsituationen lediglich eine Reichweite von 50 Kilometern durch die Ladestation ermöglicht werden. Die Energiewende zeigt die Symptome des Scheiterns bereits bei 900.000 E-Autos und einer Million Wärmepumpen, also bei zwei Prozent Zielerfüllung.

Wenn wir nicht auf einen Industriestrompreis von 4 Cent je Kilowattstunde kommen, wie ihn Kanzler Scholz im Wahlkampf versprochen hat, wird die stromintensive Industrie in Deutschland keine Zukunft haben.

Die Einsicht wird viel zu spät kommen

Mit diesen düsteren Aussichten befasse ich mich ausführlich in meinem neuen Buch „Die große Energiekrise“, das gerade erschienen ist. Darin heißt es:

„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch noch im Jahre 2045 den größten Teil unserer Energieversorgung durch Erdgas und Erdölprodukte abdecken werden. Das gilt allemal, wenn im Stromsektor, der für die Arbeitsplätze und Wertschöpfung entscheidend ist, weiter die Weichen falsch gestellt werden. Ein Land, das ökonomisch hart zurückfällt, wird sich viele Blütenträume, wie etwa von teurer Wasserstoffwirtschaft, nicht mehr leisten können.

Ein Land auf dem Niveau eines Schwellenlandes – und auf das steuern wir zu – wird keinen Beitrag zur Weiterentwicklung der Energietechnologie erbringen können. Am Ende wird es sich auch Energieimporte immer weniger leisten können. Dann, viel zu spät, wird es notgedrungen die heimischen Quellen wie eigenes Schiefergas und heimische Braunkohle anzapfen müssen.“

Lernen durch Scheitern

Ich beschreibe in diesem Buch auch, wie sich durch die harte Krisenerfahrung das gesellschaftliche Bewusstsein wieder verändern wird:

„Eine Gesellschaft, die nie Energieknappheiten kannte und die mit infantilen politischen Aussagen wie des Speicherns vom Strom im Netz oder der Speicherung von Strom durch Tiefkühlhähnchen oder der Kosten der Energiewende in Form von Eiskugeln für dumm verkauft wurde, muss erst die bittere Erfahrung machen, dass die Energiewende gescheitert ist. Erst dann ist sie bereit, neue Risken und Chancen zu ergreifen.

Mit der Energiewende platzen andere politisch korrekte Mantras. Das E-Auto hat in einer Welt von 300 Euro pro Kilowatt keine Zukunft. Es geht schnell, Technologien, Unternehmen und Arbeitsplätze zu zerstören. Es wird lange dauern, bis in Deutschland wieder Verbrennungsmotoren entwickelt werden, um die uns die Welt beneidet. Es werden Jahre vergehen, bis für diese Entwicklung CO₂-armer synthetischer Kraftstoff politische Mehrheiten findet.“

Von Fallstricken befreien

Aber es gibt Alternativen und eine Zukunftsperspektive:

„Es wird zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis wir uns aus den Trümmern dieser Politik hervorgearbeitet haben. Aber weltweit neue Wege in Forschung und Entwicklung würden zumindest der nächsten Generation helfen, eine Zehn-Milliarden-Menschheit mit zuverlässigen und preiswerten Energien zu versorgen und nicht wie die jetzige Generation in die selbstgestellte Falle einer langen Energiekrise zu stolpern.

Aber um sich von all den Fallstricken zu befreien, braucht es eine Zeitenwende der Energiepolitik, eine Abkehr vom grünen Monster des Green Deal, der uns in diese missliche Lage gebracht hat. Der Krieg gegen den Kohlenstoff muss beendet werden. So wie es sogar der Weltklimarat gefordert hat: Ja zur Kernenergie, Ja zu fossilen Quellen mit CO₂-Abscheidung und Ja zu Erneuerbaren Energien.“

Erst wenn uns irgendwann wieder eine Energie zur Verfügung steht, die preiswert und umweltfreundlich ist und die Versorgungssicherheit verspricht – erst dann werden wir die selbstverschuldete Große Energiekrise endlich überwinden können.

Eine gekürzte Fassung dieses Beitrags ist auch erschienen auf www.dersandwirt.de.

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Prof. Dr. Fritz Vahrenholt war von 1991 bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg und anschließend Mitglied im Vorstand der Deutschen Shell sowie Vorstandsvorsitzender der REpower Systems und der RWE Innogy. Seit 1998 ist er Honorarprofessor an der Universität Hamburg. Zu seinen Schriften gehört „UnerwünschteWahrheiten. Was Sie über den Klimawandel wissen sollten“ (Langen Müller 2020).

www.vahrenholt.net

Fritz Vahrenholt; Die große Energiekrise … und wie wir sie bewältigen können; Langen Müller Verlag 2023, Breitklappenbroschur, 208 Seiten, ISBN: 978-3-7844-3658-6 22 Euro

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  03. März 2023, S.3; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie dem Autor Fritz Vahrenholt  für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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Namibia Ausbeutung unter grünem Vorzeichen*

Die Bundesregierung will, dass im Tsau-Khaeb-Nationalpark

„grüner“ Strom und Wasserstoff für die deutsche Energiewende produziert wird.

von Dagmar Jestrzemski (Red. PAZ)*

Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im vergangenen Dezember nach Namibia und Südafrika reiste, um sogenannte Energiepartnerschaften mit den beiden Staaten zu festigen, standen die Eckpunkte des deutsch-namibischen Wasserstoffprojekts „Hyphen“ bereits fest. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass Klimapartnerschaften mit bestimmten Entwicklungs- und Schwellenländern abgeschlossen werden, „um deren Entwicklungs- und Klimaziele zu unterstützen“.

Gleichzeitig und vorrangig verfolgt die Ampelkoalition das Ziel, Deutschlands zukünftigen Bedarf an „grünem“ Wasserstoff großenteils durch Importe aus dem globalen Süden zu decken. Als wichtiges Erzeuger- und Exportland wurde Namibia ausersehen. Irrelevant scheint zu sein, dass hochrangige Politiker des Landes in einen Fischerei-Skandal verwickelt sind und Korruption zur Rodung der ökologisch wichtigen Wälder im Norden des Landes geführt hat.

Das Bundeswissenschaftsministerium lobt Namibias „enormes Potenzial“ für eine „grüne“ Wasserstoffwirtschaft. Die Windgeschwindigkeit und 3500 Sonnenstunden pro Jahr würden eine höchst profitable Erzeugung von „grünem“ Strom und Wasserstoff ermöglichen. Deutschland habe ab 2030 einen Bedarf von 1,7 Millionen Tonnen Wasserstoff. Den Zuschlag für das auf 40 Jahre Dauer angelegte deutsch-namibische Projekt erhielt das in Windhoek ansässige Konsortium Hyphen Hydrogen Energy, ein Joint Venture der südafrikanischen Tochter des im brandenburgischen Schenkenberg sitzenden Energieunternehmens Enertrag und der britischen Nicholas Holdings.

In der kleinen Hafenstadt Lüderitz am Rand der Wüste Namib sowie südwestlich des Ortes im Tsau-Khaeb-Nationalpark will das in Windhoek ansässige Konsortium Wind- und Solarindustrieanlagen im Gigamaßstab für die Strom- und Wasserstoffproduktion errichten. In dem früheren Diamantensperrgebiet baute die Kolonialmacht Deutschland seit 1908 Diamanten ab.

Windpark mit 600 Windrädern

Zwar ist das Gebiet „menschenleer“, wie die „Tagesschau“ meldete, abgesehen von geführten Touren mit Urlaubern. Jedoch ist der Tsau-Khaeb-Nationalpark die artenreichste Region Namibias. Auf nur zwei Prozent der Landesfläche sind 20 Prozent aller Pflanzenarten Namibias beheimatet, vor allem Sukkulenten. Seit 2013 sind große Teile der Namib mit dem Tsau-Khaeb-Nationalpark als Namib Sand Sea (Namib-Sandmeer) UNESCO-Welterbe.

Dessen ungeachtet planen die Deutschen und ihre Partner dort im Rahmen der 9,4 Milliarden US-Dollar schweren Investition einen Windpark mit 600 Windrädern und riesige Fotovoltaikanlagen sowie Übertragungskapazitäten mit einer Gesamtleistung von fünf Gigawatt (GW). Dazu kommen Elektrolyseure mit einer Leistung von drei GW, eine Meerwasserentsalzungsanlage für das benötigte Wasser und eine Fabrik zur Produktion von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff. Zum Vergleich: Namibias Bruttoinlandsprodukt belief sich 2020 auf 10,7 Milliarden Euro. Weitere 4,4 Milliarden Euro werden laut englischsprachigen Medien bis zur Erreichung der Zwei-GW-Phase benötigt. Für den Schiffsexport von jährlich 300.000 Tonnen „grünem“ Wasserstoff und Ammoniak ab 2027 muss der Hafen von Lüderitz zum Tiefseehafen ausgebaut werden. Ob und wie viel Strom für die lokale Versorgung erübrigt wird, ist unklar. Hyphen verspricht die Schaffung von 15.000 Arbeitsplätzen und 3000 weitere Jobs während der Aufbauphase. Neun Zehntel der Jobs würden an die lokale Bevölkerung vergeben. Allerdings hat Lüderitz nur 15.000 Einwohner.

Riesige Photovoltaikanlagen

Ein Stadtverordneter aus Lüderitz äußerte hingegen Zweifel. Die Stadt sei vermutlich zu klein für den geplanten Strukturaufbau, angefangen bei der Bereitstellung von Wohnungen. Auch hätten sich frühere Großprojekte für die Einwohner kaum rentiert. Die Arbeitslosigkeit liegt nach wie vor bei 50 Prozent. Ein Mitarbeiter der Universität Kapstadt erinnerte daran, dass für das Projekt noch weitere Mittel aus dem öffentlichen und privaten Sektor aufgebracht werden müssen. Zudem fehle in ganz Afrika die Erfahrung für die Erzeugung von Wasserstoff. Zum größten Problem dürfte die Wartung von 600 Windrädern und ausgedehnter Fotovoltaikanlagen werden. Das dafür ausgebildete Personal ist mit den bestehenden vier Tsau-Khaeb-Windparks voll ausgelastet. Die Trümmer der havarierten Windräder könnten für alle Zeit in dem ruinierten Naturreservat verbleiben.

Chris Brown, Chef der Namibischen Umweltkammer, kritisiert, dass ein angeblich „grünes“ Projekt in einem Naturpark mit einzigartiger Umgebung errichtet werden soll. Er findet es unangemessen, dass Deutschland wegen der Dekarbonisierung seiner Energiesysteme nun Namibia für die Zerstörung seiner global wichtigen Ökosysteme und der biologischen Vielfalt bezahlen will, statt die Probleme zu Hause anzugehen.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  03. März 2023, S.7; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie der Autorin Dagmar Jestrzemski für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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Erneuerbare Energien: Öko-Kolonialismus ohne schlechtes Gewissen*

hätte dort schwere ökologische und auch soziale Folgen

von Dagmar Jestrzemski (Red. PAZ)*

Als sich chinesische Konzerne vor einigen Jahren in Afrika große Agrarflächen zum eigenen Feldbau sicherten, war das Schlagwort „Landgrabbing“ in aller Munde. Bereits 2004 machte die „taz“ mit dem Titel „Eure erneuerbare Energie ist Öko-Kolonialismus“ ein Thema bekannt, das in Lateinamerika und Afrika heute mehr denn je Brisanz hat. Am Beispiel von Chile wird das damit verbundene Unrecht deutlich.

Missachtung der Indogenen

Der chilenische Staat vergab Nutzungsrechte an Wasser, Land und Rohstoffen an private Unternehmen und in der Elektrizitätswirtschaft an sogenannte Independent Power Producers (IPP). Diese Konsortien aus zumeist europäischen und nordamerikanischen Investoren errichten Wind- und Solarparks oftmals auf Ländereien, die ursprünglich der überwiegend indigenen Bevölkerung gehörten. Menschenrechte und der Naturschutz werden dabei missachtet, Widerständige eingeschüchtert und durch Morddrohungen zum Schweigen gebracht. Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gab 2021 bekannt, dass in Chile Projekte mit insgesamt mehr als 47 Gigawatt (GW) installierter Kapazität für „grünen“ Strom genehmigt wurden, darunter etwa 30 GW für Photovoltaik und fast 14 GW für Windkraftvorhaben. Deutsche Firmen erhoffen sich davon weitere Beteiligungsmöglichkeiten und Lieferchancen.

Heute hüten sich die „taz“ und andere Medien, den Begriff Öko-Kolonialismus und seinen fatalen Hintergrund wiederaufleben zu lassen. Soll doch um jeden Preis vermieden werden, dass hierzulande die katastrophalen Umstände der angeblich umweltschonenden Technologien zur Erzeugung von „grünem“ Strom und Wasserstoff auf anderen Kontinenten bekannt werden und Diskussionen auslösen. Jüngst wollte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch der Länder Brasilien, Argentinien und Chile deren Präsidenten seinen „Klimaclub“ schmackhaft machen. Damit verbunden sind Vorhaben für Wind- und Solarparks in den drei Ländern zur Produktion von „grüner“ Energie für den Export nach Deutschland.

Dürre durch Windparks

Natürlich sind der Kanzler und sein Energieminister Robert Habeck über die massiven Menschenrechtsverstöße und die Umweltverschmutzung informiert, die in Lateinamerika in Verbindung mit dem Bergbau, dem wasserverschlingenden Lithiumabbau, dem ebenfalls hohen Wasserverbrauch der Forst- und Agrarindustrie und dem Bau von Wind- und Solarparks erfolgen. In Chile kämpfen die Industriekonzerne um die schwindenden Wasservorräte des Landes, während das Land seit eineinhalb Jahrzehnten einer Jahrtausenddürre ausgeliefert ist. In den ausgebeuteten Regionen bleiben die rechtlosen Kleinbauern hilflos zurück. Ihre Anliegen macht allenfalls das katholische Hilfswerk Misereor publik. Aufgrund des Wassermangels zeichnet sich ein Notstand ab, der den Zusammenbruch großer Teile der Wirtschaft des Landes zur Folge haben könnte. Dessen ungeachtet traten die Präsidenten Chiles und Argentiniens, Gabriel Boric und Alberto Ángel Fernández, dem sogenanntem Klimaclub bei, während Brasiliens Lula da Silva dem Vorschlag des Bundeskanzlers wie auch dessen Bitte um Lieferung von Panzermunition für die Ukraine eine Abfuhr erteilte.

2019 hatte der Bremer Windkraftprojektierer wpd den Zuschlag für drei Windenergie-Projekte in der Region Araucaria im Süden Chiles erhalten. Der Windpark in Collipulli in der Provinz Malleco ist bereits fertiggestellt. Das bedeutet: 77 Windräder als neue Nachbarn für das Volk der indigenen Mapuche. Collipulli ist bekannt als „Rote Zone“, als Konfliktzone. Die Mapuche fordern ihre Ländereien zurück, die ihnen der Staat geraubt und an große Agrar- und Forstunternehmen verkauft hat. Die Mitbewerber von wpd hatten sich daher aus dem Bieterwettbewerb zurückgezogen, während das deutsche Unternehmen seine Chance nutzte. Die Pachtverträge wurden mit den wohlhabenden Agrarunternehmern geschlossen, die das Grundstück besitzen.

Der Wassermangel und die anhaltende Dürre in großen Teilen Argentiniens und Chiles sind das Resultat von politischer Willkür. Hintergrund ist, dass die gestörte Bewegung von Luft den Abtransport von Wärme/Energie und damit die Kühlung des Bodens behindert. Somit sinken die Aussichten auf ausreichende Niederschläge immer weiter. Wenn die Grünen aufgrund von Deutschlands kolonialer Vergangenheit tatsächlich Verantwortung übernehmen wollen, wie Außenministerin Annalena Baerbock bei der Übergabe einiger Benin-Bronzen in Nigeria erklärt hat, müssten sie den wirtschaftlichen Kolonialismus anprangern, der die Rechtlosigkeit der Indigenen zementiert. Als Konsequenz sollten die Verantwortlichen ihre Pläne aufgeben, Deutschlands Energieerzeugung teilweise in diese Länder auszulagern.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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Windkraftanlagen : Die unterschätzte Gefahr der Rotorblätter*

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Dagmar Jestrzemski*

Bei Bränden und Brüchen können krebserregende „Fiese Fasern“ freigesetzt werden –

Eine Wiederverwertung ist noch nicht möglich.

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Im Windpark Alfstedt im niedersächsischen Kreis Rotenburg/Wümme ist am 15. September der Flügel eines Windradrotors abgeknickt. Nach 14 Tagen brach er komplett ab. Die Windkraftanlage (WKA) war erst wenige Wochen zuvor in Betrieb genommen worden. Aus der großen Bruchstelle rieseln seitdem scharfkantige größere und kleine Teilchen auf die umliegenden Agrarflächen herab.

Die Anwohner sind besorgt, da sich feine Fasern des Materials laut einem Bericht der „Zevener Zeitung“ vom 28. November in der ganzen Gemeinde verteilt haben sollen. Bei der Beschädigung des Rotorblatts könnten neben scharfkantigen größeren Bruchstücken auch feinste, lungengängige Faserstäube von Carbonfasern freigesetzt worden sein, sogenannte Fiese Fasern, die über Haut und Lunge in den Organismus von Menschen und Tieren eindringen können.

Gefährlich wie Asbest

Verbundwerkstoffe von Rotorblättern aus Glasfasern (GFK), Balsaholz, Stahlelementen und bei sehr großen Flügeln auch Kohlenstofffasern (CFK) werden mit

Epoxidharzen verklebt. Darin enthalten sind giftige Stoffe wie Bisphenol A. Nachdem GFK lange als Hauptbestandteil eingesetzt wurde, verwenden die Hersteller der Anlagen wegen der Gewichtseinsparung zunehmend die mit Carbonfasern verstärkten Kunststoffe (CFK).

Die Fasern werden mit den Kunststoffen in eine Form eingebettet und durch Erwärmen ausgehärtet. Es entsteht ein strapazierfähiges, hochfestes Material, das leichter als Stahl ist. CFK gilt als Werkstoff der Zukunft und wird auch in der Luft- und Raumfahrt, im Fahrzeugbau und im Bauwesen verwendet.

Im Brandfall jedoch werden bei Temperaturen über 650 Grad Celsius mit der Asche des CFK-Kunststoffs lungengängige Fasern freigesetzt, deren Wirkung die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als ähnlich krebserregend wie Asbest einschätzt. Da brennende WKA wegen ihrer großen Höhe nicht löschbar sind, kommt es zu nicht beherrschbaren Emissionen von „Fiesen Fasern“, wobei die Wetterlage Richtung und Ausbreitung der hochgefährlichen Stäube bestimmt. 2014 warnte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistung der Bundeswehr vor lungengängigen Carbonfaserpartikeln nach Bränden.

Probleme bei Trümmerbergung

Die Regierung ignoriert diese Gefahr für Menschen, Tiere und Umwelt. Gesetzliche Vorschriften, etwa um ausreichende Mindestabstände zwischen brennenden Windrädern und Wohngebäuden festzulegen, gibt es keine. So lagen denn auch der Freiwilligen Feuerwehr Augsberg (Oberpfalz) keine Informationen über die Notwendigkeit von Schutzkleidung und Atemschutzgeräten vor, als man im Mai 2018 drei jungen Leuten, dem Nachwuchs der Feuerwehr, die Aufgabe erteilte, Trümmerteile eines abgebrochenen Rotorblatts im Windpark Illschwang aus dem angrenzenden Wald einzusammeln.

In Alfstedt war noch Ende November laut der Betreiberfirma Energiekontor in Bremen kein Baufahrzeug für die Bergung des beschädigten Rotorblatts verfügbar. Man sei aber bemüht, die Beeinträchtigungen für Grundstückseigentümer, Pächter und Anlieger sowie die Umweltbelastungen durch die Verunreinigungen schnellstmöglich zu beseitigen. Eine Firma wurde damit beauftragt, die Flächen zu untersuchen und zu säubern. Die Besitzer der anliegenden Wiesen und Felder sind jedoch davon überzeugt, dass man die feinen Fasern nie mehr von den Agrarflächen bekommt. Für die Herstellerfirma General Electric könnte der Schaden immens werden, falls ein großflächiger Austausch des Bodens nötig werden sollte.

Abrieb im Normalbetrieb

Für das Recycling der stetig zunehmenden Menge abgebauter Rotorblätter ist bisher trotz teurer Forschungen keine Lösung im industriellen Maßstab in Sicht. Rotorblätter auf Glasfaserbasis können nach einer aufwendigen Vorbehandlung in der Zementindustrie als Sekundärbrennstoff verwendet werden. Verbundstoffe mit Kohlefasern sind wesentlich problematischer. Sie zerfallen bei der Verbrennung erst bei weitaus höheren Temperaturen als denen, die in einer Müllverbrennungsanlage herrschen. Auch sind sie nicht recycelbar. Weltweit werden die Rotorflügel ausgedienter WKA überwiegend in Deponien vergraben, was nach Auskunft der Architektur-Professorin Lamia Messari-Becker oft auch in Deutschland erfolgt, sofern die Rotorblätter nicht ins Ausland verkauft werden können. Mit jedem Rotorblatt gelangen rund 29 Tonnen Kunststoff in den Boden.

Studien aus den Niederlanden zufolge werden bereits während der Nutzung der Anlagen durch Verschleiß jährlich Dutzende Kilogramm Mikroplastik als Splitter und Feinstäube Hunderte Meter hoch in die Atmosphäre gewirbelt, um teils in großer Entfernung auf den Boden oder in die Meere abzusinken. In Europa werden jährlich etwa 1,141 Millionen Tonnen Verbundmaterial produziert. Den größten Teil daran hat Deutschland mit 225.000 Tonnen.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  16. Dezember 2022, S.4; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie dem Autor Dagmar Jestrzemski  für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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Öko-Energie : „So transparent wie eine schmutzige Pfütze“

Dagmar Jestrzemski*

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Riesige Windparks auf der Insel Neufundland sollen „grünen“ Wasserstoff für Deutschland produzieren.

Doch in der Bevölkerung der kanadischen Region erhebt sich beträchtlicher Widerstand

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Bei dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit einer Delegation von Wirtschaftsvertretern vom 21. bis 23. August in Kanada stand die Energie- und Klimapolitik im Fokus. Kanada verfolgt das Ziel, einer der größten Erzeuger und Exporteure von Wasserstoff und dessen Derivaten mit Hilfe von „sauberen“ Technologien zu werden. Wenn der Energieträger Wasserstoff durch Elektrolyse mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, gilt er als nahezu CO₂-freier, „grüner“ Wasserstoff.

In die Entwicklung und Infrastruktur für Windparks und sogenannte Power-to-Gas-Anlagen investiert Kanada ab sofort Milliarden und sucht dafür ausländische „Wasserstoff-Partner“. Die Deutschen ließen sich nicht lange bitten, zumal das große Potential für die Onshore- und Offshore-Windenergie entlang der windreichen kanadischen Atlantikküste als ideale Voraussetzung für die Erzeugung von „grünem“ Strom gilt.

Nach Montreal und Toronto war das 6600-Einwohner-Städtchen Stephenville im Südwesten Neufundlands das letzte Ziel der deutschen Gäste. Der ehemalige Militärstützpunkt mit seiner günstigen Lage in der Baye St. George im Golf von St. Lorenz ist als erster Knotenpunkt (Wasserstoff-Hub) für Kanadas zukünftige Wasserstoff-Wirtschaft vorgesehen. Im Beisein von Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau unterzeichnete der Bundeskanzler eine Absichtserklärung zwischen beiden Ländern über eine Wasserstoffallianz im Umfang von zwölf Milliarden Euro.

Ab 2025 soll geliefert werden

Am Tiefwasserhafen von Stephenville soll laut Plan die erste Anlage des Landes zur Gewinnung von Wasserstoff mithilfe von regenerativ erzeugtem Strom für den Export nach Deutschland, Europa und Asien errichtet werden. Für den Transport in Tankschiffen muss der Wasserstoff entweder verflüssigt oder in ein Trägermedium wie Ammoniak umgewandelt werden. Deutschland will heimische Firmen unterstützen, damit diese den Wasserstoff importieren können. Die ersten Schiffe sollen laut Plan 2025 ablegen. Trudeau äußerte sich zufrieden über das Abkommen. Es werde in der Region Arbeitsplätze schaffen, die lokale Wirtschaft fördern und zur Produktion von sauberer Energie in Kanada beitragen.

Bislang werden in dem Land noch 95 Prozent des Wasserstoffs aus der Dampfreduzierung von Erdgas gewonnen. So entsteht der sogenannte blaue Wasserstoff. Die Medien der Provinz Neufundland und Labrador (N.L.) meldeten, dass sich das Interesse der Deutschen ausschließlich auf den teureren, grünen Wasserstoff richte, weil dabei praktisch keine Emissionen anfielen. Der Energieträger wäre dann im Sinne der nationalen Klimaziele klimaneutral.

Baubeginn schon 2023

Bei der Produktions- und Verbindungsinfrastruktur für den grünen Wasserstoff ist der Bau von drei großen Windparks an der windreichen, dünn besiedelten atlantischen Westküste Neufundlands von elementarer Bedeutung, um, so die „taz“, mit der dort erzeugten sauberen Energie „kostengünstig“ grünen Wasserstoff in einer 0,5-Gigawatt-Wasserstoffanlage zu produzieren. Die Standorte für ein Gigawatt Windstrom-Kapazität befinden sich unweit von Stephenville.

Kanadische Experten wiesen demgegenüber darauf hin, dass der kanadische grüne Wasserstoff nur ein kleiner und teurer Teil der Lösung für die europäische Energiekrise sein könne – zu teuer für den Export möglicherweise. Im April war für Neufundland und Labrador ein 15-jähriges Windkraft-Moratorium ausgelaufen. Nach offiziellen Angaben legte das Konsortium World Energy GH2 dem Umwelt- und Klimaministerium von N.L. nach Ablauf des Moratoriums seine Pläne vor, wonach an drei Standorten in der Baye St. Georges sowie in der Blow-Me-Up- und Lewis-Hills-Bergkette am Golf von St. Lorenz Windstrom für den Wasserstoff-Hub in Stephenville produziert werden soll. Baubeginn ist für Sommer 2023 vorgesehen. Die liberale Regierung der Provinz unter Premierminister Andrew Furey signalisierte freie Fahrt.

Ein gerissener Schachzug

Unter der Bezeichnung Nujio’Qonik GH2 ist in einer ersten Phase der Bau eines Windparks auf der kleinen Halbinsel Port-au-Port mit 164 Windkraftanlagen von jeweils 200 Metern Höhe vorgesehen. Die etwa 100 Kilometer lange und bis zu 45 Kilometer breite Halbinsel ist durch eine schmale Landenge mit Neufundland verbunden. Gelegen an der Südspitze der stark erodierten Kette der neufundländischen Appalachen an der Westküste der Insel ragt das dünn besiedelte Gebiet in den Golf von St. Lorenz hinein.

Laut World Energy GH2 bietet die Lokalität „exzellente Wind-Ressourcen“ mit Windgeschwindigkeiten, die einigen Offshore-Windfeldern weltweit nicht nachstünden. Ein in den regionalen Medien veröffentlichter Plan stellt dar, dass die Windräder aufgrund der geltenden Abstandsregeln von 1000 Metern zu Wohngebäuden über nahezu die gesamte Fläche der Halbinsel verteilt errichtet werden müssten.

Es war ein gerissener Schachzug der Planer, den einflussreichen Chef der Qalipu First Nation, Brendan Mitchell, bereits im März auf ihre Seite zu ziehen. Auf dessen Einverständnis deutet der Name Nujio’Qonik, was in der Mi‘kmaq-Sprache heißt „wo der Sand weht“. Ohne die Zustimmung der First Nations kann in Kanada kein größerer Eingriff in die Landschaft vorgenommen werden. Später beklagte sich ein Sprecher des Environmental Transparency Committee Port-au-Port bitter darüber, dass Chief Mitchell seinen Mitbürgern den brisanten Plan und seine Einwilligung monatelang verschwiegen habe. In einer zweiten Phase soll eine Windfarm nördlich von Stephenville entlang der Blow-Me-Up- und Lewis-Hills-Bergkette am Golf von St. Lorenz entstehen. Dort verläuft der kontinentübergreifende Wanderweg „International Appalachian Trail“ (IAT). Die Regierung von N.L. rief zu Interessenbekundungen für weitere Windparkflächen im Kronland (öffentliches Land) auf.

Bereits seit März fanden Treffen der Windkraft-Projektierer mit den Bürgermeistern einiger von dem Projekt betroffener Gemeinden statt, während die Einwohner von Port-au-Port erst am 6. Juli auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung in der Landkreisgemeinde Cape St. George erfuhren, welche einschneidenden Veränderungen für ihre Heimatregion vorgesehen sind. Dementsprechend groß war die Aufregung der Anwesenden, desgleichen ihre Empörung über die von der Regierung angesetzte kurze Entscheidungsfrist der Bürger über das Projekt von nur 14 Tagen.

Seltene Arten werden gefährdet

Entsetzt war man auch über das gewaltige Ausmaß des Windparks mit den zahlreichen neu anzulegenden Wegeverbindungen. Unter anderem wurden Sorgen wegen einer Verschmutzung des Trinkwassers geäußert. Die Bürgermeisterin Stella Cornect forderte in einem Interview mit dem Sender CBC mehr Zeit für eine ausführliche Diskussion. Ungeachtet der von Umwelt- und Klimaminister Bernard Davis zugesicherten gründlichen Umweltverträglichkeitsprüfung rechnet der bekannte kanadische Naturschützer Michael Burzynski im Falle der Umsetzung des Vorhabens mit einer weitgehenden Vernichtung der seltenen Pflanzen, die unter anderem auf dem Kalkgestein vergesellschaftet sind.

Die Windräder und Strommasten wären zudem eine ständige Gefahr für zahlreiche Tierarten, speziell für die Kolonien der auf Port-au-Port brütenden Zugvögel wie Tölpel sowie für Eulen und Fledermäuse. Die Langzeitauswirkungen auf die Habitate seien nicht abzuschätzen. Burzynski sagte, er sei irritiert darüber, dass die Provinzregierung diese einzigartigen Wildnisareale des Kronlands einigen umtriebigen Großinvestoren preisgeben wolle, die Strom in dem schützenswerten Naturerbe zur privaten Gewinnmaximierung und noch nicht einmal für das Stromnetz von Neufundland erzeugen wollen.

Direktor des Konsortiums World Energy GH2 ist John Risley, Mitbegründer von „Clearwater Seafoods“ in der Provinz Nova Scotia, des größten Meeresfrüchte- und Muschelproduzenten Nordamerikas, und CEO der familiengeführten Investmentgesellschaft CFFI Ventures Inc., die unter anderem Beteiligungen in der Fischindustrie und der Finanzdienstleistung hält. Das von CFFI verwaltete Vermögen wird auf mehr als eine Milliarde US-Dollar geschätzt. Mit dabei ist das Schifffahrtsunternehmen Horizon Maritime in St. John’s, Neufundland, das als Versorger der Offshore-Industrie für Kunden wie Equinor (Norwegen) und Exxon Mobil (USA) tätig ist. Ein anderer Investor musste sich wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft aus dem Konsortium zurückziehen, nachdem seine Freundschaft mit N.L.-Premierminister Furey bekannt geworden war.

Empörung der Menschen wächst

Das ETC Port-au-Port gab auf seiner am 1. August abgehaltenen ersten öffentlichen Versammlung eine Erklärung bekannt, in der ein sofortiger Stopp des Projekts Nujio’Qonik GH2 gefordert wird. Das Genehmigungsverfahren für den Windpark sei „so transparent wie eine schmutzige Pfütze“. Auf der für YouTube gefilmten Veranstaltung warf ein Redner der Regierung und den Windpark-Projektierern Lügen und unfaires Verhalten vor. Seine Vorwürfe: Was sei „grün“ an einem der größten Windpark-Projekte der Welt ausgerechnet in unserer kostbaren, weitgehend unberührten Landschaft? Warum sollen gerade hier die vielen Wolkenkratzer mit nächtlicher Beleuchtung errichtet werden und warum so schnell? Deutschland will kein Öl mehr aus Russland importieren? Wir können helfen und euch das Öl liefern! ETC startete eine Petition gegen den Bau des Windparks.

84 Prozent lehnen das Projekt ab

Auch der Präsident der International Appalachian Trail Association, Paul Wylezol, äußerte scharfe Kritik an der Standortwahl für die Mega-Windparks. Seine Organisation bemühe sich seit fast zehn Jahren um den Status eines UNESCO Global Geoparks für die Port-au-Port- sowie die bewaldete Blow-Me-Up- und Lewis-Hills-Region, um die einzigartige Geologie und Ökologie dieser Landschaften zu würdigen. Die Gegend sei spektakulär. Man dürfe dieses Juwel in der Krone Neufundlands nicht dafür hergeben, dass andere den Profit machen.

An Deutschland gerichtet erklärte Wylezol: „Wir verstehen die Lage, in der Deutschland sich befindet: Deutschland will unabhängig von russischem Öl werden. Wir wollen helfen – aber nicht auf unsere Kosten.“ Daraufhin drohte John Risley, das Wasserstoffprojekt werde scheitern, sollte der Bau der Windparks verhindert werden.

Sofern sich die Provinzialregierung an ihr Versprechen hält, das Votum der Bürger zu respektieren, ist das deutsch-kanadische Wasserstoffabkommen wegen des Widerstands der Einwohner gegen die damit verbundenen Windparkprojekte zum Scheitern verurteilt. Am 28. Oktober veröffentlichte ETC Port-au-Port das Ergebnis einer Abstimmung in zehn Gemeinden über den geplanten Windpark auf der Port-au-Port-Halbinsel. 84 Prozent der Einwohner, die an der Abstimmung teilnahmen, lehnten das Projekt ab.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung;  25. November 2022, S.12; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie der Autorin Dagmar Jestrzemski  für die Gestattung der ungekürzten Übernahme, wie schon bei früheren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Hervorhebungen im Text: EIKE-Redaktion.

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