Der Schiefer-Boom ist eine Pleite für die Gaskraftwerke in Europa

Bild rechts: Gaskraftwerke in Europa verlieren gegen die Kohlekraftwerke, sind diese doch gegenwärtig wettbewerbsfähiger hinsichtlich Stromerzeugung und Verbrauchspreise. Auf dem Bild rechts sieht man ein Gaskraftwerk des deutschen Energieriesen E.ON in Bayern. (Reuters)
Das norwegische Staatliche Energieunternehmen Statkraft sagte vor Kurzem, dass es ein Gaskraftwerk in Deutschland geschlossen hat, weil es mit seinen mit Kohle befeuerten Rivalen nicht mithalten konnte. Und der deutsche Energieriese  E.ON EOAN.XE +0.23% SE ließ verlauten, dass man sich ernsthaft überlege, weitere Gaskraftwerke stillzulegen, einschließlich eines hypermodernen Kraftwerkes in der Slowakei.
Andere europäische Unternehmen haben ähnliche Aktionen durchgeführt, was die Politiker vor ein Dilemma stellt – billigerer Kohlestrom könnte für die schwächelnden Ökonomien der Region eine gewisse Erleichterung bedeuten, ist aber unvereinbar mit langfristigen Zielen der Reduktion von Kohlenstoff-Emissionen und erneuerbarer Energie.
Die Stilllegungen in ganz Europa sind ein weiteres Beispiel für die weit reichenden Auswirkungen des nordamerikanischen Booms hinsichtlich der Energieversorgung. Die rasant steigenden Vorräte an Erdgas in Nordamerika, zugänglich aus Schiefergestein durch eine neue, unter dem Namen hydraulisches Brechen bekannte Technologie, haben dazu geführt, dass sich viele US-Energieerzeuger von der Kohle entfernen, was zu zunehmenden billigen Importen dieses Treibstoffs nach Europa führt.
Im Jahr 2012 stiegen die Kohleexporte nach Europa den Daten der EIA in den USA zufolge um 23% auf 66,4 Millionen Amerikanische Tonnen.
Vieles von dieser Kohle ersetzt Erdgas als Treibstoff für die Stromerzeugung in Europa. In UK beispielsweise stieg der Anteil des aus Kohle erzeugten Stromes im Jahr 2012 auf den höchsten Stand seit 17 Jahren, während Gas als Energiequelle entsprechend auf einen Tiefststand fiel.
„Die ökonomische Situation unserer Geschäfte in Europa, besonders in der konventionellen Energieerzeugung, bleibt schwierig“, sagte das E.ON-Vorstandsmitglied Johannes Teyssen.
Gaskraftwerke verlieren also gegenüber ihren mit Kohle befeuerten Rivalen, sind diese doch hinsichtlich der gegenwärtigen Energiepreise wettbewerbsfähiger. Außerdem reduziert die Ausweitung erneuerbarer Energien die Betriebsstunden von Gaskraftwerken; Wind- und Solarenergie sind in Stunden maximalen Bedarfs allgemein höher, ein Markt, den eigentlich Gaskraftwerke bedienen sollen*.
[* Im Original lautet dieser Satz: …; wind and solar energy output is generally higher at peak demand hours, a market gas plants are designed to serve.]
„Die Unternehmen kämpfen darum, Gaskraftwerke ökonomisch zu betreiben, selbst wenn es sich dabei um hypermoderne Einrichtungen handelt”, sagte der HIS-Energieanalyst Kash Burchett.
Die Kohlepreise an der europäischen Energiebörse sind während der letzten 12 Monate um fast 19% gefallen. Der Großteil von Erdgas auf dem europäischen Festland wird relativ zu Öl ausgepreist, und im ersten Quartal 2013 fiel der mittlere Preis Daten von BP zufolge um lediglich 5%.
Das hat die Dynamik des Energiemarktes verändert. Der tschechische Energieerzeuger CEZ AS BAACEZ.PR -0.70% sagte kürzlich, dass es ein neues Gaskraftwerk, dessen Inbetriebnahme für diesen Sommer geplant war, weiterhin abgeschaltet belassen werde, weil es vom ersten Tag an nicht profitabel arbeiten würde. Der Energieerzeuger SSE SSE.LN +0.06% PLC in UK sagte im März, dass man ein Gaskraftwerk schließen und die Kapazität in einem zweiten reduzieren werde. Außerdem würde man mehrere Jahre lang wegen der schlechten ökonomischen Aussichten keine neuen Gaskraftwerke bauen.
Die Schließungen von E.ON-Kraftwerken hätten sogar noch weiter gehen können, wenn sie nicht ein Abkommen mit der Netzagentur und einem Netzbetreiber in Deutschland geschlossen hätten, um zwei moderne, aber nicht profitable Gaskraftwerke am Laufen zu halten. E.ON und seine Partner hatten überlegt, diese zu schließen, aber die Netzagentur betrachtete sie als unabdingbar für die Energieversorgung in Süddeutschland.
Eurelectric zufolge, der Gesellschaft für die Energieindustrie in Europa, erzeugten die 27 Mitgliedsstaaten der EU den jüngsten verfügbaren Daten zufolge im Jahr 2010 24% ihres Stromes mit Kohle und 23% mit Gas, den Rest erbrachten Kernkraft und Erneuerbare.
Billige Kohle sind für jedes Unternehmen schlechte Nachrichten. Die RWE AG, RWE.XE +1.07%, der Kapazität nach der größte Energieerzeuger in Deutschland, der 62% seiner Energie aus Kohle erzeugt, sagte Anfang dieses Jahres, dass die Erzeugung aus Kohle und Flüssiggas im Jahr 2012 um über 16% gestiegen ist. RWE erwartet gleichbleibende Umsätze im Jahr 2013, während E.ON einen Rückgang bis zu 15% in diesem Jahr projiziert hat.
Es könnte auch noch weitere Vorteile geben. „Derzeit profitiert die Wirtschaft umfassend von billigerer Energieerzeugung“, sagte Marcus Schenck, das für Finanzen zuständige Vorstandsmitglied bei E.ON in einer Konferenzschaltung mit Reportern. Das bleibt aber nur dann so, „wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Umweltschutz nicht länger eine politische Priorität ist“.
Die EU hat sich einer Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen um 20% des Niveaus aus dem Jahr 1990 verschrieben und will bis zum Jahr 2020 20% seiner Energie durch Erneuerbare erzeugen. Ein Sprecher von EU-Energiekommissar Günther Oettinger lehnte es vorige Woche ab, zu den jüngsten Kraftwerks-Schließungen Stellung zu nehmen. Oettinger sagte im April in einem Interview, dass der Block seine Konzentration auf die Energiepolitik weiter fassen sollte als nur auf die Reduktion von Treibhausgasen, um sicherzustellen, dass Energie bezahlbar bleibt.
Industrieexperten warnen, dass die Stilllegung einer ganzen Reihe von Gaskraftwerken die Energiesicherheit des Kontinents schwächen könnte, da die ständig schwankende erneuerbare Energie wie Wind immer verbreiteter wird.

„Tatsächlich erfordert eine schwankende Kapazität irgendeine Form von Backup”, sagte Mr. Burchett von IHS Energy. Ein heraufziehendes Fehlen von Gaskraftwerken, die ideal zum Ausgleich der Schwankungen und unvorhersagbaren Änderungen wären, könnten das Problem verstärken, sagte er.
Frankreich entwickelt derzeit ein neues Marktmodell, das finanzielle Anreize für die Unternehmen bietet, Gaskraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, sagte Mr. Burchett.
Teyssen erneuerte seine Forderung nach einem neuen Marktdesign in Deutschland, um ähnliche Anreize zu bieten, obwohl die kommende Bundestagswahl im September den Prozess für Marktreformen verlangsamt hat.
In Italien, wo solche finanziellen Anreize bereits bestehen, sagte ein Sprecher von Enel SpA ENEL.MI +1.23%, dass man keine Pläne habe, eigene Kraftwerke zu schließen.
—Kjetil Malkenes Hovland in Oslo, Liam Moloney in Rom und Sean Carney in Prag haben zu diesem Artikel beigetragen.
Jan Hromadko, jan.hromadko@dowjones.com
Link: http://online.wsj.com/article/SB10001424127887323744604578470841012284404.html#
Übersetzt von Chris Frey EIKE