Wussten Sie schon, dass die Briten auf einem anderen Planeten – ohne globale Erwärmung – leben?

Mein Konsum an TV-Nachrichten in ARD und ZDF beschränkt sich aktuell auf ein Minimum. Nicht zuletzt wegen meiner Claus-Kleberitis. Jedesmal, wenn dieser so empathische Redakteur auf dem TV-Schirm erscheint, revoltiert mein Magen. Dieses Leiden hat inzwischen schon so viele weitere Zeitgenossen erfasst, dass die Krankheit heute zum Lehrbuchwissen gehört. Inzwischen wird meine Gesundheit aber auch durch die heute unvermeidbaren Klimawarnungen anlässlich der Wettervorhersage angegriffen.
Aus diesem Grund wähle ich als Belege für die bereits stattfindende Wärmekatastrophe besser die FAZ vom 6.Juni 2020, Feuilleton, S.11 mit der Überschrift „Der Philosoph der Apokalypse“ – eine hommage an Hans-Joachim Schellnhuber. In diesem FAZ-Artikel steht zu lesen „Die Überhitzung der Erde geht dramatisch weiter, der Mai war weltweit schon wieder der wärmste, der je gemessen wurde“.
Wesentlich besser ist freilich der Artikel in der Braunschweiger Zeitung (BZ), ebenfalls vom 6.Juni 2020, mit der Überschrift „Mai 2020 war so heiß wie nie“. Dort heißt es detaillierter „Dieses Jahr war der Monat Mai so heiß wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die globale Durchschnittstemperatur im Mai habe 0.63 Grad über der Mai-Durchschnittstemperatur in den Jahren 1981 bis 2020 gelegen, teilte der von der EU betriebene Copernicus-Dienst zur Überwachung des Klimawandels am Freitag mit. Damit sei der Mai 2020 noch vor Mai 2016 und Mai 2017 der heißeste Mai seit Aufzeichnungsbeginn“.
Gut, dass die EU den Klimawandel überwacht und gut, dass auch unsere Qualitätsmedien aufpassen, dachte ich mir, da können wir doch beruhigt sein. Als gefährliche Wärme fürchtender Zeitgenosse diskutierte ich aber sofort mit meiner Frau eine Wohnsitzverlegung nach Nordschweden. Doch meines ersten Schreckens wegen hatte ich leider den Rest des BZ-Artikels gar nicht zu Ende gelesen. Dort fährt nämlich die BZ wie folgt fort „Der größte Ausreißer nach oben wurde in Sibirien festgestellt: Hier lagen die Mai-Temperaturen laut Copernicus fast zehn Grad über dem Durchschnitt“ und später schließlich „Die Durchschnittstemperatur lag hier 0,7 Grad über dem Normalwert“.
Puhh Donnerwetter, 12 Grad Ausreißer und 0,7 Grad über Normalwert! Das verstanden allerdings weder ich noch meine Frau so richtig – und meine beste aller Frauen weiß immerhin alles besser. Besonders erstaunlich: Woher kennt der Copernicus-Dienst den Mai-Normalwert? Man darf zu dieser sensationellen Festlegung gratulieren, die vermutlich von den Brüsseler Kommissaren EU-gesetzlich vorgeschrieben wurde – so etwa wie bei der Bananenkrümmung. Copernicus weiß es also mit den Temperaturen, ist schließlich EU und gehört somit zum Verantwortungsbereich von Ursula v.d. Leyen. Müssen wir uns bei so viel geballter Kompetenz überhaupt noch Sorgen machen?
Auf Grund meiner Hitze-Befürchtungen machte ich dennoch etwas, was bekanntermaßen verpönt ist – vielleicht ist es sogar schon von Brüssel verboten, wer kennt schon alle EU-Gesetze? Na, egal. Ich überprüfte selbst die Angaben der BZ. Ja natürlich, ist mir schon klar, wenn das jeder macht, stürzt alles sofort ins Chaos. In der unsicheren Hoffnung, mein eigenmächtiges Überprüfen kommt nicht dem Verfassungsschutz zu Ohren, begann ich vorsichtig zu recherchieren. Beim DWD wurde ich schließlich fündig (hier). Der schreibt nüchtern am 29. Mai 2020: „Mit 11,9 Grad Celsius (°C) lag im Mai 2020 der Temperaturdurchschnitt um 0,2 Grad unter dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Verglichen mit der wärmeren Periode 1981 bis 2010 betrug die Abweichung sogar Minus 1,1 Grad.
OK, die letzten drei Mai-Tage waren zwar DWD-Prognosen, aber die können den Kohl auch nicht mehr fett machen. Ich wurde daher etwas ruhiger. Schließlich kam mir auch noch zu Ohren, dass es eine anscheinend rotzfreche TV-Meteorologin Katja Horneffer im heute-journal vom 29. Mai gewagt hatte, der redaktionellen Äußerung in Minute 22:00 „Mai ist wärmer geworden“ in Minute 33:00 mit einem „Mai ist kälter geworden“ kühl zu widersprechen. Da hatte die heute-journal-Regie offenbar nicht aufgepasst. Hoffentlich werden wir Frau Horneffer als TV-Meteorologin noch wiedersehen!
Die Information der zuständigen deutschen Wetterbehörde DWD und auch die von Frau Horneffer haben mich zwar erleichtert, ließen aber immer noch nagende Zweifel zurück. Schließlich steht auf der anderen Aussagenseite die EU, repräsentiert durch Copernicus.  Die fähigste Frau der EU, unsere Ursula v.d. Leyen – Pardon der ganzen Welt, denn die EU ist schließlich der Nabel der Welt –  sowie der Ursula zuarbeitende Copernicus können sich unmöglich irren. Schließlich macht Ursula für unser und der Menschheit Wohlergehen Hunderte von Milliarden für den Klimaschutz locker – danke liebe Ursula für diese wichtige Geldausgabe aus unseren Steuern.
Aber andererseits: Hat nicht England gerade die EU verlassen? Höchst verwerflich natürlich! Besser als in der EU mit seinen kompetentesten, offenherzigsten, sympathischsten und zudem auch noch uneigennützig-integeren Kommissaren hätten es diese britischen Ignoranten doch gar nicht treffen können. Von so vielen Billionen Euro, wie sie uns die liebe Ursula auch noch mit tatkräftiger Hilfe der klugen und als besonders integer hervorzuhebenden Frau Lagarde beschaffen wird, können diese verantwortungslosen Austritts-Briten nur träumen. Allein schon dieser Struwwelboris-Johnson, brrr, der kommt doch gleich nach dem noch schlimmeren Donald Trump. Da haben wir mit Draghi und weiteren Ehrenleuten doch ganz andere Goldstücke an der EU-Spitze.
Dann machten sich aber doch noch einmal die ungehobelten widerspenstigen Briten in meinen wirren Gedanken breit, liebe Ursula und liebe EU-Kommissare verzeiht mir diese Charakterschwäche! Mir war schon klar, eigenes Nachdenken ist strafbar – falsche Haltung, falsche Gesinnung, vielleicht rechtes Gedankengut – igitt – und so weiter und so fort. Aber plötzlich blitzte ein „Moment mal“ auf. Hatten die Briten nicht eine lückenlose gutgepflegte Thermometerreihe, die bis ins Jahr 1659 zurückreicht? Ja natürlich, klar, die mittelenglische Reihe CET (Central England Temperatures). Schwupps gegoogelt, hier gefunden, in einen Text-Editor kopiert, dort die Dezimalpunkte automatisch in Kommas umwandeln lassen (die deutsche EXCEL-Ländereinstellung mag nur Kommas als Dezimaltrennzeichen) und dann die Temperaturwerte des Mai sortiert – war eine chose von wenigen Minuten. Hier das Sortierergebnis ab dem Jahr 2020:

Tabelle: Mai -Temperaturen der CET, sortiert nach Temperaturen – von oben kalt in Richtung nach unten warm. Das Jahr 2020 steht an achtundvierzigster Stelle der höchsten Temperaturen aller 362 Monate Mai des Gesamtzeitraums von 1659 bis 2020. Erstellt von H.-J. Lüdecke, Datenquelle (hier)
und nun noch der Übersicht halber die gesamte Mai-Temperaturreihe der CET.

Grafik: alle Mai-Temperaturen der CET seit 1659 bis 2020, Bilderstellung H.-J. Lüdecke nach den Daten (hier).
An dieser Stelle nun überwältigte mich doch meine unverzeihliche Sünde gegen die reine Lehre der gefährlichen globalen Erwärmung. Ich beschloss ab nun Reue und Buße. Aber weil ich bis jetzt in dieser CET-Mai-Reihe nun einmal beim besten Willen keine drohende globale Erhitzung erkennen kann, bin ich nicht wenigstens mehr zu beunruhigen. Sogar Zweifel an der Klimarettung durch unsere in Klimakompetenz unerreichbare Kanzlerin Angela – Nomen est Omen die Engelsgleiche – begannen an mir zu nagen. Zum Glück fiel mir endlich die erlösende Aufklärung des Rätsels wie Schuppen von den Augen:
Die Briten leben auf einem anderen Planeten – einem ohne Global Warming“.
Dass darauf noch niemand gekommen ist, unglaublich! Deswegen sind die Briten also aus der EU ausgetreten.  Sie wollen nicht in der EU- und Global-Hitze umkommen. Wer sich daher vor globaler Erwärmung fürchtet  – nichts wie hin nach Mittelengland, dort gibt es sie nicht. Sie glauben mir nicht? Na, dann überzeugen Sie sich doch selbst an Hand der CET-Reihe – oben ist beschrieben, wie man es macht. Zugegeben, es ist illegal – nachdenken verboten und so. Dafür dauert es aber auch nur ein paar Minuten und weh tut Nachdenken eigentlich nicht.




Was lässt die Temperaturen in Europa zappeln? Die Entschlüsselung der natürlichen Klimavariabilität

Das Klima in Europa hat sich in den letzten 150 Jahren um anderthalb Grad erwärmt, daran herrscht kein Zweifel. Allerdings verlief dieser Temperaturanstieg nicht geradlinig, sondern ist durch ein hohes Maß an natürlicher Klimavariabilität geprägt, wobei einige Jahre und Jahrzehnte ungewöhnlich warm oder kalt ausfielen. Es ist seit längerem bekannt, dass atlantische Klimazyklen das Klima in Europa maßgeblich beeinflussen. So werden die Sommertemperaturen vom 60-jährigen Zyklus der Atlantischen Multidekaden Oszillation (AMO) gesteuert. Die Wintertemperaturen sind hingegen eng an die Nordatlantische Oszillation (NAO) gekoppelt, die etwas unregelmäßiger pulsiert. Je besser wir diese Zusammenhänge verstehen, umso exakter kann die zukünftige Temperaturentwicklung Europas in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vorhergesagt werden. Entsprechende Mittelfristprognosen besitzen eine große wirtschaftliche Bedeutung, zum Beispiel für die Landwirtschaft und den Tourismus.
Eine vierköpfige Forschergruppe um Horst-Joachim Lüdecke hat sich nun auf die Suche begeben und die historischen Temperaturdaten von 39 europäischen Ländern nach Mustern natürlicher Einflussfaktoren durchforstet. Lüdecke erläutert die Vorgehensweise:
Mit Hilfe eines mathematischen Korrelationsverfahrens haben wir die monatlichen Temperaturdaten der letzten 115 Jahre auf Übereinstimmungen mit der AMO, NAO und Schwankungen der Sonnenaktivität hin überprüft. Dabei konnten wir den Einfluss der atlantischen Zyklen auf die europäischen Temperaturen im Jahresverlauf erstmals zeitlich und räumlich genau auskartieren.
Die Ergebnisse der Untersuchung erschienen jetzt im Journal of Atmospheric and Solar–Terrestrial Physics (Elsevier). Der Einfluss der AMO auf die europäischen Temperaturen beginnt typischerweise im Frühlingsmonat April und konzentriert sich zunächst vor allem auf den westlichen Teil Europas. Nach einer Pause im Mai erweitert sich der Bereich der AMO-Steuerung auf das gesamte südliche Europa. Im Juli und August sind AMO-Effekte vor allem in der Temperaturentwicklung im östlichen Europa zu verzeichnen. Auch in den Folgemonaten September bis November verschiebt sich die AMO-Einflusszone weiter über den Kontinent, erst westwärts, dann nordwärts. Zwischen Dezember und März spielt die AMO keine bedeutende Rolle für die Temperaturen in Europa.
Der winterliche Einfluss der NAO beginnt im Dezember und ist zunächst auf West- und Mitteleuropa konzentriert. Im Januar intensiviert sich der Einfluss und greift auf Skandinavien über. Der Höhepunkt des Phänomens wird im Februar erreicht, wenn die Temperaturen in fast ganz Europa durch die NAO kontrolliert werden, mit Ausnahme des Balkans. Im März und April schwächt der Zusammenhang langsam ab und setzt zwischen Mai und November vollständig aus.
Ganz besonders haben sich Lüdecke und seine Kollegen für den in der Fachwelt kontrovers diskutierten Einfluss von Aktivitätsschwankungen der Sonne auf die europäische Temperaturentwicklung interessiert. Richard Cina, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, skizziert die Ausgangslage:
Als ich die Literatur durchkämmte war ich überrascht, dass zahlreiche Studien einen maßgeblichen Einfluss solarer Schwankungen auf die historische Temperaturentwicklung in Europa beschrieben. Das überraschte mich, denn bislang können die in den aktuellen Klimamodellen berücksichtigten physikalischen Prozesse dieses Phänomen nicht abbilden. Irgend etwas scheint in unserem Verständnis noch zu fehlen.
Gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus – der ein gängiges Maß für die schwankende Sonnenaktivität darstellt – und den Temperaturen in Europa? In den meisten Monaten des Jahres war dies nicht der Fall. Allerdings fand das Forscherquartett vier Monate, in denen die Sonne die Temperaturen zumindest regional maßgeblich mitgesteuert hat. So folgten zum Beispiel die Februar-Temperaturen in Portugal und die September-Temperaturen in Großbritannien über jeweils ein halbes Jahrhundert ziemlich genau dem Sonnenfleckenzyklus. Sebastian Lüning, Co-Autor der Studie, erläutert:
Streckenweise finden wir einen faszinierenden Gleichlauf zwischen Sonne und Klima. Allerdings ist dieser direkte und einfach zu erkennende Einfluss auf wenige Monate im Jahr, auf wenige Regionen Europas und auf bis zu fünf aufeinanderfolgende Jahrzehnte beschränkt. Wir sehen sozusagen nur die Spitze des Eisberges.
Der Hauptantrieb der europäischen Temperaturen sind die atlantischen Zyklen. Aber auch AMO und NAO werden durch Schwankungen der Sonnenaktivität beeinflusst, und zwar in komplexer, nicht-linearer Weise. Dies konnten zahlreiche Publikationen anderer Autoren in der Vergangenheit zeigen. Mitautor Hans-Joachim Dammschneider vom Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften in der Schweiz erklärt:
Der viel diskutierte Einfluss der Sonne auf das Klimageschehen existiert, ist jedoch wohl komplizierter als angenommen. Schwankungen der solaren Aktivität wirken sich zunächst auf die atlantischen Klimazyklen aus. Das Sonnensignal nimmt sozusagen einen Umweg, bevor es sich zeitlich und räumlich verzerrt auf das Klimageschehen auswirkt.“
Sobald die verflochtenen Zusammenhänge vollständig verstanden sind, können sie auch als physikalische Prozesse in die Klimamodelle eingebaut werden. Dies würde verbesserte Mittelfristprognosen für das Klima ermöglichen, die sowohl die anthropogenen als auch die natürlichen Komponenten in realistischer Weise berücksichtigen. Eine positive NAO hat in den letzten Jahren warme Winter in Mitteleuropa hervorgebracht. Sollte die NAO in den kommenden Jahren wieder negativ werden, so sind auch wieder kalte Winter möglich. Die warmen Sommer in Mitteleuropa der letzten Jahrzehnte sind neben der langfristigen Klimaerwärmung auch einer positiven AMO geschuldet. Da sich die 30-jährige Warmphase der AMO seit ihrem Beginn in den 1990er Jahren nun allmählich dem Ende zuneigt, ist damit zu rechnen, dass die Sommer in den kommenden Jahrzehnten tendenziell wieder kühler werden könnten. Hierbei handelt es sich wohlgemerkt um regionale europäische Trends, die es nicht mit der globalen Durchschnittsentwicklung zu verwechseln gilt.
Originalpublikation:
H.-J. Lüdecke, R. Cina, H.-J. Dammschneider, S. Lüning (2020): Decadal and multidecadal natural variability in European temperature. J. Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, doi: 10.1016/j.jastp.2020.105294
Das pdf des Artikels sowie das umfangreiche Supplement (Appendix A. Supplementary data) können bis zum 4. Juli 2020 kostenlos unter der folgenden URL abgerufen werden: https://authors.elsevier.com/a/1b46h4sIlkq6yx
 
Ansprechpartner:
Prof. emer. Dr. Horst-Joachim Lüdecke
Hochschule HTW des Saarlandes, EIKE-Pressesprecher
moluedecke@t-online.de
 
Dr. Hans-Joachim Dammschneider
Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK), dr.dammschneider@ifhgk.org
 
Dr. habil. Sebastian Lüning
Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK), luening@ifhgk.org
 
Über das IFHGK:
Das in der Schweiz beheimatete Institut für Hydrographie, Geoökologie und Klimawissenschaften (IFHGK, www.ifhgk.org) hat seinen Schwerpunkt auf der Erforschung der Klimavariabilität. Die Berücksichtigung natürlicher Klimafaktoren und ihrer Wirkungsweise bildet die Grundlage für die korrekte Attribution klimatischer Änderungen im Zusammenspiel von anthropogenen und natürlichen Anteilen des Klimawandels. Das 2016 gegründete Institut ist dezentral organisiert und im Vergleich zu anderen Forschungseinrichtungen klein, jedoch konnte es in den letzten Jahren zahlreiche wichtige Veröffentlichungen zum Verständnis der natürlichen Klimafaktoren und Paläoklimatologie beisteuern. Unter den Publikationen befinden sich beispielsweise Analysen zur Mittelalterlichen Wärmeperiode im Mittelmeergebiet sowie in der Antarktis, doi: 10.1029/2019PA003734 und doi: 10.1016/j.palaeo.2019.109251.




Triplik auf den Beitrag von Peter Nahamowitz vom 07.05.2020

Zu 1.
Einigen Lesern, möglicherweise auch Herrn Nahamowitz, ist der zentrale Begriff bei der rechtlichen Beurteilung der Corona-Maßnahmen offenbar immer noch nicht hinreichend klar: „Beurteilungsspielraum“. Das bedeutet, dass die Regierenden mehrere rechtlich zulässige Möglichkeiten hatten, um auf die Situation im März 2020 zu reagieren. Es ist nicht so, dass es nur eine einzige Möglichkeit gab, darauf zu reagieren, wie es einige Autoren uns weismachen wollen. Es versteht sich außerdem von selbst, dass die Regierenden am 23.03.2020 nicht die Kenntnis haben konnten, die sie heute haben. Es ist daher völlig langweilig und irrelevant, wenn hier irgendwelche Autoren oder Kommentatoren die Fehlerhaftigkeit der Angaben des RKI nachweisen wollen mit Daten, die erst nach dem 23.03.2020 bekannt wurden. Das ist juristisch völlig belanglos. Es geht bei der juristischen Beurteilung der Maßnahmen nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern um „vertretbar“ oder „nicht vertretbar“.
Nahamowitz führt zwar in seiner Duplik die französische Studie „SARS-CoV-2: fear versus data“ vom 19.03.2020 als Argument dafür ins Feld, dass die Erstanordnung der Corona-Maßnahmen unverhältnismäßig gewesen sei. Ob diese Studie wirklich viel taugt, kann ich als Jurist nicht beurteilen (sehr kritisch zu dieser Studie beispielsweise die Anmerkung von U. Langer als Kommentar auf den Nahamowitz-Beitrag).
Nahamowitz schreibt dann u.a.: „Es gehört zu den essentiellen Aufgaben eines auf Epidemien spezialisierten Instituts wie des Robert Koch Instituts (RKI), die einschlägige internationale Fachliteratur im Blick zu haben, gerade im Vorfeld eines für das Land so bedeutsamen Regierungsbeschlusses“.
Dieser Satz ist zwar richtig, geht aber juristisch wieder völlig am Thema vorbei. Vielleicht musste das RKI die einschlägige internationale Fachliteratur zu dem Virus und zur möglichen Pandemie „im Blick“ haben, aber nicht die Bundesregierung und die Landesregierungen. Die Regierungen waren und sind auf diesem Gebiet Laien. Juristisch konnte man daher von ihnen nur verlangen, dass sie Experten bzw. die entsprechende Behörde – und das war das RKI – um Rat fragten und entsprechend den Ratschlägen handelten. Nahamowitz hat den Beweis dafür weder angetreten noch geführt, dass eine angebliche Fehlerhaftigkeit der Angaben des RKI schon in den Märztagen vor dem 23.03.2020 für einen Laien oder für die Regierenden offensichtlich erkennbar war. Es bleibt daher bei der juristischen Bewertung, dass die Befragung des RKI durch Bundes- und Landesregierungen kein Rechtsfehler war und dass sich dieses Verhalten im Beurteilungsspielraum der Regierenden bewegte und zwar selbst dann, wenn sich die Einschätzung des RKI nachträglich als unzutreffend herausstellen sollte.
Zu 2.
Nahamowitz schreibt, dass das „Fabulieren“ von einer zweiten oder dritten Infektionswelle durch das RKI reine Angstmache sei. „Seit hundert Jahren“ habe es in Deutschland keine Infektionswelle gegeben, welche nach dem Abklingen noch einmal angeschwollen wäre. Dieser Satz von Nahamowitz ist die reinste Halbwahrheit. Zwar ist es richtig, dass ein solches Phänomen in den letzten hundert Jahren in Deutschland nicht beobachtet wurde. Aber vor genau 102 Jahren litt Deutschland just unter einer solchen Epidemie, die in drei Wellen auftrat. Gemeint ist die spanische Grippe, die in den drei Wellen 1918, 1919 und 1920 auftrat und an der im Deutschen Reich etwa 300.000 Menschen starben. Es ist daher schon reichlich irreführend, wenn Nahamowitz in Kenntnis der spanischen Grippe davon spricht, dass in den letzten „hundert Jahren“ ein solches Phänomen nicht mehr aufgetreten sei.
Im März 2020 konnte außerdem kein Mensch eine Garantie dafür abgeben, wie sich das Corona-Virus entwickeln, wie gefährlich es sein und wie viele Tote es fordern würde. Insbesondere konnte niemand mit Sicherheit ausschließen, dass es eine zweite oder dritte Welle geben würde. Im Übrigen geht nicht nur das RKI, sondern auch der Ärztepräsident Montgomery sogar noch aktuell davon aus, dass es eine zweite Welle geben wird. Die Argumentation von Nahamowitz trifft somit einfach nicht zu.
Zu 3.
Ob die Risikoanalyse der Bundesregierung von 2013 völlig überzogen war, weiß ich nicht. Immerhin haben sich wesentliche Teile des damaligen Szenarios, dass nämlich in Fernost auf einem Wildtiermarkt das Virus auf einen Menschen überspringt und sich dann pandemisch ausbreitet, auch in Deutschland, als richtig herausgestellt. Wenn es dann durch Zufall ein Virus gewesen wäre, das gefährlicher als das Corona-Virus gewesen wäre, hätten wir vielleicht auch derart drastische Zahlen an Erkrankten und Toten bekommen. Jedenfalls war nicht von vornherein erkennbar, dass es sich bei den Ergebnissen dieser Risikoanalyse um völligen Unsinn gehandelt hätte. Es war daher frei von Rechtsfehlern, wenn die Regierungen diese Risikoanalyse bei ihren Überlegungen im März 2020 berücksichtigten. Im Übrigen kann ich keinerlei sachlichen Zusammenhang zwischen der Risikoanalyse der Bundesregierung über eine Virus-Pandemie aus dem Jahr 2013 und der Risikoanalyse des Weltklimarates IPCC bezüglich des Klimawandels erkennen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Zu 4.
Hier vergleicht Nahamowitz „Äpfel mit Birnen“. Was hat das Pariser Klimaschutzabkommen mit der Corona-Pandemie zu tun? Eigentlich gar nichts. Im Übrigen gibt es zwischen der Corona-Pandemie und der angeblichen Klimakatastrophe sehr große Unterschiede.
Beim Klima sprechen nach jahrzehntelanger Forschung gute Gründe dafür, dass das, was 190 Länder (oder wie viel auch immer) im Pariser Abkommen für notwendig hielten, falsch und überflüssig war.
Bei Corona hingegen gab es keine langjährige Forschung und es musste auf der Grundlage von unzureichenden Informationen schnell gehandelt werden, da sich das Virus, anfangs auch in Deutschland, exponentiell ausbreitete.
Den umgekehrten Fall, wie er auch hätte eintreten können, lässt Nahamowitz völlig unberücksichtigt. Hier muss man hypothetisch denken können. Angenommen es wäre tatsächlich ein Virus gekommen, welches Zehntausende oder Hunderttausende von Menschenleben in Deutschland gefordert hätte. Hätte dann irgendjemand noch Verständnis für die Bundes- oder Landesregierungen gehabt, wenn diese im Hinblick auf eine einzige Studie aus Frankreich, die erst wenige Tage zuvor am 19.03.2020 erschienen war, nichts unternommen hätten, obwohl das RKI deutlich warnte und obwohl beinahe alle Staaten der westlichen Welt strenge Maßnahmen ergriffen? Selbstverständlich nicht. Selbstverständlich hätte man dann den Regierungen – und zwar zu Recht – vorgeworfen, dass sie keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hätten, um Leben und Gesundheit der Bürger zu schützen.
Zu 5.
Die Behauptung von Nahamowitz, es habe eine Reduzierung der Einschätzungsprärogative auf Null gegeben, war bereits in seinem ursprünglichen Beitrag falsch und wird durch die bloße Wiederholung nicht richtiger. Angesichts der unklaren Lage im März 2020 und angesichts der unzureichenden Informationen hatten die Regierungen einen erheblichen Beurteilungsspielraum, was Nahamowitz einfach nicht zur Kenntnis nehmen will. In dem Wort Beurteilungsspielraum steckt bereits per definitionem, dass es mehr als eine vertretbare (nicht unbedingt endgültig richtige) Entscheidung gibt und dass eine redlich getroffene Entscheidung nicht allein deshalb später rechtswidrig oder verfassungswidrig wird, weil im Nachhinein bessere Informationen bekannt werden. Wie ich in meinen Beiträgen bereits geschrieben hatte, kann niemand von einem Bundeskanzler oder einem Ministerpräsidenten Hellseherei verlangen. Genau das müssten sie aber können, wenn sie bereits im Vorhinein immer die angeblich einzige richtige Entscheidung treffen müssten, die auch allen späteren Erkenntnissen gerecht wird.
Zu 6.
Nahamowitz erwähnt eine Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG. Dieser Hinweis vermag die Unzulänglichkeit seines ursprünglichen Beitrags nicht mehr zu ändern. Im Übrigen ist dieser Hinweis auch rein theoretischer Natur und im praktischen Ergebnis falsch.
Nahamowitz hatte in seinem ursprünglichen Beitrag lediglich auf die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde hingewiesen, ohne mit einem einzigen Wort den Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) und die praktischen Probleme bei der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zu erwähnen. Wenn ein Jurastudent im 2. Semester in einer Klausur dermaßen über eine Verfassungsbeschwerde schreiben würde, ohne auch nur mit einem Wort den Grundsatz der Subsidiarität anzusprechen, bekäme er dafür – zu Recht – ein „Mangelhaft“ (vgl. auch die zutreffende Kritik von Dr. jur Fritz Göhring). Die entsprechende Erörterung von Nahamowitz war somit unzureichend und wird durch den jetzigen Hinweis nicht gerettet.
Der Hinweis auf § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG ist im übrigen auch rein theoretischer Natur und verrät die Unkenntnis von Nahamowitz über die praktische Handhabung der Dinge beim Bundesverfassungsgericht. Mir ist kein Fall in den letzten 20 Jahren bekannt, in denen das Bundesverfassungsgericht ohne Erschöpfung des Rechtsweges nach § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen hätte. Selbst wenn ein solcher Fall noch gefunden werden sollte: Es würde sich um die absolute Ausnahme handeln. Sogar bei der Verfassungsbeschwerde von Rechtsanwältin Beate Bahner gegen die Corona-Maßnahmen hielt das Bundesverfassungsgericht eisern am Subsidiaritätsgrundsatz fest, obwohl gerade dieser Fall sicherlich die Voraussetzung gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG erfüllte und von grundsätzlicher Bedeutung war. Der bloße Hinweis auf die Möglichkeit einer Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG ist daher weltfremd, irreführend und gibt dem juristisch interessierten Laien „Steine statt Brot“.
Zu 7.
Wenn Nahamowitz von „universitärer Praxis“ schreibt, ist das schon lustig. Denn die Universität ist gerade kein Ort der juristischen Praxis, sondern die Stätte, an der die reine Lehre und die hehre Theorie vermittelt werden. Die Praxis findet hingegen an der juristischen „Front“ statt, wo mit Worten und Argumenten gegeneinander gekämpft wird, also vor Gericht und zwischen Anwälten, die die Interessen ihrer Mandanten wahrnehmen. Die Tatsache, dass es sich dabei in der Sache um einen Kampf handelt, merkt die unterlegene Partei spätestens dann, wenn sie den gesamten Prozess einschließlich der Gerichtskosten und der Kosten des gegnerischen Anwalts bezahlen darf. Der Zivilprozess heißt übrigens bis auf den heutigen Tag ganz offiziell „Rechtsstreit“ und die Verwaltungsgerichtsordnung spricht in § 40 VwGO von „öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten“. Und ein verurteilter Angeklagter spürt das Ergebnis eines Strafprozesses sogar hautnah am eigenen Leib, wenn er ins Gefängnis wandert.
Wenn Nahamowitz das nicht weiß oder es vergessen hat, sollte er, wie jeder Rechtsreferendar, ein paar Monate bei einem Zivilrichter, bei einem Strafrichter und bei einem Verwaltungsrichter hospitieren. Das bedeutet Praxis.
Soweit Nahamowitz schreibt, dass er seinen Artikel nicht für den Recht suchenden Bürger geschrieben habe, ist das für einen Juristen der Offenbarungseid. Es entspricht etwa dem alten Mediziner-Motto: Operation gelungen, Patient tot. Abgesehen davon, dass sein Zitat unvollständig ist (Ich hatte in meiner Replik geschrieben: „Eine solche Darstellung der Rechtslage, wie sie durch Nahamowitz erfolgt, hilft dem nach Recht suchenden Bürger nicht weiter und gaukelt ihm eine Erfolgsaussicht vor, die in Wahrheit nicht besteht“), gibt Nahamowitz damit selbst zu, dass er gar nicht weiß, ob seine Argumentation vor Gericht Bestand hätte. Die meisten Laien lesen aber einen juristischen Text nicht, um sich an rechtsphilosophischen Betrachtungen zu ergötzen, die weltfremd sind und mit der praktischen Rechtsanwendung nichts zu tun haben. Vielmehr lesen die meisten Laien einen juristischen Text, um eine realistische Einschätzung der Rechtslage zu erhalten und um die etwaigen Chancen im Streitfalle abwägen zu können.
Fazit:
Es bleibt dabei, dass die erstmalige Anordnung der Corona-Maßnahmen für die Zeit vom 23. März bis 19. April ganz überwiegend verhältnismäßig im juristischen Sinne war und sehr wahrscheinlich von keinem Gericht in Deutschland für verfassungswidrig erklärt werden wird. Anders sieht es für die Zeit nach dem 19. April aus, wie ich bereits geschrieben hatte.
Im Übrigen: Wenn Nahamowitz sich seiner Sache juristisch so sicher ist, dass angeblich schon die erstmalige Anordnung der Corona-Maßnahmen ab 23. März verfassungswidrig war, dann soll er doch klagen und Verfassungsbeschwerde erheben. Aber das traut er sich offenbar nicht.
 




Sind alle „Verschwörungs­theorien“ Spinne­reien?

Wikipedia schreibt über Verschwörungstheorien — Zitatbeginn — „Als Verschwörungstheorie wird im weitesten Sinne der Versuch bezeichnet, einen Zustand, ein Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken einer meist kleinen Gruppe von Akteuren zu einem meist illegalen oder illegitimen Zweck. Das Wort wird zum Teil sachlich-analytisch verwendet, zum Teil abwertend oder als Kampfbegriff. In der Forschungsliteratur werden häufig Verschwörungshypothesen, die rationale, überprüfbare und falsifizierbare Aussagen über angenommene Verschwörungen machen, von Verschwörungsideologien unterschieden, die ihre stereotypenund monokaualen Vorstellungen über Verschwörungen gegen kritische Revision immunisieren. Der Begriff Verschwörungstheorie wird zumeist mit Verschwörungsideologie gleichgesetzt und daher kritisch oder abwertend verwendet.“ — Zitatende –.
Musterbeispiel für sachlich tatsächlich unzutreffende Verschwörungstheorien sind die unausrottbaren antisemitischen Verschwörungstheorien in der Zeit der National Sozialisten und auch heute noch in Teilen der islamischen Welt. Ein zweites Beispiel, welches sogar in die Weltliteratur einging, waren die überaus erfolgreichen Pamphlete und Schmähschriften gegen Marie Antoinette, verheiratet mit Louis XVI, die von der französischen Revolution auf dem Schafott hingerichtet wurde. Die moderne Geschichtsforschung hat alle Verschwörungsvorwürfe gegen Marie Antoinette als falsch entlarvt. Insbesondere der ihr zugeschriebene, berühmt gewordene Spruch, nachdem sie erfuhr, die Leute hätten kein Brot mehr „dann sollen sie eben Kuchen essen“, ist historisch nicht nachweisbar.
Eine hübsche Liste von Verschwörungstheorien, die tatsächlich Unfug ohne sachlichen Hintergrund waren, findet sich hier. Zweifellos das Hauptproblem von Verschwörungstheorien – ob nun am Ende falsch oder wahr – ist ihr ideologischer, politischer oder wirtschaftlicher Missbrauch.
Ganz so einfach ist aber die Angelegenheit der Verschwörungstheorien leider nicht. Es gibt erstaunlich viele Aussagen, die als Verschwörungstheorien verunglimpft wurden und sich im Nachhinein als wahr herausstellten. Interessanterweise hat dies in den meisten Fällen nichts genützt, die angebliche Verschwörungstheorie und nicht die Wahrheit hat in diesen Fällen die Zeiten überlebt (s. das Beispiel Marie Antoinette). Der Tagesanzeiger hat beispielsweise 2014 hier eine erste kleine Kostprobe von Verschwörungstheorien geboten, die sich dennoch als wahr erwiesen.
Vielleicht wirkt daher ein Blick auf folgende 14 weitere Verschwörungstheorien ernüchternd – die Liste lässt sich bei fleißiger Recherche sicher noch endlos fortsetzen -, welche sich alle als korrekt oder zumindest als nahezu korrekt herausstellten. Die folgenden ersten 10 Verschwörungstheorien , alle sachlich bestätigt, nennt Michael Klonovsky (hier sein Beitrag). Wir haben sie um vier weitere „Verschwörungsfundstücke“ erweitert, wobei wir insbesondere bei Nr. 14 den zähen Prozess ihrer Validierung zur Zeit mitverfolgen dürfen und sogar bei der Aufklärung mithelfen:
1) Die DDR unterstützte den RAF-Terror.
2) Die STASI hat Brandt 1972 mit Stimmenkauf beim Misstrauensvortum gerettet.
3) Die DDR hat alle wichtigen Telefone abgehört.
4) Von Bad Aibling aus wird die Telekommunikation im Nahen Osten abgehört.
5) Die US-Regierung kontrolliert den Internet-Verkehr zwischen Europa und Amerika.
6) Der US-Geheimdienst hört(e) bei Angela Merkels Handy-Gesprächen mit.
7) Die deutschen Kanzler mussten bei Amtsantritt die „Kanzlerakte“ signieren. Brandt weigerte sich. Zunächst.
8) Der „Hockey-Stick“ von Klimaforscher Michael Mann et al. aus dem 3. Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) ist eine Fälschung.

9) Ex-MdB Johannes Kahrs (SPD) hat sein  Staatsexamen „machen“ lassen.
10) Die Hessen-CDU finanzierte sich teilweise über Schwarzgeld aus der Schweiz.

Soweit Michael Klonovsky, nun noch 4 weitere eigene Fundstücke
11)  Die USA verwendet wie Russland seit Jahren Bots, um ihre Ansichten zu verbreiten (Bot, englisch Roboter, ist ein automatisches Computerprogramm, ohne auf Interaktion mit einem menschlichen Benutzer angewiesen zu sein.
12) Auch demokratische Staaten überwachen ihre Bürger unter Verletzung der demokratischen Regeln (s. Edward Snowden, der den NSA-Skandal aufdeckte).
13) Die bereits 2000 erfolgte Vorhersage, der globale Immobilienmarkt würde zusammenbrechen.
14) Das menschgemachte CO2 hat überhaupt keine maßgebenden oder gar gefährlichen Auswirkungen auf das Klima.
Die aktuelle Corona-Krise bietet den wohl besten Lackmustest für den Umgang mit Verschwörungstheorien, denn diese Krise steht unter so scharfer nationaler und internationaler Beobachtung, dass Faktenfälschungen nach dem Vorliegen aller relevanter Daten sehr schwer sein dürften. Die von (meist linken) Medien und der Bundesregierung erhobenen Klagen beziehen sich im Wesentlichen auf vermutete Verschwörungstheorien, welche die bislang ergriffenen Maßnahmen für übertrieben halten und oft andere Motive als die Gesundheit der Bevölkerung unterstellen.
In diesem Fall wird das Zurückhalten der Wahrheit sogar fast unmöglich, weil ein zwar fachlich zuständiger, aber formal unauthorisierter Whistleblower aus dem Innenministerium eine sachlich begründete Schadensanalyse erstellte (hier, hier, hier), die als ein Schlag ins Gesicht für die politisch Verantwortlichen der bisherigen Maßnahmen angesehen werden darf – wohlgemerkt falls die Vorwürfe des Whistleblowers sachlich zutreffen sollten.
 
 




Replik auf Peter Nahamowitz: Der Wunsch als Vater des Gedankens

Der Beitrag ist in naturwissenschaftlicher Hinsicht vernünftig begründet und plausibel. In rechtlicher Hinsicht ist er aber leider unzureichend, was den juristisch gebildeten Leser verärgert, zumal Nahamowitz einen Titel als ehemaliger Professor führt.

  1. Nahamowitz kritisiert, dass die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten bei der erstmaligen Anordnung der Corona-Maßnahmen am 23.03.2020 keine ausreichende Lageanalyse vorgenommen, sondern dem Robert-Koch-Institut vertraut hätten. Diese Kritik ist oberflächlich und unsachlich. Wem hätten die Bundesregierung – und die Landesregierungen – denn am Anfang der Krise im März 2020 sonst vertrauen sollen? Das Robert-Koch-Institut war von 1952 bis 1994 der wesentliche Kern des Bundesgesundheitsamtes. Auch heute ist es noch eine selbständige Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten. Die Regierenden in Bund und Ländern waren und sind im Hinblick auf Seuchen und Pandemien Laien. Sie mussten also zwangsläufig Sachverständige und Experten zu Rate ziehen. Darin lag kein Rechtsfehler, völlig unabhängig davon, was das RKI zu dem Corona-Virus im Einzelnen inhaltlich erklärte. Selbst wenn sich die dortige Einschätzung später in Teilen als fehlerhaft herausstellen sollte, handelte es sich um ein sachverständiges Institut, welches mit Experten besetzt war und welches auf die Frage von Infektionskrankheiten spezialisiert war. Es war daher rechtlich nicht zu beanstanden, ein solches Institut nach seiner Meinung zu befragen. Im Übrigen versteht es sich von selbst, dass der Bund und die Länder am 23. März noch nicht die Erkenntnisse hatten, die sie heute haben.

Nahamowitz lässt in diesem Rahmen auch völlig unerwähnt, dass es seit 2013 eine Risikoanalyse gab, die anfangs der Krise berechtigten Anlass zu großer Sorge gab. In der Drucksache des Deutschen Bundestages 17/12051 wurde der Bericht vom 03.01.2013 über eine Risikoanalyse „im Bevölkerungsschutz“ 2012 vorgestellt. Neben einer Gefahr durch extremes Schmelzhochwasser der Mittelgebirge wurde das Risiko durch eine Pandemie mit dem Virus Modi SARS analysiert. Wenn man sich das damals entworfene Szenario anschaut, hatten die Analysten geradezu hellseherische Fähigkeiten, dass nämlich ein Corona-Virus aus Fernost nach Deutschland und Europa kommt und sich hier pandemisch ausbreitet. Die Risikoanalyse kam zum Ergebnis (Anhang 4, Seite 64), dass in einer ersten Erkrankungswelle 29 Millionen Menschen in Deutschland daran erkranken, in einer zweiten Welle 23 Millionen und in einer dritten Welle 26 Millionen. Außerdem ging die Analyse davon aus, dass in Deutschland innerhalb von drei Jahren 7,5 Millionen Menschen an dem Virus sterben würden!
Hätten die Bundesregierung und die Landesregierungen also nach Auffassung von Nahamowitz in Kenntnis dieser Risikoanalyse bei Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 die Hände in den Schoß legen und seelenruhig dabei zuschauen sollen, wie eine unbestimmte Vielzahl von Menschen, u.U. bis zu 7,5 Millionen, in den nächsten Jahren sterben? Selbstverständlich nicht. Selbstverständlich wäre eine solche Untätigkeit der Regierenden verfassungswidrig gewesen, weil sie die Pflicht des Staates, das Leben und die Gesundheit seiner Bürger zu schützen, eklatant verletzt hätte.

  1. Die Argumentation von Nahamowitz ist in zeitlicher Hinsicht unlogisch und nicht nachvollziehbar. Er beruft sich u.a. auf eine Anfang April 2020 von einer Forschergruppe um den Bonner Virologen Hendrik Streek erhobene repräsentative Stichprobe mit 1.000 Probanden sowie auf die Auskünfte des Rechtsmediziners Klaus Püschel bei Markus Lanz am 9. April 2020. Man braucht nicht lange nachzudenken, um festzustellen, dass den Regierenden am 23. März 2020 solche Geschehnisse vom Anfang April 2020 bzw. vom 9. April 2020 nicht bekannt waren und auch gar nicht bekannt sein konnten. Auch wenn man viel von Bundeskanzlerin oder Ministerpräsidenten verlangen kann: Hellseherei gehört nach dem Grundgesetz nicht zur Job-Beschreibung der genannten Ämter.

Im Übrigen bleibt Nahamowitz die Erklärung dafür schuldig, weshalb beinahe alle Länder der westlichen Welt im März 2020 das Risiko ebenso hoch einschätzten und ähnlich drastische Mittel ergriffen haben wie Deutschland, obwohl diese anderen Länder nicht vom Robert-Koch-Institut beraten wurden.
 

  1. Nahamowitz irrt auch in einem weiteren Punkt. Er schreibt: „Dass zum Zeitpunkt des ersten Beschlusses das Bonner Forschungsergebnis noch nicht vorlag, spielt keine Rolle, da es zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Maßnahme auf die Kenntnis oder Unkenntnis entscheidungsrelevanter Fakten auf Seiten der handelnden staatlichen Stelle nicht ankommt“. Dieser Satz ist juristisch schlicht und einfach unzutreffend.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Auswirkung neuer Regelungen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ein beträchtlicher Spielraum zusteht (BVerfGE 110, 177, 194). Dies gilt für die Exekutive in ähnlicher Weise (Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 14. Auflage 2016, Art. 20 Rn. 126). Der Beurteilungsspielraum hängt von der Eigenart des jeweiligen Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab (BVerfGE 50, 290, 332; 90, 145, 173). Es ist dabei auf die Beurteilung abzustellen, die dem Gesetzgeber bei der Vorbereitung des Gesetzes möglich war (BVerfGE 25, 1, 17; 113, 167, 234).
Im Gegensatz zu den falschen Ausführungen von Nahamowitz kommt es also bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit nicht allein auf die Lage an, wie sie sich ex-post darstellt (denn nachher ist man immer klüger), sondern ganz wesentlich auch auf die Erkenntnismöglichkeiten von Exekutive und Legislative in der ex-ante-Situation. Es ist nicht nachvollziehbar, wie ein Jurist solche Behauptungen aufstellen kann, die im klaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehen.
 

  1. In einer weiteren Passage ist der Beitrag ebenfalls fehlerhaft. Nahamowitz schreibt u.a. „Die Verfassungswidrigkeit kann im Wege der Verfassungsbeschwerde von den Betroffenen (das sind alle Bürger) gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a vor dem BVerfG geltend gemacht werden. Nach § 32 BVerfGG ist auch ein Eilantrag zum BVerfG zulässig“. Diese Aussage ist zwar vom Wortlaut her richtig, im praktischen Ergebnis aber falsch. Denn der Bürger kann gerade nichtsofort und unmittelbar das Bundesverfassungsgericht anrufen. Vielmehr heißt es in § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG: „Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden“. Juristen nennen das den Grundsatz der Subsidiarität. Gegen jede Corona-Maßnahme gab und gibt es aber einen Rechtsweg, nämlich denjenigen zu den Verwaltungsgerichten, entweder durch Erhebung einer Normenkontrollklage nach § 47 VwGO beim jeweiligen Oberverwaltungsgericht oder durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage nach § 43 VwGO beim jeweiligen Verwaltungsgericht. Die sofortige Anrufung des Bundesverfassungsgerichts mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Corona-Maßnahmen ist daher in der Regel unzulässig, was auch Nahamowitz wissen sollte.
    Soweit er auf den einstweiligen Rechtsschutz nach § 32 BVerfGG abstellt, hat er übersehen, dass auch dieser grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Subsidiarität nach § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG steht (z.B. BVerfG-K 22/15 vom 16.07.2015, BVerfG-K 35/15 vom 28.09.2015). In Ausnahmefällen wäre ein solcher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann überhaupt zulässig, wenn der Antragsteller darlegen würde, dass er bei den Verwaltungsgerichten oder dem jeweiligen Oberverwaltungsgericht keinen einstweiligen Rechtsschutz in angemessener Zeit erhalten kann. Nahamowitz versäumt es, auch diese „Kleinigkeit“ zu erwähnen, an der jedoch 99 Prozent aller Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht scheitern, u.a. auch der Eilantrag von Rechtsanwältin Beate Bahner. Eine solche Darstellung der Rechtslage, wie sie durch Nahamowitz erfolgt, hilft dem nach Recht suchenden Bürger nicht weiter und gaukelt ihm eine Erfolgsaussicht vor, die in Wahrheit nicht besteht.

 

  1. Richtig ist allein, dass die weitere Aufrechterhaltung der Maßnahmen ab dem 20. April 2020 mit jedem Tag problematischer wird und sich in großen Schritten der Unverhältnismäßigkeit und somit der Verfassungswidrigkeit annähert. Das hatte ich bereits ausgeführt in meinen Beiträgen „Dürfen die das überhaupt?“ und „Corona und das Grundgesetz“, die beide hier bei EIKE erschienen sind.

Inzwischen liegen auch neue Erkenntnisse vor, u.a. von dem bereits erwähnten Virologen Streek, von dem erwähnten Rechtsmediziner Püschel sowie vom RKI bzw. der Johns-Hopkins-Universität über die weitere Entwicklung der Infektions- und Todeszahlen, die allesamt am 23. März noch nicht vorlagen. In Anbetracht dieser neuen Erkenntnisse stellen sich mittlerweile die meisten der Maßnahmen seit dem 20. April 2020 als unverhältnismäßig und verfassungswidrig dar. Leider hat Deutschland nicht so fähige Politiker wie Österreich, wo Bundeskanzler Kurz schnell und konsequent in den Lockdown hineinging und jetzt ebenso zügig und konsequent, insbesondere mit nachvollziehbaren Terminen, wieder aus dem Lockdown hinausgeht.
 
Fazit:
Wenn Sie gegen die Aufrechterhaltung der Corona-Maßnahmen seit dem 20. April 2020 gerichtlich vorgehen möchten, besteht die Möglichkeit, dass Sie Erfolg haben könnten. In Einzelfällen haben die Gerichte den klagenden Bürgern schon Recht gegeben.
Wenn Sie allerdings die Corona-Maßnahmen zwischen dem 23. März und dem 19. April 2020 gerichtlich angreifen oder deswegen Schadensersatz verlangen wollen, wie es Nahamowitz andeutet, werden Sie nach meiner Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern und vor Gericht „Schiffbruch“ erleiden.