Umfrage unter Klimarealisten (Teil 2): Was denken sie?

Klimaskeptiker gelten für viele Alarmisten als Feinde der Wissenschaft, wie der Spiegel jüngst berichtet hat. Man vermutet hier eine Gruppe von Menschen, die wissenschaftsfern (weil Laien) und intellektuell etwas begrenzt sind (weil sie aus Unwissenheit und Unvermögen gegen anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse opponieren). Man rückt Klimaskeptiker auch immer wieder gerne in die Nähe der Kreationisten oder gar denen, die nach wie vor nicht von der Kugelgestalt der Erde überzeugt sind. Man sieht in uns also Hinterwäldler, die die Moderne nicht verstehen, nicht akzeptieren und ohnehin ablehnen. Naivlinge, die sich daher von einer großangelegten Desinformationskampagne der Erdölindustrie steuern lassen.

Wie bereits in der Auswertung zum ersten Teil der Umfrage erläutert, treffen diese Vorurteile eine Gruppe, die überwiegend wissenschaftlich/technisch ausgebildet ist und sich seit Jahren mit der Klimathematik auseinandersetzt. Eine Gruppe, die sich durchaus intensiv aus unterschiedlichen Quellen informiert und dabei vor allem wissenschaftliche Veröffentlichungen und die alarmistischen Internetseiten nicht außen vor läßt. 

Man muß immer wieder betonen: Die Umfrage hat keine Definition vorgegeben, was denn nun ein Klimaskeptiker ist. Vielmehr wollten wir herausfinden, ob man überhaupt eine einheitliche, übergreifende Charakterisierung dieser Spezies vornehmen kann. Zur Teilnahme eingeladen waren all jene, die sich selbst – aus welchen Gründen auch immer – als Skeptiker bezeichnen.

Die Skepsis gilt der Klimapolitik

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Bild 1: Politische Skepsis überwiegt

Und das Ergebnis ist mehr als deutlich und hat auch mich in seiner Klarheit überrascht. Skeptiker sind nicht skeptisch gegenüber der Klimaforschung, sondern gegenüber der Klimapolitik (Bild 1). Nur etwa jeder zehnte Teilnehmer ist davon überzeugt, daß das, was man gegenwärtig über das irdische Klimasystem zu wissen glaubt, weitgehend falsch ist. Zwei Drittel immerhin denken, die Politik hätte zu früh und zu intensiv auf einen noch unzureichenden Wissensstand reagiert. Und immerhin mehr als jeder fünfte Teilnehmer vertritt sogar die Haltung: Ganz gleich, welche Erkenntnisse die Wissenschaft für uns bereit hält, die gegenwärtige Politik ist in jedem Fall die Falsche.

Man muß sich dies noch einmal besonders vor Augen halten: Diese 22% (von den Teilnehmern aus Deutschland sind es sogar 30%) sind der Auffassung: Selbst, wenn die Klimaforschung im wesentlichen richtig liegt, selbst, wenn der menschgemachte Klimawandel mit potentiell katastrophalen Folgen eintritt, selbst dann ist es unklug, darauf mit einer Politik der Risikovermeidung zu reagieren.

Schaut man in Frage 8 auf die allgemeinpolitischen Meinungen, wird diese Ansicht klarer (Bild 2). Die Klimadebatte wird überwiegend nicht als wissenschaftliche, sondern als politische Fragestellung erkannt. Und es wird auch (etwas weniger einheitlich) ein Primat der Politik einem Primat der Wissenschaft vorgezogen. Das heißt: Die Klimaskeptiker sind überwiegend der Auffassung, Klimapolitik solle nicht durch Klimaforschung determiniert werden, sondern sich unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse anhand anderer Kriterien (Soziales, Ökonomie) selbst und eigenständig entwickeln. Politik ist eben die Kunst des wertegetriebenen Ausgleiches von Interessen, während die wissenschaftliche Forschung keine Werturteile und keinen Interessensausgleich kennt. Dieser entscheidende Unterschied ist den Skeptikern ganz offensichtlich bewußt.

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Bild 2: Allgemeine politische Haltung der Klimaskeptiker

In Wahrheit spielt der Treibhauseffekt für die Gestaltung politischer Maßnahmen nämlich keine Rolle – oder sollte es zumindest nicht. Groß ist die Zustimmung zu der These „Kohlendioxid trägt zum Treibhauseffekt bei“ (Bild 3) auch unter den Skeptikern – und steht offensichtlich nicht im Widerspruch zu einer skeptischen Haltung.

Selbstverständlich sind die in den letzten Monaten thematisierten Fehler im IPCC-Bericht aus Sicht der Skeptiker relevant. Denn ein Dokument, das immer und immer wieder als unfehlbare Offenbarung biblischen Zuschnittes dargestellt wird, ist dann offenbar doch von ganz normalen Menschen gemacht worden, die ganz normale Irrtümer begehen. Hierin liegt die Bedeutung: Ein UNO-Gremium, das für sich selbst die Interpretationshoheit beansprucht hat, mußte seine Fehler und auch seine mangelhafte Qualitätssicherung eingestehen. Die IPCC-Berichte können nun nicht mehr als zentrale Begründung für die Klimapolitik angesehen werden. Sie sind innerhalb der Debatte auch nur eine Studie von vielen. Und wie das bei Studien immer so ist, werden diese kontrovers beurteilt. Etwa gleich verteilt sind die Haltungen in der Frage, ob denn nun die IPCC-Berichte weitgehend fehlerhaft sind, oder nicht.

Man kann die Skeptiker also nicht dadurch erfassen, daß man in Ihnen eine Gruppe von Wissenschaftsfeinden sieht, die das IPCC, das ohnehin nur lügt und betrügt, als Teil einer weltweiten Verschwörung und den Treibhauseffekt als Phantasiekonzept außerhalb der Realität sehen.

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Bild 3: Wissenschaftskritik bei Skeptikern

In einem Punkt aber stimmen die Skeptiker weitgehend überein. Kaum jemand glaubt, Klimamodelle könnten die Zukunft wiedergeben. Eigentlich, so dachte ich immer, ist das doch ohnehin ein gesellschaftlicher Konsens. Wer auch immer behauptet, er könne die Zukunft vorhersehen, er könne weissagen, wird nicht ernstgenommen. In allen Bereichen lehnen wir Wahrsager ab, wir schmunzeln über Astrologen ebenso, wie über Handleser. Und in diese Kategorie ordnen wir auch Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler ein, die glauben, uns erzählen zu können, wie die Welt in 50 Jahren aussehen wird (man schaue sich nur einmal entsprechende Versuche an, die 50 Jahre zurückliegen).  Nur bei Klimaforschern wird das oft anders beurteilt. Die Skeptiker jedenfalls haben diesen Konsens nicht verlassen.

Wenn also Wissenschaftsskepsis eine Rolle spielt, sind es Themen wie das Prognosepotential von Klimamodellen oder die Relevanz statistischer Aussagen (üner Wetterextreme), die die Skeptiker einheitlich beurteilen. Nicht den Treibhauseffekt und nicht das IPCC.

Die Haltung zum Vorsorgeprinzip ist entscheidend

Oft findet man bei Alarmisten und sogar bei durchaus zurückhaltenden Zeitgenossen die Vorstellung, wenn man den Skeptikern den Treibhauseffekt (und den ganzen Rest der Klimaforschung dazu) nur richtig erkläre, würde sich die Skepsis von selbst erledigen. Die Umfrage zeigt etwas völlig anderes:

Die Umfrage hat nach diesem direkt gefragt, aber auch die Haltung hinsichtlich der zugehörigen Themen „das gegenwärtige Klima ist als dasjenige zu bewahren, an das wir uns angepaßt haben“ und „trotz Unsicherheiten sind vorläufige Maßnahmen [der Risikovermeidung] durch Klimaprognosen legitimiert“ wurde analysiert – mit dem entsprechenden Ergebnis.

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Bild 4: Energiepolitische Haltung der Skeptiker

Es ist zu berücksichtigen, daß das Vorsorgeprinzip in Deutschland und vielen anderen Ländern nicht nur die Klimapolitik determiniert, sondern auch die Energiepolitik (und die Gesundheits- und Sozialpolitik, Felder, die aber in der Befragung nicht beleuchtet wurden). Konventionelle Kraftwerke werden eben nicht nur unter klimapolitischen Gesichtspunkten, sondern auch wegen der Angst vor einer Knappheit an Ressourcen („Peak Oil“) kritisch gesehen. Kernkraftwerke sind wegen des Umgangs mit radioaktiven Abfallstoffen umstritten. Die eindeutige Haltung der Skeptiker in diesen Fragestellungen verdeutlicht zusätzlich deren generelle Vorbehalte gegen eine an Risikovermeidung orientierte Politik (Bild 4).

Es ist wohl doch nicht so einfach, wie viele Alarmisten glauben. Aus dem Treibhauseffekt und der Berücksichtigung unserer Kohlendioxid-Emissionen folgt aus Sicht der Skeptiker genau nicht die eine und einzig mögliche Klimapolitik. Politik entsteht erst durch die Berücksichtigung zusätzlicher, werteorientierter Prinzipien. Es ist vor allem das Vorsorgeprinzip, das die gegenwärtige Vermeidungspolitik determiniert, es ist nicht die Klimaforschung.

Aus dem Treibhauseffekt kann man genau nicht den Zwang zu einem Emissionshandel und/oder zur Subventionierung alternativer Energien ableiten. Dieser Zwang entsteht erst, wenn man das Vorsorgeprinzip einsetzt. Folgerichtig finden auch diese beiden Maßnahmen einhellig keine Zustimmung bei den Skeptikern.

Schlußfolgerungen…

Nun bin ich ja einer dieser dynamischen Berater, die ohnehin alles immer besser wissen und gelegentlich auch merkwürdige Fragen beantworten müssen. Wenn mir nun ein Kunde gegenüber säße, der seiner Angst hinsichtlich der Möglichkeit eines katastrophalen Klimawandels Ausdruck verleiht. Der gerne umfassende Maßnahmen durch- und umsetzen möchte, dies aber nicht kann, weil die doofen Skeptiker die Bildung eines Konsenses in der Bevölkerung verhindern. Der also gerne auch die Skeptiker für sich gewinnen würde. Was würde ich ihm nach diesem Umfrageergebnis raten?

Schellnhuber, Rahmstorf und Latif sollen nicht nur in jede Talkshow, sondern vor allem zu Maybrit Illner und den Treibhauseffekt erklären? Mit Hannes Jaenicke im Eisbärenkostüm als Pausenclown? , würde ich ihm sagen. :

  • Befreien Sie die Klimaforschung aus ihrer babylonischen Umklammerung durch eine bestimmte politische Ideologie (den Ökologismus). Lassen Sie Forscher für sich sprechen, die verdeutlichen, daß Forschung und Politik unabhängig voneinander sind, sich zwar gegenseitig befruchten, aber nicht determinieren dürfen.

(Meiner Ansicht nach ist das genau das, was „Honest Broker“ wie Hans von Storch oder auch Judith Curry tun. Dies erklärt, warum Webseiten wie die Klimazwiebel oder auch Personen wie Judith Curry oder Roger Pielke sr. durch die Skeptiker so positiv gesehen werden.)

  • Gestalten Sie eine Klimapolitik, die nicht auf dem Vorsorgeprinzip, nicht auf (Risiko-) Vermeidung beruht. Die also vor allem nicht auf Regulierungen, Zwangsmaßnahmen und Subventionierungen setzt.

(Meiner Ansicht nach ist das genau das, woran Roger Pielke jr., die anderen „Hartwell-Autoren“ und auch Björn Lomborg arbeiten. Das erklärt das hohe Ansehen, das diese Personen unter den Skeptikern genießen.)

Judith Curry hat es in einem sehr lesenswertem Beitrag in Ihrem Blog auf den Punkt gebracht. Sie stellt die Frage an die Gemeinde der Klimaforscher, wie man denn die Entwicklung der letzten Jahre bewerten soll. Und gibt auch ihre Antwort darauf (Hervorhebung durch mich):

What happened?  Did the skeptics and the oil companies and the libertarian think tanks win?  No, you lost.  All in the name of supporting policies that I don’t think many of you fully understand.  What I want is for the climate science community to shift gears and get back to doing science, and return to an environment where debate over the science is the spice of academic life.  And because of the high relevance of our field, we need to figure out how to provide the best possible scientific information and assessment of uncertainties.  This means abandoning this religious adherence to consensus dogma.

Klarer kann man es nicht sagen. Das endgültige Scheitern der vorherrschenden klimapolitischen Strategie durch das zeitliche Zusammentreffen von Himalayagate, Climategate und Kopenhagen wurde nicht durch irgendeine Verschwörung herbeigeführt. Es war zwangsläufig, es war in der Klimapolitik bereits angelegt. Sie mußte scheitern, weil sie in vielerlei Hinsicht ungeeignet und in vielerlei Hinsicht risikoerzeugend, statt risikovermindernd wirkte.

Die Klimaskeptiker sind kein Teil einer Desinformationskampagne der Ölindustrie und auch keine gesteuerten, inkompetenten Hinterwäldler. Sie sind ganz einfach nur Leute, die sehr genau verstanden haben, welche Politik die Alarmisten unterstützen. Und die diese Politik nicht wollen, aus guten Gründen.

Es gibt nach meiner Erfahrung viele Menschen, die sich selbst niemals als Klimaskeptiker bezeichnen würden, aber diese Sicht vollständig teilen. Die ist eben immer noch. Und das wird sich auch niemals ändern. Sollte man eine solche aber unbedingt machen machen zu müssen glauben oder gar machen wollen, dann ist „Klimaschutz“ als indirekte Folge anderer, wichtigerer und nützlicherer Maßnahmen zu etablieren. Und genau nicht als Dogma, als umfassendes Leitbild.

An dieser Stelle können wir Klimaskeptiker erfolgversprechend ansetzen. Das zeigt uns die Umfrage.

Gastautor Peter Heller von Science Sceptical 

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