Kaltwasserinsel im östlichen Nordatlantik, Schnee bei uns bis 500 m hinab – bedeutet das einen kalten Winter?

Im Internet kursieren bereits Gerüchte, dass dies Ursache für einen sehr kalten Winter in Mitteleuropa sein könnte (ja, es kommen wieder Konjunktive!). Mit diesem Beitrag möchte ich klarstellen, was Fakten sind und was Spekulation ist.
Fakt ist, dass die häufigen Südwestlagen über Mitteleuropa, die hier einen recht warmen und trockenen Sommer gebracht haben, weite Teile Nord- und Westeuropa auf der kalten Seite dieses Jets belassen haben. Im Zusammenhang mit der erwähnten Kaltwasserinsel führte dies zu einem der kältesten Sommer 2015 (!) in weiten Teilen der Britischen Inseln und Nordskandinavien. Dabei kam es Mitte August auf den Bergen Nordschwedens sogar zu starken Schneefällen, wenn man diesem Link Glauben schenken darf. Dass in direkter Nachbarschaft eines solchen Kaltwassergebietes die Temperaturen niedrig liegen, ist jedenfalls einleuchtend.
Dagegen ist die Verknüpfung einer solchen Kaltwasserinsel mit dem Winter bei uns gleichbedeutend mit den Spekulationen über die Simulationen getürkter Klimamodelle des IPCC. Winterkälte kommt bei uns nun mal von Norden und Osten – der Atlantik liegt aber westlich von uns. Oder Klartext: eine solche direkte Verknüpfung ist blanker Unsinn!
Allerdings ändert dies natürlich nichts an der Tatsache, dass diese Kaltwasserinsel nun einmal da ist. Und sie hat für mich als Synoptiker tatsächlich auch ziemliche Bedeutung. Dies bedarf jedoch einer Erläuterung.
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich bei der Graphik rechts oben um eine Anomalieverteilung handelt. M. a. W. es wird mit einem Bezugszeitraum verglichen. Dummerweise wird der Bezugszeitraum aber nicht angegeben, oder er ist so gut versteckt, dass ich ihn als Computerzwerg nicht gefunden habe.
Tatsächlich spielt dies aber für die folgenden Ausführungen auch keine große Rolle. Halten wir einfach fest, dass die Wassertemperatur dort erniedrigt ist, zu welchem Bezugszeitraum auch immer. Nördlich und auch südlich davon wird aber eine Warm-Anomalie gezeigt. Was bedeutet das?
Nun, es liegt auf der Hand: wenn die Wassertemperatur in einem Gebiet mit niedrigen absoluten Wassertemperaturen erhöht ist, weiter südlich aber in einem Gebiet erniedrigt ist, heißt das, dass der Temperaturgradient zwischen dem subarktischen Nordatlantik und dem auf unseren Breiten schwächer ist. Südlich davon, also im subtropischen Atlantik ist er dagegen stärker. Oder allgemeiner: Der Hauptgegensatz der absoluten Wassertemperatur im Nordatlantik liegt deutlich weiter südlich als sonst.
Und jetzt kommen die Konjunktive. Natürlich steht die Atmosphäre über dem Ozean mit diesem in Wechselwirkung, und der südlicher liegende Hauptgegensatz der Wassertemperatur könnte sich auf den Polarjet dahingehend auswirken, dass auch dieser weiter südlich liegt als beispielsweise in den Herbstmonaten der letzten beiden Jahre. Das heißt, der Jet würde eher auf das Mittelmeer gerichtet sein als nach Mitteleuropa. Daraus ergibt sich eine verstärkte Neigung zur Bildung von Hochdruckgebieten über Nord- und Nordwesteuropa.
Und tatsächlich ist aktuell diese Tendenz seit Anfang September zunehmend zu beobachten! Ohne jedes „Cherry Picking“ zeigt dies auch die rein zufällig herausgegriffene aktuelle Wetterlage:

Abbildung: Wetterlage im atlantisch europäischen Bereich vom 12.10.2015, 12 UTC [14 Uhr MESZ]. Links: Gepotential im 500-hPa-Niveau (bunt) und Isobaren des Bodenluftdrucks (weiße Linien). Rechts: Geopotential im 850-hPa-Niveau (weiße Linien) und Temperatur dort (bunt). Quelle: GFS via wetterzentrale.de.
Ich denke, dass nicht näher ausgeführt werden muss, was eine derartige Wetterlage im Winter für uns bedeutet.
Nun kann man natürlich nach Präzedenzfällen aus früheren Jahren suchen. Hierbei gilt aber der Grundsatz: ähnliche Wetterlagen sind nicht gleich. Ein paar allgemeine Aussagen lassen sich aber machen, wobei mir meine Erinnerung an frühere Jahre zupass kommt.
Als Erstes fällt einem da der sehr kalte Oktober des Jahres 1974 ein. Er war gekennzeichnet durch die größte monatliche Oktober-Regenmenge in Deutschland des gesamten vorigen Jahrhunderts. Auf der Zuspitze türmte sich der Schnee zum Monatsende schon über 300 cm hoch, und zur Monatsmitte gab es Schnee auch schon deutlich unter 1000 Meter.
Schnee im Oktober ist etwas Seltenes und für einen Wetterfreak daher immer erinnerlich. Schnee bis mindestens 500 m hinab gibt es bei uns aber auch in diesem Jahr, nachdem der vorige Oktober mehr als 3 K zu warm ausgefallen war. Nach dem kalten und überaus regenreichen Oktober 1974 gab es einen der mildesten Winter 1974/1975 des vorigen Jahrhunderts – an keinem einzigen Tag aller drei meteorologischen Wintermonate konnte sich im Flachland eine vernünftige Schneedecke ausbilden. Kann das auch diesmal so sein?
Höchstwahrscheinlich nicht. Denn wenn man über den Tellerrand hinaus nach Osteuropa schaut, findet man dort in jenem Jahr eine mächtige Warmluftströmung bis weit nach Norden. In Moskau war der Oktober 1974 dem Vernehmen nach der wärmste Oktober aller Zeiten (kann ich nicht überprüfen). Jeder kann sich aber bei wetterzentrale.de im Kartenarchiv von der kräftigen Südströmung überzeugen, in deren Bereich auch Moskau lag.
Und in diesem Jahr? Wie man aus obiger Abbildung erkennt, ist der Winter in Osteuropa in diesem Jahr außerordentlich früh eingezogen. Beide Jahre sind also absolut unvergleichbar.
Man muss also weiter zurückgehen, und es liegt auf der Hand, dass die Erinnerung des Autors mit zunehmender Zeit immer mehr verblasst. Aber o. g. Kartenarchiv reicht bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts, und da kam die Idee, mal im Herbst 1962 nachzuschauen. 1962/63 war bekanntlich ein extrem kalter Winter in Mitteleuropa aufgetreten.
Und da zeigen sich wieder gewisse Ähnlichkeiten. Über Nordwesteuropa lag ein starkes Hochdruckgebiet, um das herum Kaltluft aus nördlichen Breiten bis zu den Alpen vorstieß. Im November bis Anfang Dezember stellte sich dann aber nochmals mildes Wetter ein, bevor ab Dezember mehrere Kaltluftkörper aus Sibirien hintereinander zu extremen Frostperioden führten.
Ob es damals auch eine Kaltwasserinsel im Nordatlantik gab, lässt sich nicht feststellen. Sicher ist aber, dass die Neigung zur Bildung von Hochdruckgebieten über nördlichen Breiten bis weit in das Frühjahr hinein rechte, und auch noch der folgende Sommer 1963 war ein sehr kühler und nasser Sommer.
Kommen wir also zum Fazit meiner Ausführungen. Sollte sich die Neigung zur Bildung von Hochdruckgebieten über Nord- und Nordwesteuropa fortsetzen, kann jeder nachvollziehen, welche Witterung daraus bei uns vorherrscht. Aus einigen Präzedenzfällen ergibt sich aus statistischer Sicht eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen kalten als für einen milden Winter. Aber:
Wichtig: Das ist keine Vorhersage!! Jedem, der dies für eine solche nimmt, unterstelle ich böse Absicht. Es sind auch keine Simulationen oder gar Projektionen. Es sind statistische Hinweise, nicht mehr und nicht weniger! Und ich kann noch nicht einmal eine Fehlerbandbreite oder Streuung angeben.
Eine Analogie möchte ich aber noch erwähnen: das gesamte Zirkulationsmuster auf der gesamten Nordhemisphäre, vor allem aber im atlantisch-europäischen Bereich ist in diesem Herbst ein grundsätzlich Anderes als während der letzten beiden Jahre. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach einer so grundlegend anderen Ausgangslage sich im kommenden Winter genau die gleichen Südwestlagen einstellen wie in den vorigen beiden Wintern, ist wohl recht gering.
Und eine Bemerkung noch zu guter Letzt: Findet nicht Anfang Dezember ein großer Klima-Politzirkus statt? Und kommt es dabei vielleicht zum sog. „Al Gore-Effekt“? Die Ausgangslage würde jedenfalls dazu passen…
© Hans-Dieter Schmidt Oktober 2015




Weitere Stürme auf dem Atlantik!

Aktualisierung: Sturmwirbel auf dem Atlantik

Bei Redaktionsschluss meines o. g. Beitrags habe ich auf den jüngsten Sturmwirbel bei Irland hingewiesen. Wer aber nun dachte, das sei der letzte gewesen, sah sich getäuscht. Vorgestern gab es wieder auf dem Atlantik eine Entwicklung, die ich für die Jahreszeit als extrem eingestuft hätte, die aber in diesem Sommer offenbar normal* ist, was immer das heißt. Auf dem Atlantik im Seegebiet zwischen Grönland und Island hat sich ein Wirbel mit einem Kerndruck unter 975 hPa gebildet (siehe Bild rechts).

(*Zum Begriff normal hat sich Chris Frey auf seinem Blog ein paar interessante Gedanken gemacht; siehe hier)

Bild rechts: Wetterkarte vom 13. August 2015, 00 UTC (02 Uhr MESZ). Quelle: Berliner Wetterkarte e. V.

Die in dem Beitrag beschriebene Problematik (sowie deren aktuelle Fortsetzung!) hat offenbar einen Mr. Dahlquist beeindruckt, der in seinem Kommentar Nr. 21 unter jenem Beitrag auf Englisch geschrieben hat. Auslöser seines Kommentars war ein solcher von mir auf dem Blog von Pierre Gosselin zu diesem Beitrag, und zwar dieser hier: http://tinyurl.com/p2qu3yq.

Aber zurück zum Kommentar Nr. 21 unter jenem Beitrag. Dahlquist spricht mich darin zunächst direkt an und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass ich nichts dagegen hätte, wenn er meinen Kommentar an WUWT weitergegeben hat.

Soweit es mich betrifft, verzichte ich hier auf eine Übersetzung. Es folgen hier die von Dahlquist übermittelten Erwiderungen auf meinen Kommentar bei NoTricksZone, die man durchaus auch als Kommentare zu meinem Beitrag hier verstehen kann.

Hans Dieter Schmidt
Erwiderungen
DD More, 13. August 2015
Hans-Dieter, Ihre Bemerkung „Falls es eine ganze Reihe [solcher Wirbel] wie in diesem Sommer gibt, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Es muss in diesem Sommer in der Arktis außerordentlich kalt sein! Dies muss sich nicht sofort in der Meereis-Ausdehnung spiegeln, aber wer weiß, wie es während der nächsten Jahre aussieht“. Diese Bemerkung passt sehr gut zu den Temperaturen in Island:

Die ersten 13 Wochen des Sommers in diesem Jahr waren in Reykjavik die kältesten seit über zwanzig Jahren. Dies zeigt der isländische Meteorologe Trausti Jónsson.

Die im Norden der Insel gelegene Stadt Akureyri war sogar noch schlimmer dran – man muss etwa dreißig Jahre zurückgehen, um einen noch kälteren Sommer zu finden.

Der Sommer in Reykjavik war seit 1992 nicht mehr so kalt, obwohl der Sommer des Jahres 1979 bei Weitem der kälteste war. Der wärmste Sommer der letzten 67 Jahre war in Reykjavik im Jahre 2010 aufgetreten.

In Akureyri war der Sommer seit 1983 nicht mehr so kalt gewesen. Weiteres gibt es hier.

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Mark W, 13. August 2015

Sind es nicht die Wassertemperaturen im Nordatlantik, die ziemlich stark die Lufttemperaturen in Island beeinflussen? So viel zu der Behauptung, dass die Ozeane immer wärmer werden.

Einschub hierzu von Hans-Dieter Schmidt:

Hier meint der Kommentator offenbar das riesige Gebiet mit Wassertemperaturen niedriger als im Mittel (siehe Abbildung). Diese Kaltwasserinsel ist dort schon seit vielen Monaten vorhanden. Der auf Irland lebende Kommentator Herr Uhlemann (Kommentare Nr. 5 und Nr. 16) kann offenbar auch ein Lied davon singen.

Abbildung: Anomalie der Wassertemperaturen am 15. August 2015 (heute – kein „Cherry Picking“!) Quelle: http://weather.unisys.com/surface/sst_anom.gif

Ende Einschub

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Gary Pearse, 13. August 2015

Hans-Dieter, dieser kalte Sommer war auch im östlichen Kanada zu spüren, wo der Schnee des Winters mit einem Monat Verspätung verschwunden ist. Die Monate Mai und Juni waren etwa 5°C kälter als normal, und auch jetzt noch geht die Temperatur nachts im Juli und August auf 11 bis 14°C zurück. Ich bemerke auch, dass sich während der vorigen Woche in der Beaufort-See neues Eis gebildet hat. Nur das Danish Meteorological Institute DMI [den Link, den ich auch in meinem Beitrag genannt hatte; H.-D. S] zeigt derzeit eine fast normale Eisausdehnung, während NSIDC und Cryosphere Today (beide USA) einen rapiden Eisschwund zeigen. Ich traue den Skandinaviern hinsichtlich der Arktis mehr als der anderen politisierten Bande. Es ist ein sakrosanktes Gebiet für sie.

Alles wird inszeniert für das Klimatreffen in Paris. Die Narren halten es im Dezember ab. Mit dem kalten Wasser rund um die Nordhälfte Europas prophezeie ich eine kalte Weiße Weihnacht für Paris. Kanada und die USA (vielleicht mit Ausnahme der Gebiete ganz im Westen) werden in einer ganzen Reihe kalter Winter einen Weiteren erleben.

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goldminor, 13. August 2015
Vor drei Wochen erfolgte in Grönland eine rapide Zunahme der Eismasse, die sich seitdem über dem vieljährigen Mittel befindet. Zu jener Zeit zeigte die grönländische Küste rote Gebiete = Eisverlust. Vor drei Wochen war es auch, als die Temperatur der Arktis wie von DMI dokumentiert einen moderaten Abfall unter das vieljährige Mittel zeigte. Dort verharrte sie auch in der Zwischenzeit. Dann vor etwa 10 Tagen begann der grönländische Eisschild blaue Gebiete zeigen = Zunahme der Eismasse. Ich würde denken, dass dies mit dem Temperaturrückgang in der Arktis 3 Wochen zuvor zusammenhängt. Das Südende von Grönland zeigt den größten Zuwachs an Eismasse, was merkwürdig scheint.

Etwas anderes hat aber kürzlich meine Aufmerksamkeit erregt, nämlich der Blick auf die täglichen Temperaturen rund um die Welt. Mir ist aufgefallen, dass in weit über der Hälfte aller weltweiten Messpunkte die Minimum-Temperaturen nicht mehr über dem Mittelwert liegen. Eine Temperaturbeobachtung über 14 Tage zeigt zumeist mittlere Werte der Minima. Außerdem zeigt ein moderater Prozentanteil von Messpunkten Höchstwerte, die unter den mittleren Höchstwerten liegen während eines Zeitraumes von 14 Tagen. Dies ist eine merkliche Änderung im Vergleich zu dem 9-monatigen Zeitraum von September 2014 bis Mai in diesem Jahr. Hier im Norden Kaliforniens, wo ich wohne, fühle ich diesen Unterschied. Dies ist der schönste Sommer der letzten 4 Jahre mit Temperaturen meistens beim Mittelwert [d. h. er ist längst nicht so heiß wie während der letzten Jahre. Anders als bei uns werden eher kühle Sommer dort als angenehm empfunden. H.-D. S.]. Es gab ein paarmal Regen im Sommer, die Nachttemperaturen bewegten sich während des Sommers fast durchweg unter 60°F [ca. 15°C]. Gerade während der letzten Woche hat es sich bis 50°F [~10°C] abgekühlt. Es kühlt sich ab, und dies wird während der nächsten Jahre immer deutlicher zu merken sein.

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Schlussbemerkungen des Autors: Alles hier Gesagte ist natürlich ausschließlich Wetter und hat nichts mit Klima zu tun. Auch in meinem Beitrag geht es ja um Wetter und um nichts Anderes. Und dass sich Wetter wiederholt, auch in unterschiedlichen Zeitmaßstäben, ist jedem vertraut, der bzgl. des Wetters mit dem Begriff ,Persistenz‘ etwas anfangen kann.

Ich nehme die Kommentare oben als Beleg, dass ich nicht der Einzige bin, dem die Wetterphänomene dieses Jahres auffallen. Auch der von mir vermutete Grund für die atlantische Tiefdrucktätigkeit dieses Jahres wird damit bestätigt. Die Kälte in Grönland und das Kaltwassergebiet im Ostatlantik müssen während der nächsten Monate im Auge behalten werden. Und da der große Trog auch heute noch über dem Atlantik liegt, besteht bei uns auch weiterhin die sehr reale Möglichkeit einer weiteren Hitzewelle.

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Ich bedanke mich bei Chris Frey für seine Hilfe bei den Übersetzungen.

© Hans-Dieter Schmidt, 15. August 2015




Bemerkungen zu den Hitzewellen 2015 in Mitteleuropa

Natürlich hatte es nie zuvor Waldbrände in Kalifornien gegeben (obwohl dort der Begriff ,Fire Season‘ ein genauso gängiger Begriff ist wie bei uns ,Hochsommer‘). Und natürlich hat es noch nie zuvor Hitzewellen bei uns gegeben (obwohl in England und Frankreich ,The Draught of ’76‘ noch in sehr unguter Erinnerung ist und Deutschland damals lediglich ein wenig ,Glück‘ gehabt hat. Außerdem hat es am Freitag, dem 7.8.2015 auch wieder einen vermeintlichen Hitzerekord gegeben – um atemberaubende 0,1°C. Hierzu ist aber kürzlich schon ein Beitrag des EIKE (hier) erschienen.

Abgesehen davon, dass die Alarmisten ein erschreckendes Menschenbild vermitteln, wenn sie sich über Katastrophen freuen, sollte man sich hier nicht in billiger Propaganda ergehen, und zwar unter keinem Vorzeichen. Darum möchte ich hier aus fachlicher Sicht etwas dazu schreiben – und vor allem einen Aspekt beleuchten, der natürlich nirgendwo auch nur ansatzweise Erwähnung findet.

Nun also, wie in einem Beitrag, den ich vor einigen Wochen für die Website des EIKE geschrieben habe, möchte ich auch hier wieder auf die Arbeiten von Kowatsch und Kämpfe verweisen, deren Arbeiten mir immer wertvoller erscheinen. Sie hatten bekanntlich schon lange darauf hingewiesen, dass eine Meridionalisierung der allgemeinen Strömung ein Anzeichen für den Übergang zu einem kälteren Klima ist. Diese Meridionalisierung ist auch in diesem Sommer wieder zu beobachten, jedoch mit ein paar Aspekten, die der besonderen Erwähnung wert sind.

In meinem damaligen Beitrag hatte ich auf die Konstanz einer Wetterlage hingewiesen, wie wir sie auch in diesem Sommer zum dritten Mal nacheinander erleben. Sie ist gekennzeichnet durch eine massive Austrogung auf dem Atlantik mit der Folge einer Südwest- oder Südströmung über Mitteleuropa. Der erste erwähnenswerte Aspekt in diesem Jahr ist der Umstand, dass dieser Trog außerordentlich weit nach Süden ausgreift – bis in Meeresgebiete (Azoren), die sonst um diese Jahreszeit dem Subtropenhoch vorbehalten sind. Man betrachte dazu die folgende Abbildung.Um mich nicht dem Vorwurf des „Cherry Picking“ auszusetzen, habe ich den ersten besten Tag genommen, und zwar den, an dem ich diesen Beitrag entworfen habe.

Abbildung 1: willkürlich herausgegriffene Wetterlage im atlantisch-europäischen Bereich vom 6. August 2015. Links: Geopotentialfeld (bunt) im 500 hPa-Niveau und Bodendruckfeld (weiße Linien). Rechts: Temperaturfeld im 850-hPa-Niveau (bunt) und Geopotential im 850-hPa-Niveau (weiße Linien). Quelle: Wetterzentrale.de

In einem Kommentar zu meinem o. g. Beitrag hat mich ein Kommentator der Lüge bezichtigt, als ich schrieb, dass Kaltluftvorstöße im Sommer zu uns unmöglich sind wegen des Subtropenhochs. Schon im Sommer vorigen Jahres, noch mehr aber in diesem Jahr zeigt sich nun aber, dass der Kaltluftvorstoß bis zu den Azoren und dem Nordwesten der Iberischen Halbinsel reicht.

Vorderseitig dieses Troges finden sich wie üblich Gebiete mit dynamischer Hebung, was zu zahlreichen Gewittern führt – ebenfalls in Gebieten, in denen es im Sommer normalerweise nicht regnet. Über dem gesamten westlichen Mittelmeer, ja sogar in Nordafrika bis ins zentrale Tunesien bilden sich immer wieder Gewitter. Abbildung 2 zeigt das Satellitenbild vom gleichen Datum wie oben die Wetterkarte:

Abbildung 2: Satellitenbild vom 6. August 2015 nachmittags MESZ: Die Gewittercluster sind deutlich erkennbar. Aber auch eine kleine und völlig isolierte Gewitterzelle bei Stuttgart zeichnet sich ab (Jargon unter ,Bench Forecastern‘, wie sie im Angelsächsischen sehr treffend bezeichnet werden: Das Gewitter dort ist wohl ,aus Versehen‘ entstanden).

In früheren Jahren hätte ich dieses weite Ausgreifen nach Süden als sehr ungewöhnlich empfunden, aber wie gesagt war es während der letzten Jahre im Sommer ebenfalls dazu gekommen. So gab es auf der Insel Sizilien (auch im Bereich des Subtropenhochs!) im Juli vorigen Jahres im Zuge eines Höhentiefs, das sich aus einem solchen Trog abgelöst hatte, eine Niederschlagsmenge von etwa 3000% (dreitausend!).

Damit zurück zu Mitteleuropa. Es liegt auf der Hand, dass je weiter ein Kaltluftvorstoß (= ein 500-hPa-Trog) nach Süden vorstößt die Gegenströmung aus Süd bis Südwest auf der Vorderseite dieses Troges seinen Ursprung ebenfalls sehr weit im Süden hat. Da wir in dieser Strömung liegen, bedeutet das, dass die heißen Luftmassen bei uns nicht aus dem Mittelmeer, sondern direkt aus der Sahara zu uns wehen. Aber ist das nun wirklich etwas noch nie da gewesenes?

Übrigens sind die Waldbrände und die Dürre in Kalifornien auf das gleiche Muster der hemisphärischen Wellen zurückzuführen: auch dort liegt man auf der Vorderseite eines großen, weit nach Süden ausgreifenden Troges über dem Ostpazifik. Wer es nicht glaubt, kann ja googeln.

Wenn schon Persistenz, dann aber überall – und nicht nur bei uns. Auch die große russische Hitzewelle vor ein paar Jahren ist einer solchen meridionalen Strömungskonfiguration geschuldet, nur waren die hemisphärischen Wellen damals etwas anders gruppiert.

Sturmwirbel im Sommer

Nun aber zu einem Aspekt, den ich als wirklich ungewöhnlich empfinde, weil er auch während der beiden Vorjahre nicht in dieser ausgeprägten Form zu beobachten war. Es kam nämlich im Bereich dieses Troges wiederholt zur Bildung außerordentlich starker Tiefdruckwirbel (Sturmwirbel) über dem Ostatlantik, wobei wiederholt ein Kerndruck unter 980 hPa aufgetreten war. Diese Vorgänge treten normalerweise erst im Herbst auf. Dieses Phänomen bedarf einer Erklärung.

Als Orkanwirbel ist nun immer noch ,Kyrill‘ in Erinnerung. Damals hieß es, dass im Zuge der Klimaerwärmung solche Stürme immer häufiger und stärker auftreten. Da die Stärke dieser Stürme jedoch – grob gesagt – mit der Stärke des Temperaturgegensatzes zwischen niedrigen und hohen Breiten proportional sind, müsste derartige großräumige Sturmwirbel im Sommer viel eher auf treten als im Winter, ist doch die Atmosphäre meiner Ansicht nach im Sommer immer wärmer als im Winter. Wie allgemein bekannt, gibt es große Orkanwirbel aber nur im Winter in der kälteren Atmosphäre (ich hatte seinerzeit mal nachgefragt, wie dieser Widerspruch zwischen der Behauptung und der alljährlich zu beobachtenden Praxis zu erklären ist. Man hatte mir jedoch aufgrund dieser Frage nur bescheinigt, dass sie „von mangelndem objektiven Fachwissen“ zeugt. Seitdem bin ich Klimarealist).

Aber ich schweife ab. Zurück zu den Sturmwirbeln. Wenn es sie in diesem Jahr auch im Sommer gibt (natürlich nicht von der Stärke im Hochwinter), müsste eigentlich der Temperaturgegensatz in diesem Sommer zwischen Süd und Nord größer sein als in anderen Jahren. Aber wie kann man das belegen?

Nun ist es ja generell so, dass Klimaschwankungen in polaren Gebieten, egal in welchem Zeitmaßstab, hier also in der Arktis, viel ausgeprägter sind als in den Tropen und Subtropen. Und da kommt nun ein Umstand ins Spiel, der den Alarmisten überhaupt nicht gefällt, so wenig, dass sie diesen Umstand rundweg leugnen: nämlich die Entwicklung der arktischen Meereisausdehnung. Abbildung 3 zeigt diese Ausdehnung und den Vergleich mit den Vorjahren ganz aktuell (7. August 2015):

Abbildung 3: Ausdehnung des arktischen Meereises. Quelle: http://ocean.dmi.dk/arctic/icecover.uk.php.

Man erkennt, dass die Eisausdehnung in diesem und den letzten beiden Jahren größer war als in den Jahren zuvor. Zwar ist der Mittelwert der Jahre 1979 bis 2000 noch nicht erreicht, doch ändert das nichts an der Tatsache, dass von einem beschleunigten weiteren Schrumpfen des arktischen Meereises ganz und gar keine Rede sein kann. Ein Indiz hierfür ist ebenfalls in der rechten Karte der Abbildung 1 erkennbar, nämlich die Kälte über Grönland.

Das ist zwar kein grundlegender Beleg, aber doch ein Indiz für den Umstand, dass der Temperaturgegensatz zwischen Nord und Süd tatsächlich zunimmt. Übrigens haben war das hier in Deutschland Mitte Juli auch zu spüren bekommen. Es ist üblich, dass ein Gebilde wie ein Langwellentrog immer ein wenig hin und her „eiert“. Mitte Juli hatte er sich ziemlich weit nach Osten ausgebreitet, so dass einer der Sturmwirbel, die sich in seinem Bereich in diesem Jahr immer wieder gebildet haben, auch in Deutschland unabhängig von Gewittern zu Wettererscheinungen (Orkanböen) geführt hatte, die es sonst ebenfalls eigentlich nur im Winter gibt. Natürlich ist der Sturmwirbel ,Niklas‘ gemeint.

Der (vorerst?) letzte Wirbel dieser Serie erreichte am Montag, dem 3. August 2015, vor der irischen Küste mit einem Kerndruck deutlich unter 980 hPa seinen Höhepunkt.

Und noch etwas: Die gegenwärtige Wetterlage hat sich ja etwa Anfang Juli eingestellt, also ziemlich genau zum Zeitpunkt des ,meteorologischen Siebenschläfers‘. Demnach wäre rein statistisch etwa zwischen dem 15. und 20. August eine grundlegende Änderung dieser Wetterlage zu erwarten. Kaum ist es zu glauben, aber auch dies würde einer Vorhersage von Kowatsch und Kämpfe vor längerer Zeit entsprechen. Aber bis zum 20. August ist es noch zu lange hin, um hierzu aus der Numerik schon etwas sagen zu können. Und dass man Wetter für 50 oder 100 Jahre (!!) im Voraus genau vorhersagen kann, behaupten sowieso nur Politiker und Medien.

Fazit: Die von Kowatsch und Kämpfe beschriebene Meridionalisierung des hemisphärischen Strömungsmusters ist in vollem Gange. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Austrogung nicht grundsätzlich über dem Atlantik erfolgt, sondern durchaus auch über Mittel- und Osteuropa.

Aber sollen dann die Realisten Hurra schreien, wenn einen ganzen Sommer lang von Norden und Nordwesten her Meeresluftmassen arktischen Ursprungs nach Deutschland strömen? Kurzzeitig konnte man ja Mitte Juli vor allem in Nordwestdeutschland eine Ahnung davon bekommen. Aus meiner über 40-jährigen Erfahrung im Bereich Synoptik wage ich mal die Prophezeiung, dass eine Wetterlage wie in diesem Jahr nicht mehr als dreimal hintereinander auftritt. Also schauen wir mal, wie es im Sommer des nächsten Jahres aussieht. Davor gab es irgendeinen Klimazirkus in Paris.

© Hans-Dieter Schmidt, August 2015




Neue Hitzerekorde – Bemerkungen dazu aus statistisch-synoptischer Sicht

Der bisherige Rekord steht bei 40,2°C im August 2003. Das war ja bekanntlich der große Hitzesommer. Jetzt schlägt laut DWD der Hitzerekord mit 40,3°C (in Kitzingen/Main) zu Buche. Ich bezweifle, dass dieser „Rekord“ irgendeine Aussagekraft hat, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens ist der Rekord diesmal Anfang Juli aufgetreten. Die bisherigen Regordwerte von 40,2°C datieren vom 27 Juli 1983 in Gärmersheim östlich von Nürnberg. Im August 2003 wurde dieser Rekord in Karlsruhe und Freiburg ebenfalls genau erreicht, doch zeichnet sich vor allem Karlsruhe durch eine beachtliche Wärmeinsel aus. Nun liegt die vieljährige Mitteltemperatur Ende Juli/Anfang August schon wieder niedriger als Anfang Juli. Das heißt, hätte sich die Wetterlage, die im August zu dem bisherigen Rekord geführt hatte, bereits Anfang Juli eingestellt, wäre es ziemlich sicher noch deutlich heißer gewesen.

(Aus diesem Grunde möchte ich den diesjährigen „Rekord“ immer in Anführungszeichen gesetzt sehen. Lediglich der Einfachheit halber lasse ich diese aber im Folgenden weg).

Zweitens erfährt man ja nichts darüber, wo und wie das Thermometer relativ zur Umgebung aufgestellt ist. Kowatsch & Kämpfe haben immer wieder die Bedeutung des Wärmeinsel-Effektes beschrieben – muss man den hier abziehen? Muss man den auch von dem Rekordwert 2003 abziehen?

Übrigens hat sich unser Übersetzer Chris Frey auf seinem Blog ein paar Gedanken zu der Frage gemacht „Was ist normal?“, und zwar hier.

Bemerkungen aus synoptischer Sicht

Wie in früheren Beiträgen schon einmal genauer beschrieben, wird der Temperaturgang maßgeblich von Luftmassen bestimmt, die aus allen Himmelsrichtungen zu uns advehiert werden. Dabei sind drei Faktoren ausschlaggebend: Erstens, aus welchem Ursprungsgebiet stammt die Luftmasse, zweitens, auf welchem Weg ist sie zu uns geströmt und drittens wie lange hat sie dafür gebraucht. Eine Luftmasse aus (im Vergleich zu unserem Klima) extrem temperierten Ursprungsgebieten wird durch den Untergrund modifiziert, und zwar je stärker, umso länger der Weg ist (räumlich UND zeitlich).

Nun haben Kowatsch & Kämpfe belegt, dass im Juli immer noch ein gewisser positiver Trend der Temperaturen zu verzeichnen ist, während der Trend in allen anderen Monaten das umgekehrte Vorzeichen aufweist. Dies kann mehrere Ursachen haben.

Einmal könnte es in den Juli-Monaten der letzten Jahre häufiger Vorstöße von Luftmassen subtropischen/tropischen Ursprungs gegeben haben als früher. Oder die Anzahl dieser Vorstöße ist in etwa gleich geblieben und die Temperaturen in den Ursprungsgebieten liegen höher als früher.

Für Letzteres gibt es jedoch den Satelliten-Beobachtungen (und nur diese halte ich überhaupt für relevant) zufolge keinerlei Anzeichen. Bleibt also nur Ersteres übrig, aber wie immer erhebt sich gleich eine Folgefrage: was könnte der Grund dafür sein?

Gleich vorweg: da gibt es keine eindeutige Antwort, und der Spekulation ist Tür und Tor geöffnet. Ein paar Dinge lassen sich aber aus synoptischer Sicht festhalten: Für den Vorstoß extrem temperierter Luftmassen (egal ob nun warm oder kalt) ist grundsätzlich ein meridionales Strömungsmuster Voraussetzung. In einer mehr zonalen Westströmung wird es niemals zu irgendwelchen Temperaturrekorden kommen, egal mit welchem Vorzeichen.

Und tatsächlich sind während der letzten Jahre vor allem im Sommer gehäuft meridional orientierte Wetterlagen aufgetreten. Der Autor dieses Beitrags beobachtet seit mindestens zehn Jahren (ohne dass er dies explizit mit Zahlen belegen kann) eine Erhaltensneigung meridional ausgerichteter Wetterlagen, die länger ist als beispielsweise während der siebziger und achtziger Jahre. Markant erscheinen vor allem die seit mehreren Sommern hintereinander auftretenden Südwestlagen mit kurzen Hitzeschüben und den entsprechenden schweren Unwettern. Auch in diesem Jahr im Juni war das der Fall. Dabei waren die Temperaturschwankungen enorm: In der ersten Monatshälfte erfolgte bereits ein Vorstoß extrem warmer Luft, jedoch so schnell (24 Stunden), dass nicht einmal die Junisonne in der Lage war, diese Luftmasse durchzuheizen. Man erinnere sich, dass schon damals ein paar Tage vorher von zu erwartenden „Hitzerekorden“ die rede war, die dann nie eingetroffen sind.

Und in der zweiten Monatshälfte gab es dann einen nachhaltigen Kaltlufeinbruch von Nordwesten her, wobei die Schneefallgrenze um den 20. Juni in den Alpen bis 2000 Metern sank!

Und jetzt also wieder die Hitze, die aber nun zu Ende ist, den Modellrechnungen zufolge (die als Trend MAXIMAL mit hinreichender Genauigkeit etwa eine Woche (und nicht 50 oder 100 Jahre!) in die Zukunft schauen können stellt sich bei uns jetzt tatsächlich eine mehr oder weniger ausgeprägte Westlage ein.

Haben nun die extremen Temperaturschwankungen bei uns zugenommen? Die Frage muss aber vor dem o. g. Hintergrund anders gestellt werden: haben meridionale Wetterlagen in letzter Zeit zugenommen?

Der Autor tendiert dazu, diese Frage zu bejahen, und zwar hauptsächlich aufgrund von Erfahrungen, dass auch während des Sommerhalbjahres immer wieder Höhenwirbel im 500-hPa-Niveau bis weit nach Süden geführt werden, im Juli vorigen Jahres sogar bis nach Sizilien (!), was dort mitten in der üblichen sommerlichen Trockenzeit zu extrem ergiebigen Niederschlägen geführt hat, und zwar den ganzen Monat über und auch noch mit abnehmender Tendenz in den Nachbarmonaten.

Dennoch, eine eindeutige Antwort hat der Autor zu dieser Frage nicht. Aber ein anderer und sehr wesentlicher Aspekt scheint hier eine tragende Rolle zu spielen: in anderen Beiträgen von Kowatsch & Kämpfe haben diese schon vor Jahren nachgewiesen, dass in einem sich abkühlenden Klima viel öfter Extremwetterlagen und extreme Temperaturschwankungen auftreten können als in einem konstant warmen Klima.

Bislang sind diese Ereignisse bzgl. rascher Wechsel vor allem im Sommer aufgetreten. Bleibt die spannende Frage, wie das im kommenden Winter wird, nachdem die voran gegangenen beiden Winter von zonalen Westlagen geprägt waren mit der entsprechen überwiegend milden Witterung bei uns.

Hans-Dieter Schmidt




„Eisheilige“ und andere Singularitäten – Betrachtungen aus synoptischer Sicht

Bild rechts: Eisheiligen-Wetterlage vom 12. Mai 1978. Links: Temperatur im 850-hPa-Niveau, rechts: Geopotential 500 hPa (bunt) und Bodendruck (Linien). Nähere Erläuterung weiter unten im Beitrag. Quelle: Wetterzentrale.de

Für das Temperaturniveau in unseren Breiten ist es nicht nur zu den „Eisheiligen“, sondern immer von zentraler Bedeutung, welche Luftmasse bei uns gerade vorherrschend ist. Es ist eine Binsenweisheit, dass es bei uns kalte und warme Luftmassen gibt. Ist es bei uns „zu warm“ oder „zu kalt“, in welchem Zeitraum auch immer, heißt das nichts weiter, als dass überwiegend warme bzw. kalte Luftmassen während dieses Zeitraumes wetterbestimmend waren. Es gab Mai-Monate, die insgesamt zu kalt ausgefallen waren, obwohl gerade zu den kalendarischen Eisheiligen warme oder sehr warme Luftmassen bestimmend waren, und umgekehrt. Tritt eine solche Temperaturanomalie sogar in vieljährigen Mittelwerten hervor, spricht man von einer Singularität. Übrigens ist das sog. „Weihnachtstauwetter“ ebenfalls eine solche Singularität, noch dazu viel ausgeprägter als die Eisheiligen weil häufig viel „pünktlicher“. Die Mitteltemperatur am 24. Dezember gemittelt über den Zeitraum 1908 bis 2013 liegt 1 bis 2 K höher als die Mitteltemperatur am 15. Dezember.

Wenn ein Vorgang zu bestimmten Zeiten in 10 von zehn Fällen auftritt (Streuung Null), heißt das nicht, dass dieser gleiche Vorgang auch beim 11. Mal wieder auftritt, sondern nur, dass es eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit dafür gibt. Ein solches häufiges Auftreten zu einem bestimmten Zeitpunkt liegt deutlich jenseits der statistischen Streuung, so dass es einen Zusammenhang geben muss. Für die (statistische) Vorhersage spielt jedoch die Natur dieses Zusammenhangs keine Rolle! Es ist eine rein akademische Frage.

(Nebenbemerkung: Jeder erfahrene Synoptiker greift teils unbewusst auf solche Zusammenhänge bei der Vorhersage zurück, und Erfahrung ist ja auch nichts weiter als reine Statistik).

Aber ich schweife ab. Zurück zu den Eisheiligen. Anknüpfend an die obige Aussage bzgl. Luftmassen kann man also präzisieren, dass gerade zu den Eisheiligen besonders häufig kalte Luftmassen wetterbestimmend sind, warum auch immer. Natürlich gibt es Kaltlufteinbrüche zu jeder Zeit des Jahres, auch wenn mir irgendwelche ideologischen Betonköpfe weismachen wollen, dass es diese wegen der Nordverschiebung des Subtropenhochs im Sommer gar nicht gibt. (Komisch! Warum hat dann ein Höhentief über Sizilien [!] im Juli vorigen Jahres dort ein Regenüberschuss von 3000% gebracht, mitten im Subtropenhoch?).

Bekannt in diesem Zusammenhang ist die sog. „Schafskälte“, also Kaltlufteinbrüche Anfang Juni, nachdem die Schafe das erste Mal geschoren worden waren. Außer an extrem ungünstigen Lagen (wie z. B. dem Tegeler Fließ im Norden Berlins oder auch an der Station Hof, wo es selbst im Juli schon mal geringen Frost gegeben hatte) gibt es dabei jedoch keinen Frost mehr. Im Übrigen müssen gerade zu den Eisheiligen mehrere Dinge zusammentreffen; ein einfacher Vorstoß von Meereskaltluft arktischen Ursprungs reicht nicht aus, wenn dieser mit vielen Wolken einher geht.

Interessant ist die Eisheiligen-Wetterlage im Jahr 1978 (siehe Bild oben rechts). Im Zuge der Kaltzeit der siebziger Jahre gab es in Nordeuropa einen sehr kalten und außerordentlich langen Winter. Aus dem dort Anfang Mai immer noch vorhandenen Kaltluftpool löste sich ein Höhentief und zog direkt nach Süden. In der Nacht vom 11. auf den 12. Mai wurde von der Radiosondenstation Lindenberg bei Berlin im 850-hPa-Niveau eine Temperatur von -13°C ermittelt. Zu dieser Zeit war jedoch der Bereich mit einer Temperatur unter -10°C in diesem Niveau bereits so klein, dass er im synoptischen Scale der Darstellung nicht mehr zu erkennen ist.

Es gab tagsüber heftige Schneeschauer, nachts klarte es auf, stellenweise bildete sich sogar Nebel. Am Morgen des 13. Mai wurde im Norden Berlins dadurch Rauhreif beobachtet – im Mai sicher keine alltägliche Erscheinung. Über Schäden in der Landwirtschaft ist mir leider nichts bekannt, bei Temperaturwerten bis -8°C (Station Gardelegen) müssen diese aber erheblich gewesen sein.

Da dieser extreme Kaltlufteinbruch nun wirklich pünktlich zu den Eisheiligen erfolgte, müsste er in den Graphiken von Kämpfe & Kowatsch eigentlich hervortreten. Und siehe da, tatsächlich ist das der Fall. Die folgende Graphik stammt aus dem Beitrag von Kämpfe & Kowatsch:

Man erkennt, dass es nur zu Beginn der vierziger Jahre eine ähnliche Kaltspitze wie 1978 gegeben hatte. Man erkennt aber auch, dass die Kaltspitzen unabhängig dieser Einzeljahre etwa nach 1980 insgesamt niedriger lagen als davor, was natürlich die Aussage der beiden Autoren bestätigt.

Fazit: Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens extremer Kaltlufteinbrüche im Mai dürfte während der nächsten Jahre also zunehmen – egal ob diese nun gerade pünktlich zu den kalendarischen Eisheiligen auftreten oder etwas früher bzw. später.

© Dipl.-Met. Hans-Dieter Schmidt, Anfang Juni 2015