Wie man den Stillstand der Erwärmung los werden will – wieder einmal
Das Gleichbleiben („Stillstand“) der globalen mittleren Temperatur existiert nicht und hat nie existiert. Es handelt sich um einen von Klimaskeptikern erzeugten Mythos, wie in einer neuen Studie behauptet wird. Mehr noch, dessen bloße Bezeichnung als ein „Stillstand“ (hiatus oder pause) ist gefährlich, weil es sowohl Wissenschaftler als auch die Öffentlichkeit in die Irre führt.
Die Studie, in der diese Aussage enthalten ist, wurde in dem Journal Scientific Reports veröffentlicht. Die Autoren sind Stephan Lewandowsky, James Risbey und Naomi Oreskes. Man betrachte den ersten Satz im Abstract: „In jüngster Zeit wurde oftmals ein ,Stillstand‘ bzgl. der globalen Erwärmung in öffentlichen Debatten und der wissenschaftlichen Literatur erwähnt. Jedoch zeigen viele Beweisquellen, dass sich der Klimawandel unabgeschwächt fortsetzt, was Fragen hinsichtlich des Status‘ dieses ,Stillstands‘ aufwirft“.
Es ist ein wissenschaftlich verschachtelter Satz. Der Stillstand bezieht sich auf die globale jährliche mittlere Temperatur, bei der genau das Gesagte der Fall ist. Außerdem wird der Stillstand durch Satelliten-Messungen der unteren Troposphäre bestätigt. Zusammen ergibt sich daraus eine interessante Perspektive hinsichtlich der Probleme bei der Datengewinnung, vor allem bei Datenlücken und dem Auffüllen von Daten bei fehlenden Messungen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass niemand einen Zeitraum von etwa 15 Jahren erwartet hatte ohne eine Zunahme bei diesen Messungen, und darum ist es zulässig, Fragen aufzuwerfen bzgl. der Vergleiche zwischen Modellen und Messungen. Einige sagen, dass die globale Erwärmung aufgehört hat, aber dies unterscheidet sich von der Existenz eines Stillstands. Man sollte vorsichtig mit der Hypothese sein, dass ein Stillstand in den Datensätzen gleichbedeutend ist mit einem ähnlichen Stillstand der „globalen Erwärmung“. Man muss also hinsichtlich der Sprache sorgfältiger vorgehen. Mein Eindruck ist, dass sprachliche Nachlässigkeit in dieser Studie tatsächlich einige von dessen Schlussfolgerungen bestimmt.
In der Studie heißt es weiter: „Im Bereich Öffentlichkeit war die Behauptung, dass die globale Erwärmung „aufgehört“ hat, seit Langem ein konträrer Standpunkt. Nachdem dieser konträre Rahmen einige Zeit auf die Medien und Internet-Blogs beschränkt geblieben war, fand er jetzt Eingang in die wissenschaftliche Literatur. Der Terminus ,Stillstand‘ hatte seinen Ursprung demonstrativ außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft, und vermutlich war es die permanente Herausforderung gegensätzlicher Stimmen, von denen bekannt ist, dass sie die wissenschaftliche Kommunikation und Vorgehensweise beeinflussen“.
Dies ist eine Fehlinterpretation dessen, was tatsächlich geschehen war. Zum ersten Mal war im Jahre 2006 von einem Stillstand die Rede, und ab dem Jahr 2008 wurde darüber in der begutachteten wissenschaftlichen Literatur diskutiert. Allerdings, wer die Klimagate-E-Mails gelesen hat, wird sich bewusst sein, dass einem Wissenschaftler zufolge die wissenschaftliche Gemeinschaft bereits gut darüber Bescheid wusste und innerhalb dieser in privatem Rahmen darüber diskutiert wurde oder man irgendwie besorgt war. Der Stillstand fand Eingang in die begutachtete Literatur unabhängig von dem, was in den Blogs vor sich ging. Der Terminus wurde kreiert von Robert Carter, einst Professor für Erdwissenschaften an der James Cook University in Australien. Stand er zu jener Zeit außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft?
Die in der Studie proklamierte Behauptung, dass der Stillstand „unvermeidlich verbunden ist mit der konträren Behauptung, dass die globale Erwärmung aufgehört hat“, ist ebenfalls falsch. Die Autoren wollen nicht erkennen, dass die Motivation der meisten Skeptiker, ebenso wie der Wissenschaftler, darin besteht herauszufinden, was wirklich los ist und was mit den atmosphärischen Temperaturen am Boden und in der unteren Troposphäre passiert. Man kann argumentieren, dass dies gute Wissenschaft ist, haben wir doch heute eine sehr unterschiedliche Sichtweise auf dekadische Klimavariationen verglichen mit vor einem Jahrzehnt. Man erinnere sich, man hatte uns gesagt, dass das anthropogene Temperatursignal dominant war. Heute sagt man uns, dass die dekadischen Variationen dominant sind und dass wir noch eine Weile warten müssen, bis das anthropogene Signal wieder auftaucht. Für die Klimawissenschaft ist dies ein fundamentaler Wendepunkt.
Als Beweis für die Schlussfolgerung in der Studie werden 40 begutachtete Studien analysiert, die den Stillstand erwähnen. In der Studie heißt es dazu: „Die Artikel wurden von den Autoren bis zu den Quellen zurück verfolgt mit Hilfe einer Anzahl anderer Forscher und Klimaexperten, die mit der gegenwärtigen Literatur vertraut sind“. Dabei handelt es sich um einen mit seltsamen Methoden selektierten Korpus. Zum Beispiel haben dreizehn von ihnen weder HadCRUT4-, NASA-GISS- oder NSDC-Datensätze verwendet. Die Studie extrahiert die Dauer ebenso wie Beginn und Ende des Stillstands daraus.
Die Linien auf der Karte haben sich von einer Seite zur anderen bewegt
Die Studie stellt fest: „Es gibt keinen allgemein anerkannten ,Stillstand‘ in der wissenschaftlichen Literatur. Punkt!“ Als ob das angesichts der Datenstatistik eine Rolle spielt oder wirklich plausibel ist. Ein oder zwei Jahre ist die beste Genauigkeit, die man bekommen kann, und oft weichen Studien hinsichtlich ihrer Start- und Endpunkte voneinander ab. Fehlende Übereinstimmung für ein bestimmtes Jahr beseitigt die Existenz des Stillstands. Wann begann der Stillstand? Zwei Studien zufolge 1997, zehn nannten 1998, eine sprach von 1999, elf von 2000 und sieben vom Jahr 2001 an. Über die Hälfte der Studien pflegen einen Zeitpunkt zwischen 1998 und 2000 als den Beginn des Stillstands.
Nun ist es sehr interessant zu untersuchen, warum die Autoren gerade jene Daten ausgewählt haben, aber dies sagt uns wenig über die Wissenschaft des Stillstands, wenn man nicht mit den Daten vertraut ist. Lange war anerkannt, dass der Startpunkt 1998 unklug ist, weil 1998 ein Jahr mit einem sehr starken El Nino war. 1999 und 2000 waren La-Nina-Jahre, was einen Startzeitpunkt in diesen Jahren ebenfalls unklug macht. Etwa die Hälfte der für die Studie herangezogenen Arbeiten sind unsicher hinsichtlich Berechnung sowie Dauer und Trends des Stillstands. Bzgl. der anderen Arbeiten legt die Studie zu viel Gewicht auf die vagen Schätzungen hinsichtlich des Start- und Endpunktes des Stillstands.
Die Autoren verglichen die Verteilung von Erwärmungstrends während des Stillstands, wie sie in den von ihnen untersuchten Arbeiten definiert werden, mit der Verteilung aller möglichen Trends, die beobachtet worden waren während der von ihnen so genannten „modernen“ globalen Erwärmung. Sie zeigen jene Trends mit drei verschiedenen Startzeitpunkten. Man beachte, dass keine Fehlergrenzen der Trends angegeben werden, was beachtlich ist, und man beachte auch, dass die Trends gewichtet sind nach ihrer Popularität in der ausgewählten Literatur. Das Hinzufügen angemessener Fehlergrenzen zu den Trends würde diese Graphiken verschmiert haben.
Ihre Graphik zeigt eine graphische Repräsentation der Erwärmungstrends, die aus den verfügbaren Daten zu jener Zeit ersichtlich waren für jeden Blickwinkel zwischen 1984 und 2014. Sie sagen, dass für jeden Blickwinkel die vorhergehenden 17 Jahre immer einen Erwärmungstrend zeigten. Jeder, der die Daten betrachtet, erkennt sofort, dass dies eine triviale Aussage ist. Sie behaupten, dass man vom Jahr 2014 aus 14 Jahren zurückgehen kann ohne einen signifikanten Trend, so dass man zu der Schlussfolgerung kommen könnte, dass diese Studie den Stillstand gefunden hat, obwohl dieser nicht als signifikant eingestuft worden ist. Die Studie sagt: „der Stillstand ist keine außergewöhnliche Fluktuation“ und fügt hinzu: „Der Stillstand war immer da, selbst wenn die Datenbasis gering ist“. Der zweite Punkt ist falsch. Was man zuverlässig aus kleinen Datenmengen ablesen kann, wird bestimmt durch die Fehler darin, die groß sind.
Was mir größere Sorgen macht hinsichtlich dieser Studie ist das Hin- und Herschieben von Beweisen. Zum Beispiel wird festgestellt, dass Zeiträume von mindestens 17 Jahren bekanntermaßen notwendig sind zur Reduktion von Rauschen und zum Auffinden eines Signals. Eine derartig kühne Behauptung zeigt, dass irgendetwas mit der DNA in dieser Studie nicht stimmt. Sie ist eine Referenz an eine sehr bekannte Studie von Santer et al (2011), welche eine Behauptung und keine Tatsache ist, die aber dennoch so behandelt wird, als ob deren Ergebnisse sicher sind. Eine auf einer Behauptung basierende Schlussfolgerung ist nicht das Gleiche wie eine auf Sicherheit basierende Schlussfolgerung.
Habt ihr nicht gehört, dass es eine Schlacht der Worte ist
Tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass im Zentrum der Studie eine Haltung steht wie „wir und sie“. Der Stillstand wird absichtlich mit den Skeptikern [contrarians] in Verbindung gebracht, und es wird behauptet, dass dieser Punkt von außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft gekommen und sich fast wie eine Infektion verbreitet hat. Meiner Ansicht nach war die Entdeckung und Abschätzung des Stillstands einer der größten Triumphe moderner Wissenschaft, und dessen Auftauchen reflektiert, dass sich das wissenschaftliche Verfahren selbst ändert. Dieses „wir und sie“ ändert sich. Die Welt ist voller sehr cleverer Menschen, die oftmals genauso gebildet und erfahren sind wie „professionelle“ Wissenschaftler. Außerdem sind sie häufig in Bereichen bewandert, in denen es viele Klimawissenschaftler nicht sind. Zum ersten Mal haben sie Zugang zu den Journalen und manchmal sogar zu den Rohdaten sowie zu statistischen Methoden und schließlich zur Fähigkeit, ihre Ergebnisse zu verbreiten. Die Wissenschaft ist breiter geworden und steht unter intensiverer Beobachtung als jemals zuvor, und das ist eine historische, wunderbare Sache. Die Entdeckung des Stillstands ist Teil dieser neuen Entwicklung.
Trotz dieser verlogenen Studie ist der Stillstand heute eines der großen Forschungsgebiete im Bereich Klimawandel. Während der letzten paar Monate allein wurden hierzu Studien veröffentlicht in den Journalen American Journal of Climate Change, Geophysical Research Letters, Nature, Nature Climate Change und Climate Dynamics.
Naomi Oreskes wird im Guardian mit einer Aussage zu dieser Studie zitiert. Allerdings unterläuft ihr da ein fundamentaler Fehler. „Lange Zeit haben Klimaskeptiker und Leugner darauf bestanden, dass die globale Erwärmung pausiert, aufgehört oder eine Auszeit genommen hat. Dies könnte man als die normale Skeptiker-Rosinenpickerei abtun – basiert doch vieles davon auf der willkürlichen Wahl des Jahres 1998 als Startpunkt – einem ungewöhnlich warmen Jahr“. Der Effekt von 1998 ist hinsichtlich des Stillstands völlig irrelevant, war es immer, aber es wird weiterhin behauptet.
Und darin liegt die Gefahr, vielleicht unabsichtlich, die durch diese Stillstands-Mythos-Studie beispielhaft gezeigt wird. Es ist die Schlagzeile „Den Stillstand gab es niemals“, die wiederholt werden wird, und Einige werden dies als Faktum akzeptieren, und früher oder später wird irgendjemand sagen, dass diese Studie beweist, dass es den Stillstand nie gegeben hat. Den Rahmen um die Debatte über den Klimawandel stammt oft von Gehorsam gegenüber den Schlagworten, Titeln und Haltungen ohne Nachfrage, dass der Stillstand fraglos widerlegt ist, oder jene Zahl von 97%.
Die Hauptschlussfolgerung, die ich ziehe ist, dass falls man den Stillstand untersuchen will, man auf die Daten selbst schauen muss und nicht auf die Verschwommenheit einer willkürlichen Auswahl von Forschern, mit denen man ein großes Hühnchen zu rupfen hat. Und was die Widerlegung des Stillstands betrifft – hier folgt eine Graphik davon minus des jüngsten starken El Nino. Das Jahr 1998 wird nicht erwähnt:
Link: http://www.thegwpf.com/how-to-get-rid-of-the-warming-pause-again/
Übersetzt von Chris Frey EIKE