Konfrontiert mit zunehmend kostenbewusster werdenden und nervösen Finanzministerien – selbst von China hört man, dass es seine Subventionen kürzt – hat die Erneuerbaren-Industrie während der letzten paar Jahre mit heftigen Beteuerungen reagiert, denen zufolge die bisher geleistete öffentliche Unterstützung (in UK beispielsweise über 20 Milliarden Pfund seit dem Jahr 2002) jetzt erste Ergebnisse zeitigt und dass einige Technologien, besonders Wind und Solar, fast schon im Wettbewerb mithalten können ohne weitere Unterstützung. Man muss nicht extra erwähnen, dass die Industrie eilends hinzufügt, dass sie nicht ganz dazu in der Lage ist und dass Subventionen schon noch etwas länger fließen müssen: Da mihi castitatem et continentiam, sed noli modo. [Für des Lateinischen nicht mächtige Leser: „Schenke mir Keuschheit und Enthaltsamkeit – aber nicht gleich!“ Übersetzung aus Wikipedia {hoffentlich nicht zensiert!} Anm. d. Übers.]
Bei näherer Betrachtung erscheinen die Details von vielen dieser Behauptungen längst nicht mehr so solide. Der viel gerühmte Angebots-Preis [bid price] des dänischen Offshore-Windparks bei Krieger’s Flak, 49 Euro pro MWh, stellt sich lediglich als fragwürdiger Beweis von Kostenreduktionen heraus, da der Park tatsächlich sehr nahe der Küste liegt und weil die Entwickler nicht die Kosten der Verbindung zum Netz und Offshore-Transformatorenstellen einbezogen haben (etwa 500 Millionen Pfund) (hier). Selbst zu diesem niedrigen Angebotspreis (ein Fluch des Gewinners?) wird erwartet, dass die Station während der ersten 15 Jahre etwa 400 Millionen Pfund einstreichen muss, was etwa die Hälfte des Einkommens während jener Zeit ausmacht. Mit anderen Worten, dieses Projekt ist eine nahe der Küste gelegene Stelle, einfach zu errichten, hat große Kosteneinsparungen infolge der Subventionen für die Netzanbindung, braucht aber trotzdem erhebliche Unterstützung, um sie existenzfähig zu machen. Kaum so etwas wie eine Revolution.
Selbst Jahresabschlüsse, die als besonnen [sober] angesehen werden können, wie etwa die folgende Graphik aus dem im vorigen Monat veröffentlichten Energy Outlook 2017 von BP, scheinen bei detaillierter Prüfung etwas zu zeigen, das inkompatibel mit ihren Schlagwörtern ist:
Als eine visuelle Graphik lenkt diese Darstellung den Betrachter eindeutig zu der Schlussfolgerung, dass fossil erzeugter Strom immer teurer wird, wobei die roten und schwarzen Balken Kohle und Gas repräsentieren, die stetig über die gesamte Abbildung steigen, während Erneuerbare viel billiger werden. Folglich ist das Wachstum im Sektor der Erneuerbaren implizit spontan und resultiert aus „zunehmender Wettbewerbsfähigkeit“, wie die Graphik suggeriert. Auf den ersten Blick würden man denken, dass neue Kohle- und Gaskraftwerke bis Mitte der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts sehr unwahrscheinlich auf rein ökonomischen Grundlagen stehen.
Allerdings müssen die Anmerkungen zu dieser Graphik berücksichtigt werden. Erstens, der Indizierung zufolge handelt es sich hier um Durchschnittskosten [Levelised Costs] über die gesamte Lebensdauer des Kraftwerkes, eine Tatsache, welche den misstrauischen Leser daran erinnern soll, dass die ökonomische Lebensdauer konventioneller Generatoren gut verstanden ist, während dies für Erneuerbare nicht der Fall ist und diese wirklich kontrovers sind. BP schreibt hier nichts von seiner Hypothese, aber wahrscheinlich handelt es sich um den fragwürdigen Industriestandard in zwanzig Jahren und noch weiter voraus. (Die Subventionen für Krieger’s Flak sind jedoch auf 15 Jahre ausgelegt, was eine bessere Annäherung an die Wahrheit ist).
Zweitens und eher ungewöhnlich sind die „Kostenschätzungen der Systemintegrationskosten“ für Wind und Solar. Das ist ein wichtiger Punkt und aufrichtig zu begrüßen, aber auf der anschließenden Seite bemerken die Autoren von BP, dass die Systemkosten für die bis 2035 projizierten Penetrationsgrade [Anteile der EE an der Energieversorgung] wahrscheinlich relativ niedrig sind. Wer mit den Kosten der Versorgungsnetz-Erweiterung vertraut ist und bei niedrigem Lastfaktor [tatsächlich gelieferte Energie der EE] eine nahezu unveränderte konventionelle Kraftwerkskette zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit kennt, wird das etwas unplausibel finden. Die Kosten sind bereits jetzt nicht unbedeutend, aber bis 2035 sind sie wahrscheinlich sehr hoch].
[Dieser Absatz ist nur für Energiefachleute verständlich. Ich möchte mich bei meinem Übersetzer-Kollegen Herrn Andreas Demmig bedanken, der mir als Fachmann bei derÜbersetzung zu Hilfe gekommen ist. Anm. d. Übers.]
Also scheint der Lack schon bei geringem Kratzen an der Oberfläche der in dieser Darstellung projizierten Preisrückgänge für Erneuerbare abzugehen – mit Sicherheit genug, um sich zu fragen, ob die Gesamtkosten für die Verbraucher von Solarstrom in Nordamerika wirklich von 85 Dollar pro MWh im Jahr 2015 auf 55 Dollar pro MWh im Jahre 2035 zurückgehen. Angesichts dessen, dass die billigsten Stellen bereits entwickelt worden sind und die Systemkosten steil steigen mit zunehmender Penetration, scheint dies ziemlich unwahrscheinlich.
Die Zahlen für die fossilen Treibstoffe stellen sich als noch bemerkenswerter heraus. Oben merken die BP-Autoren an, dass sie einen Kohlenstoffpreis „mittlerer Lebensdauer“ von 20 Dollar pro Tonne CO2 abgeschätzt haben, 40 Dollar im Jahre 2025 und 60 Dollar in 2035. Hat man die Emissionen pro Megawattstunde aus Gasturbinen und Kohlestationen im Kopf, kann man berechnen, welche Proportionen der dargestellten Preise in den BP-Projektionen sich ergeben aus der Kohlenstoff-Besteuerung und welche aus technologischen Grundlagen und dem Treibstoffpreis.
Aus der Graphik können wir ablesen, dass der BP-Schätzung zufolge die Strompreise aus neu gebauten Gasturbinen in Nordamerika im Jahre 2015 in der Bandbreite zwischen 32 und 56 Dollar pro MWh lagen. Unter der Annahme, dass BP einen Emissionsfaktor von 0,35 Tonnen emittierten CO2 pro MWh (hier) ansetzt, ergibt dies eine Kohlenstoffsteuer von etwa 7 Dollar pro MWh, was bedeutet, dass die Bandbreite der Preise etwa 25 bis 49 Dollar pro MWh beträgt. Im billigsten Fall ist dies viel weniger als bei jeder anderen Treibstoff-Technologie, und selbst im teuersten Fall ist es immer noch billiger als die mittlere Bandbreite von Wind un d Solar.
Im Jahre 2035 steigen die Preise für Gasturbinen in Nordamerika auf 43 bis 68 Dollar pro MWh, einschließlich einer Kohlenstoffsteuer von 60 Dollar pro Tonne emittierten CO2. Die Emissionen pro MWh einer neu errichteten Combined Cycle Gas Turbine in jenem Jahr sind ungewiss, aber eine gewisse Verbesserung kann erwartet werden, und BP muss das zugestanden werden. Bleiben wir mal auf der konservativen Seite und nehmen an, dass es lediglich eine moderate Verbesserung der thermischen Effizienz gibt und die Emissionen auf auf etwa 0,3 Tonnen emittierten CO2 pro MWh zurückgehen. Dies würde eine Kohlenstoff-Steuerlast ergeben von etwa 18 Dollar pro MWh. Man subtrahiere das von dem projizierten Preis, und die Bandbreite im Jahre 2035 fällt auf 25 bis 49 Dollar pro MWh, was identisch ist mit den fundamentalen Kosten im Jahre 2015 und deutlich unter den Kosten sowohl von Solar- als auch von Windstrom liegt.
Führt man die gleiche grobe Berechnung für Schätzungen des Kohlepreises durch unter der Annahme, dass BP Emissionen von etwa 0,74 Tonnen emittierten CO2 pro MWh für die gegenwärtige super-kritische [?] Kohle ansetzt und 0,67 Tonnen emittierten CO2 pro MWh bei zukünftiger verbesserter superkritischer Kohle [?] [0.74 tCO2e/MWh for current super-critical coal and 0.67 tCO2e/MWh for future advanced supercritical coal], dann zeigt sich das überraschende Ergebnis, dass der in der BP-Graphik geschätzte Kohlenstoffpreis einen signifikanten Rückgang des Preises der Kohle-Erzeugung maskiert. Die Preise im Jahre 2015 lagen zwischen 48 Dollar pro MWh und 73 Dollar pro MWh ohne Kohlenstoffsteuer (15 Dollar pro MWh), während die Preise im Jahre 2035 zwischen 45 Dollar pro MWh und 59 Dollar pro MWh liegen ohne Kohlenstoffsteuer (40 Dollar pro MWh). Derartige Preise machen die Kohle auch im Jahre 2035 wettbewerbsfähig gegenüber Wind und Solar.
Mit anderen Worten, praktisch die gesamte Steigerung der in der BP-Graphik präsentierten Kosten der Kohle- und Gaserzeugung ist das Ergebnis von Kohlenstoff-Besteuerung, nicht von technologischen und Treibstoff-Grundlagen. Eine Graphik, die vordergründig einen stetigen Triumph von Erneuerbaren sogar über die billigsten fossilen Treibstoffe zeigen, zeigt jetzt, dass Strom aus Gas- und sogar aus Kohlekraftwerken wahrscheinlich noch viele Jahrzehnte lang fundamental billig bleiben wird, und dass Erneuerbare nur unter optimistischen Annahmen hinsichtlich Kostensenkungen wettbewerbsfähig werden sowie mit einer willkürlichen und politisch angreifbaren Zwangsabgabe für fossile Treibstoffe in Gestalt einer Kohlenstoffsteuer.
Ich habe nicht den Wunsch, ausschließlich BP einer Einzelkritik zu unterziehen. Darstellungen wie diese werden hundertfach von Unternehmen und Regierungen in der ganze Welt gezeigt. Dies ist Gruppendenken im größten Maßstab. Natürlich glauben dies nicht alle. Mr. Trump hat ambitionierte Pläne einer Re-Militarisierung der USA, zusammen mit einer Agenda niedriger Steuern und Reduktionen bei öffentlichen Ausgaben. Billige fossile Treibstoffe wie jene implizit in der BP-Studie werden diesen Kreis nicht nur quadrieren, sondern werden es dem Präsidenten auch erlauben, gegenüber den Bergarbeitern und Produktions-Mitarbeitern Wort zu halten, welche ihn ins Amt wählten. Der Outlook mag ziemlich konfus daherkommen, aber die Aussichten sind für jedermann klar erkennbar.
Link: http://www.thegwpf.com/the-future-of-fossil-fuels-dark-or-bright/
Übersetzt von Chris Frey EIKE