Kein Diesel für Berlin – SCHLIMMER GEHT IMMER

Von außen sieht man es einem Auto nicht an, welche Abgasnormen es erfüllt. Da hilft nur Kontrolle jedes einzelnen Autos mit Blick auf den Fahrzeugschein. Wobei: in Berlin gelingt es ja nicht einmal, absolute Halteverbote durchzusetzen. Es kommen lustige Zeiten auf uns zu.

Das war abzusehen: Auch in Berlin hat jetzt das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Berliner nur gerettet werden können, in dem Fahrverbote ausgesprochen werden. Wichtige Straßen wie unter anderem die Leipziger Straße und die Friedrichstraße im Zentrum sollen teilweise gesperrt werden.

Der links-grüne Senat muss bis zum 31. März 2019 einen verschärften Luftreinhalteplan ausarbeiten und die entsprechenden Vorschriften erlassen. Ebenso muss er die Ausnahmen für Fahrzeuge von Krankentransporten, Anwohnern und Handwerkern bestimmen. Für mindestens elf Straßenabschnitte müssen dann Fahrverbote bis Ende Juni 2019 gelten. Erst mit diesen Fahrverboten, so fantasieren die Richter, werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid eingehalten. Noch ist die Begründung nicht veröffentlicht, aus den Meldungen bisher geht nicht hervor, ob und wie das Verwaltungsgericht die Bedingung der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt hat. Das hat Anfang dieses Jahres der Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig mit in sein aufsehenerregendes Urteil hineingeschrieben, nachdem Fahrverbote vom Prinzip her zulässig sind.

Die liegen laut Umweltbundesamt in Berlin bei 49 µg Stick-stoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Im Jahresmittel sollen es laut EU Vorschrift 40 µg/Kubikmeter Luft sein. Amerikaner sind robuster: Hier sind 100 µg/Kubikmeter Luft erlaubt, in der Schweiz 80 µg/ Kubikmeter Luft, also das Doppelte wie auf unseren Straßen.

Am Arbeitsplatz dürfen Arbeitende über 8 Stunden lang über einen kompletten Arbeitstag Belastungen von 950 µg/Kubikmeter Luft ausgesetzt sein, beim Kochen in der Küche mit einem Gasherd können schnell einmal 4.000 µg pro entstehen. Berliner sind also gut beraten, in der Küche nicht mehr mit Gas zu kochen und im Winter die Heizungen abzustellen, wenn sie wirklich die Welt und ihr Klima retten wollen. Kerzen übrigens produzieren ein Vielfaches an NO2 als Dieselfahrzeuge – weg damit.Das Erstaunliche: immer noch gelingt es den Ökotruppen, der Bevölkerung weiszumachen, Stickoxide in jenen extrem geringen Konzentrationen vergiften Menschen. Machen wir uns nichts vor, es geht längst nicht mehr um saubere Luft oder gar die Gesundheit. Die ist weder durch die niedrigen Stickoxidkonzentrationen in den Städten nahe den natürlichen Konzentrationen noch durch Feinstaub gefährdet. Es geht darum, das Standbein der Bundesrepublik Deutschland zu zerstören, die Automobilindustrie. Der Plan ist, die individuelle Mobilität einzuschränken. Fahrverbote in einzelnen Städte sind nur Bausteine auf diesem Weg.

Als nächstes steht die neue EU-Forderung nach der nächsten drastischen Senkung von Autoabgasen auf dem Plan. Diesmal geht es um das CO2, das stufenweise immer weiter gesenkt werden soll, bis auch das letzte moderne Auto nicht mehr fahren dürfen soll. Jüngster Beschluss des EU-Parlaments: den CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren. Der verkehrspolitische Sprecher der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Ismail Ertug, schwindelt zur Begründung, damit könne das Klima geschützt werden, gleichzeitig könnten aber auch Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Europa behalten werden. Die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sind dann von Sozialdemokraten und Grünen zerstört, denn von reiner Luft und Liebe bewegt sich bisher noch kein Auto. Für den Antrieb muss nun einmal Energie aufgewendet werden, dabei entstehen immer Abfallprodukte.Dahinter stehen dann schon die Truppen in der EU bereit, die Pläne zur Umgestaltung Deutschlands ausarbeiten. Miriam Dalli, die Berichterstatterin des Umweltausschusses schreibt: »Es ist von entscheidender Bedeutung, die unweigerlich zu erwartenden sozialen Auswirkungen des Übergangs zu geringen CO2-Emissionen in der Automobilindustrie zu berücksichtigen und beim Umgang mit den unvermeidlichen Auswirkungen auf Arbeitsplätze, die sich in bestimmten am stärksten betroffenen Regionen besonders bemerkbar machen werden, proaktiv vorzugehen.«

Vielflieger Jürgen Resch und seine Ökoputztruppe Deutsche Umwelthilfe (DUH) wollten in einem Anfall von Größenwahn eigentlich den kompletten S-Ring sperren lassen. Das machte das Verwaltungsgericht noch nicht mit. Betroffen sind jetzt einige neuralgische Punkte. Jetzt werden sich Autofahrer Schleichwege durch Seitenstraßen suchen. Betroffenen Autofahrern bleibt nichts anderes übrig, sich von dieser Bauernfängerei nicht beeindrucken zu lassen und weiter zu fahren, den Wahnsinn nicht zu akzeptieren und gegen Fahrverbote zu klagen. Sie haben ordentlich zugelassene Autos erworben, die die zum Zeitpunkt der Zulassung gültigen Regeln erfüllten.Gespannt darf man sein, was die Verwaltungsrichter sagen, wenn in solchen Verfahren die Messstellen genauer unter die Lupe genommen werden. Die sind nur in Deutschland so aufgestellt, dass sie die schlechtest möglichen Werte liefern. So kann man politisch den Individualverkehr am gründlichsten zerstören. In anderen EU-Ländern will man das eher nicht.

Von Fahrverboten betroffen sollen zunächst nur Diesel nach den Normen Euro 1 bis 5. Allerdings: auch die Benziner stehen als nächstes an. Der Abmahnverein DUH verdient einfach zu gut an Umweltpanik. Von außen sieht man es einem Auto nicht an, welche Abgasnormen es erfüllt. Da hilft nur individuelle Kontrolle jedes einzelnen Autos mit Blick auf den Fahrzeugschein. Wobei: in Berlin gelingt es ja nicht einmal, absolute Halteverbote durchzusetzen. Es kommen lustige Zeiten auf uns zu.

Der Beitrag erschien zuerst bei TICHYS Einblick hier


 




Der letzte Tag, an dem die Klimatologie noch eine Wissenschaft war

Einführung

Helmut Jäger 

Sir John Houghton, Vorsitzender der Konferenz der IPCC-Arbeitsgruppe I (Madrid, Nov. 1995) schrieb 2008 in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift Nature, dass diese Konferenz die Welt veränderte: „… ohne sie gäbe es heute kein Kyoto-Protokoll“. Houghton erinnert sich, wie es zu der entscheidenden Feststellung im „Zweiten Zustandsbericht des IPCC – SAR“ gekommen sei, dass der Mensch den Klimawandel verursache. Nach Meinung von Nature hätte damals die Wissenschaft obsiegt (Nature, vol455, 9Oct08).

Korrumpiert wurde sie damals, die Wissenschaft, meint dagegen der australische Autor Bernie Lewin. Für ihn war die Konferenz in Madrid 1995 der Tag, an dem sich die Klimatologie dem gemeinsamen amerikanischen, englischen und kanadischen Regierungsdruck unterwarf und damit ihre Wissenschaftlichkeit opferte. Diese Willfährigkeit gegenüber der Politik wirkt bis heute fort. Der englische Umweltpolitiker Sir John Houghton und der amerikanische Klimatologe Ben Santer spielten dabei eine besondere Rolle. Der Australier Bernie Lewin beschreibt die Vorkommnisse. Lassen wir ihn zu Wort kommen.
[Der Originalartikel entstammt einer Reihe von vier Artikeln zum Thema und ist leicht gekürzt und geringfügig zum besseren Verständnis für deutschsprachige Leser überareitet.
Einfügungen der Übersetzer in eckigen Klammern. Internet-Links auf die übrigen Artikel am Ende.]

Madrid 95: Der letzte Tag, an dem die Klimatologie noch Wissenschaft war

Von Bernie Lewin

Ben Santer in Madrid

Ben Santer kam im Spätherbst 1995 in Madrid an. Da wusste er noch nicht, dass diese Konferenz sein Leben entscheidend verändern würde.

Er war ehrgeizig, ein aufsteigender Stern am Himmel der Klimamodellierer. Er hatte sich schon einen Namen gemacht. Gerade war er 40 geworden und wurde nun maßgeblich mit der Überarbeitung eines Schlüsselkapitels des IPCC Second Assessment Report beauftragt. Erst spät hatte ihn John Houghton, Sitzungsleiter in Madrid, um die Übernahme dieser Aufgabe gebeten, nachdem andere wohlbestallte Wissenschaftler abgelehnt hatten. Vielleicht ahnten sie, was sich da zusammenbraute. Denn es sollte dann auch Santers Schicksal werden, dass auf ihn eine große historische Last als Leitautor dieses Kapitels zukommen würde. Als er damit fertig war, als Houghton nach einigen Tagen den Schlussentwurf erhalten hatte, würde die Klimatologie nie mehr so sein wie früher.
Nach langem Kampf hatten sich die Jünger der Wissenschaft den überstarken Kräften der Politik ergeben. Und bald würden sie völlig und unwiderruflich darin verstrickt sein.

Die Geschichte von Santers späten Änderungen am Kapitel 8 des Berichts der Arbeitsgruppe I ist durch die skeptischen Darstellungen der Klimawandel-Kontroverse bekannt geworden. (Siehe hier und hier und hier in einem nicht skeptischen Bericht).
Die Geschichte wird aber oft von anderen Ereignissen überschattet, und ihr wird nicht die gleiche Bedeutung gegeben, wie z. B. Hansens schweißtriefender Kongress-Anhörung 1988, oder wie es zur Entstehung des IPCC kam, oder der Hockeyschläger-Kontroverse. Wenn man aber mit dem Maßstab des Einflusses auf die Wissenschaft misst, dann steht die Madrider Konferenz von 1995 unangefochten an der Spitze.

Der letzte Tag der Konferenz

Der Vormittag des letzten Tages war schon weit fortgeschritten, als der Abschnitt „Detection and Attribution“ (D&A) [Aufdeckung und Verursachung] in der „Summary for Policymakers“ im Madrider Plenum durchgesprochen wurde. Der vorgelegte Text war das Ergebnis intensiver Diskussionen in einem ad hoc-Ausschusses, der am ersten Tag der Konferenz eingerichtet worden war, unmittelbar nach den lauten Reaktionen auf Ben Santers Präsentation der Ergebnisse der [damals] neuesten ‚Fingerabdruck‘-Studien. Der [zuvor abgestimmte] D&A-Teil schien nun veraltet und überarbeitungsbedürftig …
(Am ersten Tag von Madrid waren noch weiter Ausschüsse gebildet worden, aber keiner führte zu einer solchen Kontroverse im Plenum)

Es gibt verschiedene Darstellungen über den Verlauf des letzten Tages, wir folgen weitgehend dem Bericht der australischen Delegation wegen seines ungewöhnlichen Blickwinkels:

Dr. Al-Sabban von der saudischen Delegation schlug vor, im Plenum den exakten Text der eingereichten [alten] „Concluding Summary“ (von Kapitel 8) zu besprechen. Dr. Santer wies Dr. Al-Sabbans Forderung zurück, der darauf beharrt hatte, dass die vorgelegte [neue] Fassung „keine stimmige Zusammenfassung der Wissenschaft sei“.

Daraufhin bat Dr. Al-Sabban den Vorsitzenden (Houghton) um eine Entscheidung, weil die IPCC-Prozeduren doch vorschrieben, dass die ‚Summary for Policymakers‘ zusammen mit dem zugrunde liegenden wissenschaftlichen Kapitel übereinstimmen müsste. Sir John Houghton entschied, es ginge in Ordnung, wenn auch die zugrunde liegenden Kapitel geändert würden, um sie in Übereinstimmung mit der von der ad hoc Gruppe erarbeiteten [neuen] Erkenntnisse zu bringen. Er wurde von Professor Bolin (IPCC-Vorsitzender) unterstützt. Dr. Al-Sabban protestierte: Während der vergangenen sechs Jahre seiner Tätigkeit im IPCC wäre ihm viele Male verweigert worden, Texte in die ‚Summaries‘ einzufügen, wenn diese nicht auf den zugrunde liegenden Kapiteln basierten. Dem hätte er sich immer gebeugt, aber nun glaube er, würde diese grundlegende Regel verändert.

Santer ereiferte sich. Der Druck auf eine stärkere und durchgängigere Botschaft von einer vom Menschen herbeigeführten Verursachung [des Klimawandels] hatte 2 Tage vorher mit Houghtons Ankündigung der Änderung der Agenda begonnen. Nun geriet diese Absicht in Gefahr. Die Auseinandersetzung barg moralische Probleme [der Integrität] für alle Wissenschaftler auf dem Podium.

Druckaufbau, um das Urteil von der „menschlichen Verursachung“ herbeizuführen

Die alte ‚Concluding Summary‘ von Kapitel 8 war schlüssig und skeptisch, hauptsächlich wegen des Einflusses einer durchweg skeptischen noch unveröffentlichten Studie von Barnett et al., bei welcher Santer ebenfalls Ko-Autor war.

Und so befinden wir uns in einer übernationalen Plenardebatte, deren Teilnehmer einen Konsens bei der Formulierung der ‚Summary for Policymakers‘ finden müssen. Und der Vorsitzende des Plenums entpuppt sich als Komplize eines Leitautors bei dessen Bemühen, die Schlussfolgerungen eines Kapitels zu verwerfen, die in einem [abgeschlossenen] Arbeits- und Begutachtungsprozess von IPCC-Experten erarbeitet worden waren.

Der Vorsitzende Houghton rechtfertigte diese außerordentliche Vorgehensweise mit dem Auftauchen wichtiger neuer Beweise. Diese waren aber nicht neu: Das Muster der ‚vertikalen‘ Verteilung der Korrelationsergebnisse war bereits auf einer Plenarsitzung der Kapitel-Autoren in Asheville im vorhergehenden Juli präsentiert worden. Die Ergebnisse waren in das Kapitel eingearbeitet worden, zusammen mit anderen kürzlich gefundenen ‚Fingerabdrücken‘ von CO2+Sulfaten. Und diesen Sachverhalten war eine erhöhte Bedeutung durch die Erwähnung in der Kapiteleinführung beigemessen geworden.
In Kommentaren, die bereits in Asheville auf dem Tisch lagen, hatte die US-Regierung eine noch stärkere Berücksichtigung der Auswirkungen von CO2+Sulfaten bei der Frage nach der Verursachung gefordert. Und schon in Asheville [wollte die US-Regierung] diese ganz neuen Erkenntnisse in der gleichen Weise behandelt sehen, wie später in Madrid: als Mittel zur Verstärkung einer durchgängigen Botschaft hinsichtlich der Verursachung [durch den Menschen]. Das Problem war nur, dass es Widerstand dagegen gab und dies im Madrider Entwurf (18. April 1995) nur unvollständig berücksichtigt war. Daher sollte der Druck in Madrid fortgesetzt werden. Das große Hindernis war die skeptisch formulierte ‚Concluding Summary‘.

Eine Bresche war bereits zuvor [in Asheville] mit einer Aussage zur Verursachung im Entwurf des Kapitels 8 (19. April 1995) geschlagen worden. In einer früheren Kapitel-Einführung hatte es noch geheißen:

Ein Muster von Klima-Reaktionen auf menschliche Aktivitäten ist in den Klimaaufzeichnungen erkennbar (SAR-Entwurf April 95).

Die Aussage stand aber in einem Kontext von Vorbehalten, die sie anzweifelten.

In Asheville war eine neue Einführung entstanden mit starker Betonung auf die CO2+Sulphate-Muster-Studien, dazu war ein neues Gesamturteil zur Verursachung gekommen:

Insgesamt deuten die Ergebnisse auf einen menschlichen Einfluss auf das Klima hin.

Und das spiegelte sich so als Gesamturteil im Entwurf der ‘Summary for Policymakers’:

Insgesamt deuten die Ergebnisse auf einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima hin.

Doch dieses Urteil stach abrupt hervor, und es stand auf den wackligen Beinen von nur zwei kurze Sätzen mit Verweisen auf neue Studien über Verteilungsmuster. (Wegen der schwachen Beweislage also, sollte die ad hoc D&A-Arbeitsgruppe in Madrid die Begründung vertiefen und verstärken).
In Asheville hatte es zur Frage der menschlichen Verursachung eine heiße Debatte gegeben, die Aufrechterhaltung der Behauptung blieb heikel, vor allem angesichts der schlüssigen Kritik an einer derartigen Schlussfolgerung, die bereits aus dem Barnett et al. Papier eingearbeitet worden war.

Aus den intensiven Debatten in Asheville über die Verursachung wurden bisher nur wenige Details bekannt. Ein Hinweis, wie es dort zugegangen ist, kam mit dem Ausbruch der [späteren] Kontroverse im folgenden Frühling. Als Antwort auf den Vorwurf, dass er die gesamte ‚Concluding Summary’ herausgeschnitten hätte, erinnerte Santer seine Mitautoren:

…Ich habe in Sigtuna, Brighton und Asheville hart gekämpft, um Abschnitte über Signale und Rausch-Ungewissheiten in das Kapitel 8 einzufügen (3. Juni und nochmals am 12. Juni; Hervorhebung von Santer)

Die Global Climate Coalition bezeichnete das als nicht zu überbietende Ironie. Auf diese Kritik und als Antwort auf eine in Santers Augen persönliche Attacke auf ihn von Fred Seitz [im Wallstreet Journal], der ihn als den verantwortlichen Autor nennt, hatte Santer den Ball aufgenommen und betont, dass er es ja gewesen wäre, der um die Aufnahme der Signal- und Rausch-Ungewissheiten in das Kapitel 8 gekämpft hätte. Santer:

„Im Endeffekt werde ich als Wissenschaftler herausgepickt und aufs Korn genommen”.

Das ist eine schlüssige Beweisführung, weil Santer in beiden Fällen den Vorwurf der Ironie auf die bei den drei Treffen der Kapitelautoren teilnehmenden Wissenschaftler umlenkt, die es ja besser wissen müssten, wenn es nicht so gewesen wäre.

Zieht man den nordamerikanischen Sinn des Wortes ‚Ironie‘ heran, so scheint Santer zu behaupten, ihn verantwortlich zu machen, widerspräche den Fakten, sei irreführend und unfair. Unfair sei, es ihn ausbaden zu lassen, wo er es doch gewesen wäre, der immer wieder die Beibehaltung der außerordentlich ausführlichen Ausarbeitungen der Ungewissheiten in den Abschnitten 8.2 und 8.3 verteidigt hätte – Ausarbeitungen, die die skeptische Schlussfolgerung zeigten und rechtfertigten. Eine frühzeitige Entfernung dieser Abschnitte (vor allem vor Asheville) hätte es sehr erleichtert, die vielen verschiedenen skeptischen Urteile bei der nachfolgenden Darstellung der Beweise zu entfernen, und die skeptische Schlussfolgerung im Ganzen. Dass sie beibehalten worden wäre, worauf Santer bestand, hätte nach dem vollen Erfolg des Drucks in Madrid doch bedeutet, dass er [Santer] hinterher mit der mühevollen Aufgabe belastet gewesen wäre, alle Ungewissheiten als Vorbehalte gegen die positive Schlussfolgerung umzuschreiben und die skeptische Zusammenfassung zu ersetzen. Und seine Belohnung für all das? Er würde ‚herausgepickt‘.

Vielleicht lag es mit an Santers Widerstand, dass die Version des Kapitels, die an die Delegationen wie gefordert sechs Wochen vor Madrid (9. Oktober 1995) verteilt worden war, inkonsistent mit seiner eigenen Einführung und mit der ‚Summary for Policymakers’ in diesem äußerst strittigen Punkt war. Obwohl die Kapitel zu diesem Zeitpunkt in der Endfassung hätten vorliegen sollen, wurde die Inkonsistenz in den Kommentaren der US-Regierung angemerkt, die ‚Summary’ aber für richtig und schlüssig erklärt. Daher forderten die USA (und deren Verbündete) diese Inkonsistenz in Madrid aufzulösen.

Die Saudis (und deren Verbündete) aber wollten das Ganze auf den ursprünglichen Skeptizismus zurückdrehen. Die Saudis wollten die schwache und unklare Formulierung ‚deutet auf … hin‘ in der neuen Einführung belassen, und die ‚Concluding Summary’ würde in die ‚Summary for Policymakers’ eingehen, die jetzt abzustimmen war.

Die USA dagegen wollten inhaltliche Änderungen an vielen Stellen und in jedem Abschnitt des Kapitels. Am Schwierigsten würde es werden, den Skeptizismus zu beseitigen, der sich wie ein roter Faden durch die gesamten Schlussfolgerungen zog.

Keine Allianz zur Verteidigung der letzten Bastion der Wissenschaftlichkeit

Und damit sind wir wieder beim letzten Vormittag in Madrid, an dem Santer den neuen, stärkeren D&A-Entwurf präsentierte, als Al-Sabban aufstand und vorschlug, zur [ursprünglichen] Schlussfolgerung des Kapitels zurückzukehren, worauf Santer aus der Haut gefahren war.

Al-Sabban war persönlich zur Gruppe bei der Überarbeitung des Entwurfes eingeladen gewesen. Warum hat er nicht teilgenommen hätte, wenn dies für ihn so wichtig wäre? fragte Santer. Nach einem weiteren erbitterten Wortgefecht bat Al-Sabban um eine Entscheidung des Vorsitzenden.

Houghton stellte sich fest hinter den Leitautor des Kapitels und gab sein Einverständnis, dass dieses supranationale Plenum die Kompetenz hätte, den Beurteilungs- und Begutachtungsprozess zu übersteuern, wenn die Leitautoren zustimmten. Unter den außergewöhnlichen Umständen neuer Beweise müssten die Schlussfolgerungen der ‘Summary for Policymakers’ nicht mehr von den unterliegenden Kapiteln abgeleitet werden. Der ebenfalls anwesende damalige IPCC-Vorsitzende Bert Bolin [auch IPCC-Gründungsmitglied] segnete Houghtons Vorgehen ab. Al-Sabban formulierte dann einen Protest: Grundregeln die zuvor gegen seine Vorschläge angewandt worden wären, schienen nun geändert worden zu sein.

Nun bewegten sich die amerikanische, die englische und die kanadische Delegation sehr rasch und machten klar, dass sie weder die alten Schlussfolgerungen des Kapitels 8 akzeptieren würden, noch wollten sie auf den Text der von den Wissenschaftlern in Ashville vorbereiteten ‚Summary‘ zurückfallen. Tatsächlich hatten die Amerikaner, Engländer und Kanadier in der Arbeitsgruppe eine noch stärkere Position bezogen, als im nun abgestimmten Endkompromiß. Als dieser Kompromiß erneut gefährdert war, drängten sie in der Plenarsitzung auf einen noch deutlicheren Text.

Jeder Teilnehmer wußte genau, dass viel auf dem Spiel stand, und daher ging der Kampf an diesem letzten Morgen erst richtig los. Die Kanadier meinten, die neuen Beweise vom „Fingerabdruck“ wären einfach „überwältigend“. Der kenianische Delegierte, zuvor auf der Seite von Al-Sabban, beteiligte sich an der Diskussion und wurde auf die andere Seite gezogen. Der Druck kippte das gesamte Auditorium. Der scheinbar einzig verbliebene Widerständler war der mit entnervender Höflichkeit auf einen Konsens drängende Dr. Mohammed Al-Sabban.

Ungeachtet dessen, was Sie vielleicht gehört haben, war er nicht der Einzige. Nur Wenigen ist bekannt, dass es noch einen anderen Delegierten gab, der sich wehrte. Es war der Leiter der australischen Delegation, John Zillman.

Rolle des australischen Delegationsleiters John Zillman

Zillman, Leiter des Australischen Wetterdienstes seit 1978, war zusammen mit Bolin und Houghton bei den internationalen Verhandlungen von Anfang an dabei. Er war dabei, als die Vorstellung vom politisch-wissenschaftlichen Beinflussungsapparat erfunden wurde. Er bemerkte den sich entwickelnden Alarmismus seit der Konferenz in Villach (1985), der auch von Hansen (1988) und in großem Ausmaß in den späten 1980er Jahren verbreitet wurde.
Er machte sich immer mehr wegen der Integrität der Wissenschaft Sorgen und wegen der Bereitschaft von Regierungen (besonders der USA), denjenigen Wissenschaftlern zu vertrauen, die mit extremen Meinungen unangemessene Aufmerksamkeit fanden.
Er wünschte sich eine regierungsamtliche nüchterne wissenschaftlich fundierte Einschätzung, und er glaubte, dass dies im IPCC-Verfahren gesichert wäre.

An diesem letzten Tag in Madrid allerdings muss man fragen, ob Zillmann der einzige Klimawissenschaftler im Auditorium war, der das sich abzeichnende Gespenst eines Faustischen Pakts wahrnahm?  Houghtons Entscheidung bedeutete, dass die Integrität des wissenschaftlichen Verfahrens aufgegeben würde und nur noch dazu benutzt würde, mit schwer erkämpfter Glaubwürdigkeit politische Ziele durchzusetzen – wie ehrenhaft solche Ziele auch sein mochten. Wenn es Andere gegeben hat, die darüber alarmiert waren, wie die Einwände der Saudis behandelt wurden, dann haben sie geschwiegen, keine weitere Stimme erhob sich.

Am Ende war Australien im Zustimmungsverfahren mit der Überarbeitung einverstanden, aber erst nachdem zwei Einwände protokolliert worden waren. Im ersten ging es darum, wie die Integrität im wissenschaftlich-politischen Verfahren zu wahren wäre:

Wir sind über die Entscheidung des Vorsitzenden überrascht wie auch von Dr. Santers Vorschlag, dass das betreffende Kapitel nicht als beste Quelle für die gegenwärtige wissenschaftliche Erkenntnis dienen soll.

Australiens Einspruch unterstützte nicht nur das IPCC-Verfahren, es unterstützte auch die wissenschaftliche Urteilsfähigkeit des IPCC: Australien bezog eine Position zur Unterstützung einer wissenschaftlichen Erkenntnis, die durch eine Regelverletzung gekippt werden sollte.

Australiens Verteidigung der wissenschaftlichen Urteilsfähigkeit des IPCC war in der D&A Arbeitsgruppe bekannt. Denn dort saß ein australischer Delegierter (Als Zillman 2012 befragt wurde, konnte er sich nicht erinnern, dies selbst gewesen zu sein, aber der Bericht der Delegation bestätigt es). Gegen den Druck seiner englischsprachigen Verbündeten, drückte Australien seine Bedenken aus, dass …

…die Erwärmung dieses Jahrhunderts immer noch etwa von gleicher Größenordnung ist (in anderen Abschnitten des Berichts wird sie auch möglicherweise geringer genannt) wie die natürliche Variabilität, die sich in den Beobachtungen der vergangenen 600 Jahre zeigt.

Das heißt, Australien blieb bei seinen Bedenken wegen der Aussage, wir hätten den Maßstab der natürlichen Variabilität verlassen, trotz aller jüngster Belege mit “Fingerabdrücken”, die gerade in Madrid vorgestellt wurden.
Und da sind wir wieder bei all den gleichen Bedenken, die immer wieder in der langen Geschichte der Zweifel an der anthropogenen Verursachung geäußert worden sind, zurück bis zu Wigley im ersten IPCC-Zustandsbericht, sogar zurück bis 1938, als Callendar zum ersten Mal die Möglichkeit einer menschliche Verursachung der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit empfahl. Entgegen dem unveröffentlichten Papier von Barnett et al. mit der Aussage, dass wir noch nicht wüßten, was die natürliche Variabilität sei, sagte Australien in Madrid, dass überall da, wo natürliche Variabilität bekannt geworden wäre, die neuen Belege nicht zeigten, dass wir darüber hinaus wären.

Australien Unterstützung für die Wissenschaftlichkeit im IPCC-Zustandsbericht wurde in zweites Mal deutlich, nachdem Santer den neuen D&A-Entwurf präsentiert hatte, nach Al-Sabbens Widerspruch, und nachdem sich der Vorsitzende und die anderen anglophonen Delegationen hinter Santer gestellt hatten. Und so kann man fragen, warum Australien einen Protest in der Plenarsitzung einbrachte, wo man doch meinte, die Mitgliedern der Arbeitsgruppe stünden einstimmig hinter dem Entwurf.
Der Bericht der australischen Delegation erklärt, dass es am Ende der Schlusssitzung zu einer Übereinstimmung kam, dass Santer den neuen Entwurf wirklich schreiben sollte und darin die Zweifel an der Behauptung von der menschlichen Verursachung Eingang finden sollten.

Am folgenden Morgen aber, als Zillman den im Plenum herumgezeigten Entwurf las, waren die Zweifel derart in einer Ungewissheitsaussage verpackt, dass die Behauptung von der menschlichen Verursachung aufrechterhalten werden konnte.

Santer erklärte bei der Vorstellung des Textes im Plenum, dass er versucht hätte, auf Australiens Einwände einzugehen – aber das war kaum feststellbar. Zillman meinte, man hätte Australiens Bedenken “übergangen” (avoided), und er sagte das auch. In der folgenden Diskussion benutzte Santer selbst den Ausdruck „weggeschoben“ (sidestepped).
[siehe hierzu Nachtrag A am Schluss]

Dies, lieber Leser, beachten Sie bitte: dieses kleine “Wegschieben" der Null-Hypothese von der natürlichen Variabilität war die kleine Ursache mit großer Wirkung, es war wie ein Schneeball, der vom Fujiyama als Gipfel der höchsten wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit geworfen, immer schneller und größer werdend als Lawine in Kyoto ankam.

Australische Opposition gegen die USA ist auf der Weltbühne unbekannt. Dennoch veranstaltete Zillman hier so etwas. Er würde das niemals so sehen, andere aber sehr wohl. Und in der Tat, während die Global Climate Coalition schwer arbeitete, um die Saudis zu unterstützen, fand auch Greenpeace Mittel zur Überzeugung. Als man sah, dass Zillman sich entgegen dem Bemühen der „guten“ nordamerikanischen Alliierten Australiens auf die Seite der Araber schlug, fragte einer der Greenpeace-Delegierten Zillman öffentlich:

Was meinen Sie, wird der australische Umwelminister denken, wenn er davon hört?

In Madrid, und noch mehr zwei Wochen später in Rom wurde die Lobby-Tätigkeit der NGO’en auf nie dagewesene und außergewöhnliche Art derart verstärkt, dass man eher an eine Straßen-Demonstration erinnert wurde als an eine Konferenz. Es gab Veröffentlichungen, Flugblätter, Plakate. Und da waren feine und weniger feine Techniken: so z. B. die Umzingelung eines abreisenden Delegierten unter dem Sprechchor: „Klimaverbrecher!“. Zillman sah schockiert und enttäuscht, wie diese Konferenz in ein chaotisches Spektakel degenerierte. Er schüttelt immer noch den Kopf darüber. Wenn man ihn aber mit den Worten konfrontiert: „So geht es doch in der Politik zu, oder?“, wird es interessant.

Man könnte erwarten, dass Zillman in seiner Rolle als Leiter der australischen Regierungsdelegation – nicht als Wissenschaftler, nicht als Leitautor, sondern als Regierungsvertreter – die Position der australischen Regierung hätte vertreten müssen. Vielleicht haben andere das so gesehen. Zillman aber hält daran fest, dass dies niemals seine Aufgabe gewesen wäre. Und er hätte das auch nie akzeptiert. Vielleicht wäre es die Aufgabe des australischen Treibhausgas-Büros gewesen, einer Dienststelle des Umweltministeriums, nach eigener Beschreibung ‘die führende australische Regierungsbehörde in Treibhausgasfragen’. Das Treibhausgas-Büro hielt sich überhaupt nicht zurück und wollte Zillman zu einem eifrigen Verfechter der Treibhausgas-Position machen. Zillman wehrte ab, weil er immer im Vertrauen auf seinen Minister glaubte, dass die Aufgabe der australischen Delegation darin bestanden hätte, sicherzustellen, dass die IPCC-Zustandsberichte sich auf wahre wissenschaftliche Erkenntnis stützten.

Er hielt seinem Minister die Stange, indem er ihn vollständig über den Stand der Wissenschaft und der Verhandlungen informierte – so setzte er sich erschöpft am Ende jener letzten Nacht im Hotel hin und verfasste einen vorläufigen Bericht, den er in den australischen Nachmittag faxte, bevor er sich schlafen legte. Nur um sicher zu gehen, dass der Minister eine genaue Darstellung des Dramas hätte, für den Fall, dass die Presse ihn hetzen würde etwas zu den skandalisierenden Gerüchten zu sagen, über die dann in den Abendnachrichten berichtet werden würde.

Lizenz der amerikanischen Regierung zum Ändern des Berichts

Dass Santer und Houghton ihre Rolle anders sahen als Zillman, wird am besten durch Bemerkungen illustriert, als der Skandal wegen der amerikanischen Regierungsforderung [zur nachträglichen Änderung des Berichts] ausbrach. Am 15. November hatte Houghton die zusammengestellten Kommentare zur “Summary for Policymakers – (SPM)“ vom US-Außenministerium von Tim Wirth erhalten. In den Kommentaren zum D&A-Abschnitt der ‚Executive Summary’ (darin auch die nur schwach belegten Behauptungen von Hinweisen auf einen erkennbaren menschlichen Einfluss) schreibt Robert Watson:

Dieser Text ist nicht völlig konsistent mit dem übrigen SPM und vielen Teilen des Kapitels 8; weil dies ein völlig neuer und wichtiger Aspekt des Berichts ist, halten wir besondere Sorgfalt für nötig. Wir meinen, dass der vorliegende Text mit einigen Klarstellungen das gegenwärtige Verständnis wiedergibt, wie es das Kapitel enthält, aber dass die „Executive Summary“ und die Schlussabschnitte des Kapitels revidiert werden sollten. [fett von B.L. zugefügt]

Die Forderung zur Überarbeitung des Kapitels wird im Anschreiben betont, das direkt an Houghton gerichtet war. Nach dem Hinweis auf viele Inkonsistenzen zwischen der “Summary” und den Inhalten der Kapitel ist zu lesen, dass ‘es wichtig ist, die Kapitel nicht vor dem Abschluss der Madrider Konferenz abzuschließen’. Das US-Außenministerium verlangt, “dass die Autoren der Kapitel zu überreden seien, ihre Texte entsprechend und im Einklang mit den Diskussionen in Madrid zu modifizieren.” Wenn auch nicht ausdrücklich gesagt, so ist das ein deutlicher Hinweis an Houghton, Santer anzuweisen, das Kapitel 8 zu revidieren, besonders die Schlusszusammenfassung. So jedenfalls scheint es Houghtons Verständnis gewesen zu sein.

Um einem Missverständnis vorzubeugen: es geht hier nicht um eine Regierung, die beim Mißbrauch eines diplomatischen Verfahrens erwischt wurde. Das haben wir alles schon gehabt und es ist weder überraschend noch etwas Besonderes. Was bezeichnend für Santer und Houghton ist, dass sie diese Forderung als Hauptfaktor anführen in ihrer Rechtfertigung für die nach Madrid durchgeführten Änderungen des Kapitel 8. [1] Auf dem Gipfel der Kontroverse, im August 1996, benutzte Houghton in einem Brief an Nature mit dem treffenden Titel ‘Rechtfertigung für Kapitel 8’ die ‘Überredung’ der Kapitel-Autoren, um seine Taten zu rechtfertigen.
Auch Santer wird erwähnt, der sich in einem früheren Artikel in Nature darauf berief. Die erste Erwähnung der Forderung findet sich bereits in einer weitverbreiteten Email, gerichtet an ‘alle Leitautoren des IPCC-Zustandsberichts und alle Mitarbeiter am Kapitel 8’. Diese Email war am gleichen Tag abgeschickt worden, an dem die Kontroverse durch einem Brief von Fred Seitz an das Wall Street Journal an die Öffentlichkeit gebracht worden war.

Santer zufolge bestand die Forderung darin:

‘dass die Kapitelautoren überredet werden sollten, ihre Texte zu modifizieren’,
und dass die “Forderung auf Änderung betont werden sollte.”
Er fuhr fort:
Die offizielle Sicht der Vereinigten Staaten war ganz klar, dass die Kapitel nicht vor Madrid abgeschlossen werden sollten. [email 12 June 1996]

Was fangen wir nun mit all dem an?

Warum machen wir Aufhebens wegen eines politischen Drucks zur Veränderung einer vorgeblich wissenschaftlichen Beurteilung? Und wenn wir uns gegen politische Einflußnahmen wehren, warum benutzen wir dabei eine politische Quelle?

Houghton wie Santer benutzte das Argument von der [politischen] Forderung in ihrer Verteidigung gegen die Behauptungen der Skeptiker:
Dass es in Madrid nicht um die Kapitel selbst gegangen wäre, sondern nur um deren wahrheitsgemäße und genaue Zusammenfassung.

Und weiter in ihrer Abwehr der Zweifler, gegen deren Forderungen,
dass Redaktionsschluss für Kommentare zu den Kapiteln ganz klar zu Anfang des Monats Juli gewesen wäre, d. h. vor der Schlusskonferenz der Leitautoren in Asheville,
und dass Politiker nicht Antreiber der Wissenschaft sein dürften.

Und wir sollten uns erinnern, dass diese Verteidigungsline nicht von irgendwelchen Delegierten sondern vom Koordinierenden Leitautor des Kapitels stammt, und weiter von dem Wissenschaftler, der die gesamte wissenschaftliche Beurteilung koordinierte.

Beim Versuch, zu verstehen, warum die offizielle Sicht der USA bei Santers Verteidigung Bedeutung hat, können einige politische Realitäten nicht vernachlässigt werden, wie z. B. die US-Beherrschung der globalen Politik, die Unterstützung der neuen Clinton-Regierung für einen Klimaschutzvertrag und die vitale Rolle, die die USA bei den Vertragsverhandlungen spielte. Kaum zu übersehen ist auch die Tatsache, dass Santer Angestellter der US-Regierung war, und dass viele andere Leitautoren und Beitragende Autoren von den reichlich fließenden Mitteln in die Klimaforschung abhängig waren, die aus den Budgets der USA und den mit ihnen verbundenen Ländern stammten (UK, Kanada), die auf eine positive und konstistente Bestätigung der [anthropogenen] Verursachung aus waren.

Ob eine solche Sicht von den USA im Auditorium in Madrid ausgesprochen wurde oder nicht (wir müssen erst noch eine schriftliche Bestätigung finden): nur unter Einbezug dieser Überlegungen können wir verstehen, warum das [Politische] in Santers Verteidigung eine Rolle spielte, besonders da Saudi Arabien und Australien deutlich andere Ansichten zu Gehör gebracht hatten.

Und wurde diese Rechtfertigung niedergeschrieen? Gab es auch nur einen Vorschlag, dass wir uns auf die Ebene des Feindes hinab begeben hätten? Nicht wahrscheinlich. Unwahrscheinlich auch, dass auch nur irgend einer den hohlen Klang in der spitzen ad hominem-Attacke bemerkt hätte, die darauf abzielte, jeglicher Berechtigung für Proteste den Boden zu entziehen. Keine Stimme im wissenschaftlichen Establishment erhob sich, nicht in der Global Climate Coalition, auch nicht im Buch: Merchants of Doubt, und nicht einmal vom Regierungsdelegierten Zillman.

Stattdessen erhoben sich Stimmen zur Unterstützung dieser Verteidigung, und daher wurden Santers und Houghtons Taten am letzten Tag von Madrid von der wissenschaftlichen Gemeinde gerechtfertigt als ausdrücklich veranlaßt von (guten) politischen Interessen.

Ein chaotischer Sieg des Guten

Noch war es nicht vorbei. Trotz des Protestes der Australier und der Saudis sollte der neue Entwurf des D&A-Abschnittes diskutiert werden, Zeile für Zeile, Wort für Wort, und diese Debatte erstreckte sich über den ganzen Nachmittag bis in den Abend hinein. Wieder war es der Beitrag aus den neuen Fingerabdruck-Studien zur Behauptung der Verursachung, gegen den am meisten opponiert wurde.

Der neu zu besprechende Entwurf des D&A-Abschnitts zählte drei Schlüsselgebiete auf, wo jüngste Forschungsergebnisse zur Verursachung beitrugen.

Das erste Schlüsselgebiet war, dass Stellvertreter-Daten nahe legten, dass das 20. Jh. das wärmste von den vergangenen sechs gewesen wäre.

Das zweite war der Nachweis über die statistische Signifikanz des Erwärmungstrends der globalen Durchschnittstemperatur, der darauf hinweist, dass er nur natürliche Ursachen hätte. Dieser Nachweis ist bekanntermaßen schwach und wird für ungeeignet gehalten, um die Behauptung eines positiven menschlichen Beitrags zu begründen. Und als ob dies noch betont werden müsste, wurde

das dritte und finale Gebiet, das Gebiet der CO2+ Sulfat Fingerabdruck–Studien eingeleitet mit den Worten von einem „stärker überzeugenden Nachweis“: Es liest sich so:
Ein stärker überzeugender Nachweis für die Zuschreibung eines menschlichen Effektes auf das Klima kommt von den pattern-basierten Studien…

Die Studien zeigten “eine Zunahme der Muster-Übereinstimmungen über der Zeit,” wie bei zunehmenden Emissionen zu erwarten ist, wobei die ‘Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass diese Übereinstimmungen zufällig zustande kämen als Ergebnis einer natürlichen Variabilität.’

Wie schon dargelegt, läßt der Ausschluss des ‘Zufalls’ oder ‘gelegentlich vorkommender’ Variabilität implizit die Möglichkeit offen für die Jahrhunderte alten Standard-Kandidaten für einen natürlichen externen Antrieb.

Vielleicht ging es darum, Bedenken wegen des natürlichen Antriebs zu zerstreuen, wenn der folgende Satz einen merkwürdigen Bezug zu den ‘vertikalen’ Muster-Studien herstellt als ‘inkonsistent mit den möglichen Effekten bekannter solarer und vulkanischer Antriebe.’[2] Das ist merkwürdig, weil der Ausschluss derartiger natürlicher externer Antriebe keine besondere Behauptung in keiner dieser Studien war, noch wird eine solche Schlussfolgerung im Kapitel selbst gezogen. Stattdessen erwähnt das Kapitel nur, dass ’erste anfängliche’ Studien erschienen wären, die ‘verschiedene nicht-anthropoge Antriebsmechanismen auszuschließen versuchten. ’ (p416)

Wie dem auch sei, der Wahrheit halber muss gesagt werden, dass das Hauptproblem mit dem Kapitel ist, dass es diese Nachweise nicht als  ‘stärker  überzeugend’ sondern als ‘vorläufig’ benennt:

Obschon diese Studien große Vorbehalte enthalten, enthalten sie vorläufige Belege für das Bestehen eines anthropogenen Effektes auf das Klima’. [SAR Draft, 9Oct95, 8.4]

Schließlich, nach Madrid, um den Widerspruch zwischen dem Kapitelinhalt und der Zusammenfassung abzumildern, änderte Santer das Kapitel von ‘vorläufig’ auf ‘anfänglich’ (p416b). Aber es ist interessant, anzumerken, dass der Dritte Zustandsbericht (TAR) bei der Besprechung der Ergebnisse des Zweiten Auswertungsberichts (Second Assessment Report) feststellte, dass die “Muster-Studien (pattern studies) noch in frühem Zustand seien. (‘still in their infancy’ [TAR 701]) Das ist interessant im Zusammenhang mit dem Barnett et al.  Papier, mit der zusammenfassenden Beurteilung und mit den australischen Bedenken.

Unter Betrachtung all dessen ist es schwer, nicht davon überzeugt zu sein, dass auf die Position von Saudi Arabien und Kuwait hätte eingegangen werden müssen – besonders dass die ‚Summary‘ den Aussagen im Kapitel hätte folgen sollen mit der Aussage, dass die Anzeichen als „vorläufig“ zu betrachten seien. Natürlich wäre es schwieriger gewesen, die Behauptung von der [anthropogenen] Verursachung aufzustellen, wenn das Wörtchen “überzeugend” entfallen wäre. Deshalb geriet die Konferenz erneut in eine Blockade.

Houghton:

Eine anderthalbe Stunde lang debattierte die Versammlung über die Angemessenheit von “vorläufig” anstelle von “überzeugend”. Alle Delegierten, die sprachen, argumentierten, dass die Anzeichen im Kapitel 8 die Bezeichnung „vorläufig“ nicht rechtfertigten und schließlich wurde ein Satz formuliert, der so begann: “Überzeugendere jüngste Anzeichen …”

Tatsächlich wurde die Blockade aufgelöst mit der Vereinbarung einer außergewöhnlichen Maßnahme, die anzeigen sollte, dass es keinen Konsens gab, dies aber nicht ohne einen bitteren Nachgeschmack und einen „scharfen Wortwechsel“.
Man beschloss die Einfügung einer Fußnote, die die abweichende arabische Meinung erläutern sollte.[3]

Danach konnte die Diskussion fortgesetzt werden und man befasste sich mit der schlussendlichen Behauptung unter dem Strich von der Verursachung:

Trotzdem weist die Abwägung aller Anzeichen nun darauf hin, dass das Weltklimasystem durch menschliche Tätigkeiten beeinflusst wird. [4]

Dieselbe Behauptung wurde eingedampft im beabsichtigten Titel des D&A-Abschnitts:

Die Abwägung der Anzeichen deutet auf menschlichen Einfluss

Jetzt war der Abend des letzten Tages gekommen. So wie es mit dem Abstimmungsverfahren weiterging, verschob sich der geplante Schlusstermin der Versammlung schrecklicherweise immer weiter von 18 Uhr nach hinten. Vieles aus der ‚Executive Summary’ musste noch abgestimmt werden, bevor der Haupttext der ‚Summary for Policymakers’ diskutiert werden konnte. Darüber hinaus musste an diesem Abend auch noch der zugrundeliegende Bericht von der Konferenz abgesegnet werden.

Inzwischen verließen die ersten Delegierten die Konferenz, um ihre Heimflüge zu erreichen, während sich der Kampf über den D&A-Abschnitt immer mehr hinzog. Deswegen kamen Forderungen, die Konferenz zu schließen: Mehrmals gerieten die Saudis an einen Punkt, wo die Konferenz platzen konnte wegen dem Nichtzustandekommen einer Mehrheitsmeinung [ausDelpRpt11]. Da das gemeinsame Treffen mit dem IPCC in Rom nach nur zwei Wochen stattfinden sollte, gab es keine realistische Möglichkeit, eine Plenarsitzung der Working Group 1 erneut einzuberufen. Der Kampf um die anthropogene Verursachung brachte die Konferenz an den Rand des kompletten Scheiterns und damit wäre eine Zustimmung zur ‚Summary for Policymakers’ auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben worden. Und immer noch kam das allein wichtige Gesamturteil von der Verursachung nicht über die Ziellinie. Der AustDelReport beschreibt, wie es zuging:

Die meisten Delegationen unterstützten die Annahme des vorgeschlagenen Textes mit dem Wunsch auf eine noch stärkere Aussage (insbesondere die USA, UK und Kanada. Dr. Watson [Leiter der US Delegation] wollte eine Aussage des Inhalts, dass das ‘Überwiegen’ oder ‘Gewicht’ (anstelle von ‚Abwägung’) der Beweise ‘anzeige’ (anstelle von ‘legt nahe’ oder ‘verweist auf’), dass es einen menschlichen Einfluss auf das Weltklima gäbe. Dr. Stone von Kanada meinte, dass die Beweise ‘überwältigend’ wären. Eine andere von Saudi Arabien angeführte Gruppe (mit informeller Unterstützung von amerikanischen Industrie-NGO’en) versuchte die Aussage abzuschwächen und die Ungewissheiten stärker zu betonen, die bei der Zuschreibung auf den Menschen bei den beobachteten Veränderungen obwalteten.

Schließlich wurde Übereinstimmung für folgenden Text erzielt:

 “(Nichtsdestoweniger) legt die Abwägung der Beweise (nun) nahe, dass ein wahrnehmbarer  
   menschlicher Einfluss auf das Klima existiert.”

Mit dieser schwachen Verursachungs-Behauptung in trockenen Tüchern konnte sich die Konferenz nun mit dem folgenden Abschnitt der ‚Executive Summary’ befassen. Die Lage blieb prekär, denn die Gefahr des Scheiterns bei der Abstimmung der vollständigen Überarbeitung und Annahme der ‚Summary’ bestand weiter. Jetzt war es 21 Uhr, die Anwesenheit dünnte aus, der Großteil der ‚Summary for Policymakers’ noch nicht durchgesprochen. Es entstand eine Pause mit einer Diskussion, wie es weitergehen sollte. Die Lage schien hoffnungslos, bis es einen Durchbruch gab:

Man beschloss, die ‚Executive Summary’ als ‚Summary for Policymakers’ umzudeklarieren und nannte die übrige Summary nun eine ‘Technical Summary’. Als ‘Technical Summary’ würde ihr Text nur noch der Annahme durch das Plenum bedürfen (wie bei den Kapiteln) und keiner Zeile-für-Zeile-Durchsprache. Dafür war keine Zeit mehr.

Dieses Vorgehen wurde akzeptiert und die Konferenz schritt voran mit der Annahme des übrigen Textes der ‚Executive Summary’. Das ging jetzt in einem Schritt und mit nur wenig oder gar keiner Diskussion. Die Frage der Verursachung hatte die gesamte Konferenz über die Maßen beherrscht, aber sie wollte und wollte nicht verschwinden. Es gab Geraune im Auditorium und eine neue Krise entstand. Es stellt sich heraus, dass die endgültige Behauptung von der [anthropogenen] Verursachung doch noch nicht in trockenen Tüchern war.

Beide Seiten der Debattierer waren unzufrieden. Der australische Bericht fährt fort:

Unglücklicherweise hat der Vorsitzende beim Herstellen des Konsenses die in Klammern gesetzten Worte nicht laut vorgelesen (was als gegeben aus dem früheren Text anzusehen war) und einige Delegationen machten bald klar, dass der vom Vorsitzenden für abgestimmt erklärte Text nicht der war, dem sie zugestimmt hätten. Die Unzufriedenheit verstärkte sich auch wegen des Begriffes ‘erkennbar’ (appreciable), der von einem der Leitautoren vorgeschlagen worden war (Trenberth) und von der US-Delegation stark unterstützt wurde.

Augenscheinlich waren die ‘Bullen’ mit der Einbringung der in Klammern gesetzten Worte unzufrieden, und den ‘Bären’ war ‘erkennbar’ zu stark. Bert Bolin [IPCC-Vorsitzender] ging auf der Suche nach einer Lösung im Saal herum und besprach sich mit verschiedenen Delegationen. Schließlich unterbrach er um 22:30 Uhr die Sitzung und ‘übernahm die Versammlungsleitung’ indem er erklärte …

… er hätte entschieden, den abgestimmten Text als außergewöhnliche Maßnahme zu überschreiben wegen der äußersten Wichtigkeit der Formulierung zum Zwecke der Interpretation der IPCC-Erkenntnisse. Er sagte, er wünsche ausdrücklich eine Diskussion darüber, aber er meine, die Versammlung würde folgende Aussage unter dem Strich zum Thema „Aufdeckung und Verursachung“ (D&A) akzeptieren:

‘Nichtsdestoweniger verweist die Abwägung der Beweise auf einen abgrenzbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima.’

[Anm. d. Ü: Im Originaltext SAR, Chapter 8, Summary for Policymakers, p. 5: Nevertheless, the balance of evidence suggests that there is a discernible human influence on global climate.

In der offiziellen deutschen Übersetzung: http://www.bmu.de/klimaschutz/internationale_klimapolitik/un-klimakonferenzen/doc/36721.php
"Die Abwägung der Erkenntnisse legt einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima nahe".]

Dieser Sprachregelung widersprach niemand aus dem Plenum. Auf diese Weise ist diese bekannte Zeile entstanden. Für Zillman bedeutete es ein weiteres Zugeben des Scheiterns eines Konsenses. Er erinnert sich, dass er überrascht war und auch enttäuscht über die rüde Art, wie Bolin eine Angelegenheit von nicht unerheblicher Bedeutung für das gesamte Verfahren der Beurteilung handhabte.

Dann ging es rasch auf Mitternacht zu. Die Dolmetscher und das Konferenzzentrums-Management konnten die Konferenz nur noch bis zu diesem Zeitpunkt am Laufen halten. Das Gebäude musste kurz darauf verlassen werden. Jetzt war es nur noch wie bei einem Endspurt. Die ‘Executive Summary’-Zustimmung wurde eilig während der letzten Stunde draufgepackt, während die Delegationen schon einräumten und gingen. Es fehlte nur noch die Zustimmung zu den darunter liegenden Kapiteln. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn es nicht die nun noch mehr hervorstechende Inkonsistenz zwischen dem Kapitel 8 und dem neuen D&A–Abschnitt der Summary gegeben hätte. Den verschiedenen Rechtfertigungen von Santer und Houghton zufolge akzeptierte die Konferenz nach ihrem Fast-Zusammenbruch tatsächlich, dass der Leitautor im Sinne der abgestimmten Position das Kapitel 8 revidieren sollte. Hier zum Beispiel ist, was Houghton in Nature im nachfolgenden August in einer ’Justification of Chapter 8’ sagte:

Das Plenum ‘akzeptierte’ schließlich die Entwürfe der Kapitel (einschließlich Kapitel 8), wie sie von den Leitautoren umzuschreiben wären, unter Berücksichtigung der von der Versammlung gegebenen Leitlinien und besonders hinsichtlich der Notwendigkeit einer Gesamtkonsistenz.

Wie explizit diese Akzeptanz, und wie speziell diese Leitlinien waren, kann kaum festgestellt werden. Dokumentation aus der Versammlung und alle Berichte von der Zeit vor dem Ausbruch der Kontroverse wären hilfreich, darauf warten wir noch. Jedenfalls war zu diesem Zeitpunkt die Versammlung allen Berichten zufolge zu einer Farce degeneriert, und vielleicht ist unerheblich, was gesagt oder verschwiegen wurde, was abgestimmt wurde und was nicht.

Der australische Delegationsbericht wurde vor der zwei Wochen später folgenden IPCC-Konferenz in Rom vervollständigt und stand zur Verfügung. (Zillman erinnert sich, dass er den Entwurf auf dem Rückflug anfertigte). Er gibt eine kurze Darstellung. Daraus ist zu entnehmen, dass trotz der nötigen Änderungen am Kapitel 8 sowohl die Ermächtigung dazu wie auch das Verfahren alles andere als klar waren:

In den Schlussminuten der Versammlung bat Sir John Houghton um eine formelle Akzeptanz des vollständigen Textes des zugrunde liegenden Berichts. Dem wurde zugestimmt, obgleich unklar war, welche [inhaltliche] Befugnis für die Revision der Kapitel den Leitautoren gegeben wurde.

In der Tat, wir haben früher gesehen, dass Santer und Houghton meinten, die Erlaubnis wäre bereits vom US-Außenministerium eingegangen gewesen. Änderungen waren gewünscht und wurden gemacht.

Im Jahre 2008, als die Kontroverse völlig verstummt war und zumeist vergessen, belebte Houghton das Thema Madrid 1995 wieder mit einer kurzen Erinnerungsnotiz in Nature. Bedauern ist nicht zu erkennen, stattdessen aber kein geringer Stolz über seine Rolle und seinen Erfolg auf einer Konferenz, die die Welt veränderte. Ohne diesen Erfolg hätte es kein Kyoto gegeben. Es wäre eine schwere Aufgabe gewesen, aber die Aufgabe wäre gut gelöst worden.

Vielleicht [zum Ende des langen Artikels] ein Epilog….

Über Santer, der schnurstracks ins Hauptquartier der Arbeitsgruppe I in England ging, um an den Änderungen zusammen mit Callendar zu arbeiten. Keine Mitarbeit von Houghton aber Billigung der Änderungen, bevor sie dem unsterstützenden Stab vorgelegt wurden. Rasches Herumschicken des neuen Entwurfs der ‚Summary’ an die Delegierten in Rom, damit sie an den Zusammenfassungen der Arbeitsgruppen 1,2,3 arbeiten könnten.
In Rom aber nur der alte Entwurf des Kapitels. Daher Überraschung im Mai, als die Vorab-Version erschien. 

Nachtrag:

(A) Hinsichtlich Zillmans Streitpunkt ist interessant, dass der Arbeitsgruppen-Entwurf während der Debatte im Plenum in diesem Punkt geändert wurde. Die Qualifizierung der Globaltemperatur im 20. Jh. als ‘höher als in jedem anderen Jahrhundert nach 1400’ wurde geändert in ‘mindestens so warm wie.’ Und nach Madrid änderte Santer tatsächlich die darauf bezogene Aussage in der Einführung des Kapitels. Doch das war eher ein Ausweichmanöver als eine Änderung.

Von:

‘Im Ganzen gesehen, zeigen diese Ergebnisse, dass die beobachtete globale Erwärmung während der vergangenen 100 Jahre höher ist als unsere derzeit besten Abschätzungen der natürlichen Klimavariabilität über die vergangenen 600 Jahre.’ [SAR 9Oct95 8.1]

In:

Im Ganzen gesehen, zeigen diese Ergebnisse, dass der beobachtete Trend in der globalen Durchschnittstemperatur während der vergangenen 100 Jahre unwahrscheinlicherweise nur natürlichen Ursprungs ist. [SAR p412b]

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Fußnoten:

1. Santer: Zit. in ‘Sparks Fly Over Climate Report’ von Ehsan Masood, Nature, June 20, 1996; 381, 6584. Man beachte, dass die Formulierung ‘prevailed upon’ [überzeugen zu] weggelassen ist. Vgl. eine früher zirkulierte Email June 12 1996 und Real Climate. Houghton: ‘Justification of Kapitel 8’. Houghton correspondence to Nature Vol 382, 22 August 1996.

2. Man beachte, dass im Plenum einvernehmlich beschlossen worden war, das Attribut ‘possible’ [mögliche] aus der Formulierung possible effects [mögliche Effekte] zu entfernen.

3. Als diese Sache später in Rom zur Sprache gebracht wurde, forderten sie [Santer und Houghton ?], diese Fußnote wegzulassen.

4. Im Entwurf vom 9. Oktober stand: “Taken together, these results point towards a detectable human influence on global climate” [Zusammengenommen deuten diese Ergebnisse auf einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima hin]. In den Kommentaren der US-Regierung (15 Nov, von Robert Watson) wird vorgeschlagen, diesen Satz zu ändern in: “Taken together these results indicate a detectable….” [Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse einen erkennbaren….]

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Die vier Aufsätze von Bernie Lewin werden hier zum Herunterladen angeboten. Zur Reihe gehören alle Titel, die mit Madrid 1995 … beginnen.

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Übersetzung: Chris Frey und Helmut Jäger