Globaler Ergrünungstrend hält trotz Klimawandel weiter an – Klimaschau 198

Die Klimaschau informiert über Neuigkeiten aus den Klimawissenschaften und von der Energiewende.

Thema der 198. Ausgabe: Globaler Ergrünungstrend hält trotz Klimawandel weiter an.




Woher kommt der Strom? Windbuckel

36. Analysewoche 2024 von Rüdi Stobbe

In der Mitte der 36. Analysewoche kommt es zu einem Windbuckel, der erstmalig zu Stromerzeugung über Bedarf und negativen Strompreisen am Mittwoch führt. Denn die PV-Stromerzeugung ist ebenfalls stark. Vorher gab es eine Flautenphase, die zu Höchstpreisen führte. Selbstverständlich war es eine Menge Importstrom, der teuer erkauft werden musste. Was am Montag um 19:00 Uhr mit 255€/MWh noch „normal“ begann, steigerte sich am Dienstag um 19:00 Uhr auf satte 656€/MWh, um am Mittwoch um 19:00 Uhr auf „moderate“ 320€/MWh zu sinken. An den folgenden vier Tagen kam es immer zur Mittagsspitze zu einem Preisabfall auf die Null-Linie. Am Dienstag, an dem um 19:00 ein Strompreis von über 600€/MWh aufgerufen wurde, lag die Residuallast bei knapp 50 GW. Von diesen 50 GW wurden 13,5 GW, das ist mehr als ein Viertel des zusätzlich benötigten Stroms, zwecks Bedarfsdeckung importiert. Da wurden mal locker 8,8 Mio € an unsere Nachbarn im europäischen Ausland rübergeschoben. In einer Stunde. Die Schweiz und Dänemark profitierten am meisten. Da sage einer, mit Strom könne man keine guten Geschäfte machen. Nur am Rande sei noch mal erwähnt, dass es der deutsche Stromkunde ist, der die Importkosten trägt. Nicht die deutschen Stromerzeuger. Die bekommen den gleichen hohen Preis wie die Stromexporteure gezahlt. Dabei haben sie es versäumt, oder war es eingedenk des in Aussicht stehenden hohen Verdienstes gar Absicht, den Strom bereitzustellen, der nach Wegfall der PV-Stromerzeugung bei der bereits herrschenden Windflaute, dringend benötigt wurde. Egal, der dumme Stromkunde zahlt. Er zahlt die höchsten Strompreise in der industrialisierten Welt gerne. Nein, nicht nur das. Der dumm-deutsche Stromkunde ist auch gleichzeitig Wähler. Dieser Wähler gibt seine Stimme immer wieder mehrheitlich den Parteien, die solch einen ökonomischen Unfug auf den Weg gebracht haben. Dieser Wähler glaubt dem Gerede, daß es, wenn die Energiewende nur weit genug fortgeschritten ist, zu günstigen Strompreisen kommen wird. Da schaue man sich doch nur mal das Szenario an, welches für 2030/2031 geplant ist. Nur noch 20% des Bedarfs sollen konventionell erzeugt werden. Der Rest muss dann wohl importiert werden. Das treibt den Preis. Genau wie die Tatsache, dass der Bonus, der den abnehmenden Nachbarn über die Mittagszeit mit massiver Überproduktion gezahlt wird, wie selbstverständlich auch vom Stromkunden/Wähler beglichen werden muss. Da möchte ich fast schon von Betrug sprechen. Den Großkopferten in Klimapolitik und Klimaverwaltung ist der Sachverhalt ganz sicher bewusst. Der Preis wird tendenziell steigen. Alles andere ist Unfug. Alles andere ist böswillig.

Beachten Sie bitte auch die Ausführungen nach den Tagesanalysen von Peter Hager zu den Luftschlössern, welche die schwarz-grüne Landesregierung des Industriestandortes NRW baut: Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Eigentlich nichts Besonderes, soll doch ganz Deutschland bis dahin klimaneutral sein. Aber: Es ist bemerkenswert, was da alles bewegt werden soll, in den nächsten 21 Jahren. Man lese und staune über die verlinkte Broschüre der grünen Mona Neubaur.

Wochenüberblick

Montag, 2.9.2024, bis Sonntag, 8.9.2024Anteil Wind- und PV-Strom 48,0 Prozent. Anteil regenerativer Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 60,3 Prozent, davon Windstrom 23,1 Prozent, PV-Strom 24,9 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,3 Prozent.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Wochenvergleich zur 36. Analysewoche ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zur 36. KW 2024: Factsheet KW 36/2024 – ChartProduktionHandelswocheImport/Export/Preise, CO2Agora-Chart 68 Prozent AusbaugradAgora-Chart 86 Prozent Ausbaugrad.

Rüdiger Stobbe zum Strommarkt: Spitzenpreis 2.000 €/MWh beim Day-Ahead Handel

  • Meilenstein – Klimawandel & die Physik der Wärme
  • Klima-History 2: Video-Schatz des ÖRR aus dem Jahr 2010 zum Klimawandel
  • Klima-History 1: Video-Schatz aus dem Jahr 2007 zum Klimawandel.
  • Interview mit Rüdiger Stobbe zum Thema Wasserstoff plus Zusatzinformationen
  • Weitere Interviews mit Rüdiger Stobbe zu Energiethemen
  • Viele weitere Zusatzinformationen
  • Achtung: Es gibt aktuell praktisch keinen überschüssigen PV-Strom (Photovoltaik). Ebenso wenig gibt es überschüssigen Windstrom. Auch in der Summe der Stromerzeugung mittels beider Energieträger plus Biomassestrom plus Laufwasserstrom gibt es fast keine Überschüsse. Der Beleg 2022, der Beleg 2023/24. Strom-Überschüsse werden bis auf wenige Stunden immer konventionell erzeugt. Aber es werden, insbesondere über die Mittagszeit für ein paar Stunden vor allem am Wochenende immer mehr!

Jahresüberblick 2024 bis zum 8. September 2024Daten, Charts, Tabellen & Prognose zum bisherigen Jahr 2024Chart 1Chart 2,  ProduktionStromhandelImport/Export/Preise/CO2

Tagesanalysen

Was man wissen muss: Die Wind- und PV-Stromerzeugung wird in unseren Charts fast immer „oben“, oft auch über der Bedarfslinie angezeigt. Das suggeriert dem Betrachter, dass dieser Strom exportiert wird. Faktisch geht immer konventionell erzeugter Strom in den Export. Die Chartstruktur zum Beispiel mit dem bisherigen Jahresverlauf 2024 bildet den Sachverhalt korrekt ab. Die konventionelle Stromerzeugung folgt der regenerativen, sie ergänzt diese. Falls diese Ergänzung nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken, wird der fehlende Strom, der die elektrische Energie transportiert, aus dem benachbarten Ausland importiert.

Eine große Menge Strom wird im Sommer über Tag mit PV-Anlagen erzeugt. Das führt regelmäßig zu hohen Durchschnittswerten regenerativ erzeugten Stroms. Was allerdings irreführend ist, denn der erzeugte Strom ist ungleichmäßig verteilt.

Montag, 2.9.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 44,6 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 57,3 Prozent, davon Windstrom 20,8 Prozent, PV-Strom 23,8 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 12,7 Prozent.

Wenig Windstrom, Beginn einer Windflaute, die bis Mittwoch anhält. Die Strompreisbildung

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 2. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 2.9.2024: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inklusive Importabhängigkeiten.

Dienstag, 3.9.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 34,3 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 47,5 Prozent, davon Windstrom 7,9 Prozent, PV-Strom 26,4 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,2 Prozent.

Die Windstromerzeugung geht Richtung Null. Die Strompreisbildung mit Höchstpreis über 650€/MWh

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 3. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 3.9.2024: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inklusive Importabhängigkeiten

Mittwoch, 4.9.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 33,5 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 46,6 Prozent, davon Windstrom 11,9 Prozent, PV-Strom 21,7 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 13,1 Prozent.

Zum Nachmittag steigt die Windstromerzeugung an. Die Flaute ist zu Ende. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 4. September 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 4.9.2024: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

Donnerstag, 5.9.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 59,7 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 70,4 Prozent, davon Windstrom 37,2 Prozent, PV-Strom 22,6 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 10,6 Prozent.

Der Windstrombuckel mit negativem Strompreis über Mittag.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 5. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 5.9.2024: ChartProduktion, HandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

Freitag, 6.9. 2024: Anteil Wind- und PV-Strom 54,2 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 65,5 Prozent, davon Windstrom 34,8  Prozent, PV-Strom 19,4 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,3 Prozent.

Der Windbuckel nimmt ab. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 6. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 6.9.2024: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten.

Samstag, 7.9. 2024: Anteil Wind- und PV-Strom 49,2 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 63,4 Prozent, davon Windstrom 16,8 Prozent, PV-Strom 32,4 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 14,3 Prozent.

Zur Winddelle über Tag kommt kräftige PV-Stromerzeugung. Die Strompreisbildung.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 7. September ab 2016.

Daten, Tabellen & Prognosen zum 7.9.2024: ChartProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

Sonntag, 8.9.2024: Anteil Wind- und PV-Strom 63,8 Prozent. Anteil erneuerbare Energieträger an der Gesamtstromerzeugung 75,5 Prozent, davon Windstrom 29,4 Prozent, PV-Strom 34,4 Prozent, Strom Biomasse/Wasserkraft 11,8 Prozent.

Teilweise fehlerhafte Datenübertragung. Die Strompreisbildung, die wahrscheinlich korrekt ist.

Belege für Werte und Aussagen im Text oben, viele weitere Werte sowie Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten bietet der Stromdateninfo-Tagesvergleich zum 8. September ab 2016.

Daten, Charts, Tabellen & Prognosen zum 8.9.2024: Chart, ProduktionHandelstagImport/Export/Preise/CO2 inkl. Importabhängigkeiten

Peter Hager berichtet über die Energiewendepläne in NRW

Mit  der Energie- und Wärmestrategie von August 2024 will NRW bis 2045 die erste klimaneutrale Industrieregion Europas werden (Markus Söder will das mit Bayern schon bis 2040 schaffen).

Aufgefallen ist:

  • Viele Formulierungen ähneln sich mit denen in anderen Dokumenten der „Energiewender“
  • PKW-Bestand soll sich auf 8 – 9 Mio E-PKW reduzieren (- 10 bis – 25%)
  • NRW wird zum Stromimportland (ist es wie Bayern auch jetzt schon)
  • NRW wird mit direkten HGÜ-Leitungen zum „Offshore Windland“ (da kann Bayern nicht mithalten)

Vom NRW-Stadtwerkeverband wird der Plan gelobt: Die Strategie gibt allen Beteiligten eine gute Orientierung. Und für Stadtwerke, Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger relevant (auch für die Akzeptanz): Die zentralen Ziele wie Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit werden von der Landesregierung im Blick gehalten. Bei der Umsetzung komme es jetzt darauf an, wie sich die Finanzierung dieser Jahrhundertaufgabe in nur 21 Jahren lösen lasse. Man setzt auf Milliarden-Subventionen und das dürfte bei immer knapperen öffentlichen Kassen (Bund und Land) sehr schwer werden. Hinzu kommen die enormen physikalisch-strukturellen Probleme, die immer wieder in der Kolumne „Woher kommt der Strom?“ dargelegt werden. Auch politische Aspekte sind nicht zu unterschätzen, wie die Debatten um das Heizungsgesetz („Heizungshammer“) gezeigt haben. Knapp 20 Prozent weniger PKW in Deutschland hört sich für unsere Freunde der Energiewende vielleicht gut an. Für den Bürger ist es entweder Symptom für seinen wirtschaftlichen Niedergang, wenn er sich sein Auto nicht mehr leisten kann, oder aber es ist Ausdruck eines planwirtschaftlichen Vorgehens, welchem er bereits bei der versuchten Zwangseinführung des E-Autos eine krachende Abfuhr erteilte. Ohne Subventionen läuft da nichts.

Die bisherigen Artikel der Kolumne Woher kommt der Strom? seit Beginn des Jahres 2019 mit jeweils einem kurzen Inhaltsstichwort finden Sie hier. Noch Fragen? Ergänzungen? Fehler entdeckt? Bitte Leserpost schreiben! Oder direkt an mich persönlich: stromwoher@mediagnose.de. Alle Berechnungen und Schätzungen durch Rüdiger Stobbe und Peter Hager nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr.

Rüdiger Stobbe betreibt seit 2016 den Politikblog MEDIAGNOSE.




Der Meeresspiegel gleicht dem Balle: Er steigt zum Falle – Michael Limburg bei Kontrafunk

Steigen die Meeresspiegel – und wenn ja, wie viele?

Angeblich steigt „der“ Meeresspiegel weltweit. Aber gibt es „den“ Meeresspiegel überhaupt? Nein – die Erde ist nicht exakt kugelförmig, sie rotiert, und dann ist da ja auch noch der Mond.

Dann mißt man halt an mehreren Stellen, um einen „mittleren“ Meeresspiegel zu ermitteln – ähnlich der „mittleren Erdtemperatur“. Aber selbst das ist nicht einfach oder gar störungsfrei möglich – selbst mit modernsten Satelliten.

Michael Limburg, Ingenieur für E-Technik mit Zusatzstudium für Meßtechnik, erklärt in Kürze und verständlich die Details.

 

Wer will kann das Video auch bei YouTube ansehen. Hier

 

 

Oder die Onlineversion (Falls das Video nicht am richtigen Punkt startet: 35:00 min.)




John Clauser schaut sich die Daten von Weltklimarat & Co. genauer an – DEUTSCHE VERSION

16. Internationale EIKE-Klima- und Energiekonferenz, IKEK-16, 14.-15. Juni 2024, Wien.

John Francis Clauser erhielt 2022 den Physik-Nobelpreis. Im folgenden Jahr hielt er in Korea eine Rede zum Thema Klimaalarmismus. Er ist Experimentalphysiker und war lange Professor an der Universität von Kalifornien in Berkeley.

Im Video analysiert er die Tricks von Weltklimarat und US-Behörden bei der Konstruktion eines „Energie-Ungleichgewichtes“ auf der Erde, weswegen es angeblich eine atmosphärische Erwärmung geben solle. Dazu werde die Rückstrahlkraft der Erde, die Albedo, falsch berechnet.




Das Wunder am Zambesi – Brücken damals und heute

von Hans Hofmann-Reinecke

Der Kollaps der Brücke in Dresden ist ein weiteres Fanal dafür, dass Führungskompetenz und technologischer Professionalismus aus Deutschland verschwinden. Vor 120 Jahren wurde in der „Dritten Welt“ in kürzester Zeit eine Brückenkonstruktion vollendet, wie sie in dieser Geschwindigkeit auch mit den modernen Hilfsmitteln von heute kaum vorstellbar wäre. Irgend etwas konnten die damals, was wir verlernt haben. Und es muß etwas Wichtiges gewesen sein.

Ein unerwartetes Hindernis

Wir waren im südlichen Afrika im Auto unterwegs, als wir auf ein unerwartetes Hindernis stießen, welches das Navi uns verschwiegen hatte: ein riesiger Fluss, mindestens zwei Kilometer breit. Auf dem Bildschirm war die Straße ungestört geradeaus weiter gegangen, die Wirklichkeit war aber anders – das ist ja auch bei größeren Bildschirmen manchmal so. Nach kurzem Dialog mit Ansässigen konnten wir das Rätsel lösen: Es handelte sich um den Zambesi, den zweitgrößten Strom Afrikas. Der fließt 2600 km von Angola über Sambia, Namibia, Zimbabwe und Mosambik in den Indischen Ozean, und der war uns jetzt in die Quere gekommen.

Es gab eine Fähre, aber auch auf der anderen Seite des Stroms trafen wir auf Überraschungen. Man erwartet Zebras oder Antilopen auf Afrikas Straßen, vielleicht einen Elefanten, aber was sich da jetzt abspielte, das war unglaublich. Eine nicht enden wollende Schlange von Tiefladern kam uns über den Horizont entgegen, beladen mit tonnenschweren Kupferplatten. Wir waren jetzt in Sambia unterwegs, und der wichtigste Rohstoff des Landes wird von dort per LKW zum nächstgelegenen Hafen gebracht: da hat man die Wahl zwischen Walvis Bay in Namibia, 2700 km, oder etwas näher, Durban in Südafrika, 2100 km.

Ein Elon Musk des 19. Jahrhunderts

Ja, der afrikanische Kontinent birst vor wertvoller Rohstoffe, aber der Transport zu den Industrieländern ist ein Problem. Vor uns hat das schon jemand anders erkannt: Cecil Rhodes, 1853-1902. Der hat in seinem relativ kurzen Leben sehr viel geschaffen, vielleicht war er ja der Elon Musk des 19. Jahrhunderts. Er plante keine Reise auf den Mars, aber plante die gut 10.000 km lange Eisenbahnlinie „From Cape to Cairo“, von Kapstadt nach Port Said, von Süd nach Nord durch ganz Afrika.

Und auch ihm kam dabei der verdammte Zambesi in die Quere, der das ganze südliche Afrika vom Rest des Kontinents abschneidet. Das sollte seine Bahnlinie nicht aufhalten, es gibt ja Brücken. Als Brückenbauer hat man nun die Wahl: man sucht im Flusslauf eine Stelle, wo er breit aber flach ist, oder aber das Gegenteil: Schmal, tief und steile Ufer. Letzteres sollte es sein, und da bot sich die Schlucht an, durch die der Fluß unmittelbar nach den Victoria Wasserfällen strömt. Und so lautete Rhodes‘ Anweisung dann:

„Baut mir diese Brücke über den Zambesi; dort, wo die Züge die Gischt der Wasserfälle abkriegen wenn sie vorbeifahren.“

Ein anspruchsvolles Viadukt

Es würde ein Viadukt aus Stahlträgern werden, das von einer Firma im Nordosten Englands entworfen, berechnet und gefertigt wurde. Die Teile würden dann per Schiff zum Hafen von Beira in Mozambique transportiert, um dann auf der frisch eröffneten Bahnstrecke von Beira die 1300 km zur Baustelle an den Victoria Fällen gebracht zu werden.

Die Teile mussten in allen Details genau stimmen, was bei der parabelförmigen Geometrie der Brücke einiges an Rechenarbeit erforderte. Was man unbedingt vermeiden wollte war, dass beim Zusammenschrauben im Dschungel jemand feststellte: hoppla, der Träger ist ja eine halben Meter zu lang, und hier fehlt ein ganzes Stück. Immerhin sind in der Brücke 2.500 einzelne Bauteile wie Träger, Fachwerke und andere Strukturelemente verbaut, die zusammen 1000 Tonnen Stahl auf die Waage bringen. Da kann vieles schief gehen.

Um dem vorzubeugen baute man die 200 Meter lange und 100 Meter hohe Struktur gerade man in England zusammen, und stellte sicher, daß alles paßte, bevor man die – hoffentlich gut nummerierten – Einzelteile aufs Schiff verlud. Und noch etwas: Damit die Brücke dann auch genau zwischen die steilen Wände der Schlucht des Zambesi passte, musste man auch die Felswände in England nachbauen. Das waren ja keine glatten Betonplatten sondern chaotische Steinformationen.

Jeder Fehler würde hier viel Zeit und Geld kosten. Der Seeweg – und das war der einzige – von England nach Beira in Mozambique war 15.000 km, egal ob ums Kap der Guten Hoffnung oder den damals schon offenen Suez Kanal. Und von Beira zur Baustelle waren es ja auch noch ein paar Tage.

Was konnten die damals?

Wie lange würde so ein Projekt heute dauern? Die tonnenschweren Stahlteile würden auch heute auf See transportiert, Formalitäten an den Grenzen brauchen ihre Zeit und Kooperation mit den Auftragnehmern vor Ort wäre nicht einfach. Sicherheitsfreigaben durch den TÜV wären erforderlich, sowie Abschätzungen der Einflüsse auf den Klimawandel. Wenn man die ersten Meinungen zur Reparatur der Carolabrücke zum Maßstab nimmt, dann würde man für den Brückenbau im Dschungel vielleicht auf 14 Jahre einplanen.

Tatsächlich dauerte der Bau 14 Monate und die feierliche Eröffnung war am 12.September 1905. Irgend etwas konnten die damals also, was wir heute nicht mehr können, und das muss etwas sehr Wichtiges gewesen sein.

Cecil Rhodes hat diesen Triumph nicht miterlebt, er war 1902 an Lungenentzündung verstorben. Aber er hat der Nachwelt dieses unumstritten ästhetische technische Monument hinterlassen. Eher umstritten ist sein historisches Erbe in Sachen Rhodesien und sein unternehmerischer Nachlaß in Form der De Beers Diamond Company.

Auch sein Traum der Eisenbahn von „Cape to Cairo“ wurde nur zu Teilen realisiert. Teile der Strecke sind aber heute noch in Betrieb. Wenn Sie ein Abenteuer suchen, dann gönnen Sie sich doch vielleicht eine Zugfahrt von Kapstadt nach Bulawayo – auf den Schienen von Cecil Rhodes.

Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-Again. Der Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.