Moskau’s europäische Gas-Strategie funktioniert nicht länger

Unter Berufung auf "Transitrisiken" durch den Transport von Erdgas durch "unzuverlässige Länder", wollen die Russen die Ukraine umgehen und ein System aufbauen, wie es als Turk-Stream durch das Schwarze Meer durch Anatolien bis zum Balkan bekannt ist. Westeuropa, das etwa 30% seines Erdgases aus Russland bekommt, müsse nun mit der Entscheidung leben, wurde Mr. Sefcovic mitgeteilt. "Turk Stream ist jetzt die einzige Pipeline" erklärte Mr. Miller gegenüber Reportern. "Unsere europäischen Partner sind hiervon unterrichtet worden und ihre Aufgabe ist es nun, die notwendige Infrastruktur für Gastransporte ab den Grenzen der Türkei und Griechenlands zu etablieren."

Dennoch wissen Mr. Sefcovic und andere Experten, dass die europäischen Verbraucher keinen wirklichen Grund zur Sorge haben. Mr. Millers polternder Ton reflektiert wenig mehr als die Zwielichtigkeit der plumpen Pipeline-Politik von Gazprom, Tatsache ist, dass der Griff des russischen Energieriesen auf Preise und die Verteilung schwächer wird, wenn die Gas- und Ölpreise sinken und der Wettbewerb steigt.

Viele Europäer haben schlechte Erinnerungen, als Gazprom wegen der Meinungsverschiedenheiten mit der Ukraine über Preise die Lieferungen während der Winter von 2006 und 2009 unterbrochen hatte. Ein Gefühl der Verwundbarkeit wurde durch russische Bemühungen verschärft, mehr Liefersysteme zu entwickeln, die es Moskau erlauben, den Gasfluss in bestimmte Länder direkt steuern zu können: Die Blue-Stream-Pipeline in die Türkei, die Jamal-Pipeline nach Polen und Deutschland sowie Nord Stream nach Deutschland. Dieses erweiterte Netzwerk war Teil von Moskaus kommerzieller und politischer Strategie, eine Strategie, die die Position der Ukraine als wichtigstes Transitland in den Westen aushöhlt; Kiew und die kleineren Staaten Osteuropas verlieren Transitgebühren und ermöglichen es damit Moskau, Lieferungen ungestraft zu beschneiden.

Aber die Strategie der Verwendung von Rohrleitungen als Hebel, um Märkte zu steuern, funktioniert nicht mehr. Seit 2009 ist die Europäische Union bemüht, ihre Energiesicherheit zu verbessern, vor allem durch Aktivitäten, einen einzigen offenen Markt mit Rohrleitungssystemen und neuen Bezugsquellen zu entwickeln. Wird einer der Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch Gazprom der Gashahn zugedreht wird, kann Gas einfach von einem anderen Mitgliedsland aus fließen. Die Schwächung von Russlands Einfluss auf die Energiepolitik wurde im Dezember deutlich, als Präsident Wladimir Putin das viel beschworene South-Stream-Projekt aufkündigte, das eine Unterwasser-Pipeline von Russland nach Bulgarien enthielt. Europäische und amerikanische Sanktionen gegen Russland, verbunden mit finanziellen und rechtlichen Problemen, hatte das 40-Milliarden-Dollar-Projekt zur Umgehung der Ukraine unhaltbar gemacht. Anstatt nur die Akte zu schließen, hat Putin Pläne für Turk Stream angekündigt.

Auf den ersten Blick scheint der Schwenk wie ein cleverer Versuch, Ankara näher an Moskau zu bringen, während Europa weiter von russischem Gas abhängig ist und um Kiew für den Bruch mit dem Kreml zu bestrafen. Doch bei näherer Betrachtung sieht es aus wie ein Akt der Verzweiflung.

Im vorigen Jahr, als die Krise um die Krim und die Region Donbass überkochte, sperrte Russland die Gasströme nach Kiew unter Berufung auf Preisstreitigkeiten fast ein halbes Jahr lang. Auch wenn EU-Beamte Moskaus Zusicherung haben, dass der [Energie-]Fluss in diesem Jahr weiterhin sicher erhalten bleibt, öffnet sich der europäische Markt zunehmend anderen Quellen. Norwegen ist nun ein Rivale Russlands um den Titel des größten Gasexporteurs in andere Länder auf dem Kontinent. Auch Algerien ist in der Lage, mehr Gas zu liefern; die ersten Importe von verflüssigtem Erdgas aus Amerika sind nur ein Jahr her, während die Anfänge der Schiefergas-Entwicklung in Polen und Großbritannien zu sehen sind. Darüber hinaus werden Fernleitungsnetze nach Italien und zum Balkan von der Türkei und Aserbaidschan gebaut.

Für Russland, durch taumelnde Öleinnahmen und andere Leiden getroffen, wird die Suche nach Investoren für neue Rohrleitungssystemen bestenfalls schwierig sein. South Stream ist mit vielen Hürden konfrontiert, einschließlich rechtlicher Hindernisse. Die neuen Regeln der Europäischen Union zur Marktliberalisierung erfordern die Trennung der Übertragungsnetze vom Gaslieferanten. Grundsätzlich kann Gazprom sowohl die Rohrleitungen und das Gas nicht legal besitzen, sie hätten sonst die Rohrleitungen durch Osteuropa bis in den wichtigsten Handelsknotenpunkt in Österreich gekauft. Auch wenn Brüssel eine Ausnahme gewähren würde, würde das Unternehmen immer noch aufgefordert werden, Dritten Zugang zu seiner Pipeline zu gewähren. Auch würde Brüssel eine transparente Preisgestaltung für die Nutzung des Systems durch andere Unternehmen fordern. Ein solcher Eingriff wäre ein Gräuel für Moskau.

In gewisser Weise ist das Turk-Stream-Projekt noch problematischer als South Stream. Der russische Vorschlag sieht die Vermeidung von Konflikten mit dem europäischen Recht vor, indem die Kunden von Gazprom die Lieferung an der europäischen Grenze annehmen. Aber diese Hoffnung könnte leicht nach hinten losgehen. Ist das russische Gas einmal in Europa, könnte es überall hin dirigiert werden. Ein Hauptspeicherpunkt, speziell im Sommer, würden die großen Einrichtungen in der Westukraine sein. Turk-Stream könnte den Einfluss von Gazprom weiter verringern, indem ein weiterer Erdgasspeicher eingerichtet wird, der gegen eine russische Sperre immunisiert.

Zuerst erschienen am 13.02. 2015, National Post

Gelesen auf : The Global Warming Policy Forum

Link: http://www.thegwpf.com/moscows-european-gas-strategy-is-no-longer-working/

Übersetzt durch Andreas Demmig für das EIKE

Zusatz des Übersetzers: Ich habe beruflich auch mit Pipeline Projekten zu tun gehabt. Sofern auch der Kunde seine Zusagen (Geld) einhält, haben sowohl die Russen, als auch z.B. die Iraner ihre Verpflichtungen immer sorgfältig eingehalten. Selbst während der politischen „Eiszeit“.

Ob es tatsächlich sinnvoll und wirtschaftlich ist, eine weitere teure Infrastruktur aufzubauen , nur um „unabhängig“ zu sein, ist sicherlich näherer Betrachtung wert.

Unabhängigkeit würde bedeuten, auch die eigenen Lagerstätten zu nutzen.

A. D.




Europas selbstmörderischer Unwille gegen Schiefer

Inmitten der endlosen Debatten rund um die Welt über die Sicherheit von Fracking übersehen politische Entscheidungsträger das größere Bild. Die Möglichkeit, fossile Treibstoffe mit Hilfe neuer Technologien zu extrahieren (als da wären horizontale Bohrungen, hydraulisches Brechen und seismische 3D-Erkundung), die in Schiefergestein gefangen sind, ist die wichtigste Entwicklung innerhalb der Energieindustrie seit mindestens einem halben Jahrhundert. Die Schiefer-Revolution lässt das 80:10-Verhältnis implodieren – dass 80 Prozent des Öls und Gases im Bereich des Ölkartells der OPEC-Länder und Russland gefördert werden und nur 10 Prozent in OECD-Ländern und China. Energie kann jetzt aus Schiefer extrahiert werden, am meisten in China und den USA, aber auch in Europa.
Selbst wenn sie jedoch kein Molekül Energie aus Schiefer gewinnen, können die Europäer doch die Konsequenzen nicht übersehen. Die Schiefer-Revolution wird die geostrategische Position des Kontinents verändern. Positiv ist, dass anderswo erzeugtes Schiefergas Europas Energiesicherheit stärken wird, entweder durch konventionell verflüssigtes Erdgas, das in die europäischen Märkte geleitet wird, oder als verflüssigtes Schiefergas, das nach Europa verschifft wird.
Weit weniger positiv ist, dass Europa zum einzigen großen ökonomischen Block ohne ausreichende Energie-Ressourcen wird. Die USA, China und Latein-Amerika werden Zugang zu Schiefer haben, ebenso wie zu Offshore-Ölfeldern. Da sich die USA der Energie-Unabhängigkeit nähern, wird Washington wahrscheinlich darauf bestehen, dass Europa in seine eigene Energiesicherheit investiert, indem es einen Teil der Belastung durch Öltransporte aus der Golf-Region in den Westen übernimmt, die gegenwärtig von der US-Marine getragen wird.
Die EU kann auch nicht an den Auswirkungen von Schiefer auf seine Politik bzgl. der Klimaänderung vorbeigehen. Die 2007 von Brüssel beschlossenen Ziele zur Reduktion von Kohlenstoff-Emissionen wurden durch die Erwartung permanent steigender Preise für fossile Treibstoffe angetrieben, die es irgendwann wirtschaftlich machen, in erneuerbare Energie zu investieren. Angesichts der den Planeten umspannenden Schiefer-Entwicklung werden jedoch immense Mengen Erdgas verfügbar werden, die die Preise nach unten drücken.
Die US-Schiefer-Revolution verzerrt schon jetzt die EU-Klimapolitik. Amerikanische Gaspreise sind bereits so niedrig, dass Kohleproduzenten dort ihre Erzeugnisse nach Europa verschiffen. Die Flutwelle derartiger Importe, die 2012 zu beobachten war, ist wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack eines größeren Problems für Brüssel. Die Pro-Erneuerbare-Politik der EU wird als Magnet fungieren für jeden Kohleproduzenten, der durch die Entwicklung beim Schiefergas aus seinem Heimatland vertrieben wird. Angesichts der teuren Erzeugung erneuerbarer Energie werden europäische Energieversorger zu verschmutzender Kohle übergehen, um Kosten zu sparen. Die Gefahr für die EU besteht dann darin, dass sie bei Beibehaltung der gegenwärtigen Politik bzgl. der Klimaänderung zum globalen Müllabladeplatz für Kohle wird.
Unabhängig von den geostrategischen Auswirkungen und den Auswirkungen auf die Klimaänderung von Schiefer gibt es eine beträchtliche wirtschaftliche Auswirkung. Hohe Energiepreise sind nicht aus sich selbst heraus ökonomisch schädlich. Allerdings, in einer Situation, in der alle anderen wirtschaftlichen Blöcke Zugang zu großen Mengen billiger Ressourcen haben oder demnächst haben werden, wird es in Europa zu einem Ausbluten energieintensiver Unternehmen kommen. Wahrscheinlich wird dieser Effekt noch verschlimmert, weil die Auswirkung billiger fossiler Treibstoffe diese Unternehmen zurück nach Amerika ziehen wird. Viele Schiefer erzeugenden Staaten neben den USA werden diesen Faktor nachahmen wollen, entweder um die Erzeugung im Lande zu halten oder sie in ihre Ökonomien zu transferieren – was die Deindustrialisierung Europas weiter verstärken wird.
Alan Riley, Financial Times
Full story, die jedoch nicht frei zugänglich ist. Wahrscheinlich ist obiger Artikel im Original noch länger, aber erstens halte ich das hier Angesprochene für sehr wichtig, und zweitens gehe ich davon aus, dass alles Wesentliche bereits gesagt ist. Darum habe ich ihn zur Übersetzung ausgesucht.
C. F.
Link: http://www.thegwpf.org/alan-riley-europes-suicidal-shale-reluctance/
Übersetzt von Chris Frey EIKE