Roger Pielke Jr.

[Vorbemerkung des Übersetzers: Der Autor dieses Beitrags ist offenbar fest von den Auswirkungen anthropogener Treibhausgas-Emissionen auf das Klima überzeugt. Abgesehen davon biete der Beitrag m. E. aber wertvolle Hinweise, wie sich ein so abstruses Bild wie das vom zukünftigen Klima entwickeln konnte. Daher wird der Beitrag hier trotz jener Einschränkung übersetzt. – Ende Vorbemerkung]

Die Integrität der Wissenschaft hängt von ihrer Fähigkeit ab, ein immer zuverlässigeres Bild davon zu vermitteln, wie die Welt funktioniert. In den letzten zehn Jahren sind ernsthafte Bedrohungen für diese Integrität zutage getreten. Die Erwartung, dass sich die Wissenschaft von Natur aus selbst korrigiert und dass sie sich kumulativ und progressiv von falschen Überzeugungen weg und hin zur Wahrheit bewegt, wurde in zahlreichen Bereichen in Frage gestellt – darunter Krebsforschung, Neurowissenschaften, Hydrologie, Kosmologie und Wirtschaftswissenschaften -, da Beobachter feststellen, dass viele veröffentlichte Ergebnisse von schlechter Qualität sind, systemischen Verzerrungen unterliegen oder nicht reproduzierbar sind.

Ein besonders beunruhigendes Beispiel aus den biomedizinischen Wissenschaften ist eine Literaturübersicht aus dem Jahr 2015, in der festgestellt wurde, dass fast 900 von Experten begutachtete Veröffentlichungen, in denen über Studien zu einer vermeintlichen Brustkrebszelllinie berichtet wurde, in Wirklichkeit auf einer falsch identifizierten Hautkrebslinie beruhten. Schlimmer noch, fast 250 dieser Studien wurden sogar noch veröffentlicht, nachdem die falsche Zelllinie 2007 endgültig identifiziert worden war. Unsere flüchtige Suche bei Google Scholar zeigt, dass Forscher die Hautkrebszelllinie immer noch in Brustkrebsstudien verwenden, die 2021 veröffentlicht wurden. Alle diese fehlerhaften Studien sind nach wie vor in der Literatur zu finden und werden weiterhin eine Quelle der Fehlinformation für Wissenschaftler sein, die sich mit Brustkrebs beschäftigen.

Im Jahr 2021 befindet sich die Klimaforschung in einer ähnlichen Situation wie die Brustkrebsforschung im Jahr 2007. Unsere Forschung (und die mehrerer Kollegen) zeigt, dass die Szenarien der Treibhausgas-Emissionen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf veralteten Darstellungen der jüngsten Vergangenheit beruhen. Da die Klimamodelle auf diese Szenarien angewiesen sind, um das künftige Verhalten des Klimas zu prognostizieren, bilden die veralteten Szenarien eine irreführende Grundlage sowohl für die Entwicklung einer wissenschaftlichen Beweisbasis als auch für die Information der klimapolitischen Diskussionen. Der anhaltende Missbrauch von Szenarien in der Klimaforschung ist inzwischen so weit verbreitet und folgenreich, dass wir ihn als eines der größten Versäumnisse der wissenschaftlichen Integrität im einundzwanzigsten Jahrhundert betrachten. Es bedarf dringend einer Kurskorrektur.

[Hervorhebungen vom Übersetzer]

In unserer Forderung nach einer solchen Kurskorrektur betonen wir ausdrücklich und unmissverständlich, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel real ist, dass er erhebliche Risiken für die Gesellschaft und die Umwelt birgt und dass verschiedene politische Reaktionen in Form von Abschwächung und Anpassung notwendig und sinnvoll sind. Die Realität und die Bedeutung des Klimawandels sind jedoch ebenso wenig ein Grund oder eine Entschuldigung für die Vermeidung von Fragen der Forschungsintegrität wie die Realität und die Bedeutung von Brustkrebs. Im Gegenteil, die Dringlichkeit macht die Aufmerksamkeit für die Integrität umso wichtiger.

Szenarien und Grundlagen

Politische Maßnahmen sind Vorhersagen. Die Festlegung auf eine bestimmte Vorgehensweise spiegelt die Erwartungen an die Ergebnisse wider, die sich aus der Wahl einer Option gegenüber anderen ergeben. Eine zu den gewünschten Ergebnissen führende wirksame Politikgestaltung erfordert daher eine gewisse Fähigkeit, die Zukunft zu erkennen und zu planen. Es überrascht nicht, dass die Politik im Zusammenhang mit dem Klimawandel, der sich über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte erstrecken wird, Methoden zur Unterscheidung alternativer Wege in die Zukunft benötigt.
Ein grundlegender Ansatz für die Erforschung des Klimas basiert auf Szenarien. In den 1960er Jahren führte Herman Kahn den Begriff Szenario ein, um eine formalisierte Vision der Zukunft zu beschreiben. Als Militärstratege für die RAND Corporation freundete sich Kahn mit Schauspielern und Regisseuren in Südkalifornien an und war wahrscheinlich eines der Vorbilder für die gleichnamige Figur in Stanley Kubricks Dr. Seltsam.

Kahn erklärte, dass „Szenarien einfach eine mehr oder weniger phantasievolle Abfolge von Ereignissen sind, die so zusammengestellt werden, dass jedes Ereignis einen Kontext für die anderen Ereignisse bildet und dass es eine gewisse Kontinuität in der ‚Erzählung‘ über die Zeit gibt.“ Die Idee der „Szenario-Planung“ fand Anklang, und 1972 fragte die Shell Corporation bei Kahn an, als sie ihre Methoden der Szenario-Planung zur Gestaltung der Unternehmensstrategie entwickelte.

Szenarien sind ein wichtiges Analyseinstrument, weil die Welt unglaublich komplex ist und die Menschen Werkzeuge brauchen, um sich die Konturen dieser Komplexität vorzustellen. Wie der Anthropologe James C. Scott feststellt, „ist jeder große soziale Prozess oder jedes große soziale Ereignis unweigerlich weitaus komplexer als die Schemata, die wir – prospektiv oder retrospektiv – entwickeln können, um es abzubilden“. Wir brauchen also Werkzeuge, um die Komplexität der Welt zu vereinfachen, damit wir Handlungsalternativen entwickeln und bewerten können, um sie schließlich umzusetzen. Solche Karten der Welt sind jedoch nicht einfach nur ein Abbild der zugrunde liegenden Realität. Der Geograf Alan MacEachren erklärt: „Wenn wir diese abstrakten Repräsentationen aufbauen (entweder konkrete Repräsentationen in Form von Karten oder kognitive Repräsentationen, die durch Karten angeregt werden), geben wir nicht so sehr Wissen preis, sondern wir schaffen es.“

Szenarien sind ein wichtiges Analyseinstrument, weil die Welt unglaublich komplex ist und die Menschen Werkzeuge brauchen, um sich die Konturen dieser Komplexität vorzustellen.

Die Klimaforschung war aufgrund ihrer Wurzeln in der langfristigen Planung und in der Energiewirtschaft ein natürlicher Kandidat für den Einsatz von Szenarien. Frühe Szenarien waren stark idealisiert und konzentrierten sich auf die Frage, was passieren würde, wenn sich die Kohlendioxidkonzentration gegenüber dem vorindustriellen Niveau verdoppelte oder mit einer konstanten Rate von 1 % pro Jahr anstieg. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) führte Szenarien ein, um nicht nur wissenschaftliche Fragen zu erforschen, sondern auch, um alternative Zukünfte zu projizieren oder vorherzusagen. Im ersten IPCC-Bericht von 1990 wurde ein Konzept aus der Szenario-Literatur übernommen, das als „Business-as-usual“ bezeichnet wird, ein Begriff, der beschreibt, wohin sich die Welt derzeit bewegt. Ein „Business-as-usual“-Szenario soll eine Basiserwartung für die Zukunft schaffen, wenn keine unvorhergesehenen Ereignisse oder konzertierten Bemühungen zur Veränderung dieser Zukunft eintreten. Diese Basiserwartung kann dann eine Bewertung der Vorteile strukturieren, die sich aus einem alternativen Weg ergeben könnten.

Der Gedanke einer Basisprojektion (oder Business-as-usual- oder Referenzprojektion) in der Szenarioplanung wurde durch die Einführung der Kosten-Nutzen-Analyse als zentrales Instrument zum Verständnis der potenziellen Auswirkungen vorgeschlagener staatlicher Regelungen verstärkt. So erließ die Reagan-Regierung 1981 eine Verordnung, die vorschreibt, dass Bundesvorschriften vor ihrer Umsetzung einer formalen Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden müssen. Ein Hauptmerkmal einer solchen Analyse ist der Vergleich mehrerer Zukunftsszenarien – in der Regel eines ohne Regulierung (das Basisszenario) und eines mit verschiedenen politischen Maßnahmen (ein politisches Szenario). Im Rahmen einer solchen Methodik betrachten die Analysten das Basisszenario als eine Vorhersage der wahrscheinlichsten Zukunft ohne spezifische politische Maßnahmen zur Vermeidung dieser Zukunft. Als die Klimawissenschaft in den folgenden Jahrzehnten Gestalt annahm, übernahm das Feld dieses Erbe der Basisszenarien.

Die Zukunft ist nicht mehr das, was sie einmal war

Die Bemühungen, die Zukunft des Klimawandels zu verstehen, hängen von Szenarien für künftige Treibhausgas-Emissionen ab, da diese Emissionen zentral für jede Abweichung des Klimas von seiner natürlichen Variabilität verantwortlich sind. Emissionsszenarien sind daher ein wichtiger Input für die Klimamodelle, die das zukünftige Verhalten des Klimas projizieren sollen. Die Emissionsszenarien sind jedoch selbst von Variablen wie Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum, technologischem Wandel, veränderter Landnutzung usw. abhängig.

Da sich die Welt in den drei Jahrzehnten seit dem ersten IPCC-Bericht von 1990 auf unglaubliche und unvorhergesehene Weise entwickelt hat, ist die vom IPCC prognostizierte Zukunft bemerkenswert statisch geblieben.

Eine offensichtliche Herausforderung für die Konstruktion plausibler Emissionsszenarien besteht also darin, dass sich diese Schlüsselvariablen ständig ändern, manchmal in ganz unerwartete Richtungen. Und während sich die Welt in den drei Jahrzehnten seit dem ersten IPCC-Bericht von 1990 auf unglaubliche und unvorhergesehene Weise entwickelt hat, ist die vom IPCC prognostizierte Zukunft bemerkenswert statisch geblieben. So ging der erste IPCC-Bericht von 1990 von einem Business-as-usual-Szenario für Kohlendioxidemissionen aus, das für das Jahr 2100 eine Treibhausgaskonzentration von mehr als 1.200 Teilen pro Million (ppm) Kohlendioxid-Äquivalent, einen Strahlungsantrieb (ein Maß für den Treibhauseffekt) von 10 Watt pro Quadratmeter (W/m²) und einen globalen Temperaturanstieg zwischen 2,9 und 6,2 Grad Celsius über den vorindustriellen Werten ergab. Der Sechste Sachstandsbericht des IPCC, der in diesem Jahr veröffentlicht werden soll, geht von einem Basisszenario aus, das für das Jahr 2100 eine Treibhausgaskonzentration von etwa 1.200 ppm, einen Strahlungsantrieb von 8,5 W/m² und einen Temperaturanstieg von 3,0 bis 5,1 Grad Celsius vorsieht.

Diese bemerkenswerte Kontinuität der Merkmale zwischen den verschiedenen Generationen von Klimaszenarien erleichtert den Vergleich von Forschungsarbeiten, die über viele Jahrzehnte hinweg unter Verwendung der verschiedenen Szenarien durchgeführt wurden. Aber sie schafft auch ein Problem. Die Emissionsszenarien, die die Klimagemeinschaft jetzt als Grundlage für Klimamodelle verwendet, beruhen auf Darstellungen der Gegenwart, die nicht mehr zutreffen. Und sobald die Szenarien den Bezug zur Realität verloren haben, gilt dies auch für die Klima-, Folgen- und Wirtschaftsmodelle, die für ihre Zukunftsprojektionen auf sie angewiesen sind. Dennoch sind diese Projektionen ein zentraler Bestandteil der wissenschaftlichen Grundlage, auf der die Klimapolitiker nun politische Maßnahmen entwickeln, diskutieren und beschließen.

[Hervorhebung vom Übersetzer]

Wie die Emissionsszenarien aus dem Ruder gelaufen sind, ist eine lange und technische Geschichte (die wir in einem 20.000 Wörter langen Artikel für Interessierte erzählen). Hier ist die Kurzfassung:

Vier zukünftige Szenarien

Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger haben immer wieder gelernt, dass genaue Vorhersagen über die Zukunft der Gesellschaft nicht nur schwierig, sondern im Grunde unmöglich sind. Die Szenarioplanung trägt dazu bei, der begrenzten Voraussicht zu begegnen, indem sie eine Reihe alternativer möglicher Zukünfte ins Auge fasst und so die Erwägung von Maßnahmen ermöglicht, die trotz Ungewissheit und Unwissenheit wirksam sein können. Zukunftsszenarien müssen jedoch ständig aktualisiert werden, da sich die Möglichkeiten für die Zukunft mit der Entwicklung der Ereignisse in der Gegenwart verändern.

Ein Basisszenario oder Business-as-usual-Szenario ist per Definition eine Erwartung der wahrscheinlichsten Zukunft, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, um diese Zukunft zu verändern. Nachdem in den ersten Berichten des IPCC ein Basisszenario und drei Politikszenarien (die jeweils eine andere Mischung künftiger klimapolitischer Maßnahmen widerspiegeln) angenommen worden waren, erkannten die Leiter des IPCC in den späten 1990er Jahren, dass die Organisation ihre Szenarien aktualisieren musste. Die IPCC-Gemeinschaft debattierte aktiv darüber, ob neue Szenarien die Unterscheidung zwischen Baseline und Politik früherer IPCC-Bewertungen übernehmen oder stattdessen Szenarien ohne jegliche Berücksichtigung ihrer Wahrscheinlichkeit präsentieren sollten.

Die Emissionsszenarien, die die Klimagemeinschaft jetzt als Grundlage für Klimamodelle verwendet, beruhen auf Darstellungen der Gegenwart, die nicht mehr zutreffen.

Der verstorbene Klimaexperte Stephen Schneider plädierte für die Aufnahme von Wahrscheinlichkeiten in die Szenarien. Er erklärte, dass „politische Analysten Wahrscheinlichkeits-Schätzungen benötigten, um die Schwere der angedeuteten Auswirkungen zu bewerten; andernfalls wären sie darauf angewiesen, die impliziten Wahrscheinlichkeits-Zuweisungen selbst zu erarbeiten“. Andere Wissenschaftler, die an der Erstellung der IPCC-Szenarien beteiligt waren, argumentierten jedoch, dass die Bewertung der Wahrscheinlichkeiten von Szenarien, die ein Jahrhundert in die Zukunft reichen, grundsätzlich unmöglich sei, und dass sie dies nicht tun sollten, um die Nutzer nicht über die Vorhersehbarkeit der Zukunft in die Irre zu führen. Beide Seiten haben gute Argumente.

Die letztgenannte Perspektive hat sich durchgesetzt. Als der IPCC im Jahr 2000 seinen Sonderbericht über Emissionsszenarien (Special Report on Emission Scenarios, SRES) veröffentlichte, stellte er die neue Familie der Emissionsszenarien ohne Wahrscheinlichkeiten vor. Es wurde also nicht zwischen Basisszenarien und politischen Szenarien unterschieden. Der Bericht hob vier Szenarien hervor, die ein breites Spektrum von Ergebnissen abdecken, damit die Nutzer von Szenarien, wie z. B. Klimamodellierer, nicht in Versuchung kommen, ein mittleres Szenario als die wahrscheinlichste Basiszukunft zu interpretieren. Der SRES-Bericht des IPCC kam zu folgendem Schluss: „Das SRES-Autorenteam ist sich weitgehend einig, dass die aktuelle Literaturanalyse darauf hindeutet, dass die Zukunft von Natur aus unvorhersehbar ist und dass es daher unterschiedliche Ansichten darüber geben wird, welche der Handlungsstränge und repräsentativen Szenarien mehr oder weniger wahrscheinlich sein könnten. Daher ist die Entwicklung eines einzigen ‚best guess‘- oder ‚business-as-usual‘-Szenarios weder wünschenswert noch möglich.“

Diese Entscheidung war nicht unumstritten. So stellten Detlef van Vuuren und seine Kollegen von der niederländischen Umweltagentur in einer Überprüfung der IPCC-Bewertungen im Jahr 2012 fest, dass das Versäumnis, Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen, „von einigen Umwelt-NGOs [Nichtregierungsorganisationen] stark kritisiert wurde, da es suggerieren würde, dass autonome Entwicklungen auch zu einer (bescheidenen) Verringerung der Emissionen führen könnten“. Mit anderen Worten: Wenn ein Szenario suggeriert, dass sich die Welt ohne aggressive Klimapolitik zu einer Zukunft mit geringeren Emissionen entwickeln könnte, könnte dies die Motivation zur Entwicklung von Maßnahmen zur Schaffung einer solchen Zukunft verringern. Dies ist ein Beweis dafür, dass Szenarien nicht einfach nur dazu dienen, sich mögliche zukünftige Entwicklungen vorzustellen, sondern auch Dreh- und Angelpunkte sind, die zum Handeln motivieren – damit diese gewünschten Entwicklungen Wirklichkeit werden. Szenarien sind daher nie neutral, da unterschiedliche Entwicklungen unterschiedliche Entscheidungen zwischen politischen Optionen widerspiegeln.

Die Summe aller Antriebe

Bei der Entwicklung von Emissionsszenarien gehen die Wissenschaftler zunächst von Annahmen über die Zukunft sozioökonomischer Variablen wie Wirtschaftswachstum, Bevölkerungswachstum und Energieverbrauch sowie von einer Reihe anderer Variablen aus, z. B. Veränderungen in der Flächennutzung (Landwirtschaft, Weidewirtschaft, Forstwirtschaft usw.) und der Feinstaubbelastung. Diese Variablen werden in Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle, so genannte integrierte Bewertungsmodelle, eingefügt, um plausible Pfade für künftige Emissionen zu erstellen – das sind die Emissionsszenarien. Diese Szenarien prognostizieren nicht nur die Zukunft der Kohlendioxid-Emissionen, sondern auch die anderer klimawirksamer Chemikalien wie Methan und Distickstoffoxid. Die Emissionsszenarien wiederum sind notwendig, um eine weitere Variable zu bestimmen, den so genannten Strahlungsantrieb, ein Maß für die Veränderung des Netto-Energietransfers (d. h. der Wärme) in der Atmosphäre. Die Pfade des Strahlungsantriebs (Änderungen des Antriebs im Laufe der Zeit) sind eine wichtige Eingangsgröße für die Klimamodelle, die das zukünftige Verhalten des Klimas projizieren.

Die IPCC-Szenarien dienen den Bedürfnissen der Klimamodellierer, die hohe technische Anforderungen an die Eingangsparameter für ihre Klimamodelle haben. Mit dem wachsenden wissenschaftlichen Verständnis der Komplexität des Klimasystems ist auch die Komplexität der Szenarien gewachsen, von denen die Klimamodelle – und die von ihnen projizierten zukünftigen Entwicklungen – abhängen.

Im Jahr 2005 begann der IPCC mit der Erstellung einer neuen Generation von Emissionsszenarien, die die SRES-Szenarien ersetzen sollten. Die Entwicklung dieser neuen Szenarien würde einige Zeit in Anspruch nehmen, was den Fortschritt der Klimamodellierungs-Forschung verzögern würde. Um die notwendigen Informationen für die Weiterentwicklung der Klimamodelle bereitzustellen, ohne auf aktualisierte Szenarien warten zu müssen, wählte der IPCC einfach eine Reihe von vier Strahlungspfaden für das Jahr 2100 aus, die von der Forschungsgemeinschaft verwendet werden sollten. Diese so genannten repräsentativen Konzentrationspfade (Representative Concentration Pathways, RCPs) wurden aus den vielen hundert vorhandenen Emissionsszenarien ausgewählt, um eine hohe, eine niedrige und zwei mittlere Projektionen darzustellen. Die Modellierer konnten dann sofort die vier RCPs anwenden, um eine Reihe von aktualisierten Projektionen des künftigen Klimaverhaltens zu erstellen. Parallel dazu würden die Entwickler von Szenarien mit demselben Satz von Strahlungspfaden beginnen und rückwärts arbeiten, um sozioökonomisch plausible Emissionsszenarien zu entwickeln, die die vier RCPs erzeugen würden.

Szenarien sind nicht nur Linsen, die helfen, sich mögliche Entwicklungen vorzustellen, sondern auch Dreh- und Angelpunkte, die zum Handeln motivieren, um gewünschte Entwicklungen in die Realität umzusetzen.

Obwohl der IPCC die vier Strahlungspfade ausgewählt hat, um eine Reihe von Zukunftsprojektionen bis zum Jahr 2100 zu erstellen, hat er die Plausibilität der sozioökonomischen Annahmen, die zu ihrer Erstellung verwendet wurden, nicht berücksichtigt. In der Tat stellte der IPCC 2008 fest: „Es ist eine offene Forschungsfrage, wie groß die Bandbreite der sozioökonomischen Bedingungen sein könnte, die mit einem bestimmten [RCP-]Pfad des Treibhauseffekts vereinbar sind, einschließlich seines endgültigen Niveaus, seines zeitlichen Verlaufs und seines räumlichen Musters“. Der Online-Leitfaden für die RCP-Datenbank warnte in ähnlicher Weise: „Die Unterschiede zwischen den RCPs können daher nicht direkt als Ergebnis der Klimapolitik oder bestimmter sozioökonomischer Entwicklungen interpretiert werden.“

Der IPCC hatte die Verbindung zwischen den sozioökonomischen Merkmalen, die den Szenarien zugrunde liegen (Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftswachstum usw.), den Emissionsszenarien, die sie für die Klimamodelle lieferten, und den Klimazukunftsaussichten, die diese Modelle vorhersagen würden, gekappt. Der Effekt dieser Trennung bestand darin, Zeit zu sparen und gleichzeitig jede Verpflichtung aufzugeben, die Szenarien und Pfade auf Plausibilität oder Wahrscheinlichkeit zu bewerten.

Und dennoch ignorierte der IPCC seine eigene Anleitung. Er verband die RCP-Szenarien nicht nur mit Plausibilität, sondern auch mit Wahrscheinlichkeiten, als er das Szenario, das zu den stärksten Klimaveränderungen führt, RCP8.5 genannt (mit einem Strahlungsantrieb von 8,5 W/m² im Jahr 2100), als das einzige Business-as-usual-Szenario der Gruppe bezeichnete. Damit identifizierte der IPCC das RCP8.5 als die wahrscheinlichste Zukunft ohne weitere politische Maßnahmen, was ihm einen besonderen Status nicht nur unter den RCPs, sondern auch unter den Hunderten von Basisszenarien der breiteren IPCC-Szenarien-Datenbank verlieh.

Was für die Wissenschaft gut ist

Warum ist das wichtig? Weil RCP8.5 – das am häufigsten verwendete RCP-Szenario und dasjenige, das angeblich am besten repräsentiert, wie die Welt aussehen würde, wenn keine klimapolitischen Maßnahmen ergriffen würden – nicht nur eine unplausible Zukunft im Jahr 2100 darstellt, sondern auch eine Gegenwart, die bereits jetzt erheblich von der Realität abweicht. Wir wissen dies, weil wir das RCP8.5 (wie auch andere Klimaszenarien) seit Jahren untersuchen und viele seiner Inputs und Annahmen anhand der tatsächlichen Entwicklung der Welt seit 2005, dem Jahr, in dem das RCP8.5 beginnt, bewertet haben. Wir haben auch Hunderte von IPCC-Szenarien im Vergleich zu kurzfristigen Projektionen der globalen Energiebewertungen bewertet. Unsere Arbeit (einschließlich der Zusammenarbeit mit Matthew Burgess und anderen Kollegen) sowie die Studien anderer Forscher, die in zahlreichen Publikationen veröffentlicht wurden, zeigen eindeutig, dass die meisten IPCC-Szenarien bereits vom Weg abgekommen sind, einige, wie RCP8.5, sogar erheblich. Wie zwei Szenarioexperten in einem Kommentar in Nature vom Januar 2020 zusammenfassen, „ist die Welt, die man sich im RCP8.5 vorstellt, eine Welt, die unserer Ansicht nach mit jedem Jahr unwahrscheinlicher wird“.

[Hervorhebung vom Übersetzer]

RCP8.5 – das am häufigsten verwendete RCP-Szenario und dasjenige, das angeblich am besten darstellt, wie die Welt aussehen würde, wenn keine klimapolitischen Maßnahmen ergriffen würden – stellt nicht nur eine unplausible Zukunft im Jahr 2100 dar, sondern auch eine Gegenwart, die bereits jetzt erheblich von der Realität abweicht.

So projiziert das RCP8.5 bis zum Jahr 2100 einen sechsfachen Anstieg des weltweiten Kohleverbrauchs pro Kopf, während die Internationale Energieagentur und andere Energieprognosegruppen übereinstimmend davon ausgehen, dass der Kohleverbrauch seinen Höhepunkt bereits erreicht hat oder bald erreichen wird. Außerdem sieht RCP8.5 einen raschen Anstieg der Kohlendioxidemissionen bis mindestens zum Jahr 2300 vor, wenn die Erde eine atmosphärische Kohlendioxidkonzentration von mehr als 2.000 ppm erreicht. Aber auch hier haben die IEA und andere Gruppen festgestellt, dass die Emissionen aus fossilen Energieträgern wahrscheinlich ein Plateau erreicht haben, und es ist plausibel, dass die Netto-Null-Emissionen noch vor Ende des Jahrhunderts, wenn nicht viel früher, erreicht werden können. Heute sind Prognosen, dass die Kohlendioxid-Emissionen aus fossilen Brennstoffen in den nächsten 50, 100 oder 300 Jahren dramatisch ansteigen werden, einfach unplausibel.

Warum hat der IPCC dann RCP8.5 als einziges Business-as-usual-Grundgerüst gewählt? Nicht, weil er es ausdrücklich als die wahrscheinlichste oder auch nur plausibelste Zukunft der Welt ansah, obwohl die Bezeichnung beides impliziert. Vielmehr wurde RCP8.5 ausgewählt, um die Kontinuität mit den Szenarien früherer IPCC-Berichte zu gewährleisten, sowohl mit den SRES-Szenarien als auch mit früheren Basisszenarien, so dass die Ergebnisse der Klimamodellforschung über Jahrzehnte hinweg vergleichbar sind. Außerdem wurde RCP8.5 gewählt, um den Klimamodellierern zu helfen, die Unterschiede zwischen dem Verhalten des Klimas unter den angenommenen extremen Bedingungen der vom Menschen verursachten Klimaerwärmung und der natürlichen Variabilität zu untersuchen. Der Unterschied zwischen dem hohen (8,5 W/m²) und dem niedrigen (2,6 W/m²) RCP-Antriebspfad schuf, wie die Szenarioentwickler erklärten, „ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis für die Bewertung der Klimareaktion in AOGCM-Simulationen (atmospheric-oceanic general circulation model)“. Die technischen Anforderungen der Klimamodellierung und nicht die Klimapolitik haben die Gestaltung der IPCC-Szenarien bestimmt.

Diese Entscheidungen wären vielleicht vertretbar, wenn Klimamodelle einfach nur wissenschaftliche Werkzeuge wären, die dazu dienen, eine Vielzahl von Bedingungen zu erforschen, um Hypothesen und das Verständnis der Forscher für das Klimasystem zu testen. Aber Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger, die Medien, Umweltschützer und die Öffentlichkeit rechtfertigen und interpretieren Klimamodelle heute weithin so, dass sie Vorhersagen über plausible Zukünfte liefern. Durch die Wahl des RCP8.5 als eines von nur vier von den Modellierern zu verwendenden Treibhausgasszenarien und die zusätzliche Bezeichnung als „Business-as-usual“-Szenario förderte der IPCC ein Szenario, das für die wissenschaftliche Erforschung nützlich ist, aber höchst irreführend daherkommt, wenn es für Zukunftsprognosen zur Entscheidungsfindung verwendet wird.

Bei unseren Untersuchungen zur Plausibilität der IPCC-Szenarien haben wir festgestellt, dass nicht nur das RCP8.5 unplausibel ist, sondern die gesamte Reihe der vom IPCC verwendeten Basisszenarien. In gewisser Weise ist dies nicht überraschend. Wenn sich die Ereignisse in einer komplexen Welt entfalten, werden sich selbst die in den Szenarien vorausgesagten kurzfristigen Entwicklungen von der Realität entfernen. Was jedoch die wissenschaftliche Integrität betrifft, so hängt der Ruf der Wissenschaft als Quelle einzigartig zuverlässigen Wissens von ihrer internen Fähigkeit zur Selbstkorrektur ab. Im Fall der RCPs (wie auch beim Beispiel der Brustkrebsforschung nach 2007) sehen wir stattdessen ein hartnäckiges Festhalten am Irrtum. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn die Klimaszenarien keine Auswirkungen auf die Welt außerhalb der Wissenschaft hätten. Aber sie stehen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Bemühungen, die Zukunft des Klimawandels zu verstehen und die Entscheidungen der Gesellschaft darüber, wie sie darauf reagieren soll.

Eine Rube-Goldberg-Zukunft [?]

Die RCPs sind noch lange nicht das Ende der Geschichte. Ursprünglich wollte der IPCC mit ihnen eine Übergangslösung schaffen, während er eine Reihe von Szenarien entwickelte, die sozioökonomische Aspekte mit Elementen des Strahlungsantriebs zusammenführten. Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt, bis die SSP-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathway) entwickelt wurden, die im Prinzip die RCPs ablösen sollten. In der Praxis zeigt unsere Forschung, dass die RCPs zusammen mit den SSPs weiterhin in großem Umfang als Input für Klimamodelle und als Grundlage für Bewertungen, Projektionen von Klimaauswirkungen und politische Bewertungen verwendet werden.

Wir haben festgestellt, dass nicht nur das RCP8.5 unplausibel ist, sondern die gesamte Reihe der vom IPCC verwendeten Basisszenarien.

Die SSPs stellen eine enorme Leistung dar und sind selbst der Schwerpunkt einer wachsenden Literatur, die die von ihnen angestrebte Zukunft erforscht. Aber die SSPs haben viele Fehler der RCPs wiederholt, vor allem bei der Festlegung von zwei extremen, unplausiblen Entwicklungen mit zukünftigen Emissionen, die RCP8.5 nachahmen – wiederum nicht aus Gründen der Plausibilität, sondern um Kontinuität zu gewährleisten und den technischen Zwängen der Klimamodellierung gerecht zu werden. Die Ersteller der SSP haben in der Tat festgestellt, dass ihr extremstes Szenario (SSP5-RCP8.5) nur in einer begrenzten Anzahl von Modellen unter einer begrenzten Anzahl von Annahmen auftreten kann. Trotz dieses Hinweises auf die Unwahrscheinlichkeit hat das IPCC dieses Szenario als das Referenzszenario mit der höchsten Priorität für die Klimamodellierungs-Studien zur Unterstützung der nächsten IPCC-Bewertung bezeichnet.

Wie bei den RCPs wählte das IPCC auch die SSPs aus, um eine große Bandbreite an Strahlungspfaden zu repräsentieren. Dennoch haben alle RCPs und SSPs einige wichtige Annahmen gemeinsam. Eine der wichtigsten ist der prognostizierte Anstieg des Kohleverbrauchs. Das einzige RCP- und die beiden SSP-Basisszenarien, die in Klimamodellierungsstudien vorrangig behandelt werden, gehen davon aus, dass Kohle in diesem Jahrhundert praktisch alle anderen Energietechnologien verdrängen wird. In der neuesten Version des RCP8.5-Szenarios (SSP5-8.5) würde die Kohle sogar Öl und Elektrofahrzeuge überholen und zum dominierenden Kraftstoff für die Autos der Welt werden. Die Vision eines globalen Energiesystems, das für den Rest des Jahrhunderts vollständig von der zunehmenden Verbrennung von Kohle abhängig ist, lässt sich bis zum Beginn des IPCC-Bewertungsprozesses in den späten 1980er Jahren zurückverfolgen, als fehlerhafte Berichte über praktisch unbegrenzte, sehr preiswerte Kohle in China und Sibirien die frühen Prognosen bzgl. Energieverbrauch beeinflussten. Der IPCC hat diesen Fehler fortgeschrieben und ihn in Emissionsszenarien eingefroren, um die extremen Energieprognosen zu stützen, die als Grundlage für die Klimawissenschaft angenommen wurden. Es ist, als hätte es die tiefgreifenden Veränderungen im weltweiten Mix der Energieressourcen und -technologien in den letzten drei Jahrzehnten, vom Aufstieg des Erdgases bis zum Wachstum der erneuerbaren Energien, nie gegeben.

Während RCP8.5 und sein Abkömmling SSP5-8.5 eine veraltete und extreme Vision einer von Kohle dominierten Zukunft darstellen, führt das Schreckgespenst des Kohleüberflusses zu Fehlern in allen anderen Basisszenarien sowie in den politischen Szenarien, die sich aus diesen Basisszenarien ableiten. Selbst in der emissionsärmeren SSP-Grundlage, die eine global koordinierte Anstrengung zur Erreichung von Nachhaltigkeit durch grünes Wachstum darstellt (SSP1), sinkt der weltweite Kohleverbrauch erst nach dem Jahr 2080 unter das derzeitige Niveau. Die gemeinsame Annahme, dass Kohle die wünschenswerteste globale Brennstoffquelle ist – unabhängig von allen anderen sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Faktoren – führt in allen Szenarien zu einem einzigen Ausfallpunkt.

In der neuesten Version des RCP8.5-Szenarios würde Kohle sogar Öl und Elektrofahrzeuge überholen und zum dominierenden Kraftstoff für die Autos der Welt werden.

Um diesen gemeinsamen Fehler auszugleichen, mussten die politischen Szenarien des IPCC eine Art Rube-Goldberg-Zukunft erfinden. Dies ist eine imaginäre Zukunft, in der riesige Mengen an Kohle, die niemals verbrannt werden, riesige Mengen an so genannten „negativen Emissions“-Technologien (vor allem hochspekulative Bioenergie sowie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung) erforderlich machen, um politische Wege in eine kohlenstoffarme Zukunft zu schaffen. Doch obwohl die Forscher inzwischen eher die Probleme mit den RCPs und SSPs erkennen, bilden diese Szenarien weiterhin die Grundlage für Dutzende von Klimaforschungsarbeiten, die jede Woche veröffentlicht werden. Laut Google Scholar haben Autoren von Anfang 2020 bis Mitte Juni 2021 mehr als 8.500 Arbeiten veröffentlicht, in denen die unplausiblen Basisszenarien verwendet wurden, davon fast 7.200 mit RCP8.5 und fast 1.500 mit SSP5-8.5. Weder das IPCC noch die breitere Gemeinschaft der Klimamodellierer hat versucht, dieser sich ausbreitenden Fehlerquelle bei den Projektionen des künftigen Klimawandels entgegenzuwirken oder sie umzukehren.

Wiederherstellung der Integrität der Klimawissenschaft

Die Folgen der allgegenwärtigen, unplausiblen Klimaszenarien reichen weit über den IPCC-Prozess und die wissenschaftliche Literatur hinaus, die diese Szenarien ermöglicht haben. Die fortgesetzte Konzentration auf unplausible Emissionsszenarien in der Klimaforschung ist ein Versagen der vermeintlich internen Verfahren der Qualitätssicherung der Wissenschaft und damit ein Versagen der wissenschaftlichen Integrität. Die ständige Verwendung unplausibler Szenarien führt zu Fehlern und Verzerrungen in der gesamten Klimaforschung. Sie sind nun in einer Weise in die klimawissenschaftliche Literatur eingewoben, die nur sehr schwer zu entwirren sein wird.

Viele dieser Tausenden von Veröffentlichungen prognostizieren künftige Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch, Wirtschaft und Umwelt, die wesentlich extremer sind, als es das aktuelle Wissen über Emissionen und Treibhausgaspfade vermuten ließe. Da sich das Verständnis der Wissenschaftler für den Klimawandel weiter verbessert, werden sie vielleicht eines Tages zu dem Schluss kommen, dass die extremsten Auswirkungen auch bei niedrigeren Emissionspfaden plausibel sind. Aber das ist derzeit nicht der Konsens. Und so werden diese unplausiblen Projektionen apokalyptischer Auswirkungen in Jahrzehnten von Pressemitteilungen, Medienberichten und Befürwortern – wie in einem ausgedehnten Telefonspiel – in Behauptungen umgewandelt, dass der Klimawandel jetzt eine dramatische Zunahme von Extremereignissen wie Wirbelstürmen, Dürren und Überschwemmungen auslöst, Ereignisse, die eine bevorstehende globale Katastrophe vorhersagen.

Obwohl die Forscher inzwischen eher die Probleme mit den RCPs und SSPs erkennen, bilden diese Szenarien weiterhin die Grundlage für Dutzende von Klimaforschungsarbeiten, die jede Woche veröffentlicht werden.

Gleichzeitig und wenig überraschend nutzen einige Gegner der Klimapolitik die Probleme mit den IPCC-Emissionsszenarien politisch aus. Gruppen wie die Global Warming Policy Foundation in London und das Competitiveness Enterprise Institute in Washington, DC, heben den Missbrauch des RCP8.5 hervor, um die Qualität und Legitimität der Klimawissenschaft und der Bewertungen insgesamt in Frage zu stellen. Doch im Gegensatz zu vielen Angriffen auf die Klimawissenschaft [?, der Übersetzer] haben diese Organisationen in diesem Fall Recht.

Unplausible Klimaszenarien führen auch zu Fehlern und Verzerrungen bei aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen. So leitet beispielsweise die US-Regierung ihre Schätzungen der sozialen Kosten des Kohlenstoffs, die sie für die Kosten-Nutzen-Analyse von Bundesvorschriften verwendet, aus den IPCC-Szenarien ab. Auch der Finanzsektor passt die IPCC-Szenarien für seine Zwecke an. Der aufstrebende Markt für Klimaszenarienprodukte hat zu einer 40 Milliarden Dollar schweren „Climate Intelligence“-Industrie geführt, an der bekannte Unternehmen wie Swiss Re und McKinsey sowie Start-ups wie Jupiter Intelligence und Cervest beteiligt sind. Diese Unternehmen verwenden unplausible RCP-Szenarien, um verschiedene Vorhersageprodukte zu entwickeln, die sie an Regierungen und die Industrie verkaufen, die sich auf diese Produkte verlassen, um politische und geschäftliche Entscheidungen in der Zukunft zu treffen.

Gute Wissenschaft arbeitet daran, der Gesellschaft das bestmögliche Bild der realen Welt zu vermitteln. Die Emissionsszenarien der heutigen Klimawissenschaft liefern ein verzerrtes Bild, das sowohl das Verständnis als auch eine gut informierte Politikgestaltung beeinträchtigt. Solange sich die Klimawissenschaft nicht mit diesem grundlegenden Problem der wissenschaftlichen Integrität auseinandersetzt, wird ihr Potenzial, zu pragmatischen Lösungen für die lästige, außerordentlich schwierige Herausforderung des Klimawandels beizutragen, unnötig beeinträchtigt. Der Klimawandel wurde schon unzählige Male in phantasievollen Modellen gelöst, aber es ist die reale Welt, die zählt.

This piece originally appeared at issues.org and has been republished here with permission.

Link: https://cornwallalliance.org/2021/12/how-climate-scenarios-lost-touch-with-reality/

Übersetzt von Christian Freuer für das EIKE

 

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