Der Beginn der De-Industrialisierung Deutschlands – Angela Merkel, Fukushima und die Ethik-Kommission

Von Günter Keil

Es gibt wohl keine Ereignisse, die die Menschen weltweit dermaßen erschreckt haben, wie die beiden Kernkraft-Unglücke in Tschernobyl und Fukushima. Für die Medien war es eine großartige Chance, ihre Rolle als Berichterstatter von Katastrophen und auch als Mahner und Warner voll auszuspielen.

Die Kalamität für die sogenannten Normalbürger beruht allerdings auf dem Zeitfaktor. Bei besonders verheerenden Unfällen dauern die notwendigen Untersuchungen über die Ursachen, den Ablauf und die Folgen etliche Wochen, in denen von den Medien scheinbar schon alles gesagt worden ist.

Aber es sind keinesfalls nur die Medien, die für das Warten auf die Erklärungen keine Zeit haben, wenn sie doch spontan reagieren müssen. Der Politik geht es genauso. Politiker sehen gerade bei spektakulären Katastrophen die Chance, einige längst geplante Maßnahmen einzuleiten, was sich am Ende in neuen Gesetzen niederschlägt. Die Zusammensetzung des Parlaments garantiert leider, dass in fast allen derartigen Fällen der notwendige Sachverstand fehlt und diese Gesetze passieren. Zwei drastische Beispiele für Reaktorkatastrophen in Kernkraftwerken, von denen später weitgehende Konsequenzen für die deutsche Politik und dann auch für die Industrie ausgingen.

TSCHERNOBYL UND FUKUSHIMA

Diese zwei Reaktorunfälle verbreiteten sofort erhebliche Angst vor weiteren derartigen Ereignissen. Über die genauen Ursachen und den Ablauf dieser Unfälle erfuhr man fast nichts. Beim Unfall in Tschernobyl in der damaligen Sowjetunion wurde von den staatlichen Stellen zunächst nichts berichtet, bis Westwind eine gefährliche Menge radioaktiven Materials nach Westeuropa brachte. Es gab zunächst nur Berichte über ergriffene Maßnahmen. Der Grund kam natürlich heraus: Es handelte sich um eine höchst gefährliche Reaktortechnik, die niemals außerhalb der Sowjetunion bzw. Russlands eingesetzt wurde. Dieser Reaktortyp Druckröhrenreaktor hat die höchst gefährliche Eigenschaft, bei einer Temperaturerhöhung im Kern seine Kernspaltungs-Aktivität zu erhöhen – und zwar sehr schnell. Wenn es in einem solchen Fall nicht gelingt, sofort eine sehr starke Kühlung zu realisieren, „geht der Reaktor durch“ und explodiert. Diesen Reaktortyp betrieb die Sowjetunion zur Produktion atomaren Waffenmaterials. Als man nicht noch mehr davon benötigte, wurden die RMBK zur Stromerzeugung eingesetzt. Ein unbegreiflicher Fehler. Ein geradezu unglaublicher Fall menschlichen Versagens bei der Bedienungsmannschaft kam bei dem Unfall in Tschernobyl noch hinzu: Man versuchte ohne jeden konkreten Anlass einen Test. Die Kühlung wurde abgeschaltet und wenn der Reaktor sich dann aufheizte, wollte man die Kühlung einfach wieder einschalten. So begann es. Die Kühlung wurde ausgeschaltet, aber der Reaktor war schneller und die Wiedereinschaltung der Kühlung war vergebens. Der RMBK explodierte und das Gebäude flog in die Luft. Das radioaktive Material wurde herausgeschleudert. Zu dieser Reaktorkatastrophe gab es zunächst keine Informationen über die Geschehnisse und die unmittelbaren Folgen, jedoch transportierten Westwinde Material nach Westeuropa, wo Alarm ausgelöst wurde.

Zum Unfall in Fukushima: Bei dem Unfall von Fukushima im Januar 2011 lag die Ursache in der verantwortungslosen Nichtbeachtung der notwendigen Vorkehrungen, die angesichts der Lage des Kernkraftwerks an einer regelmäßig von Erd- und Seebeben bedrohten Meeresküste eine Selbstverständlichkeit sein mussten. Das gilt auch für übrige normale Sicherheitsmaßnahmen, die fehlten. In etwa 30-jährigem Rhythmus erfolgen an Japans Küste gefürchtete sogenannte Tsunamis, das sind riesige, von einem Seebeben unter dem Meeresgrund ausgelöste Flutwellen, die Tod und Verwüstung bringen. Es sei denn, man errichtet direkt an der Küste vor zu schützenden Anlagen ausreichend hohe Sperrmauern. Wie hoch sie sein mussten, war seit Jahrhunderten vollkommen klar. Der Bericht der japanischen Regierungskommission schildert den Ablauf der Katastrophe: Das Erdbeben vom 11. März 2011 zerstörte die zum Kraftwerk führende Freileitung, über die es den Strom für seinen Betrieb bezog – speziell für die Kühlpumpen des Reaktors. Das war kein Problem, denn für diesen Fall gab es Notstrom-Diesel, die dann die Kühlwasserpumpen antreiben konnten. Als dann sowohl das schwere Erdbeben und zugleich die durchaus nicht ungewöhnliche 14 Meter hohe Tsunami-Flutwelle kam, überspülte sie problemlos die mit 5,7 Metern viel zu niedrige Sperrmauer und ebenfalls die höhere Position des Kraftwerks, die 4,3 m betrug, und donnerte dann gegen das Untergeschoß des Kraftwerks, in dem die Diesel aufgestellt waren. Was dann kam, war die Folge eines weiteren Versagens bei der Konstruktion der Anlage: Die zum Meer zeigende Tür zum Dieselraum bestand leider aus einem billigen, schwachen Rolltor, das von der Welle leicht durchbrochen wurde. Dann „soffen die Diesel ab.“ Eine Notkühlung gab es nun auch nicht mehr. Das Unglück nahm seinen Lauf, obwohl das Kraftwerk abgeschaltet war – das war aber leider nur kurz vor dem Tsunami erfolgt. Deshalb gab es im Reaktor noch eine erhebliche sog. Restwärme, die das nicht mehr fließende Kühlwasser so hoch erhitzte, dass es in seine chemischen Bestandteile gespalten wurde – in Wasserstoff- und Sauerstoff-Gas. Bekannt unter dem Namen Knallgas. Was auch immer dieses Gasgemisch zündete – es explodierte und riss die Reaktorwandung auf. Wasserdampf aber auch radioaktives Material wurden ausgestoßen. Dessen Menge betrug etwa ein Fünftel der Tschernobyl-Emission. Im Kraftwerk Fukushima-Daiichi gab es keinen einzigen Todesfall; die Meldungen in den Medien sprachen von über tausend Toten. Aber das waren die Opfer der Flutwelle in dem gesamten Areal, das von der Tsunami-Welle erreicht wurde.

Auch hier war menschliches Versagen ein Grund, der bereits in der Konstruktion des Reaktors lag: Die Gefahr einer Knallgasexplosion bei längerem Ausfall der Kühlung ist seit Langem bekannt und alle Reaktoren besitzen daher im Inneren eine Rekombinationseinrichtung, die aus dem gefährlichen Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch „auf kaltem Wege“ Wasser erzeugt. Dieser ältere Reaktor hatte diese jedoch nicht; man hätte sie selbstverständlich längst nachrüsten müssen. Ein weiterer Konstruktionsfehler war das Unterlassen einer Nachrüstung der zu schwachen Druckentlastungsleitungen bei der offenbar veralteten US-Konstruktion. Weiterer Fehler: Kein Einbau von Filtern, die das Entweichen von radioaktiven Partikeln nach außen verhindern. Deutsche Reaktoren besitzen solche Filter, die 99,9 Prozent zurückhalten. Schließlich gab es noch zwei weitere Fehler, die man staatlichen Stellen anlasten muss: Bereits bei dem Bau der viel zu niedrigen Sperrmauer als auch bei der abschließenden Zulassungsprüfung der Anlage hätten sie einschreiten müssen. Vier dieser 7 Fehler – Sperrmauer, Tor zu den Notstromdieseln, Knallgasexplosion sowie unzureichende Schlussabnahme vor Indienststellung – haben ausgereicht.

In Deutschland war dieser Unfall der Anlass für die Auslösung einer Panik in den Medien – und trotz fehlender Informationen auch Anlass für sofortige Maßnahmen der Regierung Merkel gegen die gesamte Kernkraftnutzung. Dass es in Deutschland keine schweren Erdbeben und somit auch keine Tsunamis an der Küste gibt, ist Geologen wohl bekannt. Von diesem Unfall kann man aus den geschilderten Gründen keine Gründe für eine allgemein geltende Unsicherheit von kerntechnischen Anlagen ableiten.

DIE ATOMAUSSTIEGE DEUTSCHLANDS

Es waren zwei. Manche werden sich an den Ausstieg Nr.1 erinnern: Er begann unter der ersten rot-grünen Regierung mit der „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000“, die „Atomkonsens“ genannt wurde. Als erstes Kernkraftwerk wurde am 14.11.2003 das Kernkraftwerk Stade abgeschaltet. Am 11.5.2005 das KKW Obrigheim. Für alle weiteren Kernkraftwerke gab es eine Begrenzung der restlichen Stromerzeugungsmengen.

Unter dem Kabinett Merkel II wurde 2010 sogar das Atomgesetz durch eine Laufzeitverlängerung geändert: Die 7 vor 1980 in Betrieb gegangenen Reaktoren bekamen weitere 8 Betriebsjahre. Die anderen 10 erhielten 14 zusätzliche Betriebsjahre.

Frau Angela Merkel war also – leider nur bis zum 3.März 2011 (Fukushima!) – die große Förderin der Kernkraft. Es war politisch sehr nützlich für sie.

DEUTSCHLAND STIEG ALS VORBILD TOTAL AUS Fukushima aber war offenbar ein willkommener Anlass für Angela Merkel, schon länger geplante Maßnahmen endlich beschließen zu können. Denn unmittelbar nach dem Unfall beschloss die Kanzlerin den Atomausstieg Nr.2. Dass die zerstörerische Ursache des Ereignisses ein Erdbeben mitsamt folgendem Tsunami war, das war das Einzige, was sie wissen konnte. Dass es Opfer bei der hektischen Evakuierung der nahe am Unfallort lebenden Bevölkerung gab, wusste man ebenfalls. Dass es in unserem Land keine schweren Erdbeben und an der Ostseeküste keine Tsunamis gibt, weiß man eigentlich auch. Aber in Fukushima war es ein Kernkraftwerk, das explodiert war. Und das war ein Ereignis, das Frau Merkel endlich nutzen konnte.

Die Öffentlichkeit war alarmiert und irgendetwas musste geschehen. Angela Merkel lieferte sofort, und zwar bereits 3 Tage nach dem Unfall ein 3-Monate geltendes „Atom-Moratorium“ – also die Stilllegung – für die 7 ältesten Kernkraftwerke. Es sollte eine Vorsichtsmaßnahme darstellen, die jedoch keinen richtigen Sinn machte. Tatsächlich war das aber die Vorbereitung eines viel stärkeren Schlags gegen die Kernkraftwerke. Bereits am 22. März setzte sie eine Ethik-Kommission fest, „die die technischen Risiken der Kernenergie“, die von der Reaktorsicherheits-Kommission RSK festzustellen waren, „ethisch und gesellschaftlich bewerten sollte“, um dann „die Risiken eines früheren Atomausstiegs und die Nebenwirkungen anderer Energieformen abzuwägen“.

Weiter bestimmte sie: Die Ethik-Kommission sollte „eine weitergehende Betrachtungsweise des Umgangs mit Risiken ermöglichen als eine rein technische Sicherheitsprüfung“. Damit war bereits klar erkennbar, dass der Ethik-Kommission die entscheidende Rolle bei der Festlegung der künftigen Energiepolitik zukommen sollte, weshalb die Kanzlerin auch deren personelle Zusammensetzung bestimmte: Sie sollte das gewünschte Ergebnis in Form eines Gutachtens abliefern, dessen Kernforderungen wie gewünscht ausfallen mussten. Störende „technische“ Kenntnisse waren unerwünscht. Es durfte daher kein einziger Energietechnik- oder Energiewirtschafts-Experte Kommissionsmitglied sein. So sah die Liste der Mitglieder dann auch aus: Ehemalige Politiker, Vertreter von Umweltverbänden, sogar zwei Bischöfe.

Die von der Kanzlerin zusammengestellte Aufgabenbeschreibung dieser Kommission wäre selbstverständlich eine große Aufgabe für eine weitgehend mit Fachleuten besetztes Gremium gewesen: Kerntechniker für die Bewertung der Vorteile und der Risiken, Experten für die zahlreichen Sicherheitsfunktionen und für deren Weiterentwicklung, für Umweltauswirkungen, Kosten, Beeinflussung des Stromnetzes, Behandlung der radioaktiven Abfälle sowie bereits eingeleitete Neuentwicklungen. Damit hätte sich dann eine Ethik-Kommission befassen können, die allerdings keine Ruhestandspolitiker gebraucht hätte. Abgeordnete der CDU/CSU kritisierten das Fehlen der aktiven Fachpolitiker der Regierungsparteien in der Ethik-Kommission. Sie gründeten eine eigene „Arbeitsgruppe zur Zukunft der Kernenergie“. Man hat niemals mehr von ihnen etwas gehört.

Kurz vor dem 1. Treffen hat Angela Merkel den Kommissionsmitgliedern noch „weitere Erwartungen“ mitgeteilt: Sie sollten „eine in sich schlüssige Energiewende (sic) zu Neuen Energien erkunden“. Das war die Aufforderung, nichts Geringeres als ein fachlich anspruchsvolles, energietechnische und ökonomische Aspekte beurteilendes Gutachten abzuliefern.

Damit ließ sie endlich die Katze aus dem Sack: Ihr Atomausstieg richtete sich im Grunde gar nicht primär gegen die Kernenergienutzung. Der Unfall von Fukushima war endlich ein perfekt nutzbares Ereignis, um den Beginn ihrer Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien einleiten zu können. Das Ergebnis musste zwangsläufig die Abschaffung der bisherigen Energie-Industrie sein, die sonst diese 180-Grad-Wende bekämpfen würde

Damit ernannte sie ihre Ethik-Kommission de facto zur sowohl fachlichen als auch „überfachlichen“ endgültigen Entscheidungskommission für die Energiepolitik. Mit diesem nahezu religiösen Auftrag konnte die sachverständige Reaktorsicherheitskommission natürlich nicht mehr mithalten.

Nach der Ausschaltung der externen Fachleute und der Fachpolitiker der Regierungsparteien übertrug die Kanzlerin damit faktisch den Medien die Bestätigung der Richtigkeit ihres Vorgehens. Auf die Frage in einem Interview, weshalb sie denn die Kernkraft abschaffen wollte, gab sie – wohl nicht gut überlegt, aber zutreffend – die ehrliche Antwort gab: „Wegen der Leute.“ Also wegen der durch die Medien in Panik versetzten Bürger – und nicht etwa wegen der schrecklichen Risiken der Atomtechnik. Der damalige Umwelt-Bundesminister Norbert Röttgen verstieg sich zur Bestätigung dieser Kanzlerin-Erkenntnis zu der Aussage „dass die Sicherheit eben nicht ausrechenbar ist, sondern am Ende eine gesellschaftlich-politische Bewertung ist“. Was sich die RSK, die immer nur prüft, rechnet, abschätzt, vorschlägt und warnt, mal hinter die Ohren schreiben sollte.

Frau Merkel hatte aber mit ihrer Ethik-Kommission vorausschauend noch ein zweites Problem gelöst: Ihre eigene Bundestags-Fraktion, in der aktive Fachpolitiker tätig waren und die vermutlich ihre einsame Entscheidung kritisiert oder sogar auch verhindert hätten. Und deren Vertreter sehr konsequent nicht in die Vorbereitung und Auswahl sowie die Aufgabenstellung der Ethik-Kommission einbezogen wurden. Aber ihr Widerstand kam zu spät.

In ihren Abschlussbericht vom 30. Mai empfahl die Kommission den Ausstieg aus der Kernenergie-Nutzung und forderte, das innerhalb eines Jahrzehnts abzuschließen. Wie es dann weiterging, ist bekannt. Aber wie sieht denn heute unsere Situation hinsichtlich einer zuverlässigen und kostengünstigen Stromversorgung aus? Darüber wurde bis heute schon sehr viel geschrieben; sehr informativ und frei von jeglicher fachfremden Beeinflussung sind die Berichte der Bundesnetzagentur (BNA). Gleiches gilt für den kürzlich erschienenen Systemstabilitäts-Bericht der vier Übertragungsnetz-Betreiber sowie eine Studie von McKinsey über die sog. Wärmewende.

IDEOLOGISCH ABZULEHNENDE KRAFTWERKE SIND ZU SPRENGEN

Einen besonderen Umgang praktiziert Deutschland mit stillgelegten Kraftwerken, die zu den ungeliebten fossilen und nuklearen Anlagen gehören: Sie müssen vernichtet werden, damit sie niemals wieder angeschaltet werden können. Dabei geht es um die Zerstörung von durchaus wieder nutzbaren Kraftwerken, die Baukosten von mehreren Milliarden Euro hatten. Der Atomausstieg führte aber nicht etwa nur zu einer Stilllegung der Kraftwerke, sondern in deutscher Gründlichkeit zur Zerstörung der Anlagen. Die langsame Vernichtung ist der Rückbau, der lange dauert und extrem kostspielig ist. Die Sprengung ist billiger und zugleich eine publikumswirksame Demonstration. Dirk Maxeiner hat dazu festgestellt, dass die Kraftwerkssprengungen jetzt als große Happenings inszeniert werden. Kaum jemand von den begeisterten Zuschauern wird wohl begriffen haben, dass seine mittlerweile sehr hohen Stromrechnungen etwas damit zu tun haben könnten.

– Die erste Sprengung betraf das Kernkraftwerk Philippsburg im Mai 2020. Im Juni 2015 war es stillgelegt worden. – Das Steinkohlekraftwerk Ensdorf wurde am 28.6.2024 „erfolgreich gesprengt“. – Das Steinkohlekraftwerk Ibbenbühren war 2021 vorzeitig stillgelegt worden, nachdem RWE viele Millionen Euro in dessen Modernisierung investiert hatte. – Europas modernstes Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg (1.600 Megawatt) hat eine besondere Geschichte: Es wurde beim zweiten Versuch am 1. Mai 2025 durch Sprengung des Kesselhauses zerstört. Sein 140 m hohe Doppelkamin war bereits im November des Vorjahres gesprengt worden. Seine Bauzeit betrug 8 Jahre; Kosten insgesamt 3 Mrd. Euro. Mitte 2014 wurde es in einem feierlichen Akt vom damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz Betrieb genommen. Nach seinen Worten „Ein Ergebnis der Ingenieurskunst. Es läuft vermutlich 30 bis 40 Jahre.“ Am Ende waren es nicht einmal 6 Jahre. Olaf Scholz wurde später Bundeskanzler. Den Rückbau-Beginn des Ingenieurkunstwerks im Jahr 2023 erlebte er in seiner Amtszeit. Er kommentierte ihn nicht. Auch nicht die Sprengung des Doppelkamins, die im November 2024 erfolgte. Und die endgültige Sprengung am 1.Mai 2025 ebenfalls nicht.

Der Hamburger Senat beschloss am 13.6 2024, bereits nach dem begonnenen Rückbau des Kraftwerks, an dieser Stelle am Hafen ein Wasserstoff-Erzeugungszentrum, d.h. eine riesige Elektrolyseanlage zu bauen, die den neuhochdeutschen Namen „Green Hydrogen Hub“ erhielt. Das Thema Wasserstoff wird weiter unten behandelt.

– Gundremmingen und zwei nicht ganz zusammenpassende Stellungnamen aus Bayern: Die Stilllegung des Kernkraftwerks erfolgte 4 Jahre vor der Sprengung seiner zwei Kühltürme am 25.Oktober 2025 – es war buchstäblich ein Volksfest. Der Bau der Kühltürme begann zwischen 1977 und 1980. Block B war 2017 abgeschaltet worden; Block C 2021. Das Kraftwerk hat einst ein Viertel von Bayerns Stromversorgung geliefert. Ein reaktiviertes Kraftwerk Gundremmingen hätte nach Feststellung von Fachleuten bis zum Jahre 2050 Strom liefern können.

Bayerns Ministerpräsident Söder kommentierte diese Vernichtungsaktion mit dem Satz: „Bayern kann Energiewende“. Unmittelbar danach forderte er eine Rückkehr zur Nuklearenergie. In der WELT AM SONNTAG kritisierte er (Zitat): „Wir drücken die Energiepreise mit staatlichem Geld, anstatt auf günstige Erzeugung zu setzen“. Er forderte (Zitat): „Es geht nicht darum, dass wie früher große Meiler hochgezogen werden. Ich spreche von kleinen, smarten Reaktoren, wie sie es in Kanada bereits gibt.“ Und weiter: “Diese Meiler brauchen nicht solche Subventionen, wie das früher notwendig war.“ Frage: Ist Gundremmingen mit Hilfe von Subventionen gebaut worden? Und war dessen Strom zu teuer? Söder schließlich: “Wir kaufen Atomstrom aus Frankreich und Tschechien, lehnen aber Kernkraft bei uns ab.“

Der Koalitionspartner SPD und auch die Grünen, die mehr Windkraft in Bayern forderten, sowie die Linke lehnten das entschieden ab. Der stärkste Zuspruch sei von der AfD mit ihrer „Arbeitsgemeinschaft Kernkraft“ gekommen.

– Kernkraftwerk Biblis: Die ersten zwei der Kühltürme seien bereits verschwunden“. Nummer 3 und 4 sollten noch im Dezember d.J. zerstört werden. (Bericht „Mannheimer Morgen“ vom 2.12.25). Noch ist es nicht erfolgt.

DIE ALTERNATIVE: STILLLEGEN UND ABWARTEN

Ein anderer Umgang mit stillgelegten Kraftwerken kann in den USA beobachtet werden: Es gibt mehrere aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegte Kernkraftwerke. Sie stehen in der Landschaft und stören nicht. Vielleicht kann man sie noch einmal brauchen? Genau das ist jetzt der Fall: Die sehr schnell wachsende KI-Industrie hat einen extremen Strombedarf, der die regionalen Verteilungsnetze an ihre Grenzen bringt. Man baut dafür bereits neue Gaskraftwerke in der Nähe dieser Anlagen. Und nun sind die ruhenden Kernkraftwerke wieder gefragt: Sie werden reaktiviert. De-Mothballing, also Entmotten ist der Name dafür. So kommen die neuen, großen Verbraucher günstig an eine kurzfristig verfügbare, sichere Stromversorgung.

WASSERSTOFF – DIE NÄCHSTE RETTUNG DER ENERGIEWENDE

  • Es ist schon nicht mehr verwunderlich, wenn alte Techniken plötzlich wiederentdeckt werden, um die Energiewende doch noch zu einem Erfolg zu machen. Wasserstoff war ja schon einmal die große Hoffnung, als die Zeppeline den Luftverkehr über den Atlantik eröffneten. Die Katastrophe in Lakehurst bei New York beendete diese gefährliche Technik und Helium war und ist viel zu teuer. Auch als Treibstoff für Fahrzeuge bleibt Wasserstoff wohl chancenlos, wenn sowohl Kosten als auch das Risiko realistisch eingeschätzt werden. Die Versuche einiger Akteure, allen voran selbstverständlich staatliche Stellen, die ja kein eigenes Geld investieren müssten, gewisse Pilotprojekte zu starten, sind nur die fatale Folge der Planwirtschaft, die leider Deutschlands Energiewirtschaft ruiniert. Bereits die anscheinend nicht überall bekannte Tatsache, dass Wasserstoff nicht in der Natur vorkommt, sondern mit Hilfe der beträchtlich Strom verbrauchenden Elektrolyse oder aus Methan hergestellt werden muss, beendet alle Spekulationen für eine bedeutende zusätzliche Anwendung. Wo es keine Alternativen gibt – z.B. in der chemischen Industrie – da wird es verwendet.

Der Bundesrechnungshof erklärte in einem jetzt vorgelegten Sonderbericht das gesamte Superprojekt „Nationale Wasserstoffstrategie“ als offiziell gescheitert. Seine Bewertung: „Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Es gefährde die Treibstoff Zukunftsfähigkeit Deutschlands.“ Der Bund hatte bereits seit 2024 7 Mrd. Steuergeld zur Verfügung gestellt; weitere Milliarden sind bereits zugesagt worden. Aus den Hamburger Plänen wird wohl nichts werden.

JETZT ALSO ERDGAS

Nun sollen doch fossile Erdgas-Kraftwerke in großer Zahl gebaut werden? Und zwar zur Rettung der Energiewende. Das kann man nicht mehr verstehen, muss man auch nicht. Es ist einfach die deutsche Energie-Planwirtschaft, über die die Washington Post geschrieben hat: „Es ist die dümmste Energiepolitik der Welt.

Ganz aktuell ist der oben erwähnte von der Regierung geplante Bau von 20 neuen Gaskraftwerken, die vor allem die Schwankungen der Leistung der wetterabhängigen Windkraftanlagen, die keine sogenannte Grundlast liefern können, ausgleichen sollen. Ebenso wie Solarstrom-Paneele – sie liefern des Nachts nichts und tagsüber ein Verhalten wie die Windturbinen. Aber Gaskraftwerke können es ebenfalls nicht. Es sind sogenannte Spitzenkraftwerke, die nur kurzzeitig bei Versorgungslücken einspringen. Ihr Strom ist teuer – und im Grundlastbetrieb würden die Turbinen nicht lange leben. Es wurden sogar noch höhere Zahlen als 20 genannt: Der Bericht zur Versorgungssicherheit Strom“ der BNA (s.o.) vom 3.9.2025 teilt mit, dass bis 2025 ein tatsächlicher Bedarf an regelbaren Kraftwerken(s.o.) – d.h. nur Gas- und Kohlekraftwerke – von bis zu 35,5 Gigawatt (also 35500 Megawatt) besteht. Falls man nicht auf die Reaktivierung von Kohlekraftwerken setzen will, sondern das mit neuen Gaskraftwerken vorhat, wäre das nicht nur vollkommen unbezahlbar und weit jenseits jeder Realität. Es gibt zudem ernsthafte Zweifel darüber, ob man vielleicht nur 5 Gaskraftwerke bauen könnte: Der Zeitaufwand für Lieferzeit und Bau eines Gaskraftwerks beträgt nach Ansicht von Experten 40 Monate. Große Gasturbinen werden nur von vier Herstellern produziert: General Electric Vernova, Siemens Energy, Mitsubishi und Harbin. Diese Hersteller haben in der Vergangenheit ihre Produktionskapazität wegen des schlechten Geschäfts verringert. Siemens hatte sogar über einen Verkauf dieser Sparte nachgedacht. Jetzt wird wieder aufgebaut. Die größte Produktionskapazität wird für die Belieferung Asiens eingesetzt; bei GE sind es 39% allein für China. Dort haben die Gaskraftwerke insgesamt bereits eine Kapazität von 151 Gigawatt (GW), 46 GW sind im Bau. Der Vergleich für den Bestand heute: Asien hat z.Zt. 120 GW; die Americas 24 GW und die EU 14 GW. Der Produktions-„Flaschenhals“ sind die Turbinenschaufeln. Es gibt nur wenige Hersteller. Neben den Turbinenschaufeln könnte auch die Versorgung mit großen Schmiedestücken schwierig werden, wird Thomas Thiemann von Siemens Energy zitiert. Als Ergebnis aller dieser Schwierigkeiten und angesichts des Riesenbedarfs Asiens wird über eine lange Warteschlange für die Auftragsgeber der neuen Gaskraftwerke berichtet. Man wird sehen, wie es Deutschland bei diesem Vorhaben ergeht.

Die „neuen“ Techniken Elektromobil und Wärmepumpe, die alles andere als „grün“ sind, werden den Stromverbrauch deutlich erhöhen, was mehr Stromimporte benötigt. Frankreich exportiert viel Strom nach Deutschland, aber es importiert ihn auch von uns. Die enorm ausgebaute Kernkraft hat es den Franzosen erlaubt, billig elektrisch zu heizen. Hier bei uns unvorstellbar. Aber früher hat Frankreich im Winter noch Strom aus Deutschland importiert. Unsere Stromversorgung ist jedoch bereits ausreichend geschädigt worden – die weltweit höchsten Stromkosten und die bereits begonnene Auswanderung stromintensiver Industrieunternehmen beweisen es. Werden wir unseren Nachbarn im Winter beliefern können? Oder werden es vielmehr gerade wir sein, die dauerhaft auf Atomstrom aus Frankreich angewiesen sind?

HYPES

Es ist Neuhochdeutsch. „Hypes“ sind neue Methoden und Techniken, die geradezu wunderbar sind. Wenn das kommt, kann nichts mehr schiefgehen. Bei näherem Betrachten stellen die stets vorhandenen Kritiker fest, dass die Hypes zunächst einmal altbekannt und nur modisch kostümiert sind. Und schon vor längerer Zeit wegen aller möglichen Nachteile bis auf einige sogenannte Nischenanwendungen ad acta gelegt worden sind. Die Energiewende besteht weitgehend auf diesen „neuen“ Hoffnungsträgern: Windgeneratoren – die leider von der Witterung und auch noch von der Physik schwer benachteiligt sind; Photovoltaikanlagen („Solarstrom“), die (mit Ausnahme von Satelliten) für nahezu jegliche zuverlässige Stromversorgung nicht zu gebrauchen sind und für die es ebenfalls keine bezahlbaren Großspeicher gibt; neuerdings die Luftwärmepumpen, die leider in recht kalten Wintern einfach aus der fehlenden Wärmeenergie der eisigen Außenluft keine Heizungswärme gewinnen und sie in die Wohnung „pumpen“ können. Und die dann zwar heizen, aber zu 100 Prozent elektrisch. Die gleichfalls ganz neuen Batterie-Großspeicher für Wind- und Solarstrom beruhen auf keineswegs neuen Batterietechniken, sondern auf alten und nach wie vor teuren. Man ist dabei, sie zu bauen – ihr Geheimnis: An den gespeicherten Kilowattstunden kann man wegen des irrsinnigen Strompreises trotzdem gut verdienen. Auch wenn sie in ca. 2 Stunden leer sind.

Es ist sogar nicht mehr undenkbar, dass wir alle noch halbwegs brauchbaren Kohlekraftwerke aus ihrem Ruhestand holen, um wenigstens im Winter die Situation von etwa 1965 zu erreichen. Das wäre übrigens eine sehr gute Nachricht für unsere letzte Hoffnung: Die Lausitz. Deren Tagebau. Zurück zum Brikett. Das ist auch für Kaminöfen bestens geeignet.

An dem gelungenen Trick mit der Ethik-Kommission werden wir voraussichtlich noch eine Zeitlang zu knabbern haben.